Leitsatz
Die Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) wird - in Abgrenzung zu einem gesetzlichen Aufgabenverlust aufgrund der zwangsweisen Zuordnung einer Gemeinde zu einer Verwaltungsgemeinschaft - von vornherein nicht berührt, wenn eine Gemeinde freiwillig Selbstverwaltungsaufgaben (hier: die Straßenbaulast und die daran anknüpfende Satzungsbefugnis für Straßenausbaubeiträge) im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung auf eine Verwaltungsgemeinschaft zur Erfüllung im eigenen Namen überträgt (wie BVerfGE 107, 1 <17 ff.>).
Gesetze: GG Art. 28 Abs. 2; GO LSA § 77 Abs. 2 Satz 1; StrG LSA § 9; KAG-LSA § 6 Abs. 1 Satz 1
Instanzenzug: VG Dessau VG 3 A 317/05 DE vom OVG Magdeburg OVG 4 L 93/06 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision unter dem allein geltend gemachten Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Die Beschwerde bezieht sich auf den in dem angefochtenen Urteil aufgestellten Rechtssatz, dass der Grundsatz der Allzuständigkeit der Gemeinden von vornherein nicht zum Tragen komme, wenn die Gemeinde selbst pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben - hier gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt (GO LSA) - auf eine Verwaltungsgemeinschaft zur Erfüllung im eigenen Namen übertrage. Mit diesem Rechtssatz weiche das Oberverwaltungsgericht von dem im Beschluss des Zweiten Senats des - (BVerfGE 107, 1 <17>) enthaltenen Rechtssatz ab, dass die Universalität des gemeindlichen Wirkungskreises den Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft erhalten bleibe.
Die behauptete Abweichung liegt nicht vor. Die Beschwerde verkennt die Bedeutung und Reichweite des von ihr angeführten Rechtssatzes des Bundesverfassungsgerichts. Dies ergibt sich aus dem Sinnzusammenhang der Entscheidung, in den er gestellt ist:
In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ging es um die zwangsweise Zuordnung von Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt zu Verwaltungsgemeinschaften durch eine Rechtsverordnung auf der Grundlage von § 4a des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit in der seinerzeit gültigen Fassung des Änderungsgesetzes vom (GVBl LSA S. 164). Das Bundesverfassungsgericht hat darin keine Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG) gesehen. Maßgeblich dafür war, dass das Schwergewicht der so begründeten Zuständigkeiten der Verwaltungsgemeinschaften zum einen auf den ihnen kraft Gesetzes übertragenen staatlichen Aufgaben und zum anderen - im Bereich des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden - allein auf verwaltungstechnischem Gebiet liege (BVerfG a.a.O. S. 17).
Im Bereich des übertragenen Wirkungskreises, d.h. bei den durch Gesetz den Gemeinden zur Erfüllung nach Weisung übertragenen staatlichen Aufgaben (§ 5 Abs. 1 GO LSA), handele die Verwaltungsgemeinschaft zwar im eigenen Namen und aufgrund eigener Zuständigkeit. Insoweit werde Art. 28 Abs. 2 GG jedoch nicht berührt, weil die Mitgliedsgemeinden aus dieser Verfassungsnorm keinen Rechtsanspruch ableiten könnten, diese staatlichen Aufgaben wahrzunehmen (BVerfG a.a.O. S. 18).
Im Bereich des durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten eigenen Wirkungskreises nähmen die Verwaltungsgemeinschaften - neben der rein verwaltungstechnischen Abwicklung - lediglich im Fall der freiwilligen Übertragung durch die Mitgliedsgemeinden deren Aufgaben wahr. Anknüpfend an die im Landesrecht von Sachsen-Anhalt begründete Unterscheidung zwischen der "Erfüllung" und "Besorgung" von Aufgaben des eigenen Wirkungskreises hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, dass die zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden gehörenden Angelegenheiten, d.h. die freiwilligen Aufgaben und die Pflichtaufgaben, von der Verwaltungsgemeinschaft grundsätzlich nur "besorgt" werden. Die Übertragung der verwaltungsmäßigen Besorgung dieser gemeindlichen Aufgaben begründe für sich genommen keinen Verstoß gegen Art. 28 Abs. 2 GG (BVerfG a.a.O. S. 19); insoweit bestehe nur eine "dienende Zuständigkeit" der Verwaltungsgemeinschaft und blieben die Mitgliedsgemeinden eigene Rechtsträger, denen - anders als der Verwaltungsgemeinschaft - das Recht der kommunalen Selbstverwaltung zustehe (BVerfG a.a.O. S. 18). Der von der Beschwerde zitierte Rechtssatz, dass die Universalität des gemeindlichen Wirkungskreises den Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft erhalten bleibe, bezieht sich nach dem Kontext der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts allein auf diesen Fall der gesetzlich angeordneten "Besorgung" gemeindlicher Aufgaben. Davon abzugrenzen ist - auch nach dem Bundesverfassungsgericht - der Fall, dass alle oder einzelne Mitgliedsgemeinden Aufgaben des eigenen Wirkungskreises auf die Verwaltungsgemeinschaft zur Erfüllung übertragen (§ 77 Abs. 2 GO LSA); nur insoweit bestehe eine eigene Zuständigkeit der Verwaltungsgemeinschaft (BVerfG a.a.O. S. 18), die das Bundesverfassungsgericht aber nicht näher untersucht, weil sie nicht auf der von ihm zu überprüfenden gesetzlichen Regelung, sondern auf freiwilliger Aufgabenübertragung beruht.
Diese Unterscheidung zwischen einem zwangsweisen Aufgabenverlust infolge einer auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Zuordnung einer Gemeinde zu einer Verwaltungsgemeinschaft und einer freiwilligen Aufgabenübertragung durch die Gemeinde selbst liegt auch dem angefochtenen Urteil zugrunde. Dessen Rechtssatz, dass der in Art. 28 Abs. 2 GG verankerte Grundsatz der Allzuständigkeit der Gemeinden von vornherein nicht anwendbar sei, wenn eine Gemeinde selbst - zu ergänzen wäre: also freiwillig- im Rahmen einer Verwaltungsvereinbarung pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 GO LSA (hier: die Straßenbaulast einschließlich der Satzungshoheit in Abgabensachen) auf die Verwaltungsgemeinschaft zur Erfüllung im eigenen Namen überträgt, weicht somit von der dargestellten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht ab, sondern steht mit dieser im Einklang.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Fundstelle(n):
HAAAC-38346