BGH Urteil v. - VII ZB 38/06

Leitsatz

[1] Eine unbillige Härte im Sinne des § 765a ZPO liegt nicht darin, dass eine Partei, der für eine Rechtsverfolgung mangels hinreichender Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe versagt worden ist, diese Rechtsverfolgung deswegen nicht aus eigenen Mitteln fortführen kann, weil Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung auf ihr Vermögen zugegriffen haben.

Gesetze: ZPO § 765a

Instanzenzug: AG Cottbus 57 M 1122/05 vom LG Cottbus 7 T 345/05 vom

Gründe

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin wegen einer Forderung in Höhe von 104.357,90 € die Zwangsvollstreckung aus einer Grundschuld.

Auf ihren Antrag erließ das Amtsgericht am einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über alle Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerinnen. Mit weiterem Beschluss vom gab das Amtsgericht das gepfändete Konto der Schuldnerin in Höhe von 200,00 € frei. Auf Antrag der Schuldnerin und mit Zustimmung der Gläubigerin hob das Amtsgericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss hinsichtlich der von der Pfändung erfassten Altersrente der Schuldnerin in Höhe von 217,40 € und der Altersrente ihres Ehemannes in Höhe von 845,28 € auf.

Gegen die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldurkunde betreibt die Schuldnerin die Vollstreckungsgegenklage vor dem Landgericht. Den dabei gestellten Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung wies das Landgericht wegen fehlender Erfolgsaussicht der Vollstreckungsgegenklage zurück. Prozesskostenhilfe für die Vollstreckungsgegenklage hat das Landgericht versagt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

Die Schuldnerin führt daneben gegen die Gläubigerin einen Rechtsstreit auf Herausgabe von Wertpapieren, die sie als Sicherheiten für die Darlehensverbindlichkeiten ihres Ehemannes und ihres Sohnes verpfändet hatte.

Am hat die Schuldnerin die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Grundschuldurkunde beantragt mit der Begründung, ihr sei durch die von der Gläubigerin eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Zugriff auf ihr gesamtes Geld verwehrt. Sie sei deswegen nicht mehr in der Lage, die von ihr gegen die Zwangsvollstreckung eingeleiteten Verfahren weiterzuverfolgen. Sie sei mithin handlungsunfähig, was zu einer unbilligen Härte führe.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist ohne Erfolg geblieben.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren in eingeschränktem Umfang weiter, die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Urkunde in Höhe der Gerichts- und Anwaltskosten für die Vollstreckungsgegenklage einzustellen und in dieser Höhe (21.086,79 €) die Pfändung ihrer Konten aufzuheben.

II.

Das gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hält den zulässigen Antrag für unbegründet.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts entfalte die Entscheidung des Landgerichts über den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO für die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts über einen Antrag nach § 765 a ZPO keine Bindungswirkung.

Die Voraussetzungen für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 765 a ZPO lägen jedoch nicht vor. § 765 a ZPO sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Die von der Schuldnerin vorgetragenen Umstände begründeten nicht die Annahme, dass die Zwangsvollstreckung unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen für die Schuldnerin eine unzumutbare, sittenwidrige Härte darstelle. Entgegen der Ansicht der Schuldnerin liege eine sittenwidrige Härte nicht bereits darin, dass ihrem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Vollstreckungsgegenklage der Erfolg versagt geblieben sei. Darin liege keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Eine sittenwidrige Härte liege selbst dann nicht vor, wenn ihr dadurch die Möglichkeit verwehrt werden sollte, ihre Rechte hinsichtlich des Wertpapierdepots geltend zu machen. Die auf mangelnder Liquidität beruhende mögliche Unfähigkeit, seine Rechte wahrzunehmen, sei vom Rechtssuchenden hinzunehmen, wenn die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

a) Zutreffend ist die Beurteilung des Beschwerdegerichts, der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 765 a ZPO sei neben den weiter bereits von der Schuldnerin in Anspruch genommenen Rechtsbehelfen der Vollstreckungsgegenklage und des dort gestellten Antrags auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO zulässig.

b) Das Beschwerdegericht hat den Antrag zu Recht für unbegründet angesehen.

aa) Gemäß § 765 a ZPO kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. § 765 a ZPO ermöglicht mithin den Schutz gegen Vollstreckungsmaßnahmen, die wegen ganz besonderer Umstände eine Härte für den Schuldner bedeuten, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorschrift ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Anzuwenden ist § 765 a ZPO nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers nach Abwägung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde ( IX a ZB 228/03, BGHZ 161, 371, 374). Hierbei sind insbesondere die Wertentscheidungen des Grundgesetzes zu berücksichtigen (, NJW 2004, 49).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Beschwerdegericht zu Recht die Voraussetzungen des § 765 a ZPO nicht für gegeben erachtet.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann eine unbillige Härte im vorliegenden Verfahren nicht darauf gestützt werden, dass der Schuldnerin, nachdem ihr im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, durch die von der Gläubigerin vorgenommene Vollstreckung die Möglichkeit genommen werde, mit eigenen Mitteln ihr Klagebegehren weiterzuverfolgen. Insbesondere wird sie hierdurch nicht in Verfahrensgrundrechten verletzt.

Dem verfassungsrechtlichen Gebot, eine mittellose Partei in der Verfolgung ihrer Rechte nicht unzulässig schlechter zu stellen als eine bemittelte, wird durch die Regelungen zur Prozesskostenhilfe ausreichend Rechnung getragen. Es ist nicht geboten, auch nicht zur Wahrung von Grundrechten, darüber hinaus der mittellosen Partei eine Rechtsverfolgung zu ermöglichen, die im Prozesskostenhilfeverfahren als nicht hinreichend Erfolg versprechend beurteilt wurde. Worauf die Mittellosigkeit der Partei beruht, ist nicht entscheidend. Es besteht keine rechtliche Veranlassung, diejenige Partei besser zu stellen, die deswegen mittellos ist, weil ein Gläubiger zur Befriedigung seiner berechtigten Ansprüche auf das Vermögen der Partei durch Pfändung zugegriffen hat. Insbesondere ist es nicht gerechtfertigt, dieser Partei auf Kosten des Gläubigers zu gestatten, die als nicht hinreichend Erfolg versprechend beurteilte Rechtsverfolgung weiterzuführen. Daran ändert auch nichts der von der Rechtsbeschwerde angeführte Umstand, dass im Hauptsacheverfahren eine weitergehende Prüfung stattfinden kann als im Prozesskostenhilfeverfahren. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann bei Abwägung mit den berechtigten Interessen des Gläubigers keine unbillige Härte im Sinne des § 765 a ZPO gesehen werden.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW-RR 2007 S. 417 Nr. 6
WM 2007 S. 451 Nr. 10
UAAAC-32478

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