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Grundlagen - Stand: 30.01.2023

Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV)

Peter Gerlach

I. Definition der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung

Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) ist eine Rechtsform des europäischen Gesellschaftsrechts, die durch die Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom geschaffen wurde. Die Verordnung trat am in Kraft. Damit ist ab diesem Zeitpunkt auch die Gründung einer Gesellschaft in der Rechtsform der EWIV möglich.

Innerstaatlich wurde die Verordnung durch das EWIV-Ausführungsgesetz umgesetzt. Das enthält Ausführungen zur steuerlichen Behandlung der EWIV in Deutschland.

Die EWIV soll der europaweiten Kooperation von Unternehmen, insbesondere von Klein- und Mittelunternehmen dienen. Sie soll die grenzüberschreitende Betätigung der Mitglieder/Gesellschafter erleichtern.

II. Gründung und Aufbau

Die EWIV muss aus mindestens zwei Mitgliedern aus zwei unterschiedlichen EU-Staaten bestehen. Die Zahl kann nach oben offen sein. Die Mitglieder müssen rechtlich selbständig sein. Es kann also auch sein, dass eine deutsche Tochtergesellschaft mit der italienischen Muttergesellschaft eine EWIV bildet. Mitglieder können Einzelfirmen (Einzelunternehmer, Freiberufler, Selbständige), Personengesellschaften (OHG, KG), Kapitalgesellschaften (AG, GmbH), Vereine und öffentlich-rechtliche Körperschaften (z.B. IHK, Stadt, Landkreis) sein.

Es muss ein schriftlicher Gründungsvertrag abgeschlossen werden, der folgende Mindestangaben enthalten muss:

  • Name der EWIV (mit dem Zusatz EWIV)

  • Sitz der Gesellschaft

  • Gegenstand der Gesellschaft

  • Mitglieder der Gesellschaft

  • Dauer, sofern nicht auf unbegrenzte Dauer angelegt

Die EWIV muss ins jeweilige Handelsregister des EU-Staates eingetragen werden, in dessen Gebiet sie ihren Sitz hat. Wo die Mitglieder/Gesellschafter ansässig sind, ist insoweit unmaßgeblich. Danach erfolgt eine EU-weite Veröffentlichung im Amtsblatt der EU.

Unternehmensgegenstand darf lediglich die Zusammenarbeit der Mitglieder sein, nicht die Ausübung einer eigenen gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit, insbesondere nicht die eines der Mitglieder. Daher darf die EWIV auch keine eigenen Gewinne anstreben. Stimmrechtsverteilung und Beschlussfassung können individuell geregelt werden.

Die EWIV darf sich nicht an einer anderen EWIV beteiligen. Sie darf nicht mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Die EWIV darf auch keine Anteile an Mitgliedsunternehmen halten (Holdingverbot) oder Kontrollfunktion über Mitgliedsunternehmen ausüben (Konzernleitungsverbot). Schließlich darf die EWIV auch keine Darlehen an ihre Gesellschafter/Mitglieder geben.

In den meisten EU-Staaten hat die EWIV auch eine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie kann also Verträge abschließen, Rechte und Pflichten wahrnehmen und vor Gerichten klagen oder verklagt werden. Italien und Deutschland haben von dem diesbezüglichen Wahlrecht in Art. 1 Abs. 3 der EG-Verordnung Gebrauch gemacht (Rechtspersönlichkeit: ja oder nein). In diesen beiden Staaten hat die EWIV keine eigene Rechtspersönlichkeit (siehe Qualifikation).

Die EWIV muss einen oder mehrere Geschäftsführer bestellen.

Die EWIV kann mit oder ohne Stammkapital oder sonstige Sacheinlagen gegründet werden. Im Fall einer Haftung haften die Gesellschafter/Mitglieder gesamtschuldnerisch. Bislang war der Haftungsfall eher selten, da die EWIV ja keine eigene Handelstätigkeit ausübt. Im Innenverhältnis kann die Haftung unterschiedlich verteilt werden. Theoretisch denkbar ist auch eine EWIV mit beschränkter Haftung, dies muss aber nach außen dokumentiert werden, z.B. in Briefbögen und vor allem im Handelsregister.

EWIV ist die deutsche Abkürzung, die englische Bezeichnung z.B. ist European Economic Interest Grouping (EEIG), die französische Bezeichnung lautet Groupement européen d'intérêt économique (GEIE). Es gibt entsprechende Bezeichnungen in allen EU-Sprachen.

In den EWR-Staaten Norwegen und Island sind aufgrund entsprechender Ausführungsgesetze ebenfalls Gründungen einer EWIV möglich. Personen, Gesellschaften und Institutionen aus Drittstaaten können keine Mitglieder einer EWIV werden. Aus diesem Grund wird in einigen EWIV die assoziierte Mitgliedschaft angeboten. Dies ist nach der Verordnung aus 1985 oder nach den Ausführungsgesetzen nicht untersagt. Jedoch haben diese assoziierten Mitglieder kein Stimmrecht in der Mitgliederversammlung. In Ländern außerhalb der EU/des EWR kann eine EWIV einen Zweigsitz errichten, wenn dies nach den dort geltenden Registereintragungsregeln möglich ist.

III. Beispiele für EWIV

  • Gemeinsames Vertriebsbüro der Mitglieder in Drittstaaten

  • Zusammenarbeit im Bereich der Marktforschung und Produktentwicklung

  • Einkaufs-Verbund

  • Kooperation im organisatorischen Bereich (z.B. Zusammenarbeit in der EDV)

  • Bekannte EWIV: arte (dt./frz. Fernsehsender, Sitz in Straßbourg), Hockey Europe (Vereinigung von mittel- und nordeuropäischen Eishockey-Profiligen; Sitz in Köln), Europäisches Branchenkompetenzzentrum für die Gesundheitswirtschaft (Sitz in Berlin), Institut für Europäische Wirtschaftsförderung mit Sitz in Zeven

  • Insgesamt wurden EU-weit bislang über 2.678 EWIV gegründet (Stand ). In Deutschland waren es zu diesem Zeitpunkt 525, von denen 96 wieder aufgelöst wurden. Die meisten aktiven EWIV (Stand ) gibt es mittlerweile in Deutschland (429).

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