BGH Urteil v. - II ZR 192/05

Leitsatz

[1] Ist in einer zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts kein zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden, können Ausgleichsansprüche unmittelbar gegen den ausgleichspflichtigen Gesellschafter geltend gemacht werden, ohne dass es einer - von den Gesellschaftern festgestellten - Auseinandersetzungsbilanz bedarf. Streitpunkte über die Richtigkeit der Auseinandersetzungsrechnung sind in diesem Prozess zu entscheiden.

Gesetze: BGB § 730

Instanzenzug: LG Memmingen 1 HO 969/03 vom OLG München 27 U 68/05 vom

Tatbestand

Die Klägerin macht mit der Klage - nunmehr unstreitige - Werklohnforderungen aus verschiedenen Bauvorhaben in Höhe von 34.769,50 € geltend, die Beklagte rechnet mit einer Saldoforderung aus der Abrechnung einer Arbeitsgemeinschaft auf.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin) und die Beklagte gründeten mit Vertrag vom eine bauwirtschaftliche Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden: ARGE), um gemeinsam einen Auftrag der zuständigen Autobahndirektion zur Erneuerung und Verstärkung der Fahrbahndecke auf einem Teilabschnitt der BAB A 6 Heilbronn - Nürnberg durchzuführen. Die Arbeiten wurden 1995 abgenommen, im Jahr 2001 wurde die Schlusszahlung an die ARGE geleistet. Die Klägerin, in deren - vertraglich festgelegte - Zuständigkeit als kaufmännische Geschäftsführerin die Aufstellung der Schlussbilanz fiel, kam dieser Verpflichtung zunächst nicht nach. Schließlich erstellten beide Parteien unterschiedliche Abrechnungen und legten im Verlauf des Rechtsstreits inhaltlich abweichende Schlussbilanzen vor. Nach der Rechnung der Klägerin ergab sich zu Gunsten der Beklagten ein Saldo in einer dem noch vorhandenen Bankguthaben der ARGE nahezu entsprechenden Höhe; die Beklagte errechnete für sich ein - die Klageforderung erheblich übersteigendes - Auseinandersetzungsguthaben. Mit diesem hat sie gegen die Klageforderung aufgerechnet und mit der Widerklage von der Klägerin Zustimmung zur Auszahlung des Bankguthabens verlangt.

Das Landgericht hat der Klage (34.769,15 €) stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zum Ausgleich des - nach ihrer Schlussbilanz - der Beklagten noch zustehenden Betrages das vorhandene Bankguthaben der ARGE an die Beklagte überwiesen. Die sich - nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Widerklageforderung - gegen ihre Verurteilung richtende Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer - vom erkennenden Senat zugelassenen - Revision.

Gründe

Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Beklagte dürfe gegen die Klageforderung nicht aufrechnen, weil die von ihr geltend gemachte Forderung aus der Auseinandersetzung der ARGE nicht fällig sei. Der Anspruch eines Gesellschafters auf das Auseinandersetzungsguthaben werde erst fällig, wenn die Schlussabrechnung von den Gesellschaftern festgestellt und über ihren Inhalt Einigkeit erzielt sei. Dies sei angesichts der offensichtlichen Uneinigkeit der Parteien über die in die Bilanz einzustellenden Positionen nicht der Fall. Im Übrigen stünden der Fälligkeit eines Auseinandersetzungsanspruchs der Beklagten auch die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien entgegen.

II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Im Ausgangspunkt noch zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass nach Auflösung der ARGE - einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - ein Zahlungsanspruch grundsätzlich nur hinsichtlich des Saldos der abschließenden Auseinandersetzungsrechnung geltend gemacht werden kann (st.Rspr. z.B. Sen.Urt. v. - II ZR 231/93, ZIP 1994, 1846; v. - II ZR 111/92, ZIP 1993, 919 f.). Das Berufungsgericht hat Feststellungen zu den Einwendungen der Beklagten gegen die - von der Klägerin aufgestellte - Schlussbilanz nicht getroffen. Für das Revisionsverfahren ist deshalb zu unterstellen, dass sich das von der Beklagten ermittelte, die Klageforderung übersteigende Auseinandersetzungsguthaben zu ihren Gunsten ergibt.

2. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts ist der Anspruch der Beklagten auf Auszahlung dieses Auseinandersetzungsguthabens fällig.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats bedarf es zur Geltendmachung des Auseinandersetzungsguthabens einer - von den Gesellschaftern festgestellten - Auseinandersetzungsbilanz nicht, wenn kein zu liquidierendes Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist (Sen.Urt. v. - II ZR 234/92, ZIP 1993, 1307, 1309; v. - II ZR 17/04, ZIP 2006, 232 Tz. 10 f.). Aus den von beiden Parteien vorgelegten Schlussbilanzen geht hervor, dass die ARGE - nach Auszahlung des zu ihren Gunsten noch vorhandenen Bankguthabens an die Beklagte - nicht über weiteres Gesellschaftsvermögen verfügt. In diesem Fall kann der Gesellschafter, der für sich ein Guthaben beansprucht, dieses ausnahmsweise unmittelbar gegen den ausgleichspflichtigen Gesellschafter geltend machen; Streitpunkte über die Richtigkeit der Schlussrechnung sind in diesem Prozess zu entscheiden (Sen.Urt. v. aaO; v. aaO).

b) Von diesen Grundsätzen Abweichendes ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - in § 8.6 Satz 5 bis 7 des - nach der Vereinbarung der Parteien maßgeblichen - (Muster-) Arbeitsgemeinschaftsvertrags der Deutschen Bauindustrie, Fassung 1987, nicht geregelt. Diese Klausel behandelt allein die Fragen, wie nach Abwicklung aller Geschäftsvorfälle der ARGE zu verfahren, dass eine Schlussbilanz zu erstellen ist und in welcher Form und Frist Einwendungen gegen diese erhoben werden können, trifft aber über die Fälligkeit des Auseinandersetzungsanspruchs keine eigenständige Aussage (vgl. auch Mielicki/Burchardt in Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar 4. Aufl. § 8 Rdn. 102).

3. Das Berufungsurteil kann auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden (§ 561 ZPO).

Die Beklagte ist mit ihren Einwendungen gegen die Schlussbilanz der Klägerin nicht nach § 8.6 Satz 7 des (Muster-) Arbeitsgemeinschaftsvertrags ausgeschlossen, weil sie es - wie die Revisionserwiderung geltend macht - versäumt habe, diese innerhalb der in § 8.6 Satz 6 des Mustervertrags vorgesehenen Frist von drei Monaten vorzubringen. Aus den tatrichterlich einwandfrei getroffenen und von der Revisionserwiderung nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich das Gegenteil.

4. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die Höhe eines etwaigen - von der Beklagten auf der Grundlage der Schlussbilanz der Klägerin noch näher darzulegenden - Zahlungsanspruchs klären kann. Dabei ist es an seine - unter dem Blickpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung - nach § 91 a ZPO getroffene Teilkostenentscheidung gebunden (Sen.Urt. v. - II ZR 55/03, ZIP 2005, 1368 m.w.Nachw.).

Der - von der Klägerin angeregte, auch ohne Antrag mögliche - Erlass eines Vorbehaltsurteils (§ 302 ZPO) zu Gunsten der Klägerin kommt jedenfalls auf Grund der hier gegebenen Umstände in dritter Instanz nicht in Betracht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2006 S. 2653 Nr. 49
DB 2006 S. 2627 Nr. 48
DStR 2007 S. 81 Nr. 2
HFR 2007 S. 395 Nr. 4
KÖSDI 2007 S. 15380 Nr. 1
NJW-RR 2007 S. 245 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 50/2006 S. 4269
SJ 2007 S. 37 Nr. 6
WM 2006 S. 2359 Nr. 50
ZIP 2006 S. 2271 Nr. 49
YAAAC-29264

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja