Leitsatz
[1] Werden einzelne, in der Vergangenheit fällig gewordene Unterhaltsansprüche längere Zeit nicht verfolgt, kann ihrer Durchsetzung der Einwand der Verwirkung entgegenstehen. Der Verwirkung unterliegt aber nur der jeweilige Anspruch als solcher und nicht etwa der bloße Umstand, dass sich der Unterhaltsschuldner insoweit in Verzug befindet.
Gesetze: BGB § 242 Cc; BGB § 1585 b Abs. 2; BGB § 1613 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: AG Bersenbrück 12 F 34/98 vom OLG Oldenburg 12 UF 22/04 vom
Tatbestand
Die Antragsgegnerin begehrt von dem Antragsteller in dem vom Scheidungsverbund abgetrennten Verfahren nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit ab rechtskräftiger Scheidung.
Die Antragsgegnerin, deren Erwerbsfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung erheblich eingeschränkt ist, bezieht seit der Scheidung der Ehe laufend Hilfe zum Lebensunterhalt. Das Sozialamt hat die übergegangenen Unterhaltsansprüche zur gerichtlichen Durchsetzung auf die Antragsgegnerin zurückübertragen.
Der Antragsteller ist als kaufmännischer Angestellter berufstätig. Er ist wieder verheiratet und hat mit seiner zweiten Ehefrau eine im März 1999 geborene Tochter. Er wohnt mit seiner neuen Familie mietfrei in einem eigenen Einfamilienhaus.
Die Ehe der Parteien ist seit dem rechtskräftig geschieden. Während des Scheidungsverfahrens begehrte die Antragsgegnerin u.a. im Wege eines Stufenantrags nachehelichen Ehegattenunterhalt. Den Auskunftsantrag erklärten die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom übereinstimmend für teilweise erledigt. Abschließende Auskunft erteilte der Antragsteller mit Schreiben vom . Einen bezifferten Unterhaltsantrag stellte die Antragsgegnerin in der Folgezeit trotz Aufforderung des Gerichts vom , rechtskräftiger Ehescheidung am , weiterer Erinnerung vom und Abrechnung der Verfahrenskosten im September 1999 zunächst nicht. Erst mit Schriftsatz vom kündigte die Antragsgegnerin einen bezifferten Zahlungsantrag an.
Das Amtsgericht hat den Antragsteller nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erwerbsfähigkeit der Antragsgegnerin zur Zahlung nachehelichen Ehegattenunterhalts in Höhe von monatlich 665 € ab April 1999 verurteilt. Auf die Berufung des Antragstellers hat das Oberlandesgericht die Entscheidung abgeändert und den Antragsteller unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags verurteilt, an die Antragsgegnerin (erst) ab Juni 2002 nachehelichen Unterhalt in dieser Höhe zu zahlen. Gegen die Abweisung des Antrags für die Zeit von April 1999 bis Mai 2002 richtet sich die - vom Berufungsgericht zugelassene - Revision der Antragsgegnerin.
Gründe
Gegen den im Verhandlungstermin nicht erschienenen Antragsteller ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Dieses beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern berücksichtigt den gesamten Sach- und Streitstand (BGHZ 37, 79, 81 ff.).
Die Revision ist teilweise begründet und führt insoweit zur Abänderung des Berufungsurteils.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2005, 722 veröffentlicht ist, hat dem Antrag auf nachehelichen Ehegattenunterhalt nur für die Zeit ab Juni 2002 stattgegeben, weil die Antragsgegnerin sich erst ab diesem Zeitpunkt auf die Verzugswirkung der Rechtshängigkeit berufen könne. Zwar könne die Antragsgegnerin grundsätzlich auch für die weiter zurückliegende Zeit Unterhalt verlangen, weil sich der Antragsteller durch die Rechtshängigkeit des Stufenantrags in Verzug befunden habe. Auf diese einmal eingetretene Rechtsfolge habe es "an sich" keinen Einfluss, dass das Verfahren von den Parteien seit 1999 nicht mehr betrieben und die Akte vom Gericht weggelegt worden sei.
Gleichwohl sei es der Antragsgegnerin verwehrt, Rechte aus der fortbestehenden Rechtshängigkeit herzuleiten, soweit sie Unterhalt für die Zeit vor Juni 2002 beanspruche. Insoweit sei es ihr unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung verwehrt, sich auf die mit der Rechtshängigkeit verbundenen Rechtsfolgen zu stützen. Als besondere Form widersprüchlichen Verhaltens komme die Verwirkung eines Rechts dann in Betracht, wenn ein Gläubiger von diesem Recht über längere Zeit keinen Gebrauch mache und sich der Schuldner unter diesen Umständen berechtigterweise darauf einstellen dürfe, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Eine Verwirkung stehe nicht nur der Durchsetzung von einzelnen in der Vergangenheit fällig gewordenen Unterhaltsansprüchen entgegen, sondern versage es dem Gläubiger auch, sich auf die Rechtsfolgen einer Mahnung zu berufen.
Unterhalt sei vom Verpflichteten aus seinem laufenden Einkommen aufzubringen und solle die Kosten der laufenden Lebensführung decken. Daraus folge ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit, so dass für die Vergangenheit grundsätzlich kein Unterhalt beansprucht werden könne. Dieses Prinzip sei zwar durch die §§ 1613, 1585 b BGB durchbrochen, soweit der Unterhaltsschuldner durch Mahnung oder Klageerhebung Kenntnis von seiner Inanspruchnahme erhalte. Eine Mahnung verliere aber ihre Warnfunktion, wenn der Unterhaltsgläubiger anschließend untätig bleibe und aus dem einmal erworbenen Recht, Unterhalt bereits für die Zeit ab deren Zugang fordern zu können, keine Ansprüche geltend mache. Dabei sei es unerheblich, ob die verfolgten Zahlungsansprüche angemahnt oder aufgrund einer Stufenklage bereits rechtshängig gewesen seien. Habe der Unterhaltsberechtigte durch seine Untätigkeit die warnende Wirkung einer früheren Mahnung beseitigt, könne es nicht mehr darum gehen, in welchem Umfang sich die Verwirkung auf einzelne, erst kurz zuvor fällig gewordene Unterhaltsansprüche erstrecke. Für den Unterhaltsschuldner stelle sich die entstandene Situation im Ergebnis so dar, als sei er nie zu einer Zahlung aufgefordert worden. Rückständiger Unterhalt sei deswegen in solchen Fällen nur von dem Zeitpunkt an geschuldet, von dem an der Unterhaltsberechtigte seine Ansprüche wieder geltend mache.
Die Voraussetzungen der Verwirkung seien vorliegend sowohl in Bezug auf den Zeitablauf als auch hinsichtlich der sonst erforderlichen Umstände gegeben. Nachdem die Antragsgegnerin auf ihren Auskunftsantrag die notwendigen Informationen erhalten habe, habe sie es für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren unterlassen, ihren Zahlungsanspruch durch einen bezifferten Antrag geltend zu machen. Aus diesem Verhalten habe der Antragsteller "schlechterdings" nur den Schluss ziehen können, dass die Antragsgegnerin keine Ansprüche mehr geltend machen wolle, zumal er im Rahmen der vorangegangenen Auseinandersetzung wiederholt deren eigene Erwerbsverpflichtung geltend gemacht habe. Zudem sei vollkommen ungewiss gewesen, in welcher Höhe die Antragsgegnerin einen Unterhaltsanspruch gegebenenfalls noch geltend machen würde. Die Erkrankung der Antragsgegnerin sei erst 2001 aufgetreten und habe einer zeitnahen Verfolgung ihrer Ansprüche nicht entgegengestanden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der in zweiter Ehe wieder verheiratete Antragsteller aus seinem Einkommen auch den Unterhalt für die Kinder seiner jetzigen Ehefrau aus erster Ehe sichere, so dass von einem tatsächlichen Verbrauch seines Einkommens in der Vergangenheit auszugehen sei.
II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nur teilweise stand.
1. Nach dem Inhalt des amtsgerichtlichen Urteils schuldet der Antragsteller der Antragsgegnerin nachehelichen Ehegattenunterhalt nach § 1572 BGB in Höhe von monatlich 665 €. Diese Unterhaltspflicht hat der Antragsteller im Berufungsverfahren - vom Einwand der Verwirkung abgesehen - weder dem Grunde nach noch zur Höhe angegriffen. Auch die Revision wendet sich dagegen nicht.
2. Im Gegensatz zum Amtsgericht hat das Oberlandesgericht der Antragsgegnerin nachehelichen Ehegattenunterhalt erst ab Juni 2002 zugesprochen, weil der bei Zustellung des Zahlungsantrags rückständige Unterhalt verwirkt sei. Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung nur teilweise stand.
a) Im Ansatz zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Antragsteller ursprünglich auch rückständigen nachehelichen Ehegattenunterhalt für die Zeit ab April 1999 schuldete. Nach § 1585 b Abs. 2 BGB kann der Unterhaltsberechtigte Unterhalt für die Vergangenheit von dem Zeitpunkt an fordern, in dem der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist.
aa) Dabei kommt es auf die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob § 1613 Abs.1 Satz 1 BGB auf den nachehelichen Unterhalt entsprechend anwendbar ist, nicht an.
Nach dieser - durch das Kindesunterhaltsgesetz vom zum geänderten - Vorschrift kann ein Unterhaltsgläubiger Verwandtenunterhalt für die Vergangenheit schon von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen. Mit dieser Neuregelung wollte der Gesetzgeber eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens erreichen und den Weg zu einer außergerichtlichen Einigung erleichtern (BT-Drucks. 13/7338 S. 31). Der Gläubiger eines Anspruchs auf Verwandtenunterhalt muss deswegen auch keinen unbezifferten Zahlungsantrag rechtshängig machen, um sich den Unterhaltsanspruch für die Vergangenheit zu erhalten (Eschenbruch/Klinkhammer Der Unterhaltsprozess 4. Aufl. Rdn. 5014; Gerhardt in FA-FamR Kap. 6 Rdn. 533; Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 6 Rdn. 104a; Hoppenz/Hülsmann Familienrecht 8. Aufl. § 1613 BGB Rdn. 2; Weinreich/Klein Familienrecht 2. Aufl. § 1613 BGB Rdn. 8, 11; Johannsen/Henrich/Graba Eherecht 4. Aufl. § 1613 Rdn. 2; a. A. wohl Budde FamRZ 2005, 1217 ff.). Notwendig, aber auch ausreichend ist es vielmehr, dass der mit dem Auskunftsverlangen verfolgte Zweck, ein Unterhaltsbegehren vorzubereiten, deutlich gemacht wird.
Für den Familien- und Trennungsunterhalt wird in den §§ 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB ausdrücklich auf diese Vorschrift Bezug genommen. Für den nachehelichen Ehegattenunterhalt, um den die Parteien hier streiten, enthält § 1585 b Abs. 2 BGB in der gegenwärtigen Fassung (anders aber § 1585 b Abs. 2 in der Fassung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts vom , BT-Drucks. 16/1830 S. 8, 21 f.) weder eine entsprechende Regelung noch eine Bezugnahme auf § 1613 Abs. 1 BGB. Das ist regelmäßig auch nicht notwendig, weil ein geschiedener Ehegatte seinen Unterhaltsanspruch, der im Einsatzzeitpunkt der Ehescheidung gegeben sein muss, im Scheidungsverbund geltend machen kann, was bei gleichzeitiger Entscheidung mit dem Scheidungsausspruch Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit ausschließt. Die weit überwiegende Auffassung in der Literatur, der auch der Senat zuneigt, geht deswegen davon aus, dass § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nicht analog auf den nachehelichen Ehegattenunterhalt anwendbar ist und ein bloßes Auskunftsverlangen den geschiedenen Ehegatten nicht auch schon hinsichtlich des Zahlungsanspruchs in Verzug setzt (vgl. Wendl/Gerhardt aaO § 6 Rdn. 100; Eschenbruch/Klinkhammer aaO; Lier in AnwK-BGB § 1585 b Rdn. 2; Gerhardt aaO; Hoppenz/Hülsmann § 1585 b BGB Rdn. 3; Weinreich/Klein aaO § 1585 b BGB Rdn. 7; Luthin/Schumacher Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 3105; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 220; Johannsen/Henrich/Büttner aaO § 1585 b Rdn. 1; Bäumel/Büte/Poppen Unterhaltsrecht § 1585 b Rdn. 2; Göppinger/Wax/Kodal Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 1137; a.A. Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Teil IV Rdn. 1214; Budde FamRZ 2005, 1217, 1219 f.).
bb) Im vorliegenden Fall hat sich die Antragsgegnerin indes nicht auf ein Auskunftsverlangen beschränkt, sondern schon im Scheidungsverbundverfahren einen Stufenantrag zum nachehelichen Ehegattenunterhalt erhoben. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt ein solcher Stufenantrag - wie eine vorgerichtliche Stufenmahnung - den Schuldner auch wegen des noch unbezifferten Zahlungsanspruchs in Verzug, was dem Unterhaltsgläubiger Ansprüche ab diesem Zeitpunkt sichert (Senatsurteil vom - IVb ZR 3/89 - FamRZ 1990, 2283, 285 - insoweit in BGHZ 109, 211 nicht veröffentlicht - und IVa ZR 170/80 - NJW 1981, 1729, 1731 = BGHZ 80, 269, 276 f.).
b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht wegen eines Teils der rückständigen Unterhaltsforderung die Voraussetzungen der Verwirkung bejaht und die Klage insoweit abgewiesen.
Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Insoweit gilt für Unterhaltsrückstände, die hier allein Gegenstand der Revision sind, nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällig gewordene Ansprüche, wenngleich die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren (§§ 195, 197 Abs. 2 BGB) dem Anwendungsbereich der Verwirkung enge Grenzen setzt (vgl. Senatsurteil vom - IVb ZR 709/80 - FamRZ 1982, 898 = BGHZ 84, 280, 282).
Gerade bei Unterhaltsansprüchen spricht andererseits aber vieles dafür, an das so genannte Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen. Nach § 1585 b Abs. 2 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise gefordert werden. Von einem Unterhaltsgläubiger, der auf laufende Unterhaltsleistungen angewiesen ist, muss eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Anderenfalls können Unterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Abgesehen davon sind im Unterhaltsrechtsstreit die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Diese Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung des Unterhalts nahe legen, sind so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung auch schon dann erfüllt sein kann, sobald die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die ein Jahr oder länger zurückliegen. Denn nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1585 b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 i.V. mit §§ 1360 a Abs. 3, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB verdient der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes bei mindestens ein Jahr zurückliegenden Unterhaltsrückständen besondere Beachtung. Diesem Rechtsgedanken kann im Rahmen der Bemessung des Zeitmoments in der Weise Rechnung getragen werden, dass das Verstreichenlassen einer Frist von mehr als einem Jahr für die Verwirkung früherer Unterhaltsansprüche ausreichen kann ( IVb ZR 7/87 - FamRZ 1988, 370, 372 f. = BGHZ 103, 62, 69 und vom - XII ZR 266/99 - FamRZ 2002, 1698 f. = BGHZ 152, 217, 220 f.).
Neben dem Zeitmoment kommt es für die Verwirkung auf das so genannte Umstandsmoment an. Beide Voraussetzungen hat das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Dabei hat es zu Recht darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerin ihren Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt erst mehr als drei Jahre nach der letzten Auskunft des Antragstellers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen beziffert hat. Die Auskunft war bereits im Dezember 1998 erteilt und die Parteien wurden sodann im März 1999 rechtskräftig geschieden. Die Antragsgegnerin war deswegen von diesem Zeitpunkt an auf nachehelichen Ehegattenunterhalt angewiesen. Gleichwohl verfolgte sie ihren Anspruch trotz mehrerer Anfragen des Gerichts über mehr als drei Jahre bis zum Mai 2002 nicht weiter. Weil die Parteien zudem über die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit gestritten hatten, durfte der Antragsteller die Untätigkeit der Antragsgegnerin so verstehen, dass sie keinen nachehelichen Ehegattenunterhalt mehr geltend machen werde. Erfahrungsgemäß pflegt ein Unterhaltsverpflichteter, der in ähnlichen wirtschaftlichen Verhältnissen wie der Antragsteller lebt, seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anzupassen, so dass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Rücklagen zurückgreifen kann und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerät (BGHZ 103 aaO, 71 und BGHZ 152 aaO, 223).
Der Verwirkung rückständiger Unterhaltsansprüche steht auch nicht entgegen, dass diese seit dem im Scheidungsverbund eingereichten Stufenantrag rechtshängig waren. Denn weil die Antragsgegnerin das Verfahren trotz mehrfacher Anfragen des Gerichts nicht betrieben hat, wäre nach § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB (in § 211 Abs. 2 BGB a.F. noch im Rahmen der Unterbrechung geregelt) sogar die die verjährungshemmende Wirkung der Rechtshängigkeit beendet gewesen.
c) Das Berufungsgericht (ebenso wie im Ergebnis KG NJW-RR 2005, 1308) verkennt aber, dass durch die Nichtgeltendmachung nur der jeweilige, für einen bestimmten Zeitraum entstandene Unterhaltsanspruch als solcher verwirkt werden kann, nicht aber ein einzelnes, diesen Anspruch qualifizierendes Merkmal wie etwa der Umstand, dass insoweit Schuldnerverzug vorliegt.
Der Schuldnerverzug (§ 286 BGB) ist ein Unterfall der Verletzung der Leistungspflicht, nämlich die rechtswidrige Verzögerung der geschuldeten Leistung aus einem vom Schuldner zu vertretenden Grund, und damit zugleich die gesetzlich definierte Voraussetzung unterschiedlicher Rechtsfolgen, also lediglich "Vorfrage" für deren Beurteilung. Ein gegenüber dem ursprünglichen Schuldverhältnis eigenständiges "Verzugsverhältnis" kennt das Gesetz hingegen nicht. Dass der nicht leistende Schuldner in Verzug ist, bedeutet nämlich nur, dass er - vom Sonderfall des § 286 Abs. 2 BGB abgesehen - zur Erfüllung der fälligen Forderung gemahnt wurde und das weitere Unterbleiben der Leistung zu vertreten hat (vgl. insoweit - NJW 2000, 2280, 2281 und vom - XII ZR 41/98 - NJW 2000, 2663, 2664). Deswegen kann nicht der Schuldnerverzug als solcher verwirkt werden, sondern nur die jeweils rückständige Forderung, hinsichtlich derer er besteht.
Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Berufungsgericht zitierten früheren Senatsrechtsprechung. Mit Urteil vom (- IVb ZR 59/85 - FamRZ 1987, 40, 41 f.) hat der Senat ausgesprochen, dass die durch eine Mahnung ausgelösten Rechtsfolgen nicht dadurch rückwirkend beseitigt werden, dass der Unterhaltsgläubiger die Mahnung einseitig zurücknimmt. Die eingetretenen Rechtsfolgen einer Mahnung können vielmehr nur durch eine Vereinbarung rückgängig gemacht werden, die auf einen Erlass des Unterhaltsanspruchs für die fragliche Zeit hinausläuft. Soweit der Senat daneben in Betracht gezogen hat, dass der Gläubiger sich aus besonderen Gründen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) - insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung - nicht auf die Rechtsfolgen einer Mahnung berufen kann ( aaO und vom - IVb ZR 99/86 - FamRZ 1988, 478, 479), sagt das noch nichts dazu aus, welche in der Vergangenheit liegenden Zeitabschnitte von der Verwirkung erfasst werden.
Auch weil ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein kann, bevor er überhaupt fällig geworden ist, müssen die in Rede stehenden Zeitabschnitte gesondert betrachtet werden. Dabei ergibt sich, dass im Zeitpunkt der Weiterverfolgung des nachehelichen Ehegattenunterhalts durch den Eingang des bezifferten Zahlungsantrags Mitte Mai 2002 nur der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin bis Mai 2001 mehr als ein Jahr zurücklag und damit die an das Zeitmoment der Verwirkung zu stellenden Anforderungen erfüllte (vgl. Senatsurteile BGHZ 152 aaO, 221 und BGHZ 103 aaO, 69). Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin für die Zeit ab Juni 2001 war deswegen - ebenso wie der laufende Unterhaltsanspruch ab Eingang des bezifferten Zahlungsantrags - noch nicht verwirkt. Insoweit hat das Berufungsgericht die Klage deswegen zu Unrecht abgewiesen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 1273 Nr. 18
LAAAC-38388
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja