BAG Urteil v. - 7 AZR 614/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: GG Art. 20 Abs. 3; HRG (in der ab bis geltenden Fassung) § 57a; HRG (in der ab bis geltenden Fassung) § 57b Abs. 5; HRG (in der ab bis geltenden Fassung) § 57f Abs. 2; HRG (in der ab geltenden Fassung) § 57a Abs. 1; HRG (in der ab geltenden Fassung) § 57b Abs. 1; HRG (in der ab geltenden Fassung) § 57b Abs. 3; HRG (in der ab geltenden Fassung) § 57f Abs. 1; SGB IX (in der ab bis geltenden Fassung) § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1

Instanzenzug: ArbG Düsseldorf 9 Ca 8714/04 vom LAG Düsseldorf 4 Sa 406/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine auf das Hochschulrahmengesetz gestützte Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger, ein seit 1989 promovierter Biologe, ist auf Grund einer sprachkoordinatorischen Störung mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Der Kläger war bei dem beklagten Land mit einer kurzen Unterbrechung seit dem im Rahmen von befristeten Arbeitsverhältnissen als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Der letzte, von den Parteien unter dem unterzeichnete Arbeitsvertrag umfasste den Zeitraum vom bis zum . Im Arbeitsvertrag war angegeben, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses "gem. § 57a Abs. 1 iVm. § 57b Abs. 1 Satz 2 iVm. § 57f Hochschulrahmengesetz (HRG) als promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterin bzw. als promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter" erfolgt.

Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Die Befristung könne nicht auf die Bestimmungen des HRG idF des 5. HRGÄndG gestützt werden, weil dieses Gesetz insgesamt vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden sei. Nach Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich (HdaVÄndG) hat der Kläger gemeint, die in diesem Gesetz enthaltene rückwirkende Änderung der §§ 57a ff. HRG sei wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot unzulässig. Darüber hinaus könne § 57f Abs. 2 HRG idF des 6. HRGÄndG die Befristung nicht rechtfertigen. Die Vorschrift solle wissenschaftlichen Mitarbeitern die Beendigung ihrer bereits begonnenen akademischen Qualifikation ermöglichen. Wegen seiner sprachkoordinatorischen Störung komme für ihn eine Habilitation nicht in Betracht. Das beklagte Land sei daher verpflichtet, ihm eine wissenschaftliche Alternativkarriere anzubieten und ihn dauerhaft als wissenschaftlichen Mitarbeiter zu beschäftigen.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristung zum beendet worden ist.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter, während das beklagte Land die Zurückweisung der Revision beantragt.

Gründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die rechtzeitig erhobene Befristungskontrollklage gegen die im letzten Arbeitsvertrag vom vereinbarte Befristung zum zu Recht abgewiesen. Die Befristung ist nach § 57a Abs. 1 Satz 1, § 57b Abs. 1, § 57f Abs. 1 Satz 1 des Hochschulrahmengesetzes idF des HdaVÄndG vom (HRG nF) iVm. § 57f Abs. 2 Satz 1 HRG idF des 6. HRGÄndG vom (HRG Zwischenfassung II [ZF II]) gerechtfertigt. Zwar lagen die hochschulrahmenrechtlichen Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vor. Die §§ 57a ff. HRG idF des 5. HRGÄndG (HRG Zwischenfassung I [ZF I]), auf die § 57f Abs. 2 Satz 1 HRG ZF II Bezug nimmt, waren nach der Entscheidung des nichtig ( - BVerfGE 111, 226, 246, 270, 273). Das HdaVÄndG hat die §§ 57a ff. HRG idF des 5. HRGÄndG aber rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Hierdurch ist nachträglich die hochschulrahmenrechtliche Rechtsgrundlage für die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien geschaffen worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die Befristung tragenden Normen bestehen nicht. Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für das Zeitvertragsrecht des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die zeitliche Rückerstreckung der §§ 57a ff. HRG nF auf die in der Zeit zwischen dem bis abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen verstößt nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Gebot des Vertrauensschutzes. Das HdaVÄndG stellt nur die Rechtslage wieder her, von der beide Parteien beim Abschluss des Arbeitsvertrags am ausgehen mussten. Die Befristung verstößt schließlich nicht gegen das Benachteiligungsverbot von schwerbehinderten Arbeitnehmern.

I. Die von den Parteien im Vertrag vom für die Zeit vom bis zum vereinbarte Befristung bedurfte keines sachlichen Grundes. Sie ist nach § 57f Abs. 2 Satz 1 HRG ZF II iVm. § 57a Abs. 1 Satz 1, § 57b Abs. 1 HRG nF gerechtfertigt.

1. Nach § 57f Abs. 2 Satz 1 HRG ZF II war der Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeitern, die bereits vor dem in einem befristeten Arbeitsverhältnis ua. zu einer Hochschule standen, mit einer Laufzeit bis zum zulässig, selbst wenn die Befristungshöchstdauer nach § 57b Abs. 1 Satz 1 und 2 HRG nF bereits durch Vorbeschäftigungen mit Sachgrund ausgeschöpft war. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF sind die §§ 57a ff. HRG nF auf den unter dem abgeschlossenen befristeten Arbeitsvertrag anzuwenden. Der Kläger war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wissenschaftlicher Mitarbeiter iSd. § 57a Abs. 1 Satz 1 HRG nF an einer Hochschule und wurde als solcher seit dem in mehreren befristeten Arbeitsverhältnissen vom beklagten Land beschäftigt. Zwar durfte der seit dem promovierte Kläger nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG nF nur bis zu einer Dauer von 6 Jahren im Rahmen von befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt werden. Die mit Wirkung zum in das HRG eingefügte Übergangsregelung des § 57f Abs. 2 Satz 1 HRG ZF II ermöglichte aber bis zum den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags auch über die 6-jährige Befristungshöchstdauer des § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG nF hinaus.

2. Entgegen der Auffassung der Revision ist § 57f Abs. 2 Satz 1 HRG ZF II nicht dahingehend auszulegen, dass die Vorschrift auf Personen nicht anzuwenden ist, die, wie der Kläger, nicht die Habilitation anstreben.

Es kann dahinstehen, ob die nicht näher substantiierte Behauptung des Klägers zutrifft, er könne wegen seiner sprachkoordinatorischen Störung seine wissenschaftliche Arbeit nicht mit einer Habilitation abschließen. So hat der Kläger keinen Vortrag dazu gehalten, warum die Annahme des für die mündliche Habilitationsleistung erforderlichen wissenschaftlichen Vortrags durch die Habilitationskommission auch bei der gebotenen Berücksichtigung seiner Sprachbehinderung ausgeschlossen ist. Denn eine Einschränkung, wonach die sachgrundlose Befristungsmöglichkeit des § 57f Abs. 2 HRG ZF II nur bei Abschluss der sog. Post-doc-Phase mit einer Habilitation in Anspruch genommen werden kann, enthält der Gesetzeswortlaut nicht. Sie wäre auch mit dem Normzweck, die Umstellung von dem sachgrundorientierten Zeitvertragsrecht des HRG aF auf das nach Zeitdauer begrenzte Befristungsrecht des HRG ZF I zu erleichtern, nicht zu vereinbaren. Durch § 57f Abs. 2 HRG ZF II sollte der Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen mit dem bereits vor Inkrafttreten der §§ 57a ff. HRG ZF I an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen beschäftigten Personenkreis, bei dem die Höchstbefristungsdauer nach den §§ 57a ff. HRG ZF I durch den Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen in der Vergangenheit bereits ausgeschöpft war, bis zum ohne Sachgrund ermöglicht werden. Der Gesetzgeber ging zunächst bei Inkrafttreten des 5. HRGÄndG von der Möglichkeit aus, dass Arbeitsverträge mit dem bereits beschäftigten wissenschaftlichen Personal zum Zweck der Beendigung ihrer laufenden wissenschaftlichen Qualifikation, zur Durchführung von Forschungsprojekten oder in der Bewerbungsphase auf eine Professur nach den Vorschriften des TzBfG befristet werden konnten. Da im TzBfG Sachgründe nur beispielhaft und abstrakt genannt werden und wegen seines Inkrafttretens zum noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu vorlag, bestand nach der Einschätzung des Gesetzgebers bei den betroffenen Wissenschaftlern und zum Teil bei den Personalverantwortlichen in den Hochschulen eine Rechtsunsicherheit über die Tragfähigkeit der in Betracht kommenden Befristungsgründe. Nach der Begründung des erst in den Ausschussberatungen zum 6. HRGÄndG eingefügten § 57f Abs. 2 Satz 1 HRG ZF II sollte wegen dieser Rechtsunsicherheit ausdrücklich klargestellt werden, dass wissenschaftliches Personal, das seine Tätigkeit im zeitlichen Geltungsbereich des HRG aF aufgenommen hatte und dessen Befristungshöchstdauer nach dem neuen Zeitvertragsrecht bereits ausgeschöpft war, noch bis zum befristet beschäftigt werden konnte, um den Übergang vom alten auf das neue Befristungsrecht für alle Beteiligten zu erleichtern (BT-Drucks. 14/8878 S. 8).

3. Schließlich ist auch das Zitiergebot des § 57b Abs. 3 Satz 1 HRG nF eingehalten. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des HRG beruht. Diese Anforderungen sind im Streitfall erfüllt. Im Arbeitsvertrag vom sind die einschlägigen Vorschriften des Hochschulrahmengesetzes genannt.

II. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die Befristung tragenden Vorschriften bestehen nicht. Dies hat der Senat bereits in dem den Parteien übersandten Urteil vom (- 7 AZR 234/05 - zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen [zVv.], zu III der Gründe) entschieden. Die §§ 57a bis 57f HRG nF, § 57f Abs. 2 Satz 1 HRG ZF II sind nicht verfassungswidrig. Die in § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF enthaltene Erstreckung der §§ 57a ff. HRG nF auf die in der Zeit vom bis zum abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge stellt insbesondere keine mit Art. 12 Abs. 1 GG iVm. mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbare Rückwirkung dar. An dieser Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in der Revisionsinstanz fest.

1. Der Bundesgesetzgeber hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des Zeitvertragsrechts des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Hochschulen. Auch die sich aus Art. 72 Abs. 2 GG für die konkurrierende Gesetzgebung ergebenden Anforderungen an das Gesetzgebungsrecht des Bundes sind erfüllt. Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend.

2. § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF ist nicht wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG iVm. dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Rückwirkungsverbot unwirksam. § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF enthält zwar eine echte Rückwirkung. Der Gesetzgeber konnte aber ohne Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes den zeitlichen Geltungsbereich der §§ 57a ff. HRG nF auf Befristungsabreden erstrecken, die bis zur Verkündung der Entscheidung des vereinbart wurden. Durch die Nichtigkeitserklärung des gesamten 5. HRGÄndG bestand für die seit dem geschlossenen und bis zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht bestandskräftig abgewickelten befristeten Verträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal eine Regelungslücke. Schutzwürdiges Vertrauen der Vertragsparteien, das die rückwirkende Regelungskompetenz des Gesetzgebers begrenzt hat, konnte in der Zeit zwischen der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zum Inkrafttreten des § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF nicht entstehen. Mit den gegenüber der rückwirkenden Inkraftsetzung der §§ 57a ff. HRG nF von der Revision angeführten Argumenten hat sich der Senat bereits in der Entscheidung vom (- 7 AZR 234/05 - zVv., zu III 3 der Gründe) ausführlich auseinandergesetzt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

III. Die im Arbeitsvertrag vom vereinbarte Befristung verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen das Benachteiligungsverbot von schwerbehinderten Arbeitnehmern. Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX dürfen Arbeitgeber schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Diese Regelung dient der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf - RL 2000/78/EG - (ABl. EG Nr. L 303 S. 16). Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Behinderungsverbot beim Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags überhaupt zur Unwirksamkeit der Befristungsabrede führen kann. Der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen keine Tatsachen glaubhaft gemacht (§ 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB IX), die vermuten lassen, dass er wegen seiner Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in der vergleichbaren Situation erfahren hat oder erfahren würde (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a RL 2000/78/EG) oder neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Behinderung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können (vgl. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
RAAAC-37777

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein