BFH Beschluss v. - IV S 11/05 (PKH) BStBl 2007 II S. 130

Leitsatz

Im Steuerprozess wird das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unterbrochen, wenn über das Vermögen des Antragstellers nach Eintritt der Rechtshängigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Gesetze: FGO § 155 i.V.m. ZPO § 240InsO § 80 Abs. 1InsO § 180 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I.

Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Antragstellerin) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten für die bereits eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das betreffend die Einkommensteuerbescheide 1989 bis 1996.

Nach fristgerechter Begründung des Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom ... Dezember 2005 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Mit Entscheidung vom hat der Senat die Löschung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde in den Registern des Bundesfinanzhofs (BFH) beschlossen.

II.

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unterbrochen (§ 155 der FinanzgerichtsordnungFGO— i.V.m. § 240 Satz 1 der ZivilprozessordnungZPO—). Diese Verfahrensunterbrechung erfasst auch das PKH-Verfahren.

1. Allerdings ist die Frage, ob ein PKH-Verfahren durch den Eintritt der Insolvenz unterbrochen wird, in der zivilprozessualen Rechtsprechung und dem dazu ergangenen Schrifttum umstritten (bejahend: z.B. Beschlüsse des Oberlandesgerichts —OLG— Köln vom 2 U 79/02, Monatsschrift für Deutsches Recht —MDR— 2003, 526; des , juris, und des Landesarbeitsgerichts —LAG— Hamm vom 4 Ta 830/05, juris; ebenso Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 118 Rn. 15; verneinend: z.B. Beschlüsse des , OLGR Stuttgart 2004, 313, und des OLG Zweibrücken vom 4 W 155/04, OLGR Zweibrücken 2005, 414; s. auch Fischer, MDR 2004, 252, und Zöller/Greger, a.a.O., vor § 239 Rn. 8, jeweils m.w.N.). Dieser Auseinandersetzung liegt fast immer der Fall zu Grunde, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gegners der PKH-Partei eröffnet wird. Dabei wird die Anwendung der Unterbrechungsvorschriften meist mit dem Argument abgelehnt, das PKH-Verfahren sei vom Hauptsacheverfahren völlig unabhängig; es setze weder voraus, dass die Hauptsache bereits anhängig sei noch dass sie jemals anhängig gemacht werde (s. nur , juris, m.w.N. unter Rn. 11); es handele sich eben nicht um ein kontradiktorisches Verfahren, bei dem sich die Parteien des Rechtsstreits gegenüberstehen, sondern der Antragsteller und die Staatskasse (s. nur OLG Zweibrücken in OLGR Zweibrücken 2005, 414, Rn. 7, m.w.N.).

2. Im Steuerprozess, wo die Partei, die PKH beantragt hat, regelmäßig selbst vom Insolvenzverfahren betroffen ist und wo im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auch Rechtshängigkeit vorliegt, ist das PKH-Verfahren von der Unterbrechungswirkung des § 240 ZPO jedenfalls erfasst. Denn die Antragstellerin ist persönlich nicht mehr prozessführungsbefugt (§ 80 Abs. 1 der InsolvenzordnungInsO—) und auch die Insolvenzmasse ist bis zur eventuellen Aufnahme des Verfahrens nach § 180 Abs. 2 InsO nicht wirksam vertreten. Neben dem Eintritt des Insolvenzverwalters in das Verfahren (§ 180 Abs. 2 InsO) besteht allerdings die Möglichkeit, dass der Steuerpflichtige die Prozessführungsbefugnis wieder erlangt, wenn das Insolvenzverfahren wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes eingestellt wird (§ 212 InsO). Daraus folgt eine —grundsätzliche— Abhängigkeit des Anspruchs auf Bewilligung von PKH von der weiteren Entwicklung des Insolvenzverfahrens, die zu einer Unterbrechung des PKH-Verfahrens nach § 240 ZPO führt.

3. Eine Fortsetzung des PKH-Verfahrens würde hingegen dem Zweck der Unterbrechungsvorschrift des § 240 ZPO nicht gerecht. Diese Regelung trägt dem Wechsel der Prozessführungsbefugnis in einem laufenden Verfahren Rechnung (Zöller/Greger, a.a.O., § 240 Rn. 1). Die Verfahrensunterbrechung soll dem Insolvenzverwalter hinreichend Gelegenheit verschaffen, sich mit dem Rechtsstreit vertraut zu machen und über die Fortführung des Verfahrens zu entscheiden. Eine Entscheidung über ein PKH-Gesuch während eines nach § 240 ZPO unterbrochenen Verfahrens würde aber stets zur Zurückweisung des PKH-Begehrens wegen fehlender Erfolgsaussicht i.S. des § 114 ZPO i.V.m. § 142 Abs. 1 FGO führen, weil der Antragsteller seine Prozessführungsbefugnis mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verloren hat. Eine —wenn auch nur summarische— materiell-rechtliche Prüfung des Steueranspruchs wäre damit nicht verbunden, so dass sich aus diesem Verfahren auch keine Hinweise zu den Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels für den Insolvenzverwalter ergäben.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da auch im PKH-Verfahren keine Kostenentscheidung zu treffen ist (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO i.V.m. § 142 Abs. 1 FGO).

Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 130
BB 2006 S. 2737 Nr. 50
BStBl II 2007 S. 130 Nr. 4
DB 2006 S. 2671 Nr. 49
KÖSDI 2007 S. 15420 Nr. 2
BAAAC-28427