BGH Urteil v. - VII ZR 110/05

Leitsatz

[1] a) Ingenieurleistungen zur Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1) werden nicht allein deshalb Gegenstand eines Ingenieurvertrages über die Vor- und Entwurfsplanung (Leistungsphasen 2 und 3), weil sie einen den weiteren Leistungsphasen notwendig vorangehenden Entwicklungsschritt darstellen oder weil sie tatsächlich erbracht werden.

b) Sind nach der Wandelung eines Ingenieurvertrages alle empfangenen Planungsunterlagen zurückgegeben worden, kommt ein Wertersatz für erbrachte Planungsleistungen nur in Betracht, soweit diese Leistungen verwendet worden sind oder verwendet werden.

Gesetze: BGB § 631; BGB § 634; BGB § 636 a.F.; HOAI § 64

Instanzenzug: LG Magdeburg 8(5) O 2916/00 vom OLG Naumburg 6 U 93/04 vom

Tatbestand

Die Klägerin verlangt eine Vergütung für Ingenieurleistungen beim Neubau eines Altenpflegeheimes.

Im Laufe des Jahres 1999 hatte die Klägerin, eine aus zwei Ingenieuren bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bereits Leistungen für die Tragwerksplanung erbracht. Am 4./ schlossen die Parteien sodann schriftlich einen Vertrag über die in § 64 Abs. 1 HOAI beschriebenen Leistungsphasen 2 bis 4. Zugleich rechnete die Klägerin ihre bereits erbrachten Leistungen der Leistungsphasen 2 und 3 ab.

Zwischen den Parteien kam es mehrmals zu Differenzen wegen unterschiedlicher Terminsvorstellungen und wegen der von der Beklagten wiederholt behaupteten Unvollständigkeit der von der Klägerin übergebenen Planungsunterlagen. Die Beklagte setzte schließlich eine letzte Frist bis zum und erklärte entsprechend ihrer Ankündigung mit Schreiben vom , den Vertrag "zu wandeln (Rückgängigmachung des Vertrages)". Gleichzeitig reichte sie alle bis zum von der Klägerin vorgelegten Unterlagen an diese zurück.

In ihrer Schlussrechnung vom berechnete die Klägerin eine Vergütung für erbrachte Leistungen der Leistungsphasen 1, 2 und 3 sowie zwei Drittel der Leistungsphase 4, ferner eine Vergütung für nicht erbrachte Leistungen der Leistungsphase 4, insgesamt (122.236,34 DM =) 62.498,45 €.

Das Landgericht hat der Klägerin 26.220,92 € für erbrachte Leistungen der Leistungsphasen 2 und 3 zugesprochen; dieser Teil der Entscheidung ist rechtskräftig. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht ihr weitere 36.277,53 € für erbrachte Leistungen der Leistungsphase 1 sowie für Leistungen der Leistungsphase 4 zuerkannt. Hiergegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten.

Gründe

Die Revision ist begründet.

Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

Der Senat hat nach Anhörung der Parteien das Rubrum dahingehend berichtigt, dass Klägerin die aus den bisher als Kläger bezeichneten Ingenieuren bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist (vgl. hierzu , NJW 2006, 42).

I.

1. Das Berufungsgericht (abgedruckt in BauR 2005, 1753) geht unausgesprochen und im Anschluss an das Landgericht davon aus, dass der schriftliche Vertrag vom 4./ die Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1) nicht mit einschließe. Es führt aus, die Klägerin habe gleichwohl Anspruch auf Vergütung auch der Leistungsphase 1. Sie habe die Leistungsphasen 2 und 3 vollständig erbracht. Das habe die Leistungsphase 1 mit umfasst, weil diese einen notwendig vorausgehenden Entwicklungsschritt darstelle.

Etwas anderes hätte allenfalls dann gelten können, wenn die Leistungsphase 1 von einem Dritten erbracht und das Ergebnis der Klägerin zur Verfügung gestellt worden wäre. Das sei jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Vertrages vom 4./ die Leistungsphase 1 nicht in Auftrag gegeben worden sei. Denn insoweit handele es sich um eine nach § 4 Abs. 2 HOAI unwirksame, versteckte Unterschreitung der Mindestsätze.

2. Das ist in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.

a) Zutreffend legt das Berufungsgericht seinen Ausführungen die Ansicht zugrunde, dass der schriftliche Vertrag der Parteien vom 4./ die Leistungspflicht der Grundlagenermittlung nicht enthält. Dann kann die Klägerin jedenfalls aus diesem Vertrag einen Anspruch auf Vergütung der Leistungsphase 1 nicht herleiten.

b) Daran ändert die Auffassung des Berufungsgerichts nichts, dass die Klägerin möglicherweise Leistungen für die Grundlagenermittlung tatsächlich vorgenommen hat. Anders als das Berufungsgericht offenbar annimmt, macht allein der Umstand, dass eine Leistung erbracht wird, sie noch nicht zum Vertragsgegenstand.

Das kann auch die Feststellung des Berufungsgerichts nicht bewirken, die Grundlagenermittlung sei eine notwendige Voraussetzung der weiteren Planungsschritte. Diese Wechselbeziehung besteht regelmäßig zwischen jeder vorangehenden und nachfolgenden Leistungsphase. Sie allein macht eine Teilleistung nicht zu einer Leistung, die nach dem Vertrag über die jeweils nachfolgenden Leistungen geschuldet ist und deshalb zu vergüten wäre.

Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine versteckte Unterschreitung von Mindestsätzen. Die preisrechtlichen Bestimmungen über die Mindestsätze gelten für die im Vertrag vereinbarten und deshalb geschuldeten Leistungen.

c) Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob die Parteien sich möglicherweise vor Abschluss des schriftlichen Vertrages gesondert wegen der Grundlagenermittlung geeinigt haben und ob die Klägerin diese Aufgabe vollständig wahrgenommen hat. Das Berufungsgericht hat dementsprechend nicht geprüft, ob der Klägerin insoweit gegebenenfalls eine Vergütung unabhängig von dem Vertrag vom 4./ zusteht. Das erscheint nach den bisherigen Feststellungen als nicht ausgeschlossen.

Die Parteien haben nach der Feststellung des Landgerichts, auf welche das Berufungsgericht sich bezieht, den größeren Teil des Jahres 1999 zusammengearbeitet. Die Beklagte hat die Klägerin mit dem allerdings noch allgemein gehaltenen Schreiben vom mit der "Statik und Bauphysik" beauftragt, wenn auch noch "vorbehaltlich des noch abzuschließenden Vertrages". Anschließend ist es zu Besprechungen, Terminsvereinbarungen und auch zu gewissen Leistungen der Klägerin für die Grundlagenermittlung gekommen, die zumindest teilweise von dem Architekten der Beklagten verwendet worden sind.

Sofern sich ergibt, dass die Klägerin die Grundlagenermittlung zwar vorgenommen haben, eine gesonderte Vereinbarung insoweit jedoch nicht zustande gekommen ist, bleibt zu erwägen, ob ein Ausgleich nach den Grundsätzen über die Geschäftsführung ohne Auftrag oder nach Bereicherungsrecht in Betracht kommt.

II.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin Anspruch auf Vergütung von Planungsleistungen der Leistungsphase 4 entsprechend ihrer Schlussrechnung vom . Nicht entscheidend sei, ob die Beklagte sich "wirksam" vom Vertrag gelöst habe oder nicht. Es könne auch dahinstehen, ob die Leistung der Klägerin mit einem wesentlichen Mangel behaftet gewesen sei. Denn eine die Vertragsbeendigung möglicherweise rechtfertigende Unvollständigkeit der Planung berühre die Vergütungspflicht für die bis dahin ordnungsgemäß erbrachten Teilleistungen nicht. Unerheblich sei schließlich, ob die Beklagte die Leistungen der Klägerin verwertet habe. Es komme darauf an, ob sie verwertbar gewesen seien; hieran bestehe kein Zweifel.

2. Das hält der rechtlichen Überprüfung insgesamt nicht stand.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht offen gelassen, auf welche Weise der Vertrag vom 4./ vorzeitig beendet worden ist. Die verschiedenen Möglichkeiten, die Zusammenarbeit abzubrechen, haben unterschiedliche Voraussetzungen und es ergeben sich jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen. Das Berufungsgericht hat zu keiner der denkbaren Alternativen die erforderlichen Feststellungen getroffen; der von ihm ausgesprochenen Rechtsfolge fehlt bisher die nötige Grundlage.

a) Das Berufungsgericht hat der Klägerin die von ihr nach § 649 Satz 2 BGB berechnete Vergütung zugesprochen. Die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 649 Satz 1 BGB hat es nicht festgestellt.

b) Die Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom ausdrücklich die Wandelung erklärt. Ob die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen. Weder ist geklärt, ob ein die Wandelung rechtfertigender Mangel vorlag, § 634 BGB, noch ist festgestellt, dass anstelle der Wandelung ein Rücktritt in Betracht kam, weil die Klägerin ihr Werk ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig hergestellt hat, § 636 BGB.

(1) Die Feststellung einer nicht rechtzeitigen Herstellung setzt voraus, dass die Klägerin verpflichtet war, ihre Planungsleistung bis zu einem vereinbarten Zeitpunkt vorzulegen, und dieses nicht getan hat. Sofern ein bestimmter Zeitpunkt nicht verbindlich festgelegt worden ist, kann eine nicht rechtzeitige Herstellung sich daraus ergeben, dass die Klägerin ihre Arbeit unter Berücksichtigung aller Umstände nicht in angemessener Zeit fertig gestellt hat, § 271 Abs. 1 BGB. Feststellungen insoweit fehlen insgesamt.

(2) Selbst wenn alle, insbesondere auch formalen Voraussetzungen für eine Wandelung oder einen Rücktritt gegeben wären, stände der Klägerin jedenfalls ein Anspruch auf Vergütung nicht zu. Vielmehr wäre der Vertrag gegebenenfalls rückabzuwickeln und die Parteien hätten einander die jeweils empfangenen Leistungen zurückzugewähren (§§ 634, 467, 346 BGB und §§ 636, 327, 346 BGB).

Nach der Feststellung des Landgerichts, auf welche das Berufungsgericht verweist, hat die Beklagte der Klägerin die von ihr erhaltenen Planungsunterlagen zurückgegeben. Ob damit alle empfangenen Leistungen zurückgewährt worden sind, hängt davon ab, ob die Beklagte die Unterlagen verwertet hat. Soweit eine Verwertung nicht stattgefunden hat, muss es mit der Rückgabe der Unterlagen sein Bewenden haben. Insoweit dagegen die Beklagte Unterlagen verwertet hat, ist eine Rückgewähr der empfangenen Leistung ausgeschlossen, weil sie nicht möglich ist. Lediglich in diesem Rahmen kommt anstelle der Rückgewähr ein Wertersatz für die erbrachte und verwendete Teilleistung in Betracht. Das Berufungsgericht hat die Frage der Verwertung nicht geklärt. Das wird gegebenenfalls nachzuholen sein.

Unzutreffend ist die in diesem Zusammenhang geäußerte Auffassung des Berufungsgerichts, eine Kostensteigerung durch die Vergütung der Klägerin und außerdem Vergütung eines anderen, mit der Leistungsphase 4 insgesamt neu beauftragten Tragwerksplaners gehe zu Lasten der Beklagten. Sollte ein Dritter die Leistungsphase 4 für die Beklagte erbracht haben, wäre ein Wertersatz für die von der Klägerin insoweit erbrachte, jedoch nicht verwendete Teilleistung ausgeschlossen. Auch dieses wird das Berufungsgericht gegebenenfalls im Einzelnen zu klären haben.

c) Das Berufungsgericht hat nur "hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes" auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Es erscheint allerdings nicht als ausgeschlossen, dass es gleichwohl auch hinsichtlich seiner Entscheidungsgründe insoweit sich dem Landgericht anschließen wollte, als dieses einen Rücktritt der Beklagten gemäß § 326 BGB angenommen hat.

Auch diese Begründung könnte rechtlich keinen Bestand haben.

Zwar trifft es zu, dass neben der von einem Verschulden unabhängigen Wandelung wegen nicht rechtzeitiger Herstellung (§ 636 BGB) auch Verzug und die daraus sich ergebenden Rechte geltend gemacht werden können (§ 636 Satz 2 BGB). Feststellungen hierzu fehlen jedoch. Insbesondere steht nicht fest, dass die Klägerin einen für sie verbindlichen Fertigstellungstermin überschritten hat.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
WAAAC-35788

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja