BFH Urteil v. - VII R 39/06 BStBl 2008 II S. 399

Berufspraktische Tätigkeit vor Ergehen einer Prüfungsentscheidung

Leitsatz

Die Feststellung des Studienerfolges durch die Prüfungsentscheidung ist auf den Zeitpunkt zurückzubeziehen, in dem der Bewerber sämtliche Prüfungsleistungen erbracht hat; eine nach diesem Zeitpunkt ausgeübte praktische Tätigkeit ist bei der Zulassung zur Steuerberaterprüfung zu berücksichtigen, auch wenn die Prüfungsentscheidung noch nicht ergangen war.

Gesetze: StBerG § 36 Abs. 1StBerG § 38a Abs. 1

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) möchte an der Steuerberaterprüfung 2007 teilnehmen. Sie hat Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert. Sie macht geltend, dieses Studium am abgeschlossen zu haben. Die letzte Prüfungsleistung hatte sie am erbracht, indem sie ihre Diplomarbeit ablieferte. Nach der Prüfungsordnung der Fakultät ist das Studium mit dem Ende des Monats abgeschlossen, in dem die letzte Prüfungsleistung erbracht wurde, so dass in dem Diplomzeugnis der Klägerin vorgenanntes Datum als Tag des Bestehens der Diplomprüfung angegeben ist. Dieses Zeugnis ist der Klägerin allerdings erst am ausgehändigt worden, weil die Korrektur der Diplomarbeit erst im Februar 2006 abgeschlossen war. Zu dem vorgenannten Datum, dem , lag lediglich eine Bestätigung des Korrektors vor, wonach die Diplomarbeit nach erster Durchsicht als bestanden gewertet werde.

Die Klägerin, die seit dem als Steuerberatungsassistentin berufstätig ist, begehrt von dem Beklagten und Revisionskläger (Landesamt) die Erteilung einer verbindlichen Auskunft, dass bis zum eine praktische Tätigkeit von fünf Monaten angerechnet werde. Das Landesamt hat die Erteilung dieser Auskunft abgelehnt. Es ist der Ansicht, das Studium der Klägerin sei erst mit Bekanntgabe der Bewertung der Prüfungsergebnisse bei Aushändigung des Diplomzeugnisses im Februar 2006 abgeschlossen worden; die Zeiten einer Berufstätigkeit bis zu diesem Zeitpunkt könnten für die Steuerberaterprüfung nicht angerechnet werden.

Auf die daraufhin erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) das Landesamt verpflichtet, der Klägerin die Auskunft zu erteilen, dass die in den strittigen fünf Monaten ausgeübte Tätigkeit als praktische Tätigkeit i.S. von § 36 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) anerkannt wird. Es sah keinen Anlass, von dem in der Diplomurkunde ausgewiesenen Datum des Bestehens der Prüfung abzuweichen, zumal zu diesem Zeitpunkt bestätigt worden sei, dass die Diplomarbeit als bestanden gewertet werde.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Landesamts, zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen wird:

Nach dem Beschluss des Senats vom VII B 214/98 (BFHE 187, 170, BStBl II 1999, 141) sei ein Universitätsstudium erst in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Prüfungsentscheidung ergangen ist; das sei hier nicht der , sondern erst der gewesen. Entgegen der Ansicht des FG widerspreche dessen Urteil dieser Entscheidung. Erst wenn die Korrektur der Diplomarbeit und damit das Prüfungsverfahren mit Aushändigung der Diplomurkunde abgeschlossen ist, sei das Studium erfolgreich abgeschlossen. Auch die Studienordnung lasse nicht die Interpretation zu, das Studium sei zu einem früheren Zeitpunkt beendet. Nach dieser komme es darauf an, wann die vorgeschriebenen Leistungspunkte erbracht sind, was erst entschieden werden könne, wenn die Diplomarbeit korrigiert worden ist. Dementsprechend trage die Diplomurkunde auch das Datum des ; das Einsetzen eines früheren Bestehensdatums in der Diplomurkunde erscheine willkürlich.

II.

Die zulässige Revision ist nicht begründet (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Das angefochtene Urteil entspricht im Ergebnis dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Der Klägerin ist die beantragte Auskunft nach § 38a StBerG zu erteilen.

§ 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG verlangt für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung, dass der Bewerber ein Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen hat und danach zwei Jahre —mit den Maßgaben des § 36 Abs. 3 StBerG— praktisch tätig gewesen ist. Der erkennende Senat hat daraus in seinem Beschluss in BFHE 187, 170, BStBl II 1999, 141 gefolgert, dass sich die praktische Tätigkeit an die Ausbildung, das Hochschulstudium, anschließen müsse und eine bereits während des Hochschulstudiums aufgenommene praktische Tätigkeit auf die Zeit der Tätigkeit, die das Gesetz vor Eintritt in die Steuerberaterprüfung verlangt, nicht angerechnet werden könne. Der Senat hat weiter ausgeführt, sofern —wie regelmäßig— das einschlägige Ausbildungs- und Prüfungsrecht vorsehe, dass der Studienerfolg durch eine Prüfung festgestellt werde, sei das Studium erst abgeschlossen, wenn das betreffende Prüfungsverfahren abgeschlossen ist. Denn nur ein erfolgreich abgeschlossenes Studium erfüllt die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG und erst in der Prüfung wird festgestellt, ob der Student sein Studium mit Erfolg betrieben hat. Es ginge auch schwerlich an, der für den Vollzug des StBerG zuständigen Behörde die Beurteilung abzuverlangen, ob der Prüfungsbewerber in seinem Studium erfolgreich war oder nicht oder ob er —so die Fragestellung in dem vorgenannten Verfahren— das Studium auch anders als durch die Prüfung hätte erfolgreich abschließen können, die er tatsächlich abgelegt hat.

An diesen Rechtsgrundsätzen ist festzuhalten. Aus ihnen folgt allerdings nicht ohne weiteres, dass die Klägerin in dem hier strittigen Zeitpunkt die Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung „abgeschlossenes Hochschulstudium” noch nicht erfüllt hatte und ihre im Oktober 2005 aufgenommene praktische Tätigkeit sich nicht an dieses Studium anschloss und daher nur teilweise berücksichtigt werden kann. Denn es ist nicht zwingend, dass der Zeitpunkt, in dem der Erfolg des Bewerbers in Studium und Prüfung durch eine Prüfungsentscheidung festgestellt wird und damit für die Zulassungsbehörde feststeht, mit dem Zeitpunkt identisch ist, in dem das Studium abgeschlossen worden ist. Es ist mit anderen Worten keineswegs ausgeschlossen, die Feststellung des Studienerfolges durch die Prüfungsentscheidung auf einen früheren Zeitpunkt gleichsam zurückzubeziehen. Dass dies geboten ist, wenn der Prüfling eine solche Entscheidung mit Rechtsbehelfen erstreiten musste, liegt auf der Hand; es ist aber nicht weniger in Betracht zu ziehen, wenn —anders als dies bei einer abschließenden mündlichen Prüfung der Fall zu sein pflegt, wenn aufgrund dieser das Bestehen der Prüfung von den Prüfern festgestellt wird— die Prüfungsentscheidung aus anderen Gründen —hier: wegen der längere Zeit erfordernden Bewertung der Diplomarbeit— nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erbringen der letzten Prüfungsleistung ergeht.

Der erkennende Senat hat die Möglichkeit einer Differenzierung zwischen dem Zeitpunkt des erfolgreichen Abschlusses des Studiums und dem Zeitpunkt des Ergehens der diesbezüglichen Prüfungsentscheidung (hierfür auch Späth in Bonner Handbuch der Steuerberatung, § 36 StBerG Rdnr. B 362) in dem vorgenannten Beschluss —ebenso wenig wie die Revision— nicht erörtert, weil dort in dem strittigen Zeitpunkt nicht nur die Prüfungsentscheidung ausstand, sondern der Bewerber weder von seinem Recht Gebrauch gemacht hatte, sich von der Teilnahme an weiteren Prüfungsteilen befreien zu lassen, noch sämtliche danach zu erbringenden Prüfungsleistungen bereits erbracht hatte. Wie die Klägerin mit Recht hervorhebt, liegt der Fall hier nicht so; die Klägerin hatte vielmehr bei Aufnahme ihrer praktischen Tätigkeit im Oktober 2005 sämtliche von ihr erwarteten Prüfungsleistungen erbracht und es stand lediglich die Prüfungsentscheidung aus, die inzwischen ergangen ist.

In einem solchen Fall entspricht es einer an Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 StBerG orientierten Auslegung, das Hochschulstudium als zu dem Zeitpunkt abgeschlossen anzusehen und eine nach diesem Zeitpunkt ausgeübte praktische Tätigkeit demnach bei der Zulassung zur Steuerberaterprüfung zu berücksichtigen, in dem der Bewerber sämtliche —später als den Prüfungsanforderungen genügend bewertete— Prüfungsleistungen erbracht hat. Denn diese Vorschrift will, wie der Senat bereits in dem vorgenannten Beschluss ausgeführt hat, sicherstellen, dass der Bewerber in seiner beruflichen Tätigkeit die Kenntnisse und Fähigkeiten angewendet und dadurch vertieft und gefestigt hat, die er in dem Hochschulstudium —zu dem allerdings die Vorbereitung auf die Abschlussprüfung und die Ablegung der Prüfungsleistungen untrennbar dazu gehören— erworben hat. Während der Zeit, in der seine Prüfungsleistungen bewertet werden, erwirbt der Bewerber keine solchen Kenntnisse und Fähigkeiten, wie sich begreift und von der Klägerin mit Recht hervorgehoben worden ist.

Von diesem Verständnis geht im Übrigen offenbar auch die im Falle der Klägerin noch anzuwendende Prüfungsordnung für den Diplomstudiengang Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München vom (Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst II Nummer 7/1996) aus, nach deren § 29 Abs. 3 Satz 1 der Tag der letzten regulären Prüfung des Kandidaten das Datum des Zeugnisses und des mit ihm erteilten Diploms ist. Nichts anderes würde aber auch dann gelten, wenn es an einer solchen Bestimmung fehlte; denn eine in der Prüfungsentscheidung der Hochschule enthaltene Feststellung zu dem Zeitpunkt des Studienabschlusses entfaltet, anders als das FG offenbar meint, für die zum Vollzug des StBerG berufene Behörde nicht etwa nach Art eines Grundlagenbescheides Bindungswirkung.

Fundstelle(n):
BStBl 2008 II Seite 399
BFH/NV 2007 S. 363 Nr. 2
BStBl II 2008 S. 399 Nr. 9
DB 2007 S. 151 Nr. 3
DStR 2007 S. 10 Nr. 10
DStR 2007 S. 555 Nr. 12
DStRE 2007 S. 519 Nr. 8
HFR 2007 S. 263 Nr. 3
INF 2007 S. 122 Nr. 4
NJW-RR 2007 S. 637 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 2/2007 S. 88
StuB-Bilanzreport Nr. 3/2007 S. 122
TAAAC-33459