BFH Beschluss v. - VII S 16/05 (PKH)

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Antragsteller, Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines Holz verarbeitenden Betriebs in Deutschland. Am erhielt er einen Auftrag zur Lagerung, Verzollung und zum Weitertransport von Einwegpaletten aus Litauen, in denen eine größere Anzahl unverzollter und unversteuerter Zigaretten versteckt waren. Am wurden die Paletten mit einem litauischen LKW auf das Firmengelände des Klägers verbracht und dort auf einen deutschen LKW umgeladen, um anschließend nach Großbritannien weiter befördert zu werden. Die Frachtbriefe leitete der Kläger zur Verzollung der Paletten an eine Spedition weiter. Hierfür erhielt er 1 000 DM. Nachdem der mit den Paletten beladene LKW das Betriebsgelände des Klägers wieder verlassen hatte, wurde er noch am gleichen Tag von Beamten einer Mobilen Kontrollgruppe des Zolls kontrolliert. Dabei wurden die Zigaretten auf der Ladefläche festgestellt, beschlagnahmt und später eingezogen.

Das seinerzeit zuständige Hauptzollamt, dessen Zuständigkeit zwischenzeitlich auf den Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt —HZA—) übergegangen ist, setzte daraufhin Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer, Einfuhrumsatzsteuer) gegen den Kläger und dessen Auftraggeber als Gesamtschuldner fest.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren hiergegen erhobene Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass die Einfuhrabgaben für die streitgegenständlichen Zigaretten entstanden seien, weil die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden seien. Der Kläger sei Abgabenschuldner geworden, weil er an dem Verbringen beteiligt gewesen sei, obwohl er vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er durch sein Verhalten den Transport unverzollter und unversteuerter Zigaretten unterstützte und damit vorschriftswidrig handelte. Bereits der ungewöhnlich hohe Betrag von 1 000 DM je Lieferung, den er für einen reinen Umladevorgang auf seinem Betriebsgelände und das Bereitstellen der Frachtpapiere erhalten habe, habe ihn misstrauisch machen müssen. Außerdem habe er gegenüber Beamten des Zollfahndungsamtes (ZFA) am ausgesagt, dass ihm die Sache schon von Beginn an klar gewesen sei, er „nicht doof” sei und auch aus der Zeitung wisse, dass unter Holz aus Litauen Zigaretten geschmuggelt würden. Seinen Einwand, er habe damit nur auf „abstraktes Zeitungswissen” hinweisen wollen und im konkreten Fall keinen solchen Verdacht gehabt, wies das FG als bloße Schutzbehauptung zurück. Das Gleiche gelte für seine weitere, erstmals im Klageverfahren aufgestellte Behauptung, auf ihn sei bei der Vernehmung durch die Beamten des ZFA unzulässiger Druck ausgeübt worden, denn dies könne nicht erklären, weshalb er sich auch in der mündlichen Verhandlung im Strafverfahren vor dem Amtsgericht geständig gezeigt habe. Hinsichtlich des festgesetzten Zolls und der Einfuhrumsatzsteuer sei die Klage jedoch begründet und der Steuerbescheid aufzuheben gewesen, weil diese Abgaben nach Art. 233 Buchst. d des Zollkodex (ZK) erloschen seien. Die Zigaretten seien noch bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und später eingezogen worden. Das Urteil des FG ist in Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2005, 421 veröffentlicht.

Mit seiner Revision wendet sich der Kläger dagegen, dass das FG ihn als Abgabenschuldner angesehen und anhand verschiedener Indizien darauf geschlossen habe, dass er zumindest vernünftigerweise habe wissen müssen, dass er mit seinem Verhalten das vorschriftswidrige Verbringen von Zigaretten unterstütze. Zur Durchführung des Revisionsverfahrens hat er Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt.

Das HZA hat mit seiner Revisionserwiderung beantragt, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, weil es der Auffassung ist, dass das vorschriftswidrige Verbringen zum Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits abgeschlossen war.

II. Der Antrag auf PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 142 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO— i.V.m. § 114 Satz 1 der ZivilprozessordnungZPO—).

1. Die Auffassung des FG, dass für die vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Zigaretten Einfuhrabgaben entstanden sind und dass sich der Kläger durch das Zurverfügungstellen seines Betriebsgeländes und die Beschaffung von Papieren für den Weitertransport (bzw. schon durch die Zusage seiner Unterstützung, vgl. Senatsurteil vom VII R 24/04, BFH/NV 2006, 1604, ZfZ 2006, 288) objektiv an dem vorschriftswidrigen Verbringen der Zigaretten beteiligt hat, ist nicht zu beanstanden. Das tut auch der Kläger nicht, sondern er wendet sich allein dagegen, dass das FG ihn als Abgabenschuldner angesehen hat, weil es auch die subjektiven Voraussetzungen des Art. 202 Abs. 3 Anstrich 2 ZK für erfüllt hielt.

2. Nach der im PKH-Verfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung durch den Senat lässt die Würdigung des FG, der Kläger habe zumindest vernünftigerweise wissen müssen, dass er mit seinem Verhalten das vorschriftswidrige Verbringen von Zigaretten unterstützte, revisible Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Entgegen der Ansicht des Klägers hat das FG die Beweislast nicht verkannt. Es hat keine Beweislastentscheidung getroffen, sondern es war nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens positiv von dem Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des Art. 202 Abs. 3 Anstrich 2 ZK überzeugt, so dass sich die Frage nach der Beweislast überhaupt nicht stellte.

b) Es begegnet auch keinen Bedenken, dass das FG anhand von Indizien und früherer Aussagen des Klägers auf das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen des Art. 202 Abs. 3 Anstrich 2 ZK geschlossen hat. Der Indizienbeweis ist auch im finanzgerichtlichen Verfahren zulässig (, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534; vom VIII R 7/88, BFHE 167, 273, BStBl II 1993, 84; vom IX R 99/00, BFH/NV 2002, 1563). Er bietet sich insbesondere bei der Feststellung subjektiver Tatbestandsmerkmale an, ohne freilich darauf beschränkt zu sein. Denn die Entscheidung über das Vorliegen innerer Tatsachen kann regelmäßig nur durch Feststellung und Würdigung von Hilfstatsachen und Beweisanzeichen getroffen werden (Seer in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Tz. 36, m.w.N.).

c) Das FG war auch nicht gehindert, sich die Feststellungen eines in das finanzgerichtliche Verfahren eingeführten Strafurteils zu Eigen zu machen, sofern nicht die Verfahrensbeteiligten dagegen substantiierte Einwendungen vorgetragen und entsprechende Beweisanträge gestellt haben (vgl. , BFH/NV 2000, 215). Dass dies der Fall gewesen sei, hat der Kläger nicht dargelegt.

d) Mit seinem Vorbringen, wonach das FG seinen umfassenden Sachvortrag dazu, dass seine Aussage in der Vernehmung vom beim ZFA durch „unzulässigen Druck” der Vernehmungsbeamten zustande gekommen sei, zu Unrecht als bloße Schutzbehauptung zurückgewiesen habe, wird der Kläger im Revisionsverfahren nicht gehört werden können.

Hiermit wendet er sich nämlich gegen die Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung im Einzelfall, die dem FG obliegt und gemäß § 118 Abs. 2 FGO revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Der BFH hat bei einer auf Indizien beruhenden Tatsachenfeststellung des FG —ggf. auf entsprechende Rüge der Verfahrensbeteiligten— im Revisionsverfahren nur zu prüfen, ob das FG alle feststehenden Indizien in eine Gesamtwürdigung einbezogen hat (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), ob die Würdigung des FG sonst verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1563). Die Gesamtwürdigung durch das FG hat dann schon revisionsrechtlich Bestand, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich ist (, BFH/NV 2002, 635).

Soweit der Kläger mit seinem Vorbringen rügen wollte, dass das FG entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen habe, ist die Rüge nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Eine diesbezügliche Rüge erfordert, dass unter genauer Angabe der betreffenden Schriftsätze im Einzelnen dargelegt wird, welches substantiierte Vorbringen vor dem FG in dem angefochtenen Urteil unberücksichtigt geblieben ist (, BFHE 98, 386, BStBl II 1970, 408; vom I R 163/82, BFH/NV 1986, 288; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 72, m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die lediglich pauschal auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen Bezug nehmende Revisionsbegründung des Klägers nicht gerecht. Aus ihr ergibt sich nicht, dass und in welchem Schriftsatz der Kläger im Einzelnen dargelegt haben will, worin der behauptete „unzulässige Druck” bestand und welche Aufklärungsmaßnahmen das FG ggf. hätte ergreifen sollen, um das Vorhandensein eines solchen Drucks festzustellen. Diese Angaben lassen sich auch nicht der in Bezug genommenen Erklärung des Klägers der mündlichen Verhandlung beim FG entnehmen, denn nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auch dort lediglich allgemein bestritten, von dem Vorhandensein der Zigaretten gewusst zu haben, und nicht im Einzelnen erklärt, wie es zu seiner früheren Aussage gegenüber den Beamten des ZFA und zu seinem Geständnis im Strafverfahren gekommen ist.

Im Übrigen ist das FG, falls der Kläger dies rügen wollte, gemäß § 96 Abs. 2 FGO nicht verpflichtet, in den Urteilsgründen umfassend auf jedes Vorbringen eines Beteiligten einzugehen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das FG Vorbringen der Beteiligten auch dann zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, wenn es dies in den Entscheidungsgründen nicht im Einzelnen erörtert (, BFH/NV 1993, 684, m.w.N.). Es genügt daher, dass das FG auf S. 11 f. des Urteilsabdrucks jedenfalls knapp begründet hat, weshalb es den Behauptungen des Klägers keinen Glauben schenkt.

Da die Beweiswürdigung des FG auch keine Verstöße gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze erkennen lässt und es nach den vom FG festgestellten Indizien zumindest möglich erscheint, dass der Kläger von dem Vorhandensein der Zigaretten in den Holzpaletten wusste oder zumindest vernünftigerweise hätte wissen müssen, wird der BFH im Revisionsverfahren an diese Würdigung gebunden sein.

Die Gewährung von PKH für das Revisionsverfahren des Klägers war daher mangels Erfolgsaussicht abzulehnen.

3. PKH ist dem Kläger auch nicht deshalb zu bewilligen, weil das HZA beantragt hat, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, mithin also eine sog. Anschlussrevision eingelegt hat.

Zwar ist PKH im Rechtsmittelverfahren nach § 155 FGO i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO grundsätzlich ohne Prüfung der Erfolgsaussichten zu gewähren, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat und der Antragsteller um die Aufrechterhaltung einer für ihn positiven Entscheidung der Vorinstanz streitet. § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist jedoch insoweit einschränkend auszulegen, als PKH jedenfalls dann nicht zu gewähren ist, wenn der Gegner lediglich ein unselbständiges Anschlussrechtsmittel eingelegt hat und PKH für das Hauptrechtsmittel mangels Erfolgsaussicht nicht gewährt werden kann. Denn der Zweck der PKH, eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes zu gewährleisten (vgl. 2 BvR 94, 802, 887, 997, 1094, 1158, 1247, 1274, 1439, 1513/88, BVerfGE 81, 347), gebietet es nicht, PKH auch dann zu gewähren, wenn es ausnahmsweise eine einfachere, sicherere und kostengünstigere Möglichkeit für den Antragsteller gibt, das gleiche Rechtsschutzziel zu erreichen.

So liegt der Fall hier. Da das HZA nur eine (unselbständige) Anschlussrevision eingelegt hat, die hinfällig wird, wenn die Hauptrevision zurückgenommen wird (§ 155 FGO i.V.m. § 554 Abs. 4 ZPO), kann der Kläger einer im Revisionsverfahren möglicherweise drohenden Verböserung dadurch entgehen, dass er seine Revision zurücknimmt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 455 Nr. 3
UAAAC-31843