BFH Beschluss v. - X B 110/06

Abgrenzung Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit

Gesetze: EStG § 15 Abs. 2; EStG § 19 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision u.a. dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Hieran fehlt es im Streitfall.

2. Eine die einheitliche Rechtsprechung gefährdende Abweichung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO liegt vor, wenn das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der BFH, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 53, m.w.N.).

a) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) rügt eine Divergenz zu dem (BFHE 211, 249, BStBl II 2006, 94). Dieses Urteil enthält eine sachverhaltsbezogene Aussage zur einkommensteuerrechtlichen Qualifizierung von Nebeneinkünften eines angestellten Chefarztes aus dem ihm eingeräumten Liquidationsrecht für die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen, „wenn die wahlärztlichen Leistungen innerhalb des Dienstverhältnisses erbracht werden”. Bei der erforderlichen Gewichtung und Abwägung der für und gegen ein Arbeitsverhältnis sprechenden Merkmale habe es das FG zu Recht als bedeutsam erachtet, dass die Erbringung der wahlärztlichen Leistungen zu den dem Krankenhaus vertraglich geschuldeten Dienstaufgaben gehöre. Das Liquidationsrecht für die wahlärztlichen Leistungen habe dem Chefarzt nur aufgrund der ausdrücklichen Einräumung dieses Rechts durch das Krankenhaus im Dienstvertrag zugestanden. Der VI. Senat des BFH hält —nach Ausführungen zur Erbringung der wahlärztlichen Leistungen „in dem geschäftlichen Organismus des Krankenhauses"— insbesondere das Vorliegen bzw. Fehlen der Unternehmerinitiative und eines Unternehmerrisikos für rechtlich bedeutsam. Eine unternehmerische Entscheidung, wahlärztliche Leistungen bei bestimmten Patienten zu erbringen oder dies zu unterlassen, habe der Arzt nicht gehabt; andererseits habe er seine wahlärztliche Tätigkeit nicht durch eigene unternehmerische Entscheidungen wesentlich ausweiten können. Mit einem unternehmerischen Risiko —etwa im Falle eines Forderungsausfalls— sei der Kläger jenes Verfahrens nicht belastet gewesen.

b) Entgegen der Darlegung des Klägers ist der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt ein wesentlich anderer. Zwar mag es zutreffen, dass durch die Geschäftstätigkeit des Klägers nur die X-GmbH berechtigt und verpflichtet wurde, die dementsprechend auch die Zahlungseingänge auf ihren Konten verbuchte. Diese geschäftliche Konstellation lässt indes die Würdigung des FG, dass der Kläger im Verhältnis zu dieser mit Unternehmerinitiative und Unternehmerrisiko tätig war, nicht als rechtsfehlerhaft erscheinen. Denn die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, sind gegeneinander abzuwägen. Hierbei geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Frage der Selbständigkeit natürlicher Personen grundsätzlich für die Umsatzsteuer, die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer nach denselben Grundsätzen zu beurteilen ist (z.B. , BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534; vom V R 29/03, BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730). Die Gewichtung und Abwägung der Abgrenzungsmerkmale im Einzelfall obliegt dem FG als Tatsacheninstanz.

c) Das FG hat zutreffend darauf abgehoben, dass der Kläger im insoweit maßgebenden Innenverhältnis zur X-GmbH keinen für einen Arbeitnehmer typischen Status hatte, sondern im Wesentlichen „auf eigene Rechnung und Verantwortung” als Börsenhändler tätig war. Er hat —so das FG— aufgrund eigenverantwortlicher Anlageentscheidungen Unternehmerinitiative entfaltet und insbesondere ein Unternehmerrisiko getragen. Bei der Abwägung der Abgrenzungsmerkmale hat das FG, was nicht zu beanstanden ist, der örtlichen und zeitlichen Einbindung des Klägers kein besonderes Gewicht beigemessen. Es hat zutreffend als entscheidungserheblich erachtet, dass der Kläger keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle beanspruchen konnte und keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub hatte. Wird eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt, spricht dies für Selbständigkeit (BFH-Urteile in BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534; vom VI R 212/75, BFHE 126, 271, BStBl II 1979, 131, m.w.N.).

Des Weiteren war auch die Entlohnung des Klägers mit einem unternehmertypischen Erfolgsrisiko behaftet, da er „ausschließlich erfolgsabhängige Einkünfte bezogen hat” (ausführlich Urteil S. 15). Zu Recht hat das FG angenommen, der Kläger wäre nur dann nichtselbständig tätig gewesen, wenn er von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt gewesen wäre (z.B. Senatsurteil in BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534).

d) Im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht ferner die Auffassung des FG, dass die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig zwar indizielle Bedeutung haben kann, letztlich aber nicht ausschlaggebend ist (z.B. Senatsurteil in BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534; , BFH/NV 2006, 1361; zur Eigenständigkeit des Begriffs „Arbeitnehmer” auf den verschiedenen Rechtsgebieten vgl. auch StbSt (R) 2/86, Neue Juristische Wochenschrift 1987, 2751). Auch das Bundessozialgericht hat klargestellt, dass grundsätzlich keine Bindung des Steuerrechts an arbeits- und sozialrechtliche Beurteilungen, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliege, besteht (vgl. Urteil vom B 12 RA 1/04 R, Deutsches Steuerrecht 2006, 434).

e) Im Kern erschöpft sich die Beschwerdebegründung des Klägers —nach Art einer Revisionsbegründung— in Ausführungen darüber, dass und warum das FG den Streitfall unrichtig entschieden habe. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich gesehen grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 24, und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.).

3. Ebenso wenig hat der Kläger schlüssig dargelegt, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die angefochtene Vorentscheidung schwerwiegende Mängel bei der Anwendung revisiblen Rechts aufweisen würde.

Fundstelle(n):
UAAAC-35621