Instanzenzug:
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb eine Rechtsanwalts- und Notarpraxis. Seinen Antrag auf Erlass sämtlicher aufgelaufenen Steuerschulden gemäß §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO 1977), weil er als an die nicht mehr kostendeckende gesetzliche Gebührenordnung gebundener Anwaltsnotar das Auflaufen der Umsatzsteuerschulden nicht mehr zu vertreten habe, lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ab.
Die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Zur Begründung hat das FG ausgeführt, bei dem beantragten Erlass der Umsatzsteuern handele es sich um eine Billigkeitsentscheidung der Verwaltung, die nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliege. Ermessensfehler des FA seien nicht festzustellen gewesen. Im Übrigen komme ein Erlass aus sachlichen Gründen nur in Betracht, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand falle, im Einzelfall mit Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar sei und dadurch ein Überhang des gesetzlichen Tatbestandes über die Wertungen des Gesetzgebers bestehe. Die vom Kläger im Erlassverfahren vorgetragenen Gründe rechtfertigten einen Erlass aber nicht, weil die Steuerfestsetzungen den gesetzlichen Wertungen des Gesetzgebers entsprächen.
Mit der Beschwerde macht der Kläger Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend. Das FG habe seine zu den Gerichtsakten gelangten Schriftsätze inhaltlich ignoriert. Außerdem habe die Verhandlung nicht, wie im ursprünglichen Protokoll vermerkt, um 10.10 Uhr, sondern erst um 10.25 Uhr begonnen. In diesem Zeitraum habe das FG in seiner, des Klägers, Abwesenheit nur mit der Vertreterin des FA verhandelt.
Es liege außerdem ein Verstoß gegen Art. 101 des Grundgesetzes (GG) vor, weil der Vorsitzende Richter X ausweislich des Handbuches der Justiz erst seit dem als Richter am FG tätig sei. Aufgrund seiner vorherigen langjährigen Tätigkeit in der…Finanzverwaltung sei er befangen gewesen. Für einen Befangenheitsantrag habe keine Zeit zur Verfügung gestanden.
Die Sache habe auch grundsätzliche Bedeutung, weil der Bundesfinanzhof (BFH) noch nicht darüber entschieden habe, ob die langjährige Tätigkeit eines Richters in der Finanzverwaltung zur Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters führe.
Für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (V B 130/04) hat der Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt (V S 15/06 PKH).
II. 1. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
2. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Es liegt kein Verfahrensmangel vor. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Verfahrensrechts.
aa) Der Kläger hat keine Verletzung seines Anspruches auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 GG) durch das FG dargelegt. Zwar umfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör auch die Verpflichtung des Gerichts, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Begründung zu berücksichtigen. Das gilt aber nur für wesentliches, d.h. den entscheidungserheblichen Kern betreffendes Vorbringen (, BFH/NV 2005, 2236). Das bedeutet jedoch nicht, dass sich das Gericht mit allen Ausführungen in den Entscheidungsgründen detailliert befassen muss. Es ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen hat. Daher liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das FG Vorbringen des Klägers überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (, BFH/NV 2005, 932). Hierfür gibt es weder nach Lage der Akten noch nach dem Vortrag des Klägers Anhaltspunkte.
Soweit der Kläger behauptet, das FG habe über einen Zeitraum von etwa 15 Minuten nur mit den Vertretern des FA verhandelt, fehlt es an einer ausreichenden Darlegung eines Verfahrensmangels (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Die Tatsache, dass die mündliche Verhandlung nicht um 10.10 Uhr, sondern erst später begonnnen hat, rechtfertigt nicht die Annahme, das FG habe in der Zwischenzeit allein mit den Vertretern des FA über den Fall verhandelt.
bb) Es liegt auch kein absoluter Revisionsgrund i.S. des § 119 Nr. 2 FGO vor, weil bei der Entscheidung des FG kein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war. Ausschließungsgründe i.S. von § 51 Abs. 1 und 2 FGO, §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.
cc) Soweit der Kläger geltend macht, gegen den an der Entscheidung beteiligten Vorsitzenden Richter X bestehe die Besorgnis der Befangenheit, begründet dies nicht die Zulassung der Revision. Der Kläger hat ein etwaiges Ablehnungsrecht nach § 51 Abs. 1 FGO, § 43 ZPO verloren, weil er es nicht rechtzeitig geltend gemacht hat. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er an der rechtzeitigen Geltendmachung gehindert gewesen ist. Die bloße Behauptung, es habe dazu keine Zeit bestanden, reicht insoweit nicht aus.
Der Kläger hat aber auch keinen Ablehnungsgrund substantiiert und nachvollziehbar dargelegt. Zum einen hat der Kläger nicht einmal den von ihm vorgetragenen Ablehnungsgrund, eine langjährige Tätigkeit des Richters X in der Finanzverwaltung, dargelegt. Das vom Kläger hierfür in Bezug genommene Datum im Handbuch der Justiz bezeichnet den Zeitpunkt der Übernahme der dort genannten Funktion, in diesem Fall als Vorsitzender Richter am FG. Eine Aussage darüber, ob der Vorsitzende Richter am FG X zuvor als Richter am FG, in der Finanzverwaltung oder anderswo tätig gewesen ist, ist damit nicht verbunden.
Darüber hinaus begründet auch eine langjährige Tätigkeit in der Finanzverwaltung keine Besorgnis der Befangenheit. Das folgt schon aus der Regelung in § 51 Abs. 2 FGO, die erkennbar gerade den Fall regelt, dass ein Richter zuvor eine Tätigkeit innerhalb der Verwaltung ausgeübt hat.
Aus diesem Grund fehlt es auch an der vom Kläger geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Sache. Es bedarf hierzu keiner weiteren Entscheidung des BFH.
3. Der Antrag auf Gewährung von PKH hat keinen Erfolg.
Gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Der Antrag auf Gewährung von PKH war abzulehnen, weil die beabsichtigte Beschwerde aus den unter 2. ausgeführten Gründen nicht zum Erfolg führen kann.
Fundstelle(n):
LAAAC-25554