Leitsatz
Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V die Leistung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) durch die gesetzliche Krankenversicherung auf Personen beschränkt, die miteinander verheiratet sind.
Gesetze: SGB V § 27 a Abs. 1 Nr. 3
Instanzenzug: SG Leipzig S 8 KR 87/02 vom
Gründe
B.
Das Vorlageverfahren betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass § 27 a Abs. 1 Nr. 3 und 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) die Leistung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) durch die gesetzliche Krankenversicherung auf Personen beschränkt, die miteinander verheiratet sind, und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten zur Verwendung zulässt.
I.
1. Die Finanzierung von medizinischen Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) wird als Leistung der gesetzlichen Krankenkasse durch das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch geregelt. Rechtsgrundlage ist § 27 a SGB V, der durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-Anpassungsgesetz 1990 - KOVAnpG 1990) vom (BGBl I S. 1211) rückwirkend zum in das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen wurde. Die Vorschrift wurde zuletzt durch Art. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom (BGBl I S. 2190) geändert. Einen Anspruch auf die Leistung medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft haben nur Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Der Leistungsanspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40., und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Die Zahl der von der Krankenkasse finanzierten Befruchtungsversuche wurde von vier auf drei reduziert. Die Leistungspflicht der Krankenkasse wurde auf 50 vom Hundert der entstehenden Kosten beschränkt. § 27 a SGB V hat nunmehr folgenden Wortlaut:
§ 27 a
Künstliche Befruchtung
(1) Die Leistungen der Krankenbehandlung umfassen auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, wenn
1. diese Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind,
2. nach ärztlicher Feststellung hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird; eine hinreichende Aussicht besteht nicht mehr, wenn die Maßnahme drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden ist,
3. die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind,
4. ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden und
5. sich die Ehegatten vor Durchführung der Maßnahmen von einem Arzt, der die Behandlung nicht selbst durchführt, über eine solche Behandlung unter Berücksichtigung ihrer medizinischen und psychosozialen Gesichtspunkte haben unterrichten lassen und der Arzt sie an einen der Ärzte oder eine der Einrichtungen überwiesen hat, denen eine Genehmigung nach § 121 a erteilt worden ist.
(2) Absatz 1 gilt auch für Inseminationen, die nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden und bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht. Bei anderen Inseminationen ist Absatz 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz und Nr. 5 nicht anzuwenden.
(3) Anspruch auf Sachleistungen nach Absatz 1 besteht nur für Versicherte, die das 25. Lebensjahr vollendet haben; der Anspruch besteht nicht für weibliche Versicherte, die das 40. und für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet haben. Vor Beginn der Behandlung ist der Krankenkasse ein Behandlungsplan zur Genehmigung vorzulegen. Die Krankenkasse übernimmt 50 vom Hundert der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt werden.
(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach Absatz 1.
2. In der Bundesrepublik Deutschland wurden in den Jahren 2003 rund 105.000, 2004 rund 60.000 und 2005 rund 56.000 Behandlungen zur künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation - IVF) durchgeführt (Deutsches IVF-Register, Jahrgang 2005, S. 6). Im Jahr 2003 kamen etwa 16.000 künstlich gezeugte Kinder zur Welt (Dt.Ärztebl. 2005, S. A 398), 2004 rund 10.000 (Deutsches IVF-Register, Jahrgang 2005, S. 14). Die intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) ist im Rahmen der extrakorporalen Befruchtung ein besonderes Verfahren zur Behandlung der Kinderlosigkeit; nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 88, 62) ist es eine medizinische Maßnahme im Sinne des § 27 a SGB V. Bei diesem Verfahren wird eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle injiziert mit dem Ziel, eine Schwangerschaft bei der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt (näher dazu BSG, a.a.O.; Felberbaum/Küpker/Diedrich, Dt.Ärztebl. 2004, S. A 95 <A 96>; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, 5. Aufl. 2003, Rn. 555). Die Wahrscheinlichkeit, dass es durch eine Behandlung nach der ICSI-Methode zu einer klinischen Schwangerschaft kommt, liegt für unter 35-jährige Frauen über 30 %, für über 40-Jährige bei etwa 12 % (Deutsches IVF-Register, Jahrgang 2005, S. 12). Das Verhältnis der Anzahl der Geburten pro Anzahl der durchgeführten Behandlungen lag 2004 bei etwa 18 % (Deutsches IVF-Register, Jahrgang 2005, S. 14). Das Risiko einer Fehlbildung liegt bei einer ICSI-Maßnahme bei 8,6 % der Lebendgeburten und damit über dem Durchschnitt (Felberbaum/Küpker/Diedrich, a.a.O., S. A 100).
II.
1. Die 1972 geborene Klägerin des Ausgangsverfahrens ist ebenso wie ihr Lebensgefährte, mit dem sie seit 1995 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, gesetzlich krankenversichert. Nach den Feststellungen des Ausgangsgerichts lässt sich ihr Kinderwunsch aufgrund einer Fertilitätsstörung des Mannes nur im Wege einer künstlichen Befruchtung in Form der ICSI-Methode verwirklichen. Nachdem der Lebensgefährte der Klägerin im August 2001 ein Vorab-Vaterschaftsanerkenntnis in notarieller Form abgegeben hatte, beantragte die Klägerin im November 2001 bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der sich nach einem ärztlichen Kostenvoranschlag auf rund 2.700 DM belaufenden Kosten für eine ICSI-Behandlung. Vorgelegt wurde ferner ein Schreiben der Sächsischen Landesärztekammer; danach sei im gegebenen Fall trotz des Fehlens einer ehelichen Lebensgemeinschaft eine IVF-Behandlung ausnahmsweise zulässig. Die Krankenkasse lehnte den Antrag unter Hinweis auf das Ehegattenerfordernis des § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V ab. Hiergegen hat die Klägerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage zum Sozialgericht erhoben.
2. Das Sozialgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 27 a Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V in der Fassung von Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die 19. Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften (KOV-Anpassungsgesetz 1990 - KOVAnpG 1990, BGBl I S. 1211) wegen Verletzung der Art. 6 Abs. 1 und 5, Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 1 Abs. 1 GG insoweit verfassungswidrig ist, als medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung) nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ausschließlich auf Personen beschränkt sind, die miteinander verheiratet sind (§ 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V), und ausschließlich von Ehegatten Ei- und Samenzellen verwendet werden dürfen (§ 27 a Abs. 1 Nr. 4 SGB V).
Das vorlegende Gericht hält die Tatbestandsvoraussetzung des § 27 a SGB V mit Ausnahme des Bestehens einer Ehe zwischen der Klägerin des Ausgangsverfahrens und ihrem Partner für gegeben. Sei die Vorschrift insoweit verfassungsgemäß, müsse die zulässige Klage abgewiesen werden; sei sie verfassungswidrig, sei ihr dagegen stattzugeben. Der Ehegattenvorbehalt in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V verstoße gegen das Grundgesetz. Eine verfassungskonforme Auslegung sei nicht möglich. Art. 6 Abs. 1 GG schütze nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie. Auch diese habe der Staat zu fördern. Eine künstliche Befruchtung könne das Entstehen einer Familie in gleicher Weise bei Unverheirateten wie bei Verheirateten herbeiführen, ohne dass es zu diesem Zweck einer vorhergehenden Eheschließung bedürfe. Die gesetzliche Regelung sei zudem geeignet, die Freiheit nichtehelicher Lebenspartner zu beeinträchtigen, von einer Eheschließung abzusehen, um den Kinderwunsch doch noch auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung zu verwirklichen. Die Regelung verstoße auch gegen Art. 6 Abs. 5 GG. Die einseitige Förderung künstlicher Befruchtung bei Ehepaaren bedinge eine von Verfassungs wegen verbotene Benachteiligung nichtehelicher Kinder noch vor der Geburt durch Verweigerung der Existenz und verletze Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Unterscheidung danach, ob die Personen, die Maßnahmen nach § 27 a SGB V in Anspruch nehmen, miteinander verheiratet sind, sei dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung wesensfremd; es gehe um die Behandlung einer Krankheit in der Form der Sterilität. Auch sei die zur Prüfung gestellte Regelung mit Art. 2 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unvereinbar. Die Entstehung von Leben werde davon abhängig gemacht, ob die Erzeuger verheiratet seien. Auch widerspreche es dem Sozialstaatsprinzip, die Erfüllung des Kinderwunsches an den Bestand einer Ehe zu knüpfen.
III.
Zur Vorlage haben das Bundesministerium für Gesundheit namens der Bundesregierung, der Bundesverband der Betriebskrankenkassen namens der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung und die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht Stellung genommen. Mit Ausnahme des Verbandes der privaten Krankenversicherung haben sie und die Beteiligten des Ausgangsverfahrens sich in der mündlichen Verhandlung geäußert. Weiter haben die obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß § 82 Abs. 4 BVerfGG Auskünfte erteilt.
1. Das Bundesministerium für Gesundheit hält die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Vorschrift für verfassungsgemäß. Systematik und Historie der Vorschrift belegten, dass hierdurch eine besondere Leistungsform geschaffen worden sei, die nur Eheleuten zuteil werden könne. Der entsprechende Anspruch sei vom allgemeinen Leistungsanspruch bei Krankheit abgegrenzt. Mit der Begrenzung der Leistung auf miteinander verheiratete Personen habe der Gesetzgeber die ihm von der Verfassung eingeräumte Privilegierungsmöglichkeit der Ehe wahrgenommen. Darüber hinaus stünde dem Gesetzgeber bei der konkreten Ausgestaltung der leistungsrechtlichen Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung ein weiter Gestaltungsspielraum zu, innerhalb dessen er mit § 27 a Abs. 1 SGB V eine typisierende Regelung unter Anknüpfung an den Tatbestand der Ehe geschaffen habe. Das Bestehen einer Ehe erweise sich als objektivierbares Kriterium für die Festigkeit einer Partnerschaft und erspare komplizierte Einzelfallprüfungen.
Das Anknüpfen an das Bestehen einer Ehe sei auch sachgemäß, da eine Ehe als eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft grundsätzlich die Gewähr dafür biete, dass Mutter und Vater langfristig Verantwortung für ihre Kinder übernehmen. Auch bei anderen Regelungen, insbesondere denjenigen zur beitragsfreien Familienversicherung, knüpfe das geltende Recht der gesetzlichen Krankenversicherung an das Vorliegen einer Ehe an. Eine Benachteiligung nichtehelicher Kinder oder ein Eingriff in das Recht auf Leben sei nicht ersichtlich, da keine Form existenten oder werdenden Lebens vorliege. Der Gesetzgeber sei zwar nicht gehindert, auch nichtehelichen Lebensgemeinschaften einen Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft einzuräumen. Verfassungsrechtlich verpflichtet sei er hierzu jedoch nicht.
2. Nach Auffassung des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen ist die zur Prüfung gestellte Vorschrift verfassungsgemäß. Die Beschränkung des Leistungsanspruchs auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf miteinander verheiratete Personen stelle vor dem Hintergrund des Schutzes von Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Bevorzugung der Ehe gegenüber anderen Formen von Lebensgemeinschaften dar. Das Gebot aus Art. 6 Abs. 5 GG, nichtehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre Entwicklung und ihre gesellschaftliche Stellung zu schaffen, sei nicht betroffen, da es vorliegend erst um die Zeugung eines Kindes gehe. Gleiches gelte für den Schutz des Lebens in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Die im Vergleich zu Ehepaaren bestehende Ungleichbehandlung nichtehelicher Lebensgemeinschaften sei durch die Möglichkeit der Bevorzugung der Ehe legitimiert. Die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht berührt, da es an einem entsprechenden Eingriff fehle.
3. Der Verband der privaten Krankenversicherung hat auf das Fehlen einer ausdrücklichen Leistungspflicht in den für die private Krankenversicherung einschlägigen Musterbedingungen MB/KK 94 verwiesen. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gleichwohl in der privaten Krankenversicherung ein Anspruch auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft bestehe, müsse dieser auf Eheleute beschränkt bleiben. Diesen käme nach Art. 6 GG ein besonderer Schutz zu, der ausnahmsweise die Ausweitung des Versicherungsschutzes legitimiere.
4. Die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht hält die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Vorschrift für verfassungsgemäß. Die unterschiedliche Behandlung von Eheleuten und nichtehelichen Lebensgemeinschaften sei gerechtfertigt. Die Verfassung sehe eine grundsätzliche Privilegierungsmöglichkeit der Ehe gegenüber anderen Formen menschlichen Zusammenlebens vor. Zugleich stelle sie aber auch die Familie unter den Schutz der staatlichen Gemeinschaft. Hiervon sei auch die Familiengründung umfasst, die ein legitimes Anliegen sowohl von verheirateten wie auch von nicht verheirateten Paaren darstelle. Gleichwohl genieße nach überwiegender Auffassung die auf der Ehe basierende Familie im verfassungsrechtlichen Gefüge Vorrang vor der nichtehelichen Familie.
Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Gleichbehandlung nichtehelicher Kinder mit ehelichen Kindern sei im geltenden Familienrecht weitgehend verwirklicht. Demzufolge sei auch der Personenstand der Eltern für den späteren rechtlichen Status des Kindes nahezu ohne Auswirkungen. Somit komme es rechtlich nicht entscheidend darauf an, dass eine vor Zeugung abgegebene Sorgeerklärung der nicht verheirateten Eltern nach überwiegender Auffassung unwirksam sei. Demgegenüber spiele der Personenstand der Eltern für das Kindeswohl eine erhebliche Rolle. Dies gelte bereits im Hinblick auf die ökonomische Absicherung des Kindes, da Eheleuten umfassende gesetzliche Ansprüche auf Unterhalt, Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie eine wechselseitige erbrechtliche Beteiligung zukämen, die sich zumindest mittelbar auf den ökonomischen Status des Kindes auswirkten. Für das Kindeswohl repräsentiere die Ehe trotz des zwischenzeitlichen gesellschaftlichen Wandels die stabilste und gesellschaftlich in erster Linie anerkannte Form der Familiengründung. Soziologische Untersuchungen belegten, dass Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft regelmäßig die Ehe schlössen, wenn Kinder hinzukämen. Es fänden sich nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass eine rechtlich verfestigte Paarbeziehung zwischen Eltern die besten Entwicklungschancen für Kinder eröffne.
5. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens haben sich in der mündlichen Verhandlung geäußert. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat sich der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichtes angeschlossen, die Beklagte ihr widersprochen und insbesondere auf die praktischen Probleme hingewiesen, falls der Ehegattenvorbehalt in § 27 a SGB V entfalle.
B.
Die Vorlage ist zulässig, die Vorlagefrage ist jedoch einzuschränken. Sie kann § 27 a Abs. 1 Nr. 4 SGB V nicht umfassen. Soweit diese Vorschrift von Ehegatten spricht, knüpft sie damit lediglich - wie im Übrigen ebenso § 27 a Abs. 1 Nr. 5 SGB V - an den in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V geregelten Ehegattenvorbehalt an. Regelungszweck ist vor allem, die so genannte heterologe Insemination als Methode der künstlichen Befruchtung von der Finanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung auszuschließen (vgl. , SozR 3-2500 § 27 a Nr. 4). Diese Frage ist jedoch für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens nicht erheblich (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 58, 300 <319>; stRspr), da ausschließlich Samenzellen des Lebenspartners der Klägerin des Ausgangsverfahrens verwendet werden sollen und daher eine so genannte homologe Insemination beabsichtigt ist (vgl. Deutsch/Spickhoff, a.a.O., Rn. 544).
Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung ist im Übrigen nicht die Frage, ob eine künstliche Befruchtung bei nicht miteinander verheirateten Paaren durchgeführt werden darf. Das Grundgesetz steht einer solchen medizinischen Maßnahme unzweifelhaft nicht entgegen. Zu entscheiden ist im Rahmen der Vorlage ausschließlich darüber, ob der Gesetzgeber die Leistungen der Krankenversicherung aus Anlass einer künstlichen Befruchtung auf Ehepaare beschränken darf.
C.
§ 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Er verletzt weder Art. 3 Abs. 1 GG (I) noch sonstiges Verfassungsrecht (II).
I.
Die zur Prüfung vorgelegte Norm verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfGE 112, 50 <67>; stRspr).
2. § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V schließt die gesetzlich versicherten Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft von der Sachleistung einer medizinischen Maßnahme nach dieser Vorschrift aus, auch wenn im Übrigen die Voraussetzungen gegeben sind. Sie werden dadurch im Verhältnis zu Ehepaaren finanziell benachteiligt und müssen, wenn sie die gewünschte künstliche Befruchtung vornehmen wollen, die gesamten Kosten dafür selbst tragen.
3. Diese unterschiedliche Behandlung ist jedoch sachlich gerechtfertigt.
a) Die dargestellte Ungleichbehandlung wäre allerdings im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu rechtfertigen, würden die in § 27 a SGB V geregelten medizinischen Maßnahmen der Beseitigung einer Krankheit im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 4 und § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V dienen. Dann hätte die Vorschrift, würde sie eine solche Leistung der gesetzlichen Krankenkasse nur Verheirateten, aber nicht unverheirateten Personen zugute kommen lassen, vor Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bestand. Der Gesetzgeber hat jedoch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27 a SGB V nicht als Behandlung einer Krankheit angesehen, sondern nur den für Krankheiten geltenden Regelungen des SGB V unterstellt (vgl. BTDrucks 11/6760, S. 14). Dementsprechend findet § 27 a SGB V keine Anwendung auf Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27 Abs. 1 Satz 4 SGB V, die - wie beispielsweise chirurgische Eingriffe, die Verordnung von Medikamenten oder eine psychotherapeutische Behandlung - als Krankenbehandlung zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit angesehen werden (vgl. BTDrucks, a.a.O.). Solche Maßnahmen haben Vorrang vor einer medizinischen Maßnahme nach § 27 a SGB V (vgl. BTDrucks, a.a.O., S. 14 f.). Dem entspricht auch die Auffassung des Bundessozialgerichts, durch § 27 a SGB V sei ein eigenständiger Versicherungsfall geschaffen worden (vgl. BSGE 88, 62 <64 f.>).
Dieses § 27 a SGB V zugrunde liegende Konzept ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung näher zu bestimmen (vgl. BVerfGE 115, 25 <45 ff.>), auch - wie hier - in einem Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht von vornherein veranlasst ist. Mit der besonderen Regelung des § 27 a SGB V stellt sich zudem die Frage nicht, ob die Verfahren der künstlichen Befruchtung, die mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden sind, andererseits aber nur in 18 von 100 Behandlungen zur Geburt eines Kindes führen, als wirtschaftlich im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V angesehen werden können. Er ermöglicht darüber hinaus die Behandlung auch in Fällen, in denen die Kinderlosigkeit eines Paares medizinisch nicht erklärt werden (sog. idiopathische Sterilität) und deshalb ein "kranker" Versicherter auch nicht gefunden werden kann (vgl. BSGE 88, 62 <64>). Vermieden werden durch die Ausgestaltung des § 27 a SGB V als Sondertatbestand auch Abgrenzungsprobleme, die entstünden, würde man die allgemeinen Vorschriften über die Behandlung von Krankheiten auf einen solchen Sachverhalt unmittelbar anwenden. Dies gilt beispielsweise für Fälle wie hier, in denen die Behandlung gerade der Partner erfährt, der keine Fertilitätsstörung aufweist.
b) Der Gesetzgeber hatte hinreichende sachliche Gründe, die Gewährung der Leistung nach § 27 a SGB V daran zu knüpfen, dass Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind.
aa) Der Gesetzgeber durfte bei seiner Entscheidung über die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung daran anknüpfen, dass das Bürgerliche Gesetzbuch in Ausformung der besonderen Schutzgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG in Ehegatten Partner einer auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft sieht und sie gesetzlich anhält, für einander Verantwortung zu tragen (§ 1353 Abs. 1 BGB). Diese Pflicht beinhaltet wechselseitigen Beistand in Zeiten der Bedrängnis (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Aufl. 2006, § 18 Rn. 49) und insbesondere in Zeiten der besonderen körperlichen und seelischen Belastung. Diese Beistandspflicht hat der Gesetzgeber als Rechtspflicht ausgestaltet; ihr näherer Inhalt ist von der jeweiligen konkreten Situation abhängig (Gernhuber/Coester-Waltjen, a.a.O., § 18 Rn. 47). In der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann diese Verantwortung nur freiwillig wahrgenommen werden. Die Ehe ist nach wie vor die rechtlich verfasste Paarbeziehung von Mann und Frau, in der die gegenseitige Solidarität nicht nur faktisch gelebt wird, solange es gefällt, sondern rechtlich eingefordert werden kann (Schwab, FamRZ 2007, S. 1 <3>). Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass die Ehe auch in einer solchen Situation, in der sich Paare ihren Kinderwunsch im Wege der künstlichen Befruchtung erfüllen wollen, die Grundlage für eine erhöhte Belastbarkeit der Partnerschaft darstellt. Die hohe Belastung ergibt sich im Zusammenhang mit den medizinischen Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung insbesondere daraus, dass oft mehrere, beide Partner physisch und psychisch fordernde Versuche notwendig sind, diese Versuche zudem nicht selten erfolglos bleiben, und die künstliche Befruchtung nur in 18 von 100 Behandlungen zur Geburt eines Kindes führt. Die Versuche können mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein. Dem entspricht es, dass die Musterrichtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion umfassende Beratungspflichten auch im Hinblick auf die gesundheitlichen Folgen von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft vorsieht (vgl. Dt.Ärztebl. 2006, S. A 1392). Hinzu kommt im Falle der hier in Frage stehenden ICSI-Methode das erhöhte Risiko einer Fehlbildung des Kindes (siehe oben unter A I 2). Es liegt im Einschätzungsermessen des Gesetzgebers, dass er die eheliche Partnerschaft als besonders geeignet ansieht, die mit den in Frage stehenden medizinischen Maßnahmen verbundenen Belastungen und Risiken gemeinsam zu bewältigen.
bb) Der Gesetzgeber durfte auch in typisierender Betrachtung die Ehe wegen ihres besonderen rechtlichen Rahmens als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft, und deshalb den Ehegattenvorbehalt in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V vorsehen. So ist die Ehe nach § 1353 Abs. 1 BGB auf Lebenszeit angelegt und nur unter den Voraussetzungen der Aufhebung (§§ 1313 ff. BGB) oder Scheidung (§§ 1564 ff. BGB) wieder auflösbar, während nichteheliche Partnerschaften jederzeit beendet werden können, auch wenn diese sich im konkreten Fall als eine feste Bindung erweisen. Die ehelichen Bindungen bieten einem Kind grundsätzlich mehr rechtliche Sicherheit, von beiden Elternteilen betreut zu werden. Auch sind Ehegatten einander nach § 1360 BGB gesetzlich verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie zu unterhalten. Dieser Unterhalt ist mit auf die Bedürfnisse der gemeinsamen Kinder ausgerichtet, begünstigt auch sie und bestimmt maßgeblich ihre wirtschaftliche und soziale Situation (vgl. BVerfGE 103, 89 <109 f.>; 107, 205 <217>). Eine solche Verpflichtung besteht bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht. Hier beschränkt sich die Pflicht zur Unterhaltszahlung auf den Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB, den derjenige Elternteil für begrenzte Zeit beanspruchen kann, der das Kind alleine betreut. Zudem wird die wirtschaftliche und soziale Situation eines ehelichen Kindes - worauf auch die Wissenschaftliche Vereinigung für Familienrecht in ihrer Stellungnahme hingewiesen hat - durch die für die Ehe geltenden besonderen güter-, versorgungs- und erbrechtlichen Regelungen gestärkt.
Daher konnte der Gesetzgeber in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V die Leistung vom Bestehen einer Ehe abhängig machen, ohne gegen den Grundsatz zu verstoßen, dass die unterschiedlichen Formen der Familie im Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG im Verhältnis zueinander verfassungsrechtlich als gleichwertig anzusehen sind (vgl. dazu BVerfGE 25, 167 <196>; 106, 166 <176>).
II.
Auch andere Grundrechte sind nicht verletzt. Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht berührt, weil ihm - auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip - keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden kann, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern. Eine derartige Förderung liegt in seinem Ermessen (a.A. Sodan, Künstliche Befruchtung und gesetzliche Krankenversicherung, 2006, S. 66 ff.). Es wäre dem Gesetzgeber allerdings verfassungsrechtlich nicht verwehrt, die Leistungen nach § 27 a SGB V auszuweiten und insbesondere - wie dies in einigen anderen europäischen Ländern der Fall ist - auch nichtehelichen Partnern den Weg einer Finanzierung der künstlichen Befruchtung durch die gesetzliche Krankenversicherung zu öffnen. Verfassungsrechtlich dazu verpflichtet ist er nicht.
Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 5 GG sind schon deshalb nicht verfassungsrechtlicher Maßstab für die hier zur Prüfung gestellte Vorschrift, weil ihr Schutzauftrag nicht Kinder erfasst, die noch nicht gezeugt sind.
Das Urteil ist mit 7 : 1 Stimmen ergangen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 1343 Nr. 19
AAAAC-39329