Nichtabziehbarkeit von nach dem gezahlten Nachzahlungszinsen verfassungsgemäß
Leitsatz
Die allgemeine Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 vom (BGBl I 1999, 402), mit der unter anderem § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 aufgehoben worden ist, verstößt insoweit nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, als danach Nachzahlungszinsen i.S. von § 233a AO 1977, die nach der Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 () gezahlt worden sind, nicht mehr als Sonderausgaben abzogen werden können.
Gesetze: EStG a.F. EStG a.F. § 10 Abs. 1 Nr. 5EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 52 Abs. 1AO 1977 § 233a
Instanzenzug: (EFG 2004, 99) (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
Streitig ist der Abzug von Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben sowie die Kürzung des Vorwegabzugs bei den Vorsorgeaufwendungen.
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb einer Zimmerei. Daneben ist er als Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) nichtselbständig tätig. Die GmbH, an der der Kläger zu 6 v.H. direkt und zu 75,2 v.H. mittelbar über die B GmbH beteiligt ist, hat ihm eine Pensionszusage erteilt.
Eine Betriebsprüfung für die Jahre 1991 bis 1995, die im Mai 1997 begann und deren Schlussbesprechung am stattfand, führte beim Kläger zu einer Nachforderung von Einkommensteuer in Höhe von rund 100 000 DM. Wegen Einwendungen des Klägers wurde der Betriebsprüfungsbericht erst unter dem erstellt. Der geänderte Einkommensteuerbescheid für 1992 erging am . Darin wurden —unter Berücksichtigung der Rückzahlung von Erstattungszinsen— Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1992 gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO 1977) in Höhe von 24 216 DM festgesetzt und zum fällig gestellt. Am ergingen geänderte Bescheide über Vermögensteuer auf den , auf den und auf den . In diesen Bescheiden wurden Nachzahlungszinsen zur Vermögensteuer von insgesamt 3 168 DM festgesetzt und zum fällig gestellt. Der Kläger zahlte die gesamten Nachzahlungszinsen von 27 384 DM am .
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1999 machte der Kläger Nachzahlungszinsen von 24 216 DM als Sonderausgaben geltend. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) lehnte unter Hinweis darauf, dass § 10 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum aufgehoben worden war, die Berücksichtigung der Nachzahlungszinsen ab und erfasste gleichzeitig Erstattungszinsen zur Einkommensteuer 1991, 1996 und 1997 in Höhe von insgesamt 18 452 DM als Einnahmen aus Kapitalvermögen.
Während des Klageverfahrens beim Finanzgericht (FG) erließ das FA am aufgrund einer für die Jahre 1996 bis 1998 durchgeführten Betriebsprüfung für das Streitjahr einen geänderten Bescheid, in dem es bei der Berechnung der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen den Vorwegabzug um 16 v.H. des Arbeitslohns kürzte, was zu einem verbleibenden Vorwegabzug von 0 DM führte. Mit seiner Klage begehrte der Kläger, Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1992 und zur Vermögensteuer 1991 bis 1993 von insgesamt 27 384 DM sowie einen Vorwegabzug von 3 775 DM bei der Veranlagung für 1999 zu berücksichtigen. Das FG wies die Klage hinsichtlich der Nachzahlungszinsen ab, gab ihr aber hinsichtlich der Kürzung des Vorwegabzugs statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 99).
Gegen das finanzgerichtliche Urteil haben sowohl der Kläger als auch das FA Revision eingelegt.
Der Kläger bringt zur Begründung seiner Revision im Wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des FG handele es sich bei der Abschaffung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG um eine echte unzulässige Rückwirkung. Der Gesetzgeber habe damit nachträglich einen effektiv höheren Zinssatz auf Nachzahlungszinsen eingeführt, die auf Zeiträume vor 1999 fallen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seiner Entscheidung vom 2 BvR 882/97 (BVerfGE 97, 67, BGBl I 1998, 725) —zumindest für das Steuerrecht— die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung zu Gunsten eines einheitlichen handlungsbezogenen Rückwirkungsbegriffs aufgegeben. Es beantworte die Frage nach der verfassungswidrigen Rückwirkung allein anhand einer Interessenabwägung zwischen der Planungssicherheit des auf ein bestehendes Gesetz vertrauenden Steuerpflichtigen und dem gesetzgeberischen Änderungsinteresse. Schutzwürdig sei im vorliegenden Fall die wirtschaftliche Dispositionsentscheidung des Klägers, im Vertauen auf das geltende Recht (Abzugsfähigkeit der Nachzahlungszinsen) keine höheren Vorauszahlungen zu beantragen. Hätte der Kläger gewusst, dass für die Jahre vor 1999 die Begünstigung des Sonderausgabenabzugs abgeschafft werden würde, hätte er noch die Möglichkeit gehabt, Anträge auf Erhöhung der Vorauszahlungen zu stellen oder aber auf eine schnellere Änderung der Steuerbescheide noch im Jahr 1998 hinzuwirken. Das Untätigbleiben des Klägers sei insoweit als wirtschaftliche Disposition zu werten. Andererseits seien keine zwingenden Gründe dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber auch die Nachzahlungszinsen, die auf Zeiträume vor 1999 entfielen, zwingend vom Sonderausgabenabzug habe ausschließen müssen. Der Gesetzgeber wäre hier gehalten gewesen, für einen schonenden Übergang zu sorgen. Wie der von Söffing (in Betriebs-Berater —BB— 2002, 1456, 1459) dargelegte Beispielsfall zeige, werde durch das Verbot der Abziehbarkeit von Nachforderungszinsen das objektive Nettoprinzip verletzt. Außerdem sei dadurch die die Vollverzinsung des § 233a AO 1977 rechtfertigende These nicht mehr zutreffend, dass durch diese Verzinsungsart im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ein Ausgleich dafür geschaffen werde, dass die Einkommensteuer für einen Veranlagungszeitraum bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt werde. Weitere verfassungsrechtliche Bedenken bestünden im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen.
Der Kläger beantragt,
das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1999 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf den Betrag festgesetzt wird, der sich ergibt, wenn zusätzlich ein Sonderausgabenabzug für Nachzahlungszinsen von 27 384 DM berücksichtigt wird.
Das FA beantragt,
das finanzgerichtliche Urteil insoweit aufzuheben, als das FG der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers zur Abschaffung des Sonderausgabenabzugs von Nachzahlungszinsen hält das FA für unbegründet. Auf den Fortbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG bestehe insbesondere deshalb kein schützenswertes Vertrauen, weil darin eine Ausnahme von dem Grundsatz geregelt gewesen sei, dass steuerliche Nebenleistungen und Personensteuern nicht steuermindernd berücksichtigt werden dürfen (§ 12 Nr. 3 EStG).
Zur Begründung seiner Revision, die sich gegen die Gewährung des vollen Vorwegabzugs bei den Vorsorgeaufwendungen richtet, trägt das FA im Wesentlichen vor: Entgegen der Auffassung des FG sei bei der Berechnung der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen der Vorwegabzug auf 0 DM zu kürzen. Das (BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546) sei hier nicht entsprechend anwendbar, weil der Kläger nicht zu 100 v.H. an der GmbH beteiligt sei. Er habe damit die von der GmbH zugesagte Altersrente nicht ausschließlich durch eigene Beiträge (Gewinnverzicht) erworben.
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils, soweit dieses der Klage stattgegeben hat, und zur Abweisung der Klage in vollem Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
Das FG hat zu Recht die vom Kläger im Streitjahr 1999 gezahlten Nachzahlungszinsen nicht als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen. Zu Unrecht hat es hingegen die vom FA vorgenommene Kürzung des Vorwegabzugs bei den Vorsorgeaufwendungen des Klägers abgelehnt.
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG in der bis einschließlich 1998 geltenden Fassung (a.F.) konnten ab dem Veranlagungszeitraum 1990 u.a. Zinsen auf Steuernachforderungen nach § 233a AO 1977 —sog. Nachzahlungszinsen— als Sonderausgaben abgezogen werden. Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) ist § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. ab dem Veranlagungszeitraum 1999 aufgehoben worden (§ 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002). Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO 1977 sind danach nur dann als Sonderausgaben abziehbar, wenn sie bis zum geleistet worden sind.
2. Die allgemeine Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, mit der unter anderem § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 aufgehoben wird, verstößt insoweit nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes herzuleitende grundsätzliche Verbot der echten Rückwirkung bzw. der unzulässigen Rückbeziehung von Rechtsfolgen, als danach Nachzahlungszinsen i.S. von § 233a AO 1977, die nach Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 gezahlt worden sind, nicht mehr als Sonderausgaben abgezogen werden können. Ebenso wenig kann im Streitfall die Versagung der Möglichkeit des Abzugs von Nachzahlungszinsen unter dem Gesichtspunkt einer sog. unechten Rückwirkung als verfassungswidrig angesehen werden.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist bei der Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit rückwirkender Normen zu unterscheiden zwischen einer echten und einer unechten Rückwirkung bzw. der Rückbewirkung von Rechtsfolgen und der tatbestandlichen Rückanknüpfung. Erstere liegt vor, wenn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs einer Norm auf einen Zeitpunkt festgelegt wird, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm gültig geworden ist. Die Anordnung, eine belastende Rechtsfolge solle schon für einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden Zeitpunkt eintreten, ist grundsätzlich unzulässig bzw. nur aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls zu rechtfertigen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 97, 67, BGBl I 1998, 725). Demgegenüber betrifft eine unechte Rückwirkung nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach der Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung „ins Werk gesetzt” worden sind (, BVerfGE 105, 17, 37).
b) Der erkennende Senat hat in seinen Vorlagebeschlüssen vom XI R 34/02 (BFH/NV 2006, 2184) bzw. XI R 30/03 (BFH/NV 2006, 2191) die Auffassung vertreten, dass abweichend von der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG eine „echte” Rückwirkung stets dann anzunehmen ist, wenn „eine im Gesetz neu oder verändert vorgesehene Rechtsfolge auch dann oder nur in Fällen gelten soll, in denen ihre Tatbestandsvoraussetzungen ausschließlich vor Verkündung des Gesetzes erfüllt worden sind”. Der Senat sieht danach —weitergehend als das BVerfG und in Abweichung von dessen sog. Veranlagungsrechtsprechung— grundsätzlich die Verkündung eines Änderungsgesetzes als den Zeitpunkt an, bis zu dem das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die alte Rechtslage nach den Grundsätzen einer echten Rückwirkung schutzwürdig ist. Selbst unter Berücksichtigung dieses erweiterten (für den Kläger günstigeren) Anwendungsbereichs einer echten Rückwirkung kann eine solche im Streitfall nicht angenommen werden.
Der Abzug einer der in § 10 Abs. 1 EStG genannten Aufwendungen als Sonderausgabe setzt begrifflich die tatsächliche Zahlung dieser Aufwendungen voraus. Unter Berücksichtigung des in § 11 Abs. 2 EStG geregelten Abflussprinzips ist damit der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. erst dann erfüllt, wenn die Nachzahlungszinsen tatsächlich gezahlt worden sind. Nachdem die Zahlung der Zinsen im Streitfall erst am erfolgt ist, das StEntlG 1999/2000/2002, mit dem der Wegfall des Sonderausgabenabzugs dieser Nachzahlungszinsen angeordnet wurde, aber bereits am verkündet worden war, scheidet eine Rückwirkung von Rechtsfolgen offensichtlich aus. Die Annahme einer echten Rückwirkung kommt deshalb nicht in Betracht.
c) Danach kann im Streitfall allenfalls von einer sog. unechten Rückwirkung i.S. der Rechtsprechung des BVerfG ausgegangen werden.
Auch in den Fällen der unechten Rückwirkung bedarf es vor dem Rechtsstaatsprinzip einer besonderen Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolgen eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert. Belastende Steuergesetze dürfen schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen nicht ohne hinreichende Rechtfertigung enttäuschen. Vielmehr sind das Ausmaß des Vertrauensschadens und das gesetzgeberische Anliegen für das Wohl der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen. Es ist in jedem Einzelfall zu ermitteln, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen in die bestehende günstige Rechtslage schützenswert ist und ob die öffentlichen Belange, die eine nachteilige Änderung rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen (vgl. , BVerfGE 72, 200, 254; , BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284).
Aufgrund der danach vorzunehmenden Abwägung zwischen den Gemeinwohlinteressen und dem Einzelinteresse des Klägers gelangt der Senat zu der Auffassung, dass im Streitfall das öffentliche Interesse an der Aufhebung des systemwidrigen Abzugs der Nachzahlungszinsen das Vertrauen des Klägers, die zu Beginn des Veranlagungszeitraums 1999 geltende Rechtslage werde den gesamten Veranlagungszeitraum über Geltung behalten, überwiegt.
Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende Recht werde auch in Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt; ansonsten wäre es dem Gesetzgeber unmöglich, auf veränderte soziale oder wirtschaftliche Gegebenheiten oder z.B. auf den Wegfall des mit einer Steuervergünstigung verfolgten Zweckes zu reagieren bzw. den sich aus einer bestehenden Gesetzeslage unter Umständen ergebenden Missständen zu begegnen (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 17, 40). Im Streitfall ergibt sich ein schützenswertes Vertrauen auch nicht aus einer vom Kläger im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. getroffenen Disposition (zum Vertrauensschutz bei Dispositionen vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom XI R 42/01, BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257; BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, unter B.III.2.e bb). Denn —anders als der Kläger meint— kann der Umstand, dass er in Unkenntnis von dem künftigen Wegfall der Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen beim FA keine höheren Vorauszahlungen beantragt hat, nicht als wirtschaftliche Disposition im Sinne dieser Rechtsprechung gewertet werden.
Dem somit nicht schutzwürdigen Vertrauen des Klägers steht das berechtigte Interesse des Gesetzgebers gegenüber, die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. wieder abzuschaffen. Der Sonderausgabenabzug von Zinsen auf Steuernachforderungen, Stundungszinsen und Aussetzungszinsen ist im Steuerreformgesetz 1990 vom (BGBl I 1988, 1093) zur Erleichterung der Vollverzinsung in § 10 EStG eingefügt worden. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum StEntlG 1999/2000/2002 hat der Gesetzgeber festgestellt, dass diese von vornherein als „Einführungsphase” vorgesehene Erleichterung durch Zweckerfüllung abgelaufen sei; gleichzeitig hat er zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade die Einführung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. zu Systembrüchen innerhalb des Einkommensteuerrechts geführt habe (vgl. BTDrucks 14/23, S. 174). Nahm ein Steuerpflichtiger etwa zur sofortigen Zahlung seiner Einkommensteuerschuld ein Bankdarlehen in Anspruch, so war ihm der Schuldzinsenabzug verwehrt, während ihm in dem Fall, dass er zu geringe oder gar keine Vorauszahlungen leistete und die Steuerschuld faktisch vom FA kreditiert wurde, der vorgenannte Sonderausgabenabzug gewährt wurde. Die darin liegende Ungleichbehandlung ließ sich nicht durch erkennbare Sachgründe rechtfertigen und hatte zudem den Nachteil, dass die in der Zahlung von Nachzahlungszinsen liegende steuerliche Nebenleistung nicht das Schicksal der Hauptschuld teilte. Insbesondere führte die vorgenannte Ungleichbehandlung aber zu einer Tendenz der Steuerpflichtigen, wegen der Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen auf die Festsetzung möglichst niedriger Vorauszahlungen zu dringen.
Aus Sicht des erkennenden Senats stand es dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund dieser Überlegungen darum frei, die zu unerwünschten Steuerwirkungen führende Ungleichbehandlung durch Abschaffung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. zu beheben. Die Tatsache, dass Erstattungszinsen nach wie vor als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern sind, während Nachzahlungszinsen nunmehr nicht mehr abgezogen werden können, beinhaltet keinen Wertungswiderspruch; vielmehr rechtfertigt sie sich —wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat— aus den unterschiedlichen Regelungen zur Versteuerung von Kapitaleinkünften und zur fehlenden Möglichkeit zum Abzug privater Schuldzinsen.
Aus diesen Gründen vermag der Senat die von Söffing (in BB 2002, 1456, 1458 f.) geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Nichtabziehbarkeit von Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben nicht zu teilen. Söffings Auffassung basiert auf der Annahme, das Verbot des Abzugs privat veranlasster Schuldzinsen als Sonderausgabe sei verfassungsrechtlich bedenklich. Diese Auffassung teilt der Senat nicht (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 68/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 316; vom 2 BvR 72/76, BVerfGE 50, 386, BStBl II 1979, 322).
3. Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG ist der Vorwegabzug i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG um 16 v.H. der Summe der Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG zu kürzen, wenn der Steuerpflichtige während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahres nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht unterliegt, eine Berufstätigkeit ausübt und im Zusammenhang damit aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben hat.
Der Kläger unterliegt als Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, da er nicht Arbeitnehmer im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften ist, nicht der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Er hat sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung durch die GmbH auch teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben, weshalb das FA zu Recht bei ihm eine Kürzung des Vorwegabzugs vorgenommen hat.
a) „Beitragsleistung” für die (eigene) Altersversorgung ist nicht nur eine Geldzahlung, sondern jede Minderung eines Vermögensanspruchs gegen eine Versorgungszusage (, BFH/NV 1992, 596). In diesem Sinn hat der erkennende Senat entschieden, dass der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen bei einem Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH nicht nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG zu kürzen ist, da dieser —wirtschaftlich betrachtet— eine ihm von der GmbH zugesagte Altersversorgung durch Verzicht auf entsprechende gesellschaftsrechtliche Ansprüche (§§ 29, 72 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung —GmbHG—) und damit letztlich ausschließlich durch eigene Beitragsleistungen erwirbt (BFH-Urteil in BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546).
In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der Senat entschieden, dass in den Fällen, in denen eine GmbH ihren beiden zu je 50 v.H. beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern die gleiche Altersversorgung zusagt, jedem der beiden der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen ungekürzt zusteht (vgl. , BFHE 209, 256, BStBl II 2005, 634). In diesem Zusammenhang hat es der Senat als entscheidend für den ungekürzten Vorwegabzug von Vorsorgeaufwendungen angesehen, ob der einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche erwirbt. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass selbst zu gleichen Teilen beteiligte fremde Gesellschafter typischerweise nicht bereit sind, zugunsten von Mitgesellschaftern auf ihre Gewinnansprüche zu verzichten.
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sein Anwartschaftsrecht ausschließlich durch eigene Beitragsleistung erworben hat.
Der Kläger ist zwar alleiniger Geschäftsführer der GmbH, er ist aber an der GmbH nicht allein beteiligt, sondern zu 6 v.H. direkt und zu weiteren 75,2 v.H. über die B GmbH indirekt. Lediglich in Höhe von insgesamt 81,2 v.H. stehen dem Kläger damit gesellschaftsrechtliche Ansprüche gegenüber der GmbH zu. Bei wirtschaftlicher Betrachtung tragen demnach zu einem beachtlichen Teil auch die restlichen Gesellschafter der GmbH durch entsprechenden Verzicht auf ihre gesellschaftsrechtlichen Ansprüche die Beiträge für die Altersversorgung des Klägers.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 387
BB 2007 S. 370 Nr. 7
BFH/NV 2007 S. 556 Nr. 3
BStBl II 2007 S. 387 Nr. 9
DB 2007 S. 380 Nr. 7
DStR 2007 S. 294 Nr. 7
DStRE 2007 S. 387 Nr. 6
DStZ 2007 S. 123 Nr. 5
EStB 2007 S. 130 Nr. 4
FR 2007 S. 563 Nr. 11
GmbH-StB 2007 S. 136 Nr. 5
GmbHR 2007 S. 275 Nr. 5
HFR 2007 S. 449 Nr. 5
INF 2007 S. 204 Nr. 6
KÖSDI 2007 S. 15468 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 35/2008 S. 3287
NWB-Eilnachricht Nr. 9/2007 S. 676
SJ 2007 S. 5 Nr. 6
StBW 2007 S. 2 Nr. 4
StuB-Bilanzreport Nr. 9/2007 S. 364
LAAAC-36609