BAG Urteil v. - 3 AZR 307/05

Leitsatz

[1] Nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz werden Zeiten des Wehrdienstes auf die Berufs- und Betriebszugehörigkeit angerechnet. Daraus ergibt sich kein Anspruch auf Anwendung von Bestimmungen, die nur für Personen gelten, die vor dem geschützten Arbeitnehmer eingestellt wurden.

Gesetze: ArbPlSchG § 6; ArbPlSchG § 9; ArbPlSchG § 12; ArbPlSchG § 16a

Instanzenzug: ArbG Minden 1 Ca 342/04 vom LAG Hamm 3 Sa 2453/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, nach welcher Versorgungsordnung die Versorgungsanwartschaft des Klägers zu berechnen ist.

Der am geborene Kläger trat am seinen zweijährigen Wehrdienst als Zeitsoldat an. Damals galt in seinem späteren Beschäftigungsunternehmen, der M-Werke in Mi (M) die Versorgungsordnung vom . Diese sah eine maximale Betriebsrente iHv. 2.624,00 DM vor. Sie wurde am im Wesentlichen in die Gesamtbetriebsvereinbarung "MH-P 04/99" (GBV 04) übernommen. Dort heißt es in der Einleitung:

"Die M GmbH & Co. Kommanditgesellschaft räumt allen Mitarbeitern mit Einstellungsdatum vor dem , die nachstehende Voraussetzungen erfüllen, einen Versorgungsanspruch auf bestimmte Versorgungsleistungen ein und kann hierfür betriebliche Rückstellungen nach versicherungsmathematischen Gesichtspunkten bilden."

Am trat die Versorgungsordnung vom in Kraft, die eine maximale Betriebsrente in Höhe von nur noch 310,00 DM vorsah und deren Regelungen am in die Gesamtbetriebsvereinbarung "MH-P 05/99" (GBV 05) übernommen wurden. Bei im Übrigen wortgleicher Einleitung bestimmt diese, dass sie für alle Mitarbeiter mit Einstellungsdatum "ab dem " gilt.

Noch Soldat, schloss der Kläger unter dem einen Berufsausbildungsvertrag mit M. Er beendete seinen Wehrdienst am und nahm am die Ausbildung auf. Nach deren Abschluss war er dort als Arbeitnehmer tätig. Unter dem schrieb der Kläger an die Personalabteilung von M:

"...

hiermit beantrage ich, daß mir meine Ausbildungszeit bei der Bundeswehr ... auf meine Betriebszugehörigkeit bei den M-Werken angerechnet wird.

Außerdem bitte ich zu prüfen und mir mitzuteilen, ob für mich die ,alte' Altersversorgung gilt, die für Mitarbeiter mit Eintrittsdatum vor dem zutrifft."

M antwortete zunächst mit Schreiben vom : "Aufgrund Ihres Antrages vom wird Ihnen entsprechend der geltenden Gesetze und Bestimmungen eine zusätzliche Betriebszugehörigkeit von 20 Monaten wegen Wehrdienstzeit zuerkannt.

Das ermittelte Eintrittsdatum wird auf den festgelegt."

Sodann folgte ein zweites Schreiben von M unter dem : "... wunschgemäß teilen wir Ihnen mit, daß für Sie Abs. II. - 2. der beiliegenden Altersversorgungszusage vom Gültigkeit hat.

Die dort genannte Regelung gilt für Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis ab dem in Kraft getreten ist.

Bei der Errechnung Ihrer Firmenrente im Falle der Verrentung, werden die anerkannten Bundeswehrzeiten jedoch angerechnet."

M wurde später zur M GmbH & Co. KG umgewandelt. Auf Grund eines Betriebsteilübergangs ging das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung ab dem auf die Beklagte über. Zwischen den Parteien wurde unter dem ein neuer Anstellungsvertrag geschlossen, dessen Präambel hinsichtlich der Altersversorgung vorsieht:

"Die bisherigen Regelungen der betrieblichen Altersversorgung der M GmbH & Co. KG gehen über. Sie werden bis zum fortgeführt und mit Ablauf dieses Tages eingestellt. Soweit eine Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt gesetzlich unverfallbar ist, bleibt sie insoweit erhalten. Ab dem sichert die IT GmbH & Co. KG diese Ansprüche."

Später teilte die Beklagte dann mit, dass sich unter Anwendung der GBV 05 die unverfallbare Versorgungsanwartschaft des Klägers auf 107,24 Euro belaufe.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Versorgung richte sich nach der GBV 04, da M im Zusammenhang mit der Anerkennung seiner Bundeswehrzeit ein Eintrittsdatum "" anerkannt habe. Dies folge auch aus dem Arbeitsplatzschutzgesetz. Nach der GBV 04 ergebe sich eine unverfallbare Anwartschaft in Höhe von monatlich 888,68 Euro.

Der Kläger hat einen entsprechenden Feststellungsantrag gestellt. Er hat weiter - hilfsweise - beantragt festzustellen, dass seine unverfallbare Versorgungsanwartschaft nach der GBV 04 zu berechnen ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Ihrer Auffassung nach führt das Arbeitsplatzschutzgesetz nur zur Anrechnung von Vordienstzeiten, nicht jedoch zur Änderung des tatsächlichen Einstellungs- oder Eintrittsdatums. Da der Kläger tatsächlich nach dem bei M eingetreten sei, richte sich seine Versorgung nach der GBV 05. Eine anders lautende Zusage sei dem Kläger 1984 nicht gemacht worden. M habe schon bei der ersten Auskunft darauf verwiesen, "entsprechend der geltenden Gesetze und Bestimmungen" vorzugehen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er seine Anträge weiter.

Gründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass die Versorgungsanwartschaft des Klägers nach der GBV 05 zu berechnen ist.

I. Nach dem Wortlaut beider infrage kommender Versorgungsordnungen richtet sich die betriebliche Altersversorgung des Klägers nach der GBV 05. Für die Abgrenzung des persönlichen Geltungsbereiches stellen sowohl die GBV 04 als auch die GBV 05 auf den Stichtag ab. Die GBV 04 soll für Mitarbeiter mit einem Einstellungsdatum vor diesem Stichtag weitergelten, die GBV 05 soll dagegen die Altersversorgung für Arbeitnehmer regeln, die ab diesem Stichtag eingetreten sind. Nach Systematik und Zielsetzung beider Versorgungsordnungen ist dabei die tatsächliche Einstellung maßgeblich. Die GBV 05 geht auf die Versorgungsordnung vom zurück. Mit dieser wurden die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung für neu eintretende Arbeitnehmer erheblich vermindert. Diese konnten von vorneherein keine Versorgung nach der früheren Versorgungsordnung erwarten. Da sowohl sein Ausbildungsvertrag vom als auch sein tatsächlicher Eintritt als Auszubildender am in die Zeit ab dem fallen, unterliegt die Versorgung des Klägers den Regeln der GBV 05.

II. M ist im Frühjahr 1984 keine darüber hinausgehende Verpflichtung eingegangen. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei erkannt.

1. Die Erklärungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom und vom sind nichttypische Verlautbarungen, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden können, ob das angefochtene Urteil auf einem Verstoß gegen allgemeine Auslegungsregeln, Erfahrungssätze oder Denkgesetze beruht oder darauf, dass für die Auslegung wesentliche Umstände nicht berücksichtigt worden sind ( - BAGE 112, 50, 53 mwN). Zum Auslegungsstoff kann auch die Frage gehören, ob eine nichttypische Verlautbarung überhaupt eine bindende Willenserklärung im Sinne eines Antrages darstellt (§ 145 BGB; - AP BGB § 276 Verschulden bei Vertragsabschluss Nr. 5). Solche Verstöße liegen nicht vor.

2. Unabhängig davon ist die Auslegung des Landesarbeitsgerichts naheliegend.

Es hat im Schreiben von M vom keine Willenserklärung gesehen. Dies hat es aus dem Hinweis in diesem Schreiben geschlossen, eine bestimmte Betriebszugehörigkeit werde "entsprechend der geltenden Gesetze und Bestimmungen" zuerkannt. Auch die Formulierung im Schreiben vom , das "ermittelte Eintrittsdatum wird ... festgelegt" spricht dafür, dass der Arbeitgeber nur die bestehende Rechtslage nachvollziehen, aber keine rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben wollte. Das entsprach der Gesetzeslage, da die Anrechnung von Wehrdienstzeiten nach § 12 ArbPlSchG unabhängig vom Willen des Arbeitgebers geschieht. Er ist darauf beschränkt, die Anrechnung festzustellen und die sich daraus ergebenden arbeitsrechtlichen Folgerungen zu ziehen. Einer Anrechnung durch eine Handlung des Arbeitgebers bedarf es nicht (Sahmer/Busemann Arbeitsplatzschutzgesetz Stand Oktober 2005 E § 12 Anm. 4; vgl. - BAGE 81, 68; - 7 AZR 414/82 - BAGE 48, 35, 40 (zu § 8 SVG)). Hinzu kommt, dass sich das Schreiben vom ersichtlich nur auf den ersten Teil des Schreibens des Klägers vom bezieht. Die von ihm im weiteren Text ausdrücklich erbetene Mitteilung zu der für ihn gültigen Versorgungsordnung erfolgte erst mit dem zweiten Schreiben der Arbeitgeberin vom . Dessen Inhalt ist unmissverständlich und klar.

III. Die gesetzliche Anrechnung der Wehrdienstzeit des Klägers nach § 16a Abs. 1, § 12 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 ArbPlSchG führt nicht zur Anwendung der GBV 04.

1. Die Anrechnung der Dienstzeit als Soldat ist im Fall des Klägers durch § 12 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbPlSchG geregelt. Dieser erfasst die Fälle, dass ein Soldat im Anschluss an den Grundwehrdienst neu als Arbeitnehmer eingestellt wird oder eine für seine künftige Existenz als Arbeitnehmer förderliche Ausbildung durchläuft und im Anschluss daran als Arbeitnehmer eingestellt wird.

a) Der Kläger war zunächst Wehrpflichtiger iSv. § 12 Abs. 1 ArbPlSchG. Zwar hat er über den Grundwehrdienst hinaus Wehrdienst als Soldat auf Zeit für zwei Jahre geleistet. Nach § 16a Abs. 1 Nr. 2 ArbPlSchG gilt dieses Gesetz aber auch für Zeitsoldaten mit dieser Dienstzeit. Nur für länger dienende Zeitsoldaten gilt das Soldatenversorgungsgesetz (SVG).

b) Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 ArbPlSchG liegen vor. Der Kläger hat im Anschluss an seinen Wehrdienst seine Berufsausbildung bei M aufgenommen. Zwar endete seine Dienstzeit als Soldat am und seine Berufsausbildung begann erst am . Der geringfügige zeitliche Abstand von einem Monat hindert jedoch nicht die Annahme, die Berufsausbildung sei "im Anschluss" an die Wehrdienstzeit begonnen worden. Kurze Pausen zwischen Entlassung und Arbeitsaufnahme oder Zeiten unverschuldeter Verhinderung etwa wegen vorübergehender Arbeitslosigkeit oder Erkrankung sind für die spätere Anrechnung unschädlich (Sahmer/Busemann E § 12 Anm. 1; ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 12 ArbPlSchG Rn. 2). Das gilt vorliegend erst recht, weil der Kläger noch als Soldat am den Berufsausbildungsvertrag mit M abgeschlossen hat. Unstreitig ist der Kläger im Anschluss an die Ausbildung bei M Arbeitnehmer geworden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 ArbPlSchG).

2. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1, 2 iVm. § 6 Abs. 2 Satz 1 ArbPlSchG wird die Wehrdienstzeit auf die Berufs- und Betriebszugehörigkeit angerechnet.

a) Nach Wortlaut und Sinn des Arbeitsplatzschutzgesetzes erfolgt eine Anrechnung nur auf die "Betriebszugehörigkeit" und die "Berufszugehörigkeit". Bereits die gesonderte Erwähnung dieser beiden Begriffe in § 6 Abs. 2 Satz 1 ArbPlSchG macht deutlich, dass diese nicht über ihren Wortsinn hinaus ausgelegt werden können. Der weitere Gesetzeswortlaut bestätigt dies: Auf die Berufszugehörigkeit wird die Wehrdienstzeit von Auszubildenden erst nach Abschluss ihrer Ausbildung angerechnet (§ 6 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. ArbPlSchG). Auf die Ausbildungszeit selbst wird die Wehrdienstzeit überhaupt nicht angerechnet (§ 6 Abs. 3 ArbPlSchG). Da Dienst- und Beschäftigungszeiten im Sinne der Tarifregelungen des öffentlichen Dienstes keine "Betriebszugehörigkeit" im Sinne des Arbeitsplatzschutzgesetzes darstellen, war eine ausdrückliche gesetzliche Gleichstellung erforderlich (§ 6 Abs. 2 Satz 2 ArbPlSchG). Davon wiederum zu unterscheiden sind tarifliche Bewährungszeiten, auf die die Wehrdienstzeit nicht angerechnet wird (§ 6 Abs. 4 Satz 1 ArbPlSchG). "Betriebszugehörigkeit" im Sinne des Arbeitsplatzschutzgesetzes ist also nicht erweiternd auszulegen.

b) Das ergibt sich auch aus der Systematik des Gesetzes selbst: § 12 Abs. 3 ArbPlSchG regelt den Fall, dass ein ehemaliger Soldat sich um die Einstellung als Beamter bewirbt und in den Vorbereitungsdienst "eingestellt" wird. § 9 Abs. 8 Satz 4 ArbPlSchG bestimmt weiter, dass nach Erwerb der Laufbahnbefähigung die Anstellung, dh. die Verbeamtung auf Lebenszeit, nicht über den Zeitpunkt hinausgeschoben werden darf, zu dem der Beamte ohne Ableisten des Wehrdienstes zur Anstellung herangestanden hätte. In derartigen Fällen fingiert das Gesetz eine frühere "Einstellung".

Wenn der Gesetzgeber im Bereich des öffentlichen Dienstes für Beamte eine solche Regelung trifft, kann dies im Umkehrschluss nur bedeuten, dass diese Ausnahme für die privatrechtlich Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht gilt, erst recht nicht für die Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft.

3. Die Anrechnung der Wehrdienstzeit nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz wirkt sich nur insoweit aus, wie im neuen Beschäftigungsbetrieb Rechte dem Grunde oder der Höhe nach von der Dauer der Betriebs- oder Berufszugehörigkeit abhängen. So hat der ehemalige Soldat auch keinen Anspruch auf Leistungen aus einer vor seinem Eintritt in den neuen Beschäftigungsbetrieb außer Kraft gesetzten einzelvertraglichen Regelung, die vor einem bestimmten Stichtag angestellte Arbeitnehmer nur aus Gründen der Besitzstandswahrung weiter erhalten (vgl. - AP BergmannsVersorgScheinG NRW § 9 Nr. 13). Es ist nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz nicht erforderlich, den ehemaligen Soldaten in allen Punkten so zu behandeln, als ob er schon während der Wehrdienstzeit bei dem neuen Arbeitgeber beschäftigt worden wäre. Der persönliche Geltungsbereich der Versorgungsordnung 1971 und der Versorgungsordnung 1974 und nachfolgend der der beiden Gesamtbetriebsvereinbarungen ist nicht nach dem Kriterium der Betriebszugehörigkeit, sondern nach dem der Einstellung vor oder ab einem bestimmten Stichtag abgegrenzt. Die GBV 04 ist daher für die Versorgungsansprüche des Klägers nicht maßgebend.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DB 2007 S. 583 Nr. 10
DB 2007 S. 637 Nr. 11
CAAAC-36651

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein