BGH Beschluss v. - 3 StR 412/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 347 Abs. 1 Satz 2; StPO § 354 Abs. 1 a Satz 1

Instanzenzug: LG Hildesheim vom

Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revi-sionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Jede Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen. Darüber hinaus hat die Angeklagte Carola M. die der Nebenklägerin E. und die Angeklagte Patrizia M. die der Nebenklägerin R. im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Ergänzend zu den Antragsschriften des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:

Zutreffend macht die Beschwerdeführerin Carola M. geltend, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtlichen Bedenken unterliegt, soweit dieses als "Indiz" für die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin E. berücksichtigt, dass auch der die Ermittlung maßgeblich führende Polizeibeamte, der Zeuge POK Ma. , den Angaben der Zeugin im Ermittlungsverfahren geglaubt hat; denn die Würdigung der erhobenen Beweise ist allein Sache des Tatrichters, der zur Beurteilung des Beweiswerts einer Zeugenaussage zwar auf die von den Ermittlungsbeamten hierzu festgestellten - und ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführten - objektiven Hilfstatsachen zurückzugreifen, die hieraus abzuleitenden Schlüsse aber unabhängig von den durch die Ermittlungsbeamten vorgenommenen Wertungen zu ziehen hat. Jedoch beruht die Überzeugungsbildung des Landgerichts von der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin E. auf dieser bedenklichen ergänzenden Erwägung ersichtlich nicht.

Die Verurteilung beider Angeklagten auch wegen dirigierender Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB) lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Feststellungen belegen ohne weiteres, dass die Geschädigten E. und R. in den jeweiligen Tatzeiträumen nicht - mehr - unbeeinflusst und freiwillig die ihnen von den Angeklagten vorgeschriebenen Bedingungen der Prostitutionsausübung einhielten, sondern in ein persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis zu diesen geraten waren, das es ihnen unmöglich machte, Art und Umfang ihrer Tätigkeit als Prostituierte eigenständig zu bestimmen oder sich ohne Schwierigkeiten aus ihr zu lösen (vgl. BGHSt 48, 314, 319 f.).

Die Strafaussprüche haben Bestand. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft die Wochenfrist des § 347 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht eingehalten; zwischen der Zustellung der Revisionsbegründungen am und der Fertigstellung der staatsanwaltschaftlichen Gegenerklärung am liegt vielmehr ein ungewöhnlich langer Zeitraum. Dies begründet hier indessen keine rechtsstaats- (Art. 20 Abs. 3 GG) und konventionswidrige (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) Verfahrensverzögerung, die eine Kompensation durch Herabsetzung der verhängten Strafen geböte. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die erhebliche Überschreitung der Frist des § 347 Abs. 1 Satz 2 StPO den Verfahrensabschluss in ihrem gesamten Ausmaß in nicht mehr zu rechtfertigender Weise hinausgezögert hat; dem könnte entgegenstehen, dass die Revisionsbegründungen nahezu einen Leitzordner füllen und eine Vielzahl - wenn auch weitgehend völlig unbehelflicher - Verfahrensrügen oder als Verfahrensrügen bezeichneter Sachrügen (tatsächlich reine Angriffe gegen die Beweiswürdigung) umfassen, weswegen die Staatsanwaltschaft gehalten war, umfangreiche Prüfungen zur Übereinstimmung des Revisionsvorbringens mit dem jeweiligen Verfahrensablauf vorzunehmen (vgl. Nr. 162 Abs. 2 RiStBV). Jedenfalls sind die gegen beide Angeklagten am eingeleiteten und mit der heutigen Revisionsentscheidung beendeten Strafverfahren aber insgesamt in angemessener Zeit abgeschlossen worden; dass sie während eines einzelnen Verfahrensabschnitts verzögerlich betrieben worden sind, begründet daher für sich keinen Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK (Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 6 MRK Rdn. 7 a m. w. N.). Selbst wenn man dies anders bewerten wollte, wären die verhängten Strafen im Hinblick auf die Dauer der Zuhältereitaten, die Massivität des Vorgehens der Angeklagten und der erheblichen Summen der den Geschädigten entzogenen Prostitutionserlöse letztlich aber angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
MAAAC-38298

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