BVerwG Beschluss v. - 10 B 11.06

Leitsatz

Bei der Bewertung eines mit Gebäudeeigentum belasteten Grundstücks in einem Bodenordnungsverfahren nach § 60 LwAnpG ist die mit der Bebauung realisierte Grundstücksnutzung ebenso wenig zu berücksichtigen wie die Bebauung als solche.

Gesetze: LwAnpG § 60; SachenRBerG § 19 Abs. 2; BauGB § 194; WertV § 6 Abs. 1; WertV § 13; WertV § 14; WertV § 15 Abs. 2

Instanzenzug: OVG Greifswald OVG 9 K 6/03 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die auf den Revisionszulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

Als grundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde die folgende Frage auf:

"Ist bei der Bewertung des baureifen Grundstücks als unbebautes Grundstück (§ 19 Abs. 2 Satz 2 Sachenrechtsbereinigungsgesetz) die bestehende und zukünftige Nutzung der betreffenden Grundstücke auf der Grundlage der erfolgten Bebauung zu berücksichtigen oder nicht?"

Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, da sie sich ohne weiteres anhand des Gesetzes und vorhandener Rechtsprechung beantworten lässt. Sie ist danach zu verneinen. Nach § 19 Abs. 2 SachenRBerG, der auf die Wertermittlung in einem Bodenordnungsverfahren nach § 60 LwAnpG entsprechende Anwendung findet ( BVerwG 9 C 5.02 - BVerwGE 118, 91 <94>), kommt es maßgeblich auf den Verkehrswert im Sinne des § 194 BauGB an, der sich ergäbe, wenn das Grundstück unbebaut wäre. Geboten ist hiernach eine fiktive, die erfolgte Bebauung ausklammernde Betrachtung. Dieser Maßgabe entspricht eine Prüfung, die unter Anwendung der Grundsätze der §§ 13, 14, 15 Abs. 2 WertV hypothetisch den Grundstückswert ermittelt, der sich erzielen ließe, wenn die besondere Prägung des Grundstücks durch die aufstehenden baulichen Anlagen und ihre Nutzung hinweggedacht würde. Demgegenüber wäre es widersprüchlich, einerseits die Bebauung des Grundstücks mit Baulichkeiten, die in fremdem Eigentum stehen, als wertmindernden Faktor auszuklammern, andererseits aber den mit den Baulichkeiten verfolgten Nutzungszweck als wertsteigernden Faktor in Ansatz zu bringen.

Die Beschwerde sieht Klärungsbedarf außerdem für die folgende Frage:

"Sind Komplettierungskäufe im Umfeld von Grundstücken, die der Bewertung nach § 19 Abs. 2 Sachenrechtsbereinigungsgesetz unterliegen, bei der Bewertung der Grundstücke wegen der ungewöhnlichen und persönlichen Interessen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Wertermittlungsverordnung im Vergleichswertverfahren grundsätzlich nicht zu beachten, obwohl diese Käufe ein Indiz für die Nutzungsmöglichkeit und wirtschaftliche Bedeutung der betreffenden Grundstücke sind?"

Mangels Entscheidungserheblichkeit rechtfertigt auch diese Fragestellung nicht die Durchführung eines Revisionsverfahrens. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar Zweifel geäußert, ob im Rahmen der entsprechend § 13 Abs. 1 WertV durchzuführenden Vergleichswertprüfung sogenannte Komplettierungskäufe (Kaufverträge, die den Erwerb von Grundstücken durch den Eigentümer der aufstehenden Baulichkeiten betreffen) auch dann Berücksichtigung finden können, wenn die engen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 WertV nicht erfüllt sind. Die Mehrzahl der von den Beteiligten vorgelegten neuen Kaufverträge betraf nach den gerichtlichen Feststellungen Erwerbsvorgänge dieser Art. Mit der Begründung, dass zwei der neun Verträge aus anderen Gründen von ungewöhnlichen und persönlichen Interessen im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 WertV beeinflusst und deshalb außer Betracht zu lassen seien und der aus den sieben übrigen Verträgen resultierende Vergleichswert deutlich unter dem vom beklagten Amt für die Flächen des Klägers festgesetzten Bodenwert liege, hat das Gericht die Berücksichtigungsfähigkeit von Komplettierungskäufen aber letztlich offengelassen. Damit handelt es sich bei der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage um eine für die Entscheidung der Vorinstanz nicht maßgebliche Rechtsfrage, die die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerwG 9 BN 3.03 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 98 S. 22 m.w.N.).

Grundsätzliche Bedeutung kommt der Rechtssache ferner auch nicht wegen der folgenden von der Beschwerde gestellten Frage zu:

"Ist es, wie im vorliegenden Fall, bei der Nutzung der betreffenden Grundstücke auf der Grundlage einer Bebauung der Grundstücke durch industrielle Anlagen zur Rindermast- und Tierhaltung, die weit über herkömmliche landwirtschaftliche Gebäude hinausgehen, gerechtfertigt, unabhängig von der Vergleichswertmethode oder anderen Methoden der Verkehrswertermittlung eine pauschalierende Wertermittlungsmethode anzuwenden, nach der der durchschnittliche Ackerwert lediglich mit einem bestimmten Faktor, der zwischen 3 bis 5 liegt, zu vervielfältigen sei, nur weil der Standort in einer zwar wirtschaftlich schwach entwickelten Region liegt, jedoch die Anlage, die sich auf dem Standort befindet, zu den größten ihrer Art, wenn nicht sogar der größten ihrer Art in Europa zählt und tangierend hierzu die landwirtschaftliche Produktion auf hohem betriebswirtschaftlichem Niveau (Unternehmen mit landwirtschaftlichen Nutzflächen von mehreren 100 Hektar) organisiert ist?"

Trotz ihrer eingangs um Verallgemeinerung bemühten Formulierung hebt diese Fragestellung derart auf Umstände des konkreten Falles ab und kombiniert sie in einer Weise, dass ihr keine fallübergreifende Bedeutung beigemessen werden kann. Im Übrigen unterstellt die Beschwerde mit ihr tatsächliche Feststellungen, die das Oberverwaltungsgericht so nicht getroffen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat nämlich nicht, wie die Frage voraussetzt, festgestellt, dass die landwirtschaftliche Produktion der Beigeladenen zu 1 auf näher bezeichnetem "betriebswirtschaftlichem Niveau ... organisiert" ist. Die aufgeworfene Frage müsste daher in der gestellten Form in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht beantwortet werden. Außerdem thematisiert die Beschwerde mit der in Rede stehenden Frage wiederum die Erheblichkeit der Grundstücksnutzung, die mit den auf den Grundstücken des Klägers befindlichen Baulichkeiten realisiert wird. Dass es auf diese konkrete Nutzung für die Grundstücksbewertung in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 2 SachenRBerG nicht ankommt, ist oben zu der ersten von der Beschwerde gestellten Frage bereits ausgeführt worden.

Die mit Schriftsatz vom vorgelegte ergänzende Beschwerdebegründung kann wegen vorherigen Ablaufs der Beschwerdebegründungsfrist (§ 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO) nicht berücksichtigt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 für erstattungsfähig zu erklären, weil diese einen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Beigeladene zu 2 ist demgegenüber nicht durch Antragstellung ein eigenes Kostenrisiko eingegangen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Fundstelle(n):
FAAAC-32282