Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG durch mehrere Rechtsgeschäfte
Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
I. Die B, die seinerzeit alleinige Aktionärin der X-AG war, verpflichtete sich mit Einbringungsvertrag vom , 17,5 % ihrer Beteiligung als Sacheinlage im Wege der Kapitalerhöhung in die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine AG, einzubringen und eine entsprechende Anzahl von Aktien mit wirtschaftlicher und dinglicher Wirkung zum , 0 Uhr auf diese zu übertragen. Die Klägerin verpflichtete sich, der B als Gegenleistung neue Aktien mit einem entsprechenden Wert zu gewähren.
Die B verkaufte mit Vertrag vom ihre restliche Beteiligung an der X-AG (82,5 % des Grundkapitals) an die Klägerin und trat die verkauften Aktien an diese ab. Die Übertragung sollte —ihre rechtliche Zulässigkeit vorausgesetzt— mit der vollständigen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises, nicht aber vor dem schuldrechtlichen Stichtag () wirksam werden.
Die Klägerin verkaufte mit Vertrag vom ihr Anwartschaftsrecht an 100 Aktien an der X-AG an eine Bank.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) nahm an, der Abschluss des Kaufvertrags vom habe auf die Vereinigung aller Anteile der X-AG in der Hand der Klägerin abgezielt und im Hinblick auf den —in den Bezirken verschiedener Finanzämter belegenen— Grundbesitz der X-AG zum Entstehen von Grunderwerbsteuer geführt, und erließ deshalb einen entsprechenden Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) stellte nach Beiladung der Finanzämter, in deren Bezirken sich bei Abschluss des Kaufvertrags Grundbesitz der X-AG befunden hatte, mit Zwischenurteil vom fest, dass das FA mit dem angefochtenen Feststellungsbescheid in Gestalt des zuletzt ergangenen Änderungsbescheids dem Grunde nach zu Recht einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) besteuert habe.
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Das FA und der Beigeladene zu 7. sind der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Grundsätzliche Bedeutung
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der im Streitfall anwendbaren Fassung (a.F.) auch bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts erfüllt ist, wenn die Erfüllung dieses Rechtsgeschäfts isoliert betrachtet zu keiner Vereinigung sämtlicher Anteile in der Hand des Erwerbers führt, sondern sich eine Vereinigung nur durch die Zusammenrechnung mit weiteren rechtsgeschäftlichen Ansprüchen auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen ergibt, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wenn durch die Übertragung alle Anteile an dieser Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden würden. Die Steuerpflicht wird dabei durch den Erwerb des letzten Anteils ausgelöst. Der Vorgang, der zum Erwerb dieses Anteils führt, ist zwar das die Steuer auslösende Moment; Gegenstand der Steuer ist jedoch nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete Zuordnung aller Anteile in einer Hand. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (, BFHE 195, 427, BStBl II 2002, 156, und vom II R 23/00, BFH/NV 2003, 505; ebenso zu § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG n.F. , BFH/NV 2006, 612).
Bei den in § 1 Abs. 3 GrEStG a.F. geregelten Ersatztatbeständen fingiert das Gesetz —zivilrechtlich nicht vorhandene— grundstücksbezogene Erwerbsvorgänge und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst. Es geht nicht um die Besteuerung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge (, BFHE 178, 231, BStBl II 1995, 736, und vom II R 80/92, BFHE 178, 468, BStBl II 1995, 903).
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. knüpft dabei entsprechend dem Grundgedanken der primären Erfassung von auf den Erwerb von Grundstücken abzielenden Verpflichtungsgeschäften (vgl. § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 5 und 6 sowie Abs. 3 Nr. 3 GrEStG) an das schuldrechtliche Geschäft und nicht an die tatsächliche Vereinigung der Gesellschaftsanteile in einer Hand an (Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 1 Rdnr. 135).
Die Klägerin macht danach mit ihrer allein auf den Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. abstellenden Argumentation keinen Grund für die Zulassung der Revision geltend. Die Steuerpflicht nach dieser Vorschrift wird erst durch den Abschluss des letzten, auf die Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in einer Hand gerichteten Verpflichtungsgeschäfts ausgelöst, also durch „ein” Rechtsgeschäft. Früher abgeschlossene schuldrechtliche Verträge, die noch nicht durch Wirksamwerden der vereinbarten Übertragungen von Gesellschaftsanteilen vollzogen sind, sind nur bei der durch § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. geforderten hypothetischen Beurteilung, ob durch die zuletzt vereinbarte Übertragung alle Gesellschaftsanteile in einer Hand vereinigt werden würden, von Bedeutung.
2. Einheitlichkeit der Rechtsprechung
Die Klägerin meint, eine Entscheidung des BFH sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da das FG das Verhältnis von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. zu Nr. 2 der Vorschrift unzutreffend beurteilt habe. Da der Kaufvertrag vom nicht der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG a.F. unterliege, könne er auch nicht die Subsidiarität des § 1 Abs. 3 Nr. 2 GrEStG a.F. gegenüber Nr. 1 der Vorschrift begründen. Zu einer tatsächlichen Vereinigung aller Aktien der X-AG in ihrer Hand sei es aufgrund der noch im Jahr 1998 erfolgten Übertragung der Anwartschaft auf 100 Aktien auf eine dritte Bank nicht gekommen. Das sei entscheidend und schließe die Besteuerung aus.
Die Klägerin geht mit dieser Begründung davon aus, dass die von ihr als grundsätzlich bedeutsam herausgestellte Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren in ihrem Sinn beantwortet wird. Da die Beschwerde insoweit aber unbegründet ist, gilt dies in gleicher Weise auch im vorliegenden Zusammenhang.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 500 Nr. 3
UAAAC-36577