BGH Urteil v. - VII ZR 133/04

Leitsatz

[1] Der Architekt schuldet als Sachwalter des Bauherrn im Rahmen seines jeweils übernommenen Aufgabengebiets die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel sowie die sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung und von der sich daraus ergebenden Rechtslage. Von der Ursächlichkeit der Verletzung dieser Pflicht für den eingetretenen Schaden ist auszugehen, wenn der Auftraggeber bei entsprechender Aufklärung rechtzeitig gegen den Architekten vorgegangen wäre. Hierfür spricht eine tatsächliche Vermutung. Der aus der ursächlichen Verletzung der Pflicht folgende Schadensersatzanspruch geht dahin, dass die Verjährung der gegen den Architekten gerichteten Gewährleistungsansprüche als nicht eingetreten gilt.

Gesetze: BGB a.F. § 195; BGB a.F. § 276 Hb; BGB a.F. § 631; BGB a.F. § 635

Instanzenzug: LG Hildesheim 2 O 344/03 vom OLG Celle 7 U 232/03 vom

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger ließ im Jahr 1991 ein Einfamilienhaus errichten. Mit den Bauleistungen beauftragte er die Beklagte zu 1, mit den Architektenleistungen der Leistungsphasen 1-8 des § 15 Abs. 2 HOAI den Beklagten zu 2. Das Haus wurde im Jahre 1992 errichtet. Anfang 1993 traten Feuchtigkeitserscheinungen auf, die der Kläger durch den Beklagten zu 2 gegenüber der Beklagten zu 1 rügen ließ. Im Juni 1993 beantragte der Kläger die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagte zu 1. Mitte September 1993 teilte er dem Amtsgericht mit, dass er den Vorschuss für den Sachverständigen nicht einzahlen werde. Im Laufe des Jahres 1993 nahm die Beklagte zu 1 Nachbesserungsarbeiten vor. Nachdem sich wiederum Feuchtigkeit gezeigt hatte, beantragte der Kläger im Oktober 2002 erneut die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Beklagte zu 1. In diesem Verfahren wurde festgestellt, dass die Abdichtung des Kellers mangelhaft erstellt worden war.

Der Kläger hat die Beklagten mit einer am anhängig gemachten Klage als Gesamtschuldner auf Schadensersatz in Höhe von 46.547 € in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Der Senat hat die Revision gegen den Beklagten zu 2 zugelassen, mit der der Kläger seinen Schadensersatzanspruch weiterverfolgt.

Gründe

Die Revision hat Erfolg.

Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). Für die Verjährung gilt Art. 229 § 6 EGBGB.

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 2 sei verjährt. Die fünfjährige Verjährungsfrist des § 638 BGB habe Ende des Jahres 1992 zu laufen begonnen. Eine 30-jährige Verjährungsfrist komme nicht in Betracht. Arglist sei dem Beklagten zu 2 nicht vorzuwerfen. Auch die Voraussetzungen für eine Sekundärhaftung des Beklagten zu 2 lägen mangels Kausalität seiner Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden nicht vor. Hätte der Beklagte zu 2 dem Kläger Anfang 1993 mitgeteilt, dass er für die Feuchtigkeitserscheinungen möglicherweise wegen unzureichender Bauaufsicht mitverantwortlich sein könne, hätte der Kläger nämlich aller Voraussicht nach nichts gegen ihn unternommen. Hiervon sei das Berufungsgericht aufgrund des Verhaltens des Klägers im selbständigen Beweisverfahren aus dem Jahre 1993 gegen die Beklagte zu 1 überzeugt. Der Kläger habe davon abgesehen, den erforderlichen Vorschuss für das Sachverständigengutachten bei der Gerichtskasse einzuzahlen und sich Klarheit über die Ursachen der gegenüber der Beklagten zu 1 gerügten Mängel zu verschaffen. Vielmehr habe er sich auf Nachbesserungsarbeiten der Beklagten zu 1 eingelassen, die zu keinem Erfolg geführt hätten. Den Umständen nach sei davon auszugehen, dass der Kläger nicht anders verfahren wäre, wenn ihn der Beklagte zu 2 auf eine möglicherweise bestehende Mitverantwortung hingewiesen hätte.

II.

Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Der Beginn der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 638 Abs. 1 BGB a.F. setzt nach § 638 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. die Abnahme oder, soweit eine Abnahme ausgeschlossen ist, die Vollendung des Werkes (§ 646 BGB) voraus (vgl. , BauR 2000, 128, 129 = ZfBR 2000, 97 = NZBau 2000, 22). Dass diese Voraussetzungen hinsichtlich des Werkes des Beklagten zu 2 im Jahr 1992 oder später vorgelegen haben, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Solange solche Feststellungen fehlen, kann bereits deswegen von dem Verjährungseintritt nicht ausgegangen werden.

2. Selbst wenn ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Mängeln des Werkes des Beklagten zu 2 verjährt wäre, könnte dieser sich auf den Eintritt der Verjährung nicht berufen.

a) Es gehört zu den Pflichten des Architekten, dem Bauherrn im Rahmen seines jeweils übernommenen Aufgabengebiets bei der Untersuchung und Behebung von Baumängeln zur Seite zu stehen. Als Sachwalter des Bauherrn schuldet er die unverzügliche und umfassende Aufklärung der Ursachen sichtbar gewordener Baumängel sowie die sachkundige Unterrichtung des Bauherrn vom Ergebnis der Untersuchung und von der sich daraus ergebenden Rechtslage. Das gilt auch dann, wenn die Mängel ihre Ursache auch in Planungs- oder Aufsichtsfehlern des Architekten haben. Verletzt der Architekt schuldhaft diese Untersuchungs- und Beratungspflicht, so ist er dem Bauherrn wegen positiver Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet. Dieser Schadensersatzanspruch geht dahin, dass die Verjährung der gegen ihn gerichteten werkvertraglichen Ansprüche als nicht eingetreten gilt (vgl. , BauR 1986, 112, 113 = ZfBR 1986, 17 und vom - VII ZR 397/02, BauR 2004, 1171, 1172 = ZfBR 2004, 559 = NZBau 2004, 396 m.w.N., st. Rspr.).

b) Danach bestand entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die Pflicht des Beklagten zu 2 nicht allein darin, dem Kläger mitzuteilen, dass er für den Feuchtigkeitseintritt möglicherweise wegen unzureichender Bauaufsicht mitverantwortlich sein könnte. Vielmehr hätte er, nachdem ihm die Feuchtigkeitserscheinungen im Jahre 1993 zur Kenntnis gebracht worden waren, selbst die Mängelursachen untersuchen und den Kläger über das Ergebnis seiner Untersuchung sowie über die technischen Möglichkeiten der Beseitigung des Mangels und die Haftung informieren müssen. Dass der Beklagte zu 2 diesen Verpflichtungen nachgekommen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

c) Für das Revisionsverfahren ist davon auszugehen, dass eine im vorstehend genannten Verhalten zu sehende Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 für den Eintritt der Verjährung des gegen ihn bestehenden primären Schadensersatzanspruches ursächlich geworden ist. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangt, sind rechtsfehlerhaft.

aa) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers gegen den Architekten wegen einer Verletzung seiner Untersuchungs- und Beratungspflicht setzt die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden voraus. Eine solche besteht, wenn der Auftraggeber bei entsprechender Aufklärung den Anspruch gegen den Architekten rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht hätte.

bb) Die sich hieran anschließende Prüfung des Berufungsgerichts ist bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil es, wie ausgeführt, verkannt hat, worin die Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 besteht. Entscheidend ist, ob der Kläger gegen den Beklagten zu 2 innerhalb der Verjährungsfrist verjährungsunterbrechende Maßnahmen eingeleitet hätte, wenn dieser die Mängelursachen erforscht und den Kläger auf eine sich hiernach ergebende etwaige eigene Haftung hingewiesen hätte. Dafür, dass der Kläger in diesem Fall den Eintritt der Verjährung des auf Mängel des Werkes des Beklagten zu 2 gestützten Schadensersatzanspruchs vermieden hätte, spricht eine tatsächliche Vermutung.

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger hätte im Fall eines Hinweises des Beklagten zu 2 auf eine etwaige eigene Verantwortlichkeit "aller Voraussicht nach" nichts gegen diesen unternommen, bereits für sich gesehen nicht tragbar. Diese Annahme stellt eine bloße Vermutung dar, die sich auf vom Berufungsgericht getroffene Feststellungen nicht stützen lässt.

3. Ein auf die Verletzung der Untersuchungs- und Beratungspflicht des Beklagten zu 2 gestützter Schadensersatzanspruch des Klägers wäre nicht verjährt.

a) Die Untersuchungs- und Beratungspflicht durch den Architekten ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine Nebenpflicht. Ihre Verletzung stellt eine positive Vertragsverletzung dar, die nach der Regelverjährungsfrist des § 195 BGB nach 30 Jahren verjährt (vgl. , NJW 1964, 1022, 1023, vom - VII ZR 342/83, BGHZ 92, 251, 258 f. und vom - VII ZR 13/83, BauR 1985, 232 = ZfBR 1985, 119). Der abweichenden Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vgl. BauR 2004, 1331, 1335 = NZBau 2004, 454) ist nicht zu folgen. Die Untersuchungs- und Beratungspflicht betrifft nicht die Herstellung des geschuldeten Architektenwerkes, ihre Verletzung führt nicht zu einem Mangel dieses Werkes (, NJW 1964, 1022, 1023). Da es sich um eine Nebenpflicht handelt, ist auch für eine analoge Anwendung der Verjährungsfrist des § 638 BGB a.F. für eine nach Abnahme der Architektenleistungen begangene Pflichtverletzung kein Raum (a. A.: Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 4. Aufl. Rdn. 1586 f.).

b) Danach wäre ein dem Kläger gegen den Beklagten zu 2 zustehender sekundärer Schadensersatzanspruch nicht verjährt. Die 30-jährige Verjährungsfrist war zum noch nicht abgelaufen. Die gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB ab dem laufende Verjährungsfrist ist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. durch die Erhebung der Klage gegen den Beklagten zu 2 am gehemmt worden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 365 Nr. 6
UAAAC-33625

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja