BAG Urteil v. - 4 AZR 325/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW-EKD); Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT für den Bereich des Bundes und für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom ; AnwendungsTV Berlin vom

Instanzenzug: ArbG Berlin 16 Ca 15783/04 vom LAG Berlin 10 Sa 2541/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Dauer der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Wochenarbeitszeit und die sich daraus ergebende Vergütung der Klägerin.

Die Beklagte ist eine kirchliche Einrichtung, die in Berlin vor allem im Bereich der Alten-, Behinderten- und Jugendhilfe tätig ist und etwa 1.450 Arbeitnehmer beschäftigt. Sie ist Mitglied im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg e. V. (DWBB; jetzt Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V., DWBO). In den von ihr abgeschlossenen Arbeitsverträgen mit ihren Mitarbeitern wurde seit den sechziger Jahren ua. auf die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes verwiesen. Im Jahre 1975 beschloss die Beklagte die einheitliche Einführung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-DW-EKD). Aus Gründen des Bestandsschutzes wurde festgelegt, dass für die Eingruppierung und Vergütung weiterhin die jeweiligen Regelungen des BAT/BMT Anwendung finden sollten. In der praktischen Umsetzung wurden dabei auch Vergütungsregelungen angewandt, die ausschließlich im öffentlichen Dienst des Landes Berlin galten, so ein örtlicher Sonderzuschlag für die Angestellten bis 1985 und durchgehend die Bezirkslohntarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer. Seit Juli 1999 werden in den Formulararbeitsverträgen bei der Beklagten die AVR-DW-EKD auch hinsichtlich der Eingruppierung und der Vergütung in Bezug genommen.

Die Klägerin ist - nach einem halbjährigen Praktikum bei der Beklagten - seit dem als Angestellte in der Tätigkeit einer Sozialarbeiterin bei der Beklagten beschäftigt. Der am abgeschlossene schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien lautet auszugsweise wie folgt:

"Eingruppierung und Vergütung erfolgen nach dem BAT/BMT-G

Vergütungsgruppe BAT Vc Stufe 5 Fallgruppe 9

Grundgehalt/Lohn DM 2.694,78

Ortszuschlag DM 822,77

...

Angestelltenzulage DM 186,82

...

Die Arbeitszeit beträgt z.Z. 19,25 Stunden/Woche, 50 % eines Vollbeschäftigten Bestandteil dieses Dienstvertrages sind im übrigen die Arbeitsvertragsrichtlinien des DIAKONISCHEN WERKES der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie die mit der Mitarbeitervertretung des Evangelischen Johannesstifts Berlin abgeschlossenen Dienstvereinbarungen.

...

Sonstige Vereinbarungen

...

Die Arbeitszeit ist wie folgt zusammengesetzt:

25 % RWA = 9,63 Std./Wo. Tagespflegestätte H

25 % RWA = 9,63 Std./Wo. Diakonie-Station

Die Gesamtarbeitszeit beträgt somit 19,25 Std./Wo. = 50 % RWA"

Am bestätigte die Klägerin eine Änderung des Vertrags mit Wirkung vom , die auszugsweise wie folgt lautet:

"Ab o.g. Datum sind Sie mit 50 % RWA = 19,25 Std./Wo. als Leiterin der Tagespflegestätte H tätig. Für diese Tätigkeit sind Sie eingruppiert nach BAT IVb, Fallgruppe 16. Mit weiteren 50 % RWA = 19,25 Std./Wo. sind Sie als Sozialarbeiterin in der Diakonie-Station mit einer Eingruppierung nach BAT IVb, Fallgruppe 17 tätig."

Bis zum erhielt die Klägerin Vergütung nach Maßgabe der Vergütungstarifverträge, zuletzt des Vergütungstarifvertrags Nr. 34 zum BAT für den Bereich des Bundes und für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (im Folgenden: TdL) vom (im Folgenden: VTV 34).

Am wurde zwischen der Gewerkschaft ver.di und der dbb tarifunion einerseits und dem Bund und der TdL andererseits der Vergütungstarifvertrag Nr. 35 (im Folgenden: VTV 35) abgeschlossen. In diesem wurde ua. die Vergütungshöhe auch für die VergGr. IVb in drei Stufen neu festgesetzt. Dabei ergaben sich Erhöhungen ab bzw. in Höhe von 2,4 Prozent, ab und ab in Höhe von je einem weiteren Prozent. Entsprechende Steigerungen wurden für den Ortszuschlag nach § 29 BAT und die Zulage nach § 2 des Tarifvertrags über Zulagen an Angestellte Bund/Länder vereinbart.

Ab Januar 2003 führte das Land Berlin mit den Gewerkschaften Verhandlungen über eine modifizierte Anwendung des BAT, die am zum Abschluss eines Tarifvertrags zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes (im Folgenden: AnwendungsTV Berlin) führten. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1

Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für die Arbeitnehmer ... des Landes Berlin.

...

§ 3

Maßgaben zur Arbeitszeit

A. Angestellte ...

(1) Die besondere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Sinne des § 15 Abs. 1 BAT/BAT-O ... beträgt aus schließlich der Pausen

...

für Angestellte der Vergütungsgruppen

V c bis III und Kr. VI bis Kr. XII 90 v. H.,

...

der nach den vorstehend genannten manteltarifvertraglichen Vorschriften maßgebenden Arbeitszeit.

Die vorstehenden Regelungen gelten für nichtvollbeschäftigte Angestellte entsprechend (§ 34 BAT/BAT-O), soweit nicht § 5 eine abweichende Regelung enthält.

(2) Die zu erbringende regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 37 Stunden ... wöchentlich.

...

Für die Berechnung des Durchschnitts gilt § 15 Abs. 1 Sätze 2 und 3 und die Protokollnotiz zu Abs. 1 BAT/BAT-O.

Die zu erbringende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Angestellten, deren individuelle besondere Arbeitszeit weniger als die Arbeitszeit eines Angestellten mit der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit im Sinne des Absatzes 1 beträgt, errechnet sich aus dem Verhältnis, in dem die zu erbringende Arbeitszeit des entsprechenden Vollbeschäftigten zur besonderen Arbeitszeit des entsprechenden Vollbeschäftigten steht, soweit nicht § 5 eine abweichende Regelung enthält.

(3) Das Zeitguthaben, das der Angestellte durch die gemäß Absatz 2 regelmäßig zu erbringende über die nach Absatz 1 geltende Arbeitszeit hinaus erarbeitet, wird auf einem Arbeitszeitkonto angesammelt. § 15 Abs. 1 Satz 2 BAT/BAT-O gilt insoweit nicht. ...

§ 4 Maßgaben zur Höhe der Bezüge

A. Angestellte

Die Höhe der Grundvergütung, des Ortszuschlages, der allgemeinen Zulage nach § 2 des Tarifvertrages über Zulagen an Angestellte vom ... beträgt für

...

für Angestellte der Vergütungsgruppen

V c bis III und Kr. VI bis Kr. XII 90 v. H.,

...

der tarifvertraglich - ... - vorgesehenen Beträge. Die Anlagen zum Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum BAT ... gelten unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Vom-Hundert-Sätze; ...

§ 8

Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen

Betriebsbedingte Kündigungen mit dem Ziel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind vom bis zum ausgeschlossen. ..."

Hinsichtlich der vom BAT abweichenden Regelungen wurde die Nachwirkung

(§ 4 Abs. 5 TVG) - mit einer hier nicht relevanten Ausnahme - ausgeschlossen.

Die Beklagte bot im Folgenden all ihren Arbeitnehmern eine Arbeitsvertragsänderung an, wonach die AVR des Diakonischen Werkes in jeder Hinsicht in Bezug genommen werden. Die Klägerin und etwa 160 weitere Arbeitnehmer der Beklagten nahmen dieses Angebot nicht an.

Mit Schreiben vom teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich entsprechend der Zeit- und Vergütungsregelungen des AnwendungsTV Berlin ihre Arbeitszeit und ihre Vergütung um 10 % reduziere. Die Klägerin widersprach dieser Auffassung. Ab dem zahlte die Beklagte der Klägerin eine entsprechend reduzierte Vergütung (Grundgehalt, Ortszuschlag, Zulage).

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kürzung ihrer Arbeitszeit und ihrer Vergütung. Sie hat die Auffassung vertreten, die für sie maßgebliche Wochenarbeitszeit betrage weiterhin 38,5 Stunden. Dafür könne sie für die Monate Januar bis Mai 2004 die Vergütung nach Maßgabe des VTV 35 verlangen. Die im AnwendungsTV Berlin vorgesehenen Arbeitszeit- und Vergütungskürzungen seien ihr gegenüber nicht gerechtfertigt, weil sich ihre Arbeitszeit nach den AVR richte und der AnwendungsTV Berlin für ihr Arbeitsverhältnis nicht gelte.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.399,09 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen,

2. festzustellen, dass ihre Arbeitszeit bei der Beklagten 38,5 Wochenstunden beträgt.

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die arbeitsvertragliche Inbezugnahmeklausel die Gleichstellung der Klägerin mit den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Lande Berlin beinhalte. Die im AnwendungsTV Berlin vorgesehenen Kürzungen von Arbeitszeit und Vergütung gälten deshalb auch für das Arbeitsverhältnis der Klägerin.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der zugelassenen Revision ihr Klageziel weiter.

Gründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung nach VTV 35 für eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Das ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag iVm. den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der EKD in der Fassung der Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg (AVR-DW-BB). Die Vergütung richtet sich nach dem BAT Bund/Länder in der Fassung des VTV 35. Der AnwendungsTV Berlin findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass sich die Absenkung der Arbeitszeit und damit auch der Vergütung aus der Geltung des AnwendungsTV Berlin für das Arbeitsverhältnis der Parteien ergebe. Die Arbeitszeit sei im Arbeitsvertrag nicht den AVR-DW-EKD unterstellt worden, sondern sei systematisch mit der Verweisungsklausel hinsichtlich der Vergütung und der Eingruppierung auf den BAT Bund/Länder verbunden. Diese Klausel beziehe sich auf die im Land Berlin geltenden Regelungen des öffentlichen Dienstes, was den Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags bewusst gewesen sei. Dafür spreche das Besserstellungsverbot des Berliner Haushaltsrechts und die Anwendung derjenigen Regelungen auf die Arbeitsverhältnisse der Beklagten, die im Lande Berlin galten. Es handele sich um eine "Gleichstellungsabrede im weiteren Sinne", da die Beklagte nicht tarifgebunden sei.

B. Dem folgt der Senat nicht. Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung für eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Die Arbeitszeitreduzierung nach dem AnwendungsTV Berlin gilt nicht für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Der Klägerin steht deshalb die Vergütung nach dem BAT Bund/Länder in der Fassung des VTV 35 für 38,5 Wochenstunden zu. Die Differenz hinsichtlich Grundvergütung, Ortszuschlag und Zulage ist rechnerisch unstreitig.

I. Die Klage ist auch hinsichtlich des Feststellungsantrags zulässig. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann eine Feststellungsklage auch einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis betreffen, wie bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder den Umfang einer Leistungspflicht ( - AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 1). Das erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin liegt vor. Die maßgebliche Wochenarbeitszeit ist zwischen den Parteien streitig und kann durch die begehrte Feststellung geklärt werden (vgl. dazu - EzBAT BAT SR 2r Nr. 3 Nr. 4).

II. Die Klage ist begründet.

1. Die von der Klägerin zu leistende Wochenarbeitszeit beträgt 38,5 Stunden.

Das ergibt eine Auslegung des Arbeitsvertrags.

a) Bei der Arbeitszeitklausel im Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um eine typische Vertragsklausel, die in zahlreichen Verträgen der Beklagten mit ihren Arbeitnehmern vereinbart worden ist. Das Verständnis und die Auslegung typischer Vertragsklauseln unterliegen der uneingeschränkten Prüfung durch das Revisionsgericht (st. Rspr. zB Senat - 4 AZR 129/00 - BAGE 98, 293, 299).

b) Eine Reduzierung der im Arbeitsvertrag der Klägerin ausdrücklich genannten Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden scheidet aus, weil die Auslegung des Arbeitsvertrags ergibt, dass die Verweisung auf den BAT nur die Eingruppierung und die Vergütung, nicht aber die Arbeitszeit erfasst. Im Übrigen beabsichtigten die Parteien keine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst des Landes Berlin.

aa) Die von der Klägerin arbeitsvertraglich zu leistende Wochenarbeitszeit richtet sich nicht nach dem BAT.

(1) Dafür spricht bereits der Wortlaut des Arbeitsvertrags. Zwar ist dort nicht ausdrücklich geregelt, dass sich die Arbeitszeit nach den AVR-DW-EKD richten soll. Denn die arbeitsvertragliche Vereinbarung mit der Formulierung "Die Arbeitszeit beträgt z.Z. 19,25 Stunden/Woche, 50 % eines Vollbeschäftigten" ist im schriftlichen Arbeitsvertrag zwischen der Bezugnahme auf den BAT/BMT-G und derjenigen auf die AVR-DW-EKD angeordnet. Die mögliche Zuordnung zu einem der externen Normsysteme lässt sich auch nicht aus der Dauer der angegebenen Vollarbeitszeit von 38,5 Wochenstunden schlussfolgern, weil die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in beiden Regelwerken übereinstimmte.

Die ausdrückliche Bezugnahme der Parteien auf den BAT erfolgte jedoch ausschließlich hinsichtlich der Regelungen zur Eingruppierung und Vergütung, mithin auf die Abschnitte VI (§§ 22 - 25) und VII (§§ 26 - 36) des im streitigen Zeitraum noch geltenden BAT Bund/Länder in der Fassung vom . Auch während des Zeitraums der individuell vereinbarten Reduzierung der Wochenarbeitszeit der Klägerin galt für die Vergütung der im Abschnitt VI geregelte § 34 BAT. Die Arbeitszeit ist im BAT dagegen im Abschnitt IV (§§ 15 - 18) geregelt, der von den Arbeitsvertragsparteien gerade nicht in Bezug genommen worden ist. Darüber, dass der Verweis auch ohne ausdrückliche schriftliche Vereinbarung auf den BAT in der Bund/Länder-Fassung erfolgen sollte, besteht zwischen den Parteien kein Streit; die Beklagte beruft sich in der Revisionserwiderung ausdrücklich auf diese Verweisung.

Die Bezugnahme auf die AVR-DW-EKD ("im übrigen") enthält dagegen keine entsprechende Konkretisierung. Dies spricht maßgeblich dafür, dass davon alle Vertragsbedingungen, die weder einzelvertraglich vereinbart worden sind noch die Eingruppierung und die Vergütung betreffen, erfasst werden sollen. Das entspricht auch der grundsätzlichen Verpflichtung der Beklagten, als Mitglied des DWBB das Arbeitsrecht eines gliedkirchlichen Diakonischen Werkes oder des DW-EKD zu übernehmen (§ 7 Abs. 4 Nr. 6 Satzung DWBB), was über die allgemeine Verweisung auf die AVR-DW-EKD umgesetzt worden ist.

(2) Die Anwendung der Arbeitszeitregeln des BAT Bund/Länder ergibt sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus einem untrennbaren synallagmatischen Verhältnis der Arbeitszeit zur Vergütung. Zwar stehen Arbeitszeit und Vergütung in einem synallagmatischen Zusammenhang. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass ihre Regelungen in demselben Normsystem enthalten sein müssen.

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bestimmt zum einen diejenige Zeit, für die die tarifvertraglich festgelegte Vergütung gewährt wird. Sie bestimmt zum anderen diejenige Arbeitszeit, die von dem Arbeitnehmer tatsächlich zu leisten ist, sofern keine abweichende Regelung getroffen wird. Auf Grund des Synallagmas zwischen Arbeitszeit und Vergütung muss die Bezugsgröße für diejenige Vergütung, die sich aus dem BAT Bund/Länder ergibt, auch die im BAT Bund/Länder festgesetzte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sein. Das zwingt aber nicht dazu, dass auch die tatsächlich zu leistende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit sich nach dem BAT Bund/Länder richten muss. Die tatsächlich vom Arbeitnehmer zu leistende Arbeitszeit kann ohne weiteres einem anderen Regelwerk entnommen werden als die dafür zu zahlende Vergütung. Steht nach dem Arbeitsvertrag oder den AVR-DW-EKD fest, welche wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu leisten hat, so hat er einen Anspruch auf diejenige Vergütung, die ein Angestellter im öffentlichen Dienst in derjenigen Vergütungsgruppe, die für die Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgeblich ist, für die von diesem zu leistende Arbeitszeit verlangen kann.

(3) Ferner weist auch die Nennung der Prozentzahl in Verbindung mit der konkreten Wochenstundenzahl auf die Maßgeblichkeit der AVR-DW-EKD hin. Die im Streitfall gewählten Bezugsgrößen "25 % RWA = 9,63 Std./Wo." bzw. "19,25 Stunden/Woche, 50 % eines Vollbeschäftigten" entsprechen der Verpflichtung aus § 9 Abs. 1 Unterabs. 2 AVR-DW-EKD. Die Vorschrift lautet auszugsweise:

"§ 9 Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Mitarbeiterin bzw. eines vollbeschäftigten Mitarbeiters beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38,5 Stunden wöchentlich. ...

Bei Teilzeitbeschäftigten wird die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit entsprechend dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten Arbeitszeit zur regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Mitarbeiterin bzw. eines vollbeschäftigten Mitarbeiters festgelegt (X% von 38,5). ..."

Diese Regelung des § 9 Abs. 1 Unterabs. 2 AVR-DW-EKD gilt zwar erst seit 1999. Bereits vor dieser Änderung war jedoch in § 5 Abs. 4 AVR-DW-EKD vorgeschrieben, dass der Dienstvertrag gemäß den den AVR-DW-EKD beigefügten Anlagen 15 und 15a bis d abgeschlossen wird. Der in Anlage 15 zu den AVR-DW-EKD aufgeführte Formulararbeitsvertrag sah gleichfalls die Angabe des Prozentsatzes der regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters vor. § 9 Abs. 1 Unterabs. 2 AVR-DW-EKD hat insoweit 1999 die Normierung dieses bereits vorher bestehenden Grundsatzes vorgenommen. Im Übrigen ist die letzte Arbeitszeitvereinbarung der Parteien, in der gleichfalls die Entsprechung der Wochenarbeitszeit von 19,25 Stunden mit 50 % vereinbart wurde, erst am geschlossen worden.

Eine § 9 Abs. 1 Unterabs. 2 AVR-DW-EKD entsprechende Vorschrift gibt es im BAT Bund/Länder nicht.

bb) Der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme der Eingruppierungs- und Vergütungsregelungen des BAT Bund/Länder kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch keine Gleichstellungsabrede mit den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes des Landes Berlin entnommen werden.

(1) Wie auch das Landesarbeitsgericht erkannt hat, liegt eine Gleichstellungsabrede im Sinne der bisherigen Senatsrechtsprechung bereits deshalb nicht vor, weil der Arbeitgeber nicht tarifgebunden ist und deshalb durch Inbezugnahmeklausel eine Gleichstellung der tarifgebundenen mit den nichttarifgebundenen Arbeitnehmern nicht hergestellt werden kann. Objektive Voraussetzung für die der Auslegungsregel zu Grunde liegende Interessenlage und für die Auslegung der Verweisungsklausel als Gleichstellungsabrede ist die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ( - 4 AZR 544/00 - BAGE 99, 120, 126 ff.; - 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284, 287 ff.; - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9, 14, jeweils mwN). Die Verweisungsklausel soll lediglich die Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzen, nicht die des Arbeitgebers (vgl. Senat - 4 AZR 50/04 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 34 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 29, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

(2) Vorliegend kommt hinzu, dass für die Arbeitnehmer des Landes Berlin, denen mit der Inbezugnahmeklausel nach Auffassung der Beklagten ihre eigenen Arbeitnehmer gleichgestellt werden sollten, der BAT Bund/Länder gleichfalls nicht unmittelbar galt. Denn das Land Berlin ist seit 1994, mithin bereits seit einem Zeitpunkt vor Abschluss des Arbeitsvertrags der Parteien, nicht mehr Mitglied in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Die Bindung der Arbeitnehmer des Landes Berlin an den BAT Bund/Länder erfolgte seit dieser Zeit lediglich über eine Blankettverweisung in einem Anerkennungstarifvertrag vom , den auf Arbeitgeberseite seinerseits nicht einmal das Land Berlin selbst, sondern eine Arbeitgebervereinigung (VAdöD) abgeschlossen hat, in der das Land Berlin Mitglied war. Die Bindung an die Regelungen des BAT Bund/Länder für die Arbeitnehmer des Landes Berlin bestand jedenfalls bis zum Austritt des Landes Berlin aus der VAdöD im Januar 2003 daher über noch mehr Vermittlungsschritte als für die Arbeitnehmer der Beklagten selbst. Seitdem gab es für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Land Berlin nur noch die Bindung über den AnwendungsTV Berlin. Eine für die Arbeitnehmer der Beklagten erkennbare Gleichstellungsabsicht mit ihrerseits nur mittelbar an den BAT Bund/Länder gebundenen Arbeitnehmern kann auch deshalb nicht angenommen werden.

(3) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist deshalb der Gleichlauf der im Land Berlin geltenden Tarifentgelterhöhungen mit denen der Beklagten in der Vergangenheit kein Indiz für eine Gleichstellungsabrede gerade mit den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst des Landes Berlin. Denn die im öffentlichen Dienst des Landes Berlin durchgeführten Tarifentgelterhöhungen sind - wie die bei der Beklagten durchgeführten - nicht durch unmittelbare Tarifbindung gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, sondern nur durch eine Bezugnahme auf den BAT Bund/Länder, hier im Anerkennungstarifvertrag des VAdöD, wirksam geworden.

Auch die frühere Praxis der Weitergabe des örtlichen Sonderzuschlags für die Angestellten im öffentlichen Dienst im Land Berlin spricht nicht für eine Gleichstellungsabrede, da sie bereits 1985 beendet wurde. Die im Zeitraum danach bei der Beklagten angewandten besonderen Bestimmungen für die Arbeitnehmer des Landes Berlin betreffen sämtlich den Bereich der Arbeiter und sind bereits von daher für eine Auslegung des Arbeitsvertrags der Klägerin, in dem auf die Vergütungs- und Eingruppierungsvorschriften des BAT Bund/Länder verwiesen wird, nicht geeignet. Die Beklagte macht andererseits mit der seit 1999 in den von ihr verwendeten Arbeitsvertragsformularen ausschließlich vereinbarten Bezugnahme auf die AVR-DW-EKD deutlich, dass eine allgemeine Gleichstellung nicht beabsichtigt ist. Auch das bis zum befristete Angebot der Beklagten an diejenigen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf den BAT Bund/Länder hatten, den Arbeitsvertrag dahin gehend zu ändern, dass auch die Vergütung und Eingruppierung nach den AVR-DW-EKD und nicht mehr nach dem BAT Bund/Länder erfolgen solle, widerspricht einer Gleichstellungsabsicht der Beklagten hinsichtlich der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Land Berlin.

Im Übrigen hat die Beklagte selbst in ihrem Schreiben an die Klägerin vom nicht die exakte Umsetzung der Arbeitszeitregelungen des AnwendungsTV Berlin verlangt. Dieser unterscheidet zwischen der "besonderen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit", die - wie die gezahlte Vergütung - auf 90 % der Arbeitszeit des § 15 Abs. 1 BAT herabgesetzt wurde, und der von dem Arbeitnehmer "zu erbringenden regelmäßigen durchschnittlichen Arbeitszeit" von 37 Stunden, wobei die Differenz zwischen der zu vergütenden und der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit dem Arbeitnehmer auf einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben wird. Die Beklagte dagegen hat diese Unterscheidung nicht vorgenommen, sondern lediglich die Ableistung von nur noch 34,65 Wochenstunden gegen eine entsprechend abgesenkte Vergütung verlangt.

(4) Durch die Annahme einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden gemäß Arbeitsvertrag oder AVR-DW-EKD wird entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts das in § 44 LHO Berlin und den dazu ergangenen Nebenbestimmungen normierte "Besserstellungsverbot" nicht nur nicht verletzt, sondern im Gegenteil gesichert. Ein vergleichbarer Angestellter des öffentlichen Dienstes im Land Berlin, der 38,5 Wochenstunden arbeitet, kann genau die Vergütung verlangen, die die Klägerin beansprucht. Daran hat sich durch den AnwendungsTV Berlin nichts geändert, da dieser lediglich die "besondere regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit" der ihm unterfallenden Arbeitsverhältnisse neu regelt. Für 90 % der nach den "manteltarifvertraglichen Vorschriften maßgebenden Arbeitszeit" wird nur 90 % der Vergütung gezahlt. Das Verhältnis von Arbeitszeit und Vergütung bleibt durch den AnwendungsTV Berlin demnach unangetastet. Eine Besserstellung der Klägerin und anderer Arbeitnehmer der Beklagten wird durch die Beschäftigung für 38,5 Wochenstunden deshalb nicht bewirkt. Im Gegenteil würde durch die partielle, dh. auf die Arbeitszeitregelung bezogene Geltung des AnwendungsTV Berlin eine Schlechterstellung der Arbeitnehmer der Beklagten eintreten, da diesen die Kompensationsleistungen aus dem AnwendungsTV Berlin, zB das Verbot betriebsbedingter Kündigungen für sechseinhalb Jahre, nicht zukommen würde.

Das "Besserstellungsverbot" ist aber auch deshalb nicht von der Nichtgeltung des AnwendungsTV Berlin berührt, weil die nach §§ 23, 44 LHO Berlin durchgeführte Erforderlichkeitsprüfung die Notwendigkeit einer Wochenstundenzahl von 38,5 ergeben hat, da andernfalls die Zuwendung nicht hätte gewährt werden dürfen. Solange diese als erforderlich angesehene Arbeitszeit nicht abgesenkt worden ist, kann das "Besserstellungsverbot" durch die bloße Fortsetzung der bisherigen Arbeitszeitpraxis nicht verletzt werden.

(5) Es erscheint ferner zweifelhaft, ob die von der Beklagten gewählte Verweisungstechnik überhaupt geeignet ist, einen Sanierungstarifvertrag wie den AnwendungsTV Berlin in die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse einzubeziehen. Dagegen spricht schon, dass es sich bei Sanierungstarifverträgen um Sonderregelungen handelt, die auf eine atypische, insbesondere wirtschaftlich schwierige Situation im unmittelbaren Geltungsbereich des Tarifvertrags reagieren. So verhält es sich auch beim AnwendungsTV Berlin, der der besonderen Situation im öffentlichen Dienst des Landes Berlin Rechnung tragen soll. Ob eine Verweisung in den Arbeitsverträgen eines nicht dem öffentlichen Dienst angehörenden Dritten, bei dem die diesen Tarifabschluss veranlassende Situation nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Weise vorliegt, auf allgemein geltende Tarifverträge des öffentlichen Dienstes auch solche Sonderregelungen einbeziehen will, ist fraglich. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die arbeitsvertragliche Verweisung nur einzelne Regelungsbereiche des BAT, die dann im AnwendungsTV Berlin speziell für das Land Berlin geregelt werden, in Bezug nimmt, während für andere Bereiche, etwa das Kündigungsrecht, die AVR-DW-EKD maßgeblich sein und bleiben sollen. Die Einbeziehung des AnwendungsTV Berlin würde damit dazu führen, dass die Arbeitnehmer der Beklagten zwar die Nachteile des AnwendungsTV Berlin hätten, den Ausgleich, der besonders im Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für mehr als sechs Jahre liegt, aber nicht in Anspruch nehmen könnten, weil die Verweisungsklausel in keinem Fall in diesen Regelungsbereich reicht, die AVR-DW-EKD also maßgeblich bleiben. Die komplexe Regelung des AnwendungsTV Berlin würde damit entgegen dem Willen der Parteien dieses Tarifvertrags getrennt. Da - wie dargelegt - der arbeitsvertraglichen Verweisung, was den Umfang der Arbeitszeit angeht, jedoch keine Inbezugnahme des AnwendungsTV entnommen werden kann, kann diese Frage unentschieden bleiben.

c) Da der AnwendungsTV Berlin auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar ist, kann, was die von der Klägerin geschuldete Arbeitszeit angeht, unentschieden bleiben, ob die ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung der Parteien über eine Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden als einzelvertragliche Abmachung konstitutive Wirkung hat oder ob sie als Bezugnahme auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach den AVR-DW-EKD zu verstehen ist. Denn die regelmäßige Arbeitszeit gem. § 9 Abs. 1 AVR-DW-EKD belief sich sowohl zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags 1998 als auch bei seiner letzten Änderung im Jahre 2000 als auch im streitigen Zeitraum 2004 auf 38,5 Stunden. Die AVR-DW-EKD, auf die im Arbeitsvertrag der Parteien Bezug genommen wird, verweisen in § 1a Abs. 2 zwar auf die regionalen Sonderregelungen der gliedkirchlich-diakonischen Werke, in denen eine Arbeitsrechtliche Kommission gebildet worden ist. Die im Bereich des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg geltende Fassung von § 9 Abs. 1 AVR stimmt jedoch hinsichtlich der für die Beklagte geltenden Arbeitszeit wörtlich mit § 9 Abs. 1 AVR-DW-EKD überein.

2. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Vergütung für eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden, unabhängig davon, ob sie in der streitigen Zeit tatsächlich 38,5 Wochenstunden gearbeitet hat. Selbst wenn sie nur die von der Beklagten geforderten 34,65 Wochenstunden gearbeitet hat, steht ihr die Vergütungsdifferenz gem. § 615 Satz 1 BGB zu, da sich die Beklagte insoweit in Annahmeverzug befand.

3. Die danach maßgeblichen Vergütungsansprüche für den streitigen Zeitraum hat die Klägerin für die von ihr zu leistende bzw. geleistete Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden entsprechend den Regelungen des VTV 35 konkret beziffert; sie sind in Höhe der Klagesumme rechnerisch unstreitig.

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
DAAAC-29112

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein