BGH Urteil v. - 4 StR 278/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: StPO § 460; StPO § 462; StPO § 354 Abs. 1 b; StPO § 462 a Abs. 3

Instanzenzug: LG Magdeburg vom

Gründe

Das Landgericht hat gegen den Angeklagten W. wegen schweren räuberischen Diebstahls auf eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten erkannt und ihn unter Einbeziehung einer rechtskräftigen neunmonatigen Freiheitsstrafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten We. hat es wegen Diebstahls zu zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und hieraus unter Einbeziehung einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Apolda vom und unter weiterer Einbeziehung einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten erkannt, deren Vollstreckung es nicht zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten und - zu deren Ungunsten - die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sind hinsichtlich beider Angeklagten wirksam auf den Strafausspruch beschränkt. Der Angeklagte We. stellt das Urteil mit seiner ebenfalls allein auf die Sachrüge gestützten Revision insgesamt zur Überprüfung des Revisionsgerichts. Der Angeklagte W. erhebt Verfahrensbeschwerden und rügt die Verletzung sachlichen Rechts; er beanstandet, dass das Landgericht die Annahme drogenbedingter erheblich verminderter Schuldfähigkeit verneint hat. Die Rechtsmittel führen lediglich zur Aufhebung des den Angeklagten We. betreffenden Gesamtstrafenausspruchs; im Übrigen sind sie unbegründet.

1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen brachen unbekannte Täter in der Nacht zum in ein Praxis- und Bürogebäude in Magdeburg ein und entwendeten dort aus den Räumen einer Fußpflegepraxis diverse elektronische Geräte. In derselben Nacht drang auch der Angeklagte We. in das Gebäude ein, hebelte die Eingangstür zum Büro der Caritas auf und entwendete einen Umschlag mit 150 € Bargeld. We. berichtete dem Angeklagten W. davon und bedeutete ihm, dass dort "noch etwas zu holen" sei. Darauf begab sich auch W. , zusammen mit einem unbekannten Mittäter, zu dem Gebäude. Sie hebelten die Eingangstür zur Arztpraxis Dr. W. auf und entwendeten zwei Computer und drei Flachbildschirme. Als sie gerade das Gebäude mit der Beute verlassen wollten, kam ihnen an der Eingangstür der Apotheker O. entgegen, dessen Sohn zu den Geschädigten zählte und der bereits die Polizei informiert hatte. Um die vermuteten Einbrecher im Gebäude einzusperren, versuchte er, die Eingangstür von außen zuzuziehen. Dies verhinderte der unbekannte Mittäter des Angeklagten W. , indem er ihm den Karton, in dem sich die beiden Computer befanden, ins Gesicht rammte. Auch W. entschloss sich, die Flucht mit der Beute zu erzwingen. Hierzu stellte er den Karton, in dem sich die drei Flachbildschirme befanden, zunächst ab, zog einen der als Aufbruchwerkzeuge mitgeführten beiden Schraubenzieher und stieß damit "dolchartig" in Richtung des Kopfes und des Oberkörpers des Zeugen, der darauf die Hauseingangstür losließ. Diesen Augenblick nutzte der Angeklagte W. und verließ unter Mitnahme der Beute das Gebäude.

2. Revisionen der Angeklagten

a) Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionen der Angeklagten haben weder zu den Schuldsprüchen noch zu den Strafaussprüchen - letzteres hinsichtlich des Angeklagten We. mit Ausnahme der Gesamtstrafenbildung - die Angeklagten beschwerende Rechtsfehler ergeben, wie der Generalbundesanwalt bereits in seiner Antragsschrift vom zutreffend ausgeführt hat. Die Angriffe des Angeklagten We. gegen die Beweiswürdigung zu seiner Täterschaft stellen lediglich den im Revisionsverfahren untauglichen Versuch dar, die tatrichterliche Überzeugungsbildung durch eine eigene Wertung zu ersetzen. Ebenso wenig vermag die Revision des Angeklagten W. aufzuzeigen, dass das Landgericht zu Unrecht das Vorliegen der nach der Rechtsprechung (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 21 Rdn. 13 m.w.N.) engen Voraussetzungen drogenbedingter erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) verneint und auch eine weitere Aufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt hat.

b) Dagegen beanstandet der Angeklagte We. zu Recht den Gesamtstrafenausspruch. Die Einbeziehung der sechsmonatigen zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom ist fehlerhaft, wie das Landgericht nachträglich selbst erkannt hat. Dies ist hier auch auf die Revision des Angeklagten We. zu beachten. Zwar wird es im Fall fehlerhafter Einbeziehung einer Strafe nach § 55 Abs. 1 StGB zumeist an einer Beschwer des Angeklagten fehlen, weil das gesonderte Bestehenbleiben der einbezogenen Strafe regelmäßig zu einem größeren (Gesamt)Strafübel führt. Hier wirkt sich die fehlerhafte Einbeziehung aber schon deshalb nachteilig für den Angeklagten aus, weil die Einbeziehung zum Wegfall der Aussetzung zur Bewährung der sechsmonatigen Freiheitsstrafe geführt hat.

3. Revisionen der Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft wendet sich ohne Erfolg gegen die Bemessung der gegen die Angeklagten wegen der verfahrensgegenständlichen Taten verhängten Freiheitsstrafen. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur dann eingreifen, wenn die tatrichterliche Strafzumessung Rechtsfehler enthält, insbesondere wenn sie lückenhaft oder widersprüchlich ist oder sie gegen anerkannte Strafzwecke verstößt (st. Rspr.; vgl. BGHSt 34, 345, 349 f.). Derartige Rechtsfehler zeigen die Revisionen hinsichtlich keines der beiden Angeklagten auf. Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass die erkannten Einzelstrafen angesichts der erheblichen, insbesondere auch einschlägigen Vorbelastungen vergleichsweise milde sind; sie entfernen sich aber noch nicht nach unten von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs. Zwar hätten die von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen Umstände auch anders gewertet werden und deshalb Anlass geben können, höhere Strafen zu verhängen. Die Staatsanwaltschaft versucht aber lediglich, diese Gesichtspunkte anders als der Tatrichter zu gewichten. Damit kann sie jedoch im Revisionsverfahren nicht gehört werden.

Dagegen kann - wie bereits zuvor unter 2. ausgeführt - der Gesamtstrafenausspruch bezüglich des Angeklagten We. nicht bestehen bleiben. Der dem zugrunde liegende Rechtsfehler ist zwar bereits auf die Revision dieses Angeklagten zu berücksichtigen und deshalb insoweit unbeschadet der Regelung des § 301 StPO kein Erfolg der Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 9 a.E.). Dies gilt indes nur, soweit der Angeklagte durch die fehlerhafte nachträgliche Gesamtstrafenbildung - wie aufgezeigt - beschwert ist. Die fehlerhafte Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom begünstigt den Angeklagten aber auch, denn die vom Landgericht gebildete Gesamtstrafe ist niedriger als das "Gesamtstrafübel", wenn die fehlerhaft einbezogene Freiheitsstrafe gesondert bestehen bleibt. Deshalb ist die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs auch ein Erfolg der Revision der Staatsanwaltschaft.

4. Die notwendig werdende neue Gesamtstrafenbildung bedarf keiner Entscheidung aufgrund neuer Hauptverhandlung. Der Senat macht deshalb von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 354 Abs. 1 b StPO zu entscheiden. Diese Vorschrift findet nicht nur bei den Angeklagten beschwerenden, sondern auch bei ihn begünstigenden, auf Revision der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigenden Rechtsfehlern Anwendung (vgl. zu Absatz 1 a der Vorschrift Senatsurteil vom - 4 StR 536/05). Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung hinsichtlich des Angeklagten We. obliegt somit dem nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht.

5. Der Senat kann hinsichtlich der Kosten im Revisionsverfahren auch hinsichtlich des Angeklagten We. bereits abschließend entscheiden. Denn im vorliegenden Fall ist sicher abzusehen, dass sowohl das Rechtsmittel dieses Angeklagten, der seine Verurteilung umfassend angegriffen hat, als auch das ihn betreffende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit dem Teilerfolg zur Gesamtstrafe nur einen geringfügigen Rechtsmittelerfolg erbracht haben. Jedenfalls bei dieser Sachlage kann der Senat die abschließende Kostenentscheidung nach § 473 Abs. 4 StPO sofort treffen und braucht sie nicht dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO vorzubehalten (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 b Satz 1 Entscheidung 2).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW 2007 S. 1150 Nr. 16
DAAAC-33554

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