BGH Beschluss v. - IX ZB 302/05

Leitsatz

[1] a) Zu dem Vermögen des Schuldners, dessen Wert für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters maßgeblich ist, gehören auch solche Forderungen, die vor Antragstellung entstanden und bis zur Beendigung des Eröffnungsverfahrens noch offen waren.

b) So wie bei einer ungewöhnlich langen Dauer des Eröffnungsverfahrens ein Zuschlag gewährt werden kann, kann umgekehrt die deutliche Unterschreitung der normalen Dauer einen Abschlag gebieten.

c) Beteiligt sich der vorläufige Verwalter an einer Fortführung des Betriebes durch den Schuldner nur in geringem Umfang, rechtfertigt dies keinen Abschlag von der Normalvergütung.

Gesetze: InsVV § 11

Instanzenzug: AG Bonn 98 IN 124/01 vom LG Bonn 6 T 315/05 vom

Gründe

I.

Der Beschwerdegegner war seit vorläufiger, mit einem Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO ausgestatteter Insolvenzverwalter in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers. In diesem Zeitraum wurde der Betrieb des Schuldners fortgeführt. Dem Beschwerdegegner war das Zustellwesen übertragen.

Das Amtsgericht hat seine Nettovergütung zunächst - antragsgemäß - auf 36.989,97 €, später jedoch - unter teilweiser Abhilfe einer sofortigen Beschwerde des Schuldners - auf 27.742,48 € festgesetzt. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Schuldners - soweit dieser noch beschwert war - durch Beschluss vom zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Schuldner mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist statthaft (§§ 6, 7, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 ZPO). Es führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Das Beschwerdegericht ist dem Amtsgericht insoweit gefolgt, als dieses die festgesetzte Vergütung auf einer Berechnungsgrundlage in Höhe von 924.373,17 € errechnet hat. Darin enthalten ist der mit 725.244,04 € in Ansatz gebrachte Wert des mit Grundpfandrechten wertausschöpfend belasteten Immobilienvermögens des Schuldners. Das Beschwerdegericht hat dessen Berücksichtigung - im Anschluss an die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 146, 165 ff) - damit gerechtfertigt, mit Aus- oder Absonderungsrechten belastete Massegegenstände seien schon dann mit ihrem vollen Wert in die Berechnungsgrundlage für die Vergütung einzustellen, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter insoweit eine nennenswerte Tätigkeit entfaltet habe. Dies sei im vorliegenden Fall geschehen, weil der Beschwerdegegner mit der Grundpfandgläubigerin mehrfach telefonisch Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten erörtert und sich mit der Mietverwaltung befasst habe. In die Berechnungsgrundlage seien auch das Anlagevermögen des Schuldners im Wert von 131.745,06 € und seine Forderungen von 67.384,07 € einzubeziehen; dass manche Forderungen erst nach Insolvenzeröffnung realisiert worden seien, sei unschädlich. Auf die im Grundfall mit 25 v.H. des einfachen Staffelsatzes anzusetzende Vergütung sei ein Zuschlag von 35 v.H. zu bewilligen. Davon entfielen 10 v.H. auf die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts, 20 v.H. auf die Betriebsfortführung und 5 v.H. auf die Übertragung des Zustellwesens.

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.

a) Mit Beschluss vom (BGHZ 165, 266 ff; vgl. ferner Beschl. v. - IX ZB 127/04, ZInsO 2006, 257 ff; v. - IX ZB 104/05, ZInsO 2006, 811 ff, z.V.b. in BGHZ; v. - IX ZB 212/03, z.V.b.) hat der Senat seine Rechtsprechung zur Vergütung von vorläufigen Insolvenzverwaltern, deren Tätigkeit sich auf Gegenstände mit Aussonderungsrechten und wertausschöpfenden Absonderungsrechten bezogen hat, geändert. Solche Gegenstände werden bei der Vergütung nur noch - durch einen Zuschlag - berücksichtigt, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter sich in erheblichem Umfang damit befasst hat. Ein nur "nennenswerter" Umfang genügt danach nicht mehr. Damit stehen die angefochtenen Beschlüsse nicht im Einklang. Da die Berechnungsgrundlage um 725.244,04 € geringer ist, als die Vordergerichte angenommen haben, können deren Entscheidungen nicht bestehen bleiben.

Das Erfordernis, dass sich der vorläufige Insolvenzverwalter in erheblichem - und nicht bloß nennenswertem - Umfang mit Aus- oder Absonderungsrechten befasst haben muss, damit ein entsprechender Wert in die Berechnungsgrundlage seiner Vergütung eingestellt werden kann, soll auch dann beibehalten werden, wenn es zu der vom Bundesminister der Justiz angekündigten - rückwirkenden - Änderung des § 11 Abs. 1 InsVV kommen sollte (vgl. ZIP 2006, 2102 ff).

Selbst unter Zugrundelegung der früheren Rechtsprechung wären die angefochtenen Beschlüsse rechtsfehlerhaft gewesen. Danach war, wenn die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten nicht einen erheblichen Teil der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgemacht hat, regelmäßig ein Abschlag im Sinne von § 3 Abs. 2 InsVV geboten (BGHZ 146, 165, 177; , NZI 2004, 665). Einen solchen Abschlag haben Amts- und Landgericht nicht in Betracht gezogen.

b) Das Anlagevermögen des Schuldners hat das Beschwerdegericht - antragsgemäß - mit 131.745,06 € angesetzt. Dies beanstandet die Rechtsbeschwerde mit Recht. Der Beschwerdegegner hat das Anlagevermögen in seinem - vor seiner Bestellung als vorläufiger Insolvenzverwalter erstatteten - Gutachten mit 51.129,19 € bewertet. In seinen Vergütungsantrag hat er jedoch den Betrag aufgenommen, den er als endgültiger Insolvenzverwalter bei der Verwertung erlösen konnte. Grundsätzlich darf bei der Bemessung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht auf Umstände abgestellt werden, die sich nach Beendigung des Eröffnungsverfahrens ergeben haben; denn die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters ist aus sich selbst heraus zu bewerten (, aaO S. 534; vgl. ferner Beschl. v. - IX ZB 212/03, z.V.b.). Entscheidend ist deshalb der objektive Wert des Vermögens des Schuldners im Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters (BGHZ 146, 165, 175). Der Betrag, den der (endgültige) Insolvenzverwalter bei der späteren Veräußerung von Vermögenswerten erzielen kann, ist hierfür allerdings ein gewichtiges Indiz. Ein anderes Indiz ist demgegenüber die eigene Bewertung in dem Gutachten. Deshalb muss der vorläufige Insolvenzverwalter, der den höheren Wert in Ansatz bringen will, in für das Insolvenzgericht nachvollziehbarer Weise glaubhaft darlegen, dass der später erzielte Mehrerlös nicht einer erst nach Beendigung des Eröffnungsverfahrens eingetretenen Entwicklung zu verdanken ist, sondern den Wert realisiert hat, den der fragliche Gegenstand objektiv schon zuvor hatte. Bisher fehlt es an einer solchen Darlegung.

c) Soweit das Beschwerdegericht dem Beschwerdegegner darin gefolgt ist, dass Forderungen von 67.384,07 € in die Berechnungsgrundlage einzustellen seien, ist dies rechtens. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, nach dem eigenen Vortrag des Beschwerdegegners beträfen lediglich Forderungen von 43.235,00 € Lieferungen und Leistungen in dem Zeitraum zwischen Antragstellung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dies ist zwar zutreffend, jedoch unerheblich. Die Rechtsbeschwerde stellt nicht in Abrede, dass alle geltend gemachten Forderungen vor Insolvenzeröffnung entstanden sind. Zu dem Vermögen des Schuldners, dessen Wert für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters maßgeblich ist, gehören jedoch auch solche Forderungen, die vor Antragstellung entstanden und danach - bis zur Beendigung des Eröffnungsverfahrens - noch offen waren.

d) Das Beschwerdegericht hat einen Zuschlag von 10 v.H. gewährt, weil es sich bei dem Beschwerdegegner um einen mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestatteten vorläufigen Insolvenzverwalter gehandelt habe. Dies steht im Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein Zuschlag nicht schon deshalb anfällt, weil ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet wurde (, NZI 2003, 549). Begehrt der vorläufige Insolvenzverwalter deswegen einen Zuschlag auf den Ausgangssatz von 25 v.H. der Vergütung des endgültigen Insolvenzverwalters, hat er konkret darzulegen, dass die mit dem Zustimmungsvorbehalt ihm übertragene Aufgabe ihn in erheblichem, also überdurchschnittlichem Umfang belastet hat (, WM 2006, 534, 536). Daran hat es der Beschwerdegegner bisher fehlen lassen. Demgemäß hat das Beschwerdegericht hierzu auch nichts festgestellt.

e) Auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt kann ein Zuschlag auf die Vergütung gewährt werden, wenn in der Eröffnungsphase der Betrieb des Schuldners fortgeführt worden ist und sich dadurch für die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters erhebliche Erschwernisse ergeben haben (, ZIP 2006, 1008, 1009). Im vorliegenden Fall bestreitet der Beschwerdeführer solche Erschwernisse. Nach seinem Vortrag hat (nur) er den Betrieb fortgeführt und der Beschwerdegegner sich dabei in keiner Weise beteiligt, den Beschwerdeführer auch nicht überwacht. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine Feststellungen getroffen, die einen Zuschlag rechtfertigen. Die Zurückverweisung gibt dem Beschwerdegericht Gelegenheit, die - gegebenenfalls zu ergänzende - Darstellung des vorläufigen Insolvenzverwalters daraufhin zu überprüfen, ob sie den Anforderungen des Senatsbeschlusses vom gerecht wird.

f) Berechtigt ist auch die Rüge, das Beschwerdegericht habe sich nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers befasst, die kurze Dauer des Insolvenzeröffnungsverfahrens vom 25. Oktober bis zum (rund dreieinhalb Wochen) rechtfertige einen Abschlag. So wie bei einer ungewöhnlich langen Dauer des Eröffnungsverfahrens ein Zuschlag gewährt werden kann (vgl. aaO), kann umgekehrt die deutliche Unterschreitung der normalen Dauer einen Abschlag gebieten (Eickmann in Kübler/Prütting, InsO § 11 InsVV Rn. 59; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung 3. Aufl. § 11 InsVV Rn. 79).

g) Erfolglos beanstandet die Rechtsbeschwerde hingegen das Unterbleiben eines Abschlags wegen der angeblich unzureichenden Beteiligung des Beschwerdegegners an der Betriebsfortführung. Das Ausmaß dieser Beteiligung und die Erschwernisse, die sich für den Beschwerdegegner daraus ergeben haben, sind im Zusammenhang mit der Frage zu prüfen und zu gewichten, ob und in welcher Höhe dem Beschwerdegegner dafür ein Zuschlag zu gewähren ist (oben e). Selbst wenn sich dabei ergeben sollte, dass für einen Zuschlag kein Raum ist, gibt dies noch nicht zur Vornahme eines Abschlags Veranlassung. Da der Umstand, dass das Unternehmen des Schuldners nicht fortgeführt worden ist, keinen Abschlag begründet (vgl. , ZIP 2006, 1204, 1205), ist ein solcher auch nicht gerechtfertigt, wenn sich der vorläufige Verwalter an einer Fortführung durch den Schuldner nur in geringem Umfang beteiligt.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2007 S. 349 Nr. 7
ZIP 2007 S. 284 Nr. 6
XAAAC-37253

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja