Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: GG Art 116
Gründe
I
Die Beteiligten streiten im Wege des Zugunstenverfahrens, ob der Klägerin ab ein Anspruch auf Zahlung einer großen Witwenrente zukommt.
Die 1921 geborene Klägerin ist Witwe des im selben Jahr geborenen und am verstorbenen E. S. (Versicherter). Die Eheleute legten sämtliche Beschäftigungszeiten in der UdSSR zurück. Am siedelte die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland aus. Sie ist als Spätaussiedlerin nach § 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) bewilligte ihr mit Bescheid vom Altersrente (AlR) aus eigener Versicherung vom Tag der Einreise an. Die ermittelten 29,4800 Entgeltpunkte (EP) wurden gemäß § 22b des Fremdrentengesetzes (FRG) idF des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom (BGBl I 1461; im Folgenden: aF) auf 25 EP begrenzt.
Auf Antrag vom erkannte die Beklagte mit Bescheid vom einen Anspruch der Klägerin auf große Witwenrente nach dem Versicherten an, wobei sie die ausschließlich nach dem FRG anrechenbaren Beschäftigungszeiten des Verstorbenen mit 33,3595 EP ermittelte. Einen Anspruch auf Zahlung der Witwenrente verneinte sie jedoch unter Berufung auf § 22b FRG aF wegen vorrangiger Berücksichtigung von 25 EP aus eigener Versicherung. Ein dagegen im Dezember 2001 gerichteter Widerspruch blieb wegen Versäumung der Widerspruchsfrist erfolglos (Widerspruchsbescheid vom ).
Den unter Hinweis auf das Urteil des 4. Senats des ) im April 2002 gestellten Antrag der Klägerin auf Überprüfung des Bescheids vom und Neufestsetzung der Rente in Höhe der tatsächlichen EP lehnte die Beklagte mit Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ab.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom als unbegründet abgewiesen. Die auf eine zwischenzeitlich gefestigte Rechtsprechung des BSG verweisende Berufung der Klägerin ist ebenfalls erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts <LSG> vom ). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe § 22b Abs 1 FRG aF zutreffend angewandt. Wortlaut der Vorschrift, Entstehungsgeschichte des WFG sowie Systematik der Absätze des § 22b FRG sprächen für eine Einbeziehung der Hinterbliebenenrente bei Begrenzung der EP auf insgesamt 25. Denn Abs 1 dieser Vorschrift begrenze die EP bei nur einem Berechtigten, während Abs 3 FRG für zwei berechtigte Eheleute bzw Berechtigte in eheähnlicher Gemeinschaft Anwendung finde. Wenn für letztere eine Beschränkung auf 40 EP gelte, dann müsse diese Beschränkung erst Recht für Alleinstehende nach dem Tod eines Ehegatten gelten. Andernfalls werde der Grundsatz der Bedarfsdeckung verlassen, und die Entscheidung werde unbillig.
Mit Sinn und Zweck des Systemwechsels vom Eingliederungsprinzip zur Fürsorgeleistung durch das WFG sei eine Ausnahme von der Begrenzungsregelung des § 22b Abs 1 FRG für Hinterbliebenenrenten nicht vereinbar. Zudem belege das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung - RV-Nachhaltigkeitsgesetz (RVNG) vom , dass die Einbeziehung auch der Hinterbliebenenrente in den Anwendungsbereich des § 22b Abs 1 FRG dem Willen des Gesetzgebers entspreche. Nach den dazu vorliegenden Materialien werde in Abgrenzung zur Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil vom - B 4 RA 118/00 R) klargestellt, dass für eigene Versichertenrenten und Hinterbliebenenrenten zusammen ein Höchstwert von 25 EP gelte. Dabei handele es sich nicht um eine Gesetzesänderung, sondern um eine authentische Interpretation.
Die so gefundene Auslegung führe auch nicht zu einem verfassungswidrigen Ergebnis. Das Eingliederungsprinzip habe keinen Verfassungsrang. Art 116 des Grundgesetzes (GG) begründe keine sozialrechtlichen Ansprüche. Das Sozialstaatsgebot werde hinreichend beachtet. Dieses zwinge nur zu einem Mindeststandard. Art 14 GG schütze keine im Ausland erworbenen Rechte und schon gar nicht vor Einreise in die Bundesrepublik Deutschland. Nachdem die Klägerin erst nach Verkündung des WFG umgesiedelt sei, seien ihre Rechte von vornherein durch § 22b FRG begrenzt gewesen. Bis dahin habe lediglich eine Erwartung bestanden. Ein Anspruch auf Witwenrente habe damit von vornherein nur mit 0 EP, also als "leeres Recht" bestanden. Darin liege auch keine grundgesetzwidrige Ungleichbehandlung. Vielmehr sei der unterschiedliche Versicherungsverlauf bezüglich der Beitragszahlungen für eine Unterscheidung sachgerecht. Zudem seien 50 Jahre nach Kriegsende die Auswirkungen des 2. Weltkriegs mittlerweile kein sachlicher Anknüpfungspunkt für sozialversicherungsrechtliche Begünstigungen. Ferner sei auch die gespannte Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Eine Ungleichbehandlung mit DDR-Rentnern sei durch die Besonderheiten des Einigungsvertrages begründet. Die Rechtsprechung des 4. und 13. Senats des BSG überzeuge nicht. Es sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber trotz des Systemwechsels Hinterbliebene habe begünstigen wollen. Dies stünde mit dem Grundsicherungsprinzip nicht in Einklang und hätte zur Konsequenz, dass Hinterbliebene mit 40 EP finanziell ebenso dastehen würden, wie ein Ehepaar.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und trägt im Wesentlichen vor: Art 116 GG verbiete eine Diskriminierung von Vertriebenen bei der Hinterbliebenenrente. Letztlich könne aber dahinstehen, ob § 22b FRG verfassungsgemäß sei. Denn ihr, der Klägerin, sei die Witwenrente dem Grunde nach bestandskräftig bewilligt worden. Die Nichtauszahlung verstoße gegen diese Bewilligungsentscheidung. Überdies stehe die Hinterbliebenenrente aber unter Eigentumsschutz. Sie sei keine Fremdrente; dies folge aus der Systematik. Eine Witwe sei auch keine Berechtigte iS des FRG. Dies könne auch eine andere Person sein. Die Beschränkung der EP verstoße gegen die Art 3 und 14 GG. Insbesondere scheitere die rückwirkende Änderung des Gesetzestextes durch das RVNG an dem Verbot der echten Rückwirkung von Gesetzen. Dies sei auch nicht ausnahmsweise zur Klärung einer verworrenen Rechtslage zulässig. Denn hier bestehe keine verworrene Situation, sondern eine klare Rechtsprechung des BSG.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Berlin vom und des Landessozialgerichts Berlin vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ab große Witwenrente ohne Begrenzung nach § 22b Abs 1 Satz 1 FRG idF des RVNG zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Das Verfahren ist gemäß Art 100 Abs 1 GG auszusetzen. Der Senat sieht sich an einer Entscheidung des Rechtsstreits gehindert.
Anders als das LSG sieht der vorlegende Senat in der Neufassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG durch Art 9 Nr 2 RVNG eine (nachträgliche) Gesetzesänderung, die der Gesetzgeber mit der Bestimmung des Art 15 Abs 3 RVNG in verfassungswidriger Weise mit Wirkung ab einem Zeitpunkt vor Verkündung des Gesetzes (), nämlich zum in Kraft gesetzt hat. Wie der 8. und der 5. Senat des BSG in seinen Entscheidungen vom (zB BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4) und vom (zB B 5 RJ 57/03 R) entnimmt er der letztgenannten Vorschrift die Regelung einer echten Rückwirkung; anders als der 8. und der 5. Senat ist er jedoch von deren Verfassungswidrigkeit überzeugt. Hierüber zu entscheiden, ist jedoch nach Art 100 Abs 1 GG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorbehalten.
Im Folgenden wird zunächst die Ausgangslage geschildert, die der Fall der Klägerin anspricht (A.); hieran schließt sich die rechtliche Würdigung (B.) an.
A. Ausgangslage
(zum Folgenden vgl auch ua, unter A I der Gründe)
1. Seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland bestand das Problem, wie Rentenansprüche solcher Vertriebener und Flüchtlinge zu behandeln seien, deren Rentenversicherungsbeiträge - sofern überhaupt - in ihrem Heimatland und nicht an einen Rentenversicherungsträger des Bundesgebietes entrichtet worden waren. Das FRG von 1960 entschied sich für das sog Eingliederungsprinzip, wonach Vertriebene und Flüchtlinge rentenrechtlich so gestellt werden sollten, als ob sie im Inland beschäftigt gewesen wären und hier ihr Arbeits- und Versicherungsleben zurückgelegt hätten.
Dem Eingliederungsgedanken entsprach, dass Vertriebenen selbst dann Hinterbliebenenrente nach den Vorschriften des FRG gewährt wurde, wenn der Ehegatte, einerlei, ob noch im Herkunftsland verstorben oder erst nach Übersiedlung nach Deutschland, keine Ansprüche nach dem FRG hatte oder hätte haben können. Entsprechende Ansprüche verstand der Große Senat (GS) des BSG nicht als "abgeleiteten" Anspruch (weil der ursprüngliche Rechtsinhaber, der verstorbene Ehegatte, selbst keinen Anspruch hatte und auch hätte haben können), sondern als eine eigenständige Berechtigung Hinterbliebener (BSG GS vom , BSGE 49, 175 = SozR 5050 § 15 Nr 13).
2.
Mit der Wiedervereinigung wurde das FRG im Verhältnis DDR/Bundesrepublik Deutschland obsolet; seither gilt ein einheitliches deutsches Rentenrecht in Ost und West mit Sonderregelungen für Altfälle. Im Gefolge der maßgeblich durch den Zerfall der Sowjetunion geprägten Umwälzungen in den anderen Staaten des Ostblocks kam es - in mehreren Stufen - zu einer Absenkung der Leistungen nach dem FRG, die einen vorläufigen Abschluss mit dem durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom (WFG) eingefügten § 22b FRG fanden. Hiernach wurden die Renten nach dem FRG nicht mehr prozentual, sondern absolut gekürzt: Es wurde ein - dynamisierter - Höchstbetrag eingeführt. In den hier interessierenden Teilen lautete die Vorschrift wie folgt:
(Abs 1 Satz 1) "Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz werden für einen Berechtigten höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zugrunde gelegt."
(Abs 3 Satz 1) "Bei Ehegatten und in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Berechtigten, deren jeweilige Rente nach den Abs 1 und 2 festgestellt worden sind, werden höchstens insgesamt 40 Entgeltpunkte zugrunde gelegt."
Dabei orientierten sich die 25 EP an der Eingliederungshilfe für Spätaussiedler nach § 62a des Arbeitsförderungsgesetzes (später geregelt in § 418 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch; Höchstsatz 1996 für Berechtigte mit Kind, Steuerklasse III: DM 260,40/Woche, entsprechend DM 1.128,40/Monat; aus 25 EP errechnete sich damals eine Rente von brutto DM 1.155,15/Monat). Hiernach ergeben sich nur noch Ansprüche etwa in der Höhe der Hilfe zum Lebensunterhalt im Rahmen der Sozialhilfe (vgl Thiede, RVaktuell 2005, 519, 520), allerdings - anders als diese - nicht einkommens- oder vermögensabhängig (so dass insoweit von einem Bedürftigkeitsprinzip nicht gesprochen werden kann). Die Höchstgrenze erfasst nahezu alle Berechtigten; sie wirkt sich nur dann nicht aus, wenn der originäre Rentenanspruch unterhalb des Werts von 25 EP liegt - angesichts der in aller Regel vollständigen Versicherungsbiographien in den Herkunftsländern auch bei Frauen ein eher untypischer Fall. Die Neuregelung galt lediglich für solche Umsiedler, die nach dem ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland genommen hatten (zur Kürzung auf 25 EP nach § 22b Abs 1 Satz 1 FRG: ; zur Rückwirkung des § 22b FRG idF des WFG auf den sowie zur Kürzung auf 40 EP nach § 22b Abs 3 Satz 1 FRG: ).
Sowohl die Versicherungsträger als auch die unteren Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit verstanden die Neuregelung - zunächst - so, dass die Obergrenze von 25 EP für eine Einzelperson auch dann galt, wenn einer Person nach der bisherigen Rechtsanwendung sowohl eine eigene Rente (aufgrund eigener Beschäftigung im Herkunftsland) zugestanden hätte als auch eine (abgeleitete - bei FRG-Berechtigung des Verstorbenen - oder "eigenständige"; s hierzu oben) Hinterbliebenenrente (im Sprachgebrauch des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch <SGB VI>: "Rente wegen Todes").
3. Der 4. Senat des BSG entschied jedoch im August 2001 ( BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2), dass die Begrenzung von 25 EP nicht für den Fall des Zusammentreffens einer Rente aus eigener Versicherung mit einer Hinterbliebenenrente gelte. Denn eine Hinterbliebene - wie die Klägerin im damaligen Verfahren - könne nicht als "Berechtigte" iS des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG "anrechenbare Zeiten" haben. Nichts anderes folge auch aus § 22b Abs 3 FRG. Der 4. Senat verurteilte die beklagte BfA daher, an die Klägerin aus dem zuerkannten Recht auf Hinterbliebenenrente Rente zu zahlen. In welcher Höhe dies geschehen sollte, ergab sich weder aus dem Entscheidungssatz noch ausdrücklich aus den Entscheidungsgründen. Diesen konnte man allenfalls einen Hinweis darauf entnehmen, dass die Witwenrente nach (höchstens) 25 EP zu berechnen sei, was nach dem Rentenartfaktor für große Witwenrenten nach Ablauf des sog Sterbevierteljahres (0,6: § 67 Nr 6 SGB VI in der damaligen Fassung, ab auf 0,55 abgesenkt: § 67 Nr 6 SGB VI idF des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom , BGBl I 403) einer Rente nach "effektiv" 15 EP entsprach.
4. In mehreren Urteilen vom (Leiturteil BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1) schloss sich der vorlegende Senat des BSG dem genannten Urteil des 4. Senats aus dem Jahre 2001 mit folgender Argumentation an: Der Gesetzgeber unterscheide im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich (auch) bei der Begrenzung der Leistungshöhe zwischen Renten aus eigener Versicherung und Hinterbliebenenrenten. Auch sei mit dem WFG das Eingliederungsprinzip noch nicht vollständig aufgegeben worden, was daraus hervorgehe, dass in Anwendung des § 14a FRG idF des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom (BGBl I 403) erst für Neufälle ab keine Hinterbliebenenrenten nach einem nicht zu dem Personenkreis des § 1 FRG gehörenden Verstorbenen mehr gezahlt würden. In den Fällen vom ging es um Witwenrenten nach im Herkunftsgebiet verstorbenen Ehegatten; der Senat entschied nunmehr auch über die Höhe einer solchen Rente und setzte insoweit die Obergrenze von 25 (entsprechend "effektiven" 15) EP.
5. Ebenfalls am fanden im Bundestag die zweite und dritte Lesung des im Dezember 2003 eingebrachten RVNG statt. Letztmalig im Bundestag behandelt wurde das Gesetz jedoch erst am , als dieser den Einspruch des Bundesrats zurückwies. Am schließlich wurde das am ausgefertigte Gesetz verkündet (BGBl I 1791). Durch Art 9 Nr 2 RVNG wurden in § 22b Abs 1 Satz 1 FRG die Worte "für einen Berechtigten" durch die Worte "für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt" ersetzt; Art 15 Abs 3 RVNG ordnete das Inkrafttreten dieser Änderung "mit Wirkung vom " (also über acht Jahre zurück) an.
In der Begründung zum Entwurf des RVNG, die dem 13. Senat bei seinen Entscheidungen vom bekannt war, heißt es hierzu (BT-Drucks 15/2149 S 31):
"Die Ergänzung stellt klar, dass - entgegen der Auffassung des BSG in seinem Urteil <von 2001> - auch für einen einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eine eigene Versichertenrente und auf eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle seine Renten insgesamt auf 25 EP begrenzt wird. Die rückwirkende Inkraftsetzung stellt sicher, dass alleinstehende Berechtigte mit mehreren Renten weiterhin eine Rentensumme höchstens in einer Höhe erhalten, die sich an der Höhe der Eingliederungshilfe orientiert."
Zur Inkrafttretensregelung heißt es (aaO S 32 zu Art 13 Abs 3 des Entwurfs):
"§ 22b <FRG> ist am in Kraft getreten. Die Ergänzung dieser Regelung stellt die ursprüngliche Regelungsabsicht des Gesetzgebers im Sinne einer authentischen Interpretation klar und soll daher ebenfalls am in Kraft treten (...). Soweit im Einzelfall ein begünstigender Verwaltungsakt vorliegen sollte, sind mögliche Betroffene durch die Vertrauensschutzregelungen des <SGB X> vor einer rückwirkenden Anwendung geschützt."
6. Noch kurz vor Verkündung des RVNG hatte der 8. Senat des BSG ebenfalls über die Anwendung des § 22b FRG auf Hinterbliebenenrenten zu entscheiden, und zwar für einen Fall, in dem - ebenso wie im Fall des 4. Senats und anders als in den Fällen des 13. Senats - der Ehemann der Klägerin nicht bereits im Herkunftsland, sondern erst nach Übersiedlung in Deutschland verstorben war: Mit Urteil vom (BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2) sprach auch der 8. Senat eine Hinterbliebenenrente zu. In Kenntnis der bereits verabschiedeten Gesetzesänderung nahm er nochmals eingehend zur Auslegung des § 22b FRG idF des WFG Stellung und führte aus: Der Ansicht der Rentenversicherungsträger könne nicht gefolgt werden. Denn hiernach hätten nach dem FRG berechtigte Witwen zwar ebenso wie andere Witwen einen Anspruch auf Witwenrente; dieser Anspruch laufe jedoch, anders als bei der Vergleichsgruppe, "letztlich leer" (aaO RdNr 11). Für einen solchen (wie es dort heißt:) "Entzug der Hinterbliebenenrente" sei jedoch - seine Verfassungsmäßigkeit unterstellt - eine klare und nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschrift eindeutige Rechtsnorm erforderlich. Diese Voraussetzung erfülle § 22b FRG idF des WFG nicht (aaO RdNr 12). Der Vorschrift sei nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen, dass ein Berechtigter mit mehreren FRG-Renten, dh einer Rente aus eigener Beschäftigung und einer Hinterbliebenenrente, auf den Höchstwert von insgesamt 25 EP begrenzt werde (s ferner aaO RdNr 19 zur Einfügung des § 22b Abs 1 Satz 3 FRG durch das Rentenreformgesetz 1999 <RRG 1999> vom , BGBl I 2998). Für die ihm vorliegende Fallkonstellation entschied der 8. Senat (aaO RdNr 25 ff) zur Höhe der Hinterbliebenenrente, dass sie höchstens nach 15 EP ("effektiv" somit - <15 x 0,6=> - 9 EP) zu berechnen sei; denn die Rente für den verstorbenen (zweiten) Ehepartner habe nach § 22b Abs 3 FRG im Ergebnis nur auf 15 EP (40 EP für das Ehepaar, 25 EP für eine Einzelperson) beruht.
Nach dem Stand der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Verkündung des RVNG waren damit auch im Rahmen des § 22b FRG neben Renten aufgrund eigener Versicherungszeiten Hinterbliebenenrenten ohne Begrenzung auf insgesamt 25 EP zu gewähren. Unsicherheit bestand allenfalls zu deren Höhe: nach (höchstens) 25 oder 15 ("effektiv": 15 oder 9) EP.
7. Über die Rechtslage nach Verkündung des RVNG haben der 8. und der 5. Senat des BSG mit jeweils mehreren, im Wesentlichen übereinstimmenden Urteilen von Juni und Oktober 2005 entschieden (BSG 8. Senat vom , BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4; SozR 4-1300 § 44 Nr 5; BSG 5. Senat vom , zB B 5 RJ 57/03 R; zu diesen Urteilen s Leopold, SGb 2005, 628, 632 Fn 61; Pflüger, RVaktuell 2005, 531; Schaer, jurisPR-SozR 6/2006 Anm 4). Die Urteile halten den Gesetzgeber für berechtigt, mit dem RVNG rückwirkend ab zu regeln, dass die Begrenzung auf insgesamt 25 EP für Einzelpersonen auch für solche Berechtigte gilt, die neben einer auf eigenen Fremdrentenzeiten beruhenden Rente Anspruch auf eine auf Fremdrentenzeiten beruhende Hinterbliebenenrente haben. Zur Begründung führen sie aus, zwar komme einer rückwirkenden Änderung des Gesetzeswortlauts aufgrund einer (vorgeblichen) "authentischen Interpretation" keine Sonderrolle zu. Auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG habe jedoch eine "unklare und verworrene Rechtslage" den Gesetzgeber zur echten Rückwirkung legitimiert.
Eine solche Rechtslage habe (auch) nach dem Urteil des 4. Senats aus dem Jahre 2001 bestanden. Dieses habe keine Rechtssicherheit geschaffen (BSG 8. Senat vom , BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4 RdNr 23 ff). Denn nicht nur die Rentenversicherungsträger, sondern auch ein Großteil der Instanzgerichte seien damals dem 4. Senat nicht gefolgt. Damit aber hätten die Betroffenen kein berechtigtes Vertrauen in den ihnen günstigen Inhalt des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF (Zahlung einer Hinterbliebenenrente unter Überschreitung der 25 EP-Grenze) bilden können. Ein derart schutzwürdiges Vertrauen habe auch in der Folgezeit nicht mehr entstehen können. Zwar hätten sich später weitere Rentensenate des BSG der Rechtsauffassung des 4. Senats angeschlossen; nach wie vor unsicher sei jedoch die Höhe der Hinterbliebenenrente gewesen. Vor allem aber habe jedenfalls schon das zweite einschlägige Urteil, das des 13. Senats des kein Vertrauen mehr schaffen können, weil es taggleich mit dem Gesetzesbeschluss des Bundestages zum RVNG ergangen sei. Mit diesem Zeitpunkt sei auch ein bereits vorhandenes Vertrauen in die alte Rechtslage entfallen (aaO RdNr 21).
B. Der Senat beabsichtigt, der Klägerin die begehrte Leistung für die Zeit vom bis zuzusprechen. Er ist davon überzeugt, dass Art 15 Abs 3 RVNG insoweit verfassungswidrig ist, als er eine Rückwirkung des Art 9 Nr 2 RVNG auf den anordnet.
Von der Beantwortung der Vorlagefrage hängt die beabsichtigte Senatsentscheidung ab (nachfolgend zu 1). Der Senat hat zwar keine verfassungsrechtlichen Bedenken bzgl des Regelungsgehalts des Art 9 Nr 2 RVNG (2). Art 15 Abs 3 RVNG ordnet jedoch in verfassungswidriger Weise die echte Rückwirkung dieser Regelung an (3). Diese Bestimmung kann auch nicht verfassungskonform ausgelegt werden (4). An einer eigenen Entscheidung ist der Senat somit nach Art 100 Abs 1 GG gehindert. Er hat nicht vorrangig den GS des BSG anzurufen (5).
1. Entscheidungserheblichkeit
Von der Entscheidung über die Vorlagefrage hängt das Ergebnis des Rechtsstreits ab. Denn wäre die Vorschrift des Art 15 Abs 3 RVNG wirksam, wäre sie auch zu Ungunsten der Klägerin anzuwenden, was in vollem Umfang zur Abweisung der Revision führen würde; wäre sie hingegen insoweit verfassungswidrig und daher nichtig, als sie eine Rückwirkung der Neufassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG durch Art 9 Nr 2 RVNG für die Zeit vor Verkündung des Gesetzes anordnet, wäre die Revision der Klägerin für diesen Zeitraum begründet.
Der Senat setzt das Verfahren der Klägerin insgesamt, also auch für den Zeitraum ab Verkündung des RVNG (am ) aus. Er ist zwar nicht davon überzeugt, dass eine Regelung mit dem Inhalt des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF nicht mit Wirkung ab diesem Zeitpunkt (mit unechter Rückwirkung) in Kraft gesetzt werden durfte (s insoweit im Folgenden unter 2). Er will jedoch dem BVerfG nicht vorgreifen, sollte dieses (zB auf Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile des 8. und des 5. Senats des BSG des Jahres 2005, s oben unter A. 7) nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit der in Art 15 Abs 3 RVNG geregelten echten Rückwirkung noch weitergehende Übergangsregelungen (vgl ua, unter C II 2 der Gründe) für erforderlich halten.
Die Klägerin begehrt im Wege einer verbundenen Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage die Aufhebung des Bescheides (negativer Zugunstenbescheid) vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des (bindenden) Bescheids vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , soweit sie die Auszahlung ihrer Witwenrente ablehnen, sowie die Zahlung dieser Leistung ab . Sie macht damit verwaltungsverfahrensrechtlich einen Anspruch nach § 44 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB X ("Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts") geltend. Nach dessen Abs 1 Satz 1 ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind; der Auffangtatbestand des Abs 2 der Vorschrift setzt lediglich voraus, dass ein "rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt" vorliegt, eine unrechtmäßige Nichterbringung von Sozialleistungen ist nicht erforderlich.
a) Auf der Grundlage des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF sind die Voraussetzungen bereits des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X erfüllt: Der Bescheid vom war bei seinem Erlass, gemessen an dieser Vorschrift, rechtswidrig, soweit er die Auszahlung der Witwenrente ablehnt. Im Übrigen stand der Klägerin der abgelehnte Zahlungsanspruch auch noch im Zeitpunkt der nunmehr angefochtenen Bescheide der Jahre 2002/2003 zu. Wegen der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom sind ihr schließlich auch Sozialleistungen - hier: die ihr ab zu zahlende Witwenrente - zu Unrecht nicht erbracht worden.
aa) Der Klägerin stand ab eine große Witwenrente zu. Nach § 14 FRG gelten, soweit keine Sonderregelungen des FRG eingreifen, die allgemeinen Vorschriften des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung. Hiernach aber haben Witwen nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit (von fünf Jahren: § 50 SGB VI) erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie nicht wieder geheiratet und das 45. Lebensjahr vollendet haben (§ 46 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI). Nach § 30 Satz 1 FRG gilt für den Beginn der Rente § 99 Abs 1 SGB VI mit der Maßgabe, dass die Rente frühestens vom Tage des Zuzugs an geleistet wird. Nach Satz 2 ist die dreimonatige Antragsfrist zu beachten; sie beginnt mit dem Tage des Zuzugs. Entsprechendes gilt aber auch in Bezug auf § 99 Abs 2 SGB VI. Dass in § 30 FRG nur § 99 Abs 1 SGB VI genannt ist, beruht auf einem redaktionellen Versehen im Gesetzgebungsverfahren anlässlich der Änderung des § 99 SGB VI (vgl näher VerbandsKomm § 99 SGB VI Anm 3.5 und 1.3).
Der Zahlungsanspruch der Klägerin überstieg freilich der Höhe nach den mit Bescheid vom festgesetzten Betrag von DM 0,- (nach 0 EP). Die große Witwenrente beträgt in den ersten drei Kalendermonaten nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist, 1,0, danach 0,6 einer AlR des Verstorbenen (§ 67 Nr 6, § 255 Abs 1 SGB VI). Im gegenwärtigen Stand des Verfahrens kann der vorlegende Senat offen lassen, ob er zur Höhe der großen Witwenrente an seiner Rechtsprechung (s oben unter A. 4: Faktor 1,0: 25 EP; Faktor 0,6: 15 "effektive" EP) festhält oder sich der des 8. Senats (Faktor 1,0: 15 EP; Faktor 0,6: 9 "effektive" EP) anschließt, die dieser zu einer anderen Fallgestaltung als der vorliegenden (Tod des Ehegatten erst nach Übersiedlung in Deutschland) begründet hat. In beiden Fällen ergäbe sich ein Zahlbetrag.
bb) Jedenfalls war entgegen der Rechtsansicht der Beklagten ein Zahlungsanspruch der Klägerin nicht bereits nach § 22b Abs 1 Satz 1 FRG in der Fassung des WFG vom (BGBl I 1461; alte Fassung aF) ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift waren für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für einen Berechtigten höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde zu legen. Die hierin enthaltene Begrenzung bedeutete jedoch nicht, dass sich für einen Hinterbliebenen kein Zahlbetrag der Hinterbliebenenrente mehr ergab, wenn er die 25 EP bereits mit einem Rentenanspruch aus eigenen FRG-Zeiten (hier: der AlR der Klägerin nach 29,4800 EP aus Zeiten nach dem FRG, begrenzt nach § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF auf 25 EP) ausschöpfte.
Der Senat hält insoweit an seiner im Einklang mit dem 4. und 8. Senat (BSGE 88, 288 = SozR 3-5050 § 22b Nr 2; BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2) stehenden Rechtsprechung (Urteile vom , zB BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1) zu § 22b FRG aF fest. Durch die rückwirkende Neufassung der Vorschrift durch das RVNG hat sich hieran nichts geändert (so im Übrigen auch BSG 8. Senat vom , zB BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4 RdNr 6 f und BSG 5. Senat vom ; zB B 5 RJ 57/03 R); insbesondere sind im Gesetzgebungsverfahren des RVNG keine Argumente vorgebracht worden, die geeignet sind, die Rechtsauffassung des BSG zu widerlegen.
Dagegen, dass bereits § 22b Abs 1 Satz 1 FRG idF des WFG im Sinne seiner Neufassung durch das RVNG auszulegen war, sprach bereits der Wortlaut der Ursprungsfassung (hierzu, auch für die folgenden Ausführungen s im Einzelnen die bereits soeben zitierten Urteile). Denn ist jemand als Hinterbliebener (Renten-)"Berechtigter" iS des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG, kann er insoweit keine eigenen "anrechenbare Zeiten" haben, weil solche nur der Verstorbene zurückgelegt hat. Aus der systematischen Auslegung folgte nichts anderes, weil das Rentenversicherungsrecht grundsätzlich zwischen Renten aus eigener Versicherung und Hinterbliebenenrenten unterscheidet. Auch die Gesetzgebungsmaterialien des WFG lassen nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 22b FRG die Hinterbliebenenrente nach diesem Gesetz faktisch abschaffen wollte (weil in aller Regel Berechtigte nach dem FRG über eine vollständige Versichertenbiographie mit über 25 EP verfügen und damit bereits selbst die Obergrenze des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG ausschöpfen, s unter A. 2). Sinn und Zweck der Vorschrift erfordern kein hiervon abweichendes Ergebnis. Denn das WFG hatte das Eingliederungsprinzip des FRG noch nicht vollständig aufgegeben (so werden erst für Neufälle ab aus Fremdrentenzeiten keine Hinterbliebenenrenten nach einem nicht zu dem Personenkreis des § 1 FRG gehörenden Verstorbenen mehr gezahlt; s hierzu unter A. 4). Wollte der Gesetzgeber aber bei dieser Ausgangslage einen derart einschneidenden Eingriff vornehmen wie die faktische Abschaffung der aus Fremdrentenzeiten abgeleiteten Hinterbliebenenrenten, hätte es einer eindeutigen Regelung bedurft. Eine solche aber lag mit dem WFG (noch) nicht vor. Schließlich konnte aus der Einfügung des § 22b Abs 1 Satz 3 FRG durch das RRG 1999 nichts anderes entnommen werden (s hierzu im Einzelnen BSG 8. Senat vom , BSGE 93, 85 = SozR 4-5050 § 22b Nr 2 RdNr 19).
b) Die (einfach-rechtliche) Rechtslage hat sich jedoch dadurch verändert, dass die Fassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG durch Art 9 Nr 2 RVNG (neue Fassung - nF) sich nach Art 15 Abs 3 RVNG Rückwirkung ab beimisst.
aa) Dies ist zwar nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich für die Beurteilung der Frage unerheblich, ob iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X "bei Erlass eines Verwaltungsaktes" das Recht unrichtig angewandt worden ist. Insoweit berühren spätere, wenn auch rückwirkende Änderungen der Rechtslage die im Rahmen des § 44 SGB X erhebliche ursprüngliche Rechtswidrigkeit nicht (vgl BSG 8. Senat Teilurteil vom , SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17 - ebenfalls bei einer rückwirkenden "Klarstellung" durch den Gesetzgeber - mwN; s ferner BSG 4. Senat vom , SozR 3-2600 § 93 Nr 8 S 83 ff; so zu § 22b FRG auch ausdrücklich BSG 8. Senat vom , SozR 4-1300 § 44 Nr 5 RdNr 5). Nach Auffassung des Senats bewirkt die rückwirkende Rechtsänderung als solche auch noch nicht, dass die Sozialleistungen jetzt nicht mehr iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X "zu Unrecht" nicht erbracht wurden (so jedoch BSG 8. Senat vom , SozR 4-1300 § 44 Nr 5 RdNr 8). Selbst wenn man dieser Argumentation folgte, könnte allein hiermit ein Anspruch nach § 44 SGB X nicht abgelehnt werden, weil zugunsten der Klägerin dann der Auffangtatbestand des § 44 Abs 2 SGB X eingriffe.
bb)
Von den erläuterten grundsätzlich geltenden Regeln ist jedoch für die Anwendung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG eine Ausnahme zu machen. Denn der Gesetzgeber hat deutlich gemacht, dass bei Anwendung dieser Vorschrift ab Verkündung des RVNG ausnahmslos - also auch für die Vergangenheit - nur noch deren Neufassung (durch Art 9 Nr 2 RVNG) maßgebend sein soll. In den Gesetzgebungsmaterialien zur Rückwirkungsvorschrift des Art 15 Abs 3 RVNG heißt es nämlich ausdrücklich (BT-Drucks 15/2149 S 32 zu Art 13 Abs 3 des Entwurfs):
"§ 22b <FRG aF> ist am in Kraft getreten. Die Ergänzung dieser Regelung stellt die ursprüngliche Regelungsabsicht des Gesetzgebers im Sinne einer authentischen Interpretation klar und soll daher ebenfalls am in Kraft treten."
Damit hat der Gesetzgeber - wie bereits vom SozR 4100 § 168 Nr 22 S 55 mwN) für derartige Fälle gefordert - "Klartext" formuliert. Aus Gesetzestext und Materialien kann nur geschlossen werden, dass nach seinem Willen (die Frage der Verfassungsmäßigkeit eines derartigen Vorgehens ist im vorliegenden Zusammenhang unerheblich) ab Verkündung des RVNG zu unterstellen ist, § 22b Abs 1 Satz 1 FRG habe von Anfang an die Fassung nach Art 9 Nr 2 RVNG gehabt. Dies zu regeln, hielt er sich aus dem Gesichtspunkt der "authentischen Interpretation" für befugt. Dann aber ist auch bei Anwendung des § 44 SGB X nach Verkündung des RVNG () - wie hier durch den vorlegenden Senat - die sowohl nach Abs 1 wie nach Abs 2 erhebliche Rechtswidrigkeit des zu überprüfenden Bescheids nur noch an § 22b Abs 1 Satz 1 FRG in der Fassung des Art 9 Nr 2 RVNG zu messen. Nichts anderes meinen die differenzierenden Inkrafttretensregelungen des Art 15 RVNG, die bei, gemessen am Zeitpunkt der Verkündung dieses Gesetzes, in der Vergangenheit liegenden Daten von einem Inkrafttreten "mit Wirkung vom" (bei Abs 3: ) sprechen (Abs 2 bis 9), hingegen von einem Inkrafttreten "am" (zB bei Abs 12: ), wenn dieser Zeitpunkt nach dem der Verkündung liegt (Abs 10 bis 12).
Dieses Auslegungsergebnis stimmt auch insoweit mit den Gesetzgebungsmaterialien überein, als diese (aaO) fortfahren:
"Soweit im Einzelfall ein begünstigender Verwaltungsakt vorliegen sollte, sind mögliche Betroffene durch die Vertrauensschutzregelungen des <SGB X> vor einer rückwirkenden Anwendung geschützt."
Denn der Vertrauensschutz ist im SGB X gerade für jene Fälle geregelt, in denen die Verwaltung eine, gemessen am anzuwendenden Recht, rechtswidrige Begünstigung ausgesprochen hat. Die Rücknahme einer solchen Begünstigung ist, auch mit Wirkung für die Zukunft, ausgeschlossen, "soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist" (§ 45 Abs 2 Satz 1 SGB X). Auch wenn kein schutzwürdiges Vertrauen vorliegt, darf der Verwaltungsakt in den vorliegend einschlägigen Fällen "nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden" (Abs 3 Satz 1 aaO); selbst innerhalb dieses Zeitraums kann die Verwaltung nach ihrem Ermessen von einer Rücknahme absehen (Abs 1 aaO). Dies hat im vorliegenden Zusammenhang zur Folge, dass dann, aber auch nur dann, wenn die Zahlung einer Hinterbliebenenrente bereits vor Verkündung des RVNG durch einen entsprechenden Bescheid bewilligt worden war, der hierdurch Begünstigte mit der Weiterzahlung dieser Leistung rechnen kann.
Weitere Übergangsregelungen - etwa in Abweichung vom Verwaltungsverfahrensrecht des SGB X - waren zur Umsetzung der Neufassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nicht erforderlich. Hierfür bestand aus der Sicht des Gesetzgebers von vornherein auch kaum Bedarf, denn die zu § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF ergangenen Verwaltungsakte der Rentenversicherungsträger entsprachen regelmäßig bereits - wie auch hier - der Neufassung dieser Vorschrift, weil sich die Träger der Rechtsprechung des BSG nicht angeschlossen hatten. Für die Ausnahme, dass im Einzelfall (aufgrund welcher Umstände auch immer) ein begünstigender Verwaltungsakt (über die Zahlung von Hinterbliebenenrente) ergangen war, verweist die Begründung zum Gesetzentwurf - wie ausgeführt - auf die vertrauensschützenden Regelungen des SGB X.
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf die Regelung des § 300 Abs 2 SGB VI berufen, wonach ua durch Neuregelungen innerhalb des SGB VI ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Monaten nach der Aufhebung geltend gemacht worden ist. Hieraus kann sie nicht herleiten, dass ihr Anspruch auf Witwenrente weiterhin nach § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF zu beurteilen sei, weil sie diesen bereits vor Verkündung des RVNG geltend gemacht habe. Dies gilt schon deshalb, weil "Aufhebung" iS von § 300 Abs 2 SGB VI den - auch rückwirkenden - Zeitpunkt des Außerkrafttretens der alten und Inkrafttretens der neuen Vorschrift meint, hier also, nach Art 15 Abs 3 RVNG, den (hierzu Senatsurteil vom , BSGE 93, 15 = SozR 4-5050 § 22b Nr 3 RdNr 19 f). Den Antrag auf Witwenrente aber hatte die Klägerin erst im Juli 1999 gestellt.
Auf dieser Grundlage liegt auch kein (unzulässiger) "Selbstvollzug des Gesetzes" vor, wenn, wie hier, im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 44 SGB X entsprechend der Intention des Gesetzgebers (hierzu s oben) die Geltung der Neufassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG bereits ab unterstellt wird.
cc) Mit dieser Auslegung weicht der Senat nicht iS des § 41 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von der (bereits unter aa) zitierten) Rechtsprechung des 8. und des 4. Senats des BSG ab.
Die Auslegung durch den vorlegenden Senat stimmt im Ergebnis mit der Auslegung überein, die der 8. Senat (zB im Urteil vom , SozR 4-1300 § 44 Nr 5 RdNr 7) den Vorschriften des § 44 Abs 1 SGB X iVm § 22b Abs 1 Satz 1 FRG in der Fassung des Art 9 Nr 2 RVNG gegeben hat. Beide Senate sind der Auffassung, dass § 44 Abs 1 SGB X nicht zugunsten von Betroffenen wie der Klägerin im vorliegenden Verfahren anwendbar ist. Der 8. Senat hat die Begründung hierzu in der Verneinung des Tatbestandsmerkmals "soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht ... worden sind" gesehen. Er konnte daher innerhalb des § 44 Abs 1 SGB X die - vorrangige - Voraussetzung, dass "bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt ... worden ist", als erfüllt behandeln, während es nach der Auslegung des vorlegenden Senats bereits am letztgenannten Merkmal fehlt. Jedenfalls aber sind die Erwägungen beider Senate vom Bestreben getragen, dem oben herausgearbeiteten Regelungswillen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen.
Angesichts dieser Übereinstimmung mit einer neueren Entscheidung des 8. Senats kann dahingestellt bleiben, ob der vorlegende Senat vom Teilurteil des 8. Senats vom (SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17) abweicht, das - ebenfalls bei einer rückwirkenden "Klarstellung" durch den Gesetzgeber - für die Anwendung der §§ 44 und 45 SGB X auf den ursprünglichen Rechtszustand abgestellt hat. Es sei dennoch darauf hingewiesen, dass sich die gesetzliche Ausgangslage beider rechtlicher Beurteilungen dadurch unterscheidet, dass angesichts der im Falle von Art 9 Nr 2 und Art 15 Abs 3 RVNG eindeutigen Regelungsabsicht des Gesetzgebers keine andere Auslegung als die oben vom Senat gefundene möglich ist; demgegenüber war die Ausgangslage der Änderung des § 93 Abs 5 SGB VI durch das WFG, über die der 8. Senat im Jahre 1997 zu entscheiden hatte, insofern anders, als damals der Gesetzgeber weder ausdrücklich eine Rechtsprechung des BSG korrigieren wollte noch die Rückwirkung der Neufassung mit einer "authentischen Interpretation" begründete.
Gerade diese unterschiedliche Ausgangslage führt schließlich dazu, dass der vorlegende Senat ebenso wenig iS des § 41 Abs 2 SGG von der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zur Änderung des § 93 Abs 5 SGB VI durch das WFG (BSG 4. Senat vom , SozR 3-2600 § 93 Nr 8 S 85 ff; hierzu im Übrigen auch BSG 8. Senat vom , SozR 4-2600 § 93 Nr 4 RdNr 8) abweicht.
dd) Die Möglichkeit, mit einer anderen einfach-rechtlichen Begründung zugunsten der Klägerin zu entscheiden, besteht nicht.
Ein Anspruch aus § 44 Abs 1 Satz 1 oder Abs 2 SGB X scheitert, wie oben dargelegt. Ein Vertrauensschutz in Anwendung des § 45 SGB X scheidet im Fall der Klägerin von vornherein aus; dieser knüpft immer an einen (rechtswidrigen) begünstigenden Verwaltungsakt an, welcher hier fehlt. Ebenso wenig kann im Fall der Klägerin aus § 48 Abs 1 SGB X ein Vertrauensschutz für die Vergangenheit hergeleitet werden (s hierzu BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 27 ff; BVerfGE 105, 48, 57 ff).
Schließlich kann ein Zahlungsanspruch der Klägerin nicht bereits aus der Überlegung abgeleitet werden, dass ihr die Beklagte mit dem Bescheid vom eine große Witwenrente gewährt hatte, obwohl er keine Zahlung mehr vorsah (s oben unter a) aa)). In der Bewilligung einer Rente mit dem Zahlbetrag 0 mag zwar ein gewisser Widerspruch liegen. Dieser kann jedoch nicht dadurch aufgelöst werden, dass man die Beklagte für verpflichtet hielte, allein wegen der aufrechterhaltenen "Bewilligung dem Grunde nach" auch weiter zu zahlen. Aus einem Entscheidungssatz, der eindeutig eine Zahlung ablehnt, kann keine Zahlungspflicht abgeleitet werden. Überdies folgt aus der oben angesprochenen Überlegung keine bestimmte Rentenhöhe. Hielte man eine reine "Bewilligung dem Grunde nach" für unzulässig, wenn kein Zahlungsanspruch besteht, wäre ein entsprechender Bescheid als Leistungsablehnung (mit nicht der Bindungswirkung unterfallenden Ausführungen zu einigen Leistungsvoraussetzungen) auszulegen oder in eine solche umzudeuten.
2. Die Regelung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG idF des RVNG begegnet als solche keinen Bedenken. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht gehindert, den Anspruch auf Hinterbliebenenrente in die Begrenzungsregelung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF einzubeziehen.
a) Das BVerfG hat die Begrenzungsregelungen in § 22b Abs 1 FRG aF und § 22b Abs 3 FRG - ebenso wie zuvor das BSG - bereits für verfassungsmäßig erachtet (zur Kürzung auf 25 EP nach § 22b Abs 1 Satz 1 FRG: ; zur Kürzung auf 40 EP nach § 22b Abs 3 Satz 1 FRG: ).
b) § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF führt den mit Einfügung des § 22b FRG durch das WFG eingeleiteten Systemwechsel in dem Sinne fort, dass einem Berechtigten durch eine Hinterbliebenenrente Leistungen der Rentenversicherung für FRG-Zeiten nur noch gewährt werden, soweit die FRG-Anteile in seiner eigenen Rente die Höhe der Eingliederungshilfe noch nicht erreichen. Daher ist die Erweiterung der Begrenzungsregelung durch Einbeziehung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente verfassungsrechtlich im Grundsatz nicht anders zu beurteilen als die bisherige Regelung mit dem og (s unter 1. a) bb)) Inhalt (BSG 8. Senat vom , zB BSGE 95, 25 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4 RdNr 13). Im Übrigen unterfallen weder die ausschließlich durch das FRG begründeten Rentenanwartschaften (hierzu ua, LS 2) noch der Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach einem in der bundesdeutschen Rentenversicherung Versicherten (hierzu BVerfGE 97, 271, LS 1 = SozR 3-2940 § 58 Nr 1) dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 GG.
3. Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Art 15 Abs 3 RVNG
a) "Authentische Interpretation"
Der Senat stimmt mit den Urteilen des 8. und des 5. Senats des BSG (BSG 8. Senat vom , zB BSGE 95, 25 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4 RdNr 15 f, dort auch mit ausführlicher Argumentation aus den Vorschriften zum Verfahren der Gesetzgebung, auf die verwiesen wird; BSG 5. Senat vom ; zB B 5 RJ 57/03 R) auch insoweit überein, als diese die rückwirkende Anwendung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF nicht bereits aus der in den Gesetzgebungsmaterialien zu Art 15 Abs 3 RVNG angebotenen Begründung für verfassungsrechtlich erlaubt ansehen, es handele sich um eine "authentische Interpretation".
Eine "authentische Interpretation", wie sie dem Gesetzgeber des RVNG augenscheinlich vorschwebt, ist dem geltenden deutschen (Verfassungs-)Recht fremd (hierzu eingehend W. Meyer in: Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, S 221 ff). Dem Gesetzgeber kommt es nicht zu, ein Gesetz rückwirkend authentisch zu interpretieren. Die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften obliegt ausschließlich den Gerichten ( BVerfGE 111, 54, 107). Das Prinzip der Gewaltenteilung (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG) verbietet der Gesetzgebung, eine missliebige Rechtsprechung im Nachhinein zu korrigieren und sie damit für die Vergangenheit ins Unrecht zu setzen. Die Behauptung, nichts Neues regeln, sondern durch eine Änderung des Wortlauts (lediglich) "klarstellen" zu wollen, wie die frühere Gesetzesfassung von Anfang an zu verstehen gewesen sei, entbindet den Gesetzgeber nicht von der Beachtung des Verbots der echten Rückwirkung ( BVerfGE 18, 429, 439 = SozR Nr 5 zu Art 28 GG; zu § 22b FRG vgl bereits Senatsurteil vom , BSGE 92, 248 = SozR 4-5050 § 22b Nr 1 RdNr 24 ff; ausführlich zur "authentischen Interpretation" zB SozR 4100 § 168 Nr 22 S 55 f mwN; ferner LVerfG Sachsen-Anhalt vom - LVG 3/01, RdNr 45 ff).
Freilich hat in der Rechtsprechung des BSG die Rechtsfigur der "authentischen Interpretation" auch bereits als Begründung gedient, sich - entgegen früherer eigener Rechtsprechung und zu Lasten des Versicherten - dem anzuschließen, was der Gesetzgeber in seiner "Entscheidung des Wettstreits" zwischen Rechtsprechung und Verwaltung um verschiedene Auslegungen "authentisch festgelegt" habe (so BSG 10. Senat vom , SozR 4-5868 § 92 Nr 2 RdNr 7). Eine solche Vorgehensweise wurde jedoch an weitere, strenge Voraussetzungen geknüpft, die jedenfalls im Fall der Änderung des Wortlauts des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG durch das RVNG nicht eingehalten sind: So wurde insbesondere ua eine "prompte Reaktion des Gesetzgebers" gefordert und für den damaligen Fall bejaht (das Datum des Änderungsgesetzes lag ca acht Monate nach dem "korrigierten" Urteil des BSG). Hieran fehlt es vorliegend, liegen doch zwischen dem Urteil des 4. Senats des bis zum RVNG vom knapp drei Jahre.
b) Echte Rückwirkung - Grundsätze -
Der Änderung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RVNG kommt eine echte Rückwirkung (eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen) zu. Denn der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereichs der Rechtsnorm wurde vom Gesetzgeber zum Nachteil der Betroffenen (darunter der Klägerin) auf einen Zeitpunkt festgelegt, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre ordnungsgemäße Verkündung rechtlich existent, dh gültig geworden ist (vgl BVerfGE 97, 67, 78 mwN). Da nach Art 15 Abs 3 RVNG die Änderung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG durch Art 9 Nr 2 RVNG "mit Wirkung vom " in Kraft tritt, das RVNG jedoch erst am verkündet wurde (s hierzu oben unter A. 5), liegt eine echte Rückwirkung von über acht Jahren vor.
Die Neufassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG durch das RVNG ist belastend; nur dann kann eine Rückwirkung verfassungsrechtlich fraglich sein ( BVerfGE 50, 177, 193 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8). Sie war nicht etwa rein deklaratorischer Art; denn sie bestätigt nicht lediglich, was schon vordem aus der verkündeten ursprünglichen Norm folgte (zu dieser Problematik BVerfG aaO); dies ist oben (unter 1. a) und b)) näher dargelegt worden. Dementsprechend hat sich die Neuregelung auch zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt. Denn § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF stand ihrem Anspruch auf Zahlung von Witwenrente nicht entgegen, während die Neufassung einen solchen Zahlungsanspruch ausschließt.
Die echte Rückwirkung war verfassungsrechtlich nicht erlaubt.
Eine belastende (echte) Rückwirkung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) iVm den jeweils einschlägigen Grundrechten unvereinbar. Zu dessen wesentlichen Elementen gehört die Rechtssicherheit, die ihrerseits, so das BVerfG, für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz bedeutet. Dieser greift ausnahmsweise nicht durch - dh die Rückwirkung ist zulässig -,
(a)
wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste,
(b)
wenn das bisher geltende Recht unklar und verworren war,
(c)
wenn der Bürger sich nicht auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen durfte,
(d)
wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind, eine Rückwirkungsanordnung rechtfertigen.
Diesen Katalog von vier Kriterien (aufgestellt im BVerfGE 13, 261, 271 f; bestätigt im BVerfGE 18, 429, 439; als "ständige Rechtsprechung" bezeichnet in BVerfGE 88, 384, 404) hat es 1971 - inhaltlich - um die Fallgruppen ergänzt, dass
(e)
das bisherige Recht in einem Maße systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an seiner Verfassungsmäßigkeit bestanden ( BVerfGE 30, 367, 388) oder
(f)
durch die sachlich begründete rückwirkende Gesetzesänderung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht wird - Bagatellvorbehalt - ( BVerfGE 30, 367, 389 f).
Keine der Fallgruppen dieses Katalogs vermag die Rückwirkung nach Art 15 Abs 3 RVNG zu rechtfertigen. Insbesondere lag weder eine unklare und verworrene Rechtslage vor (c) noch war die echte Rückwirkung deshalb zulässig, weil die Betroffenen aus sonstigen Gründen zu einem früheren als dem Verkündungszeitpunkt mit der Neuregelung hätten rechnen müssen (d). Ebenso wenig besteht ein Vorrang zwingender Gründe des Gemeinwohls (e).
Zwar ist der oben angeführte Katalog nicht abschließend ( BVerfGE 72, 200, 258). Der vorlegende Senat sieht jedoch keine Veranlassung, die vorliegende Fallkonstellation als Teil einer neuen Fallgruppe anzusehen, bei der - über die bisherige Rechtsprechung des BVerfG hinaus - ebenfalls die belastende ("echte") Rückwirkung eines Gesetzes verfassungsrechtlich möglich wäre.
c) Unklare und verworrene Rechtslage
Im Sinne der Fallgruppen für eine Ausnahme vom Verbot der echten Rückwirkung lag hinsichtlich der Auslegung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF keine unklare und verworrene Rechtslage vor.
aa) Soweit die Rechtsprechung des BVerfG den Begriff der "unklaren und verworrenen Rechtslage" konkretisiert, verlangt sie, dass das Gesetz nicht aus sich heraus verständlich sein, vielmehr nur mit Hilfe mehrerer Auslegungsmethoden zusammen einen Sinn ergeben dürfe (vgl BVerfGE 50, 177, 194 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8). Hierin vermag der Senat freilich kein ausreichendes Kriterium zu sehen, setzt doch die Anwendung von Gesetzen regelmäßig einen gewissen Auslegungsaufwand zur Überwindung wortlautbedingter Ungenauigkeiten voraus; und wenn bei einer Auslegung nicht alle ("mehrere") Auslegungsmethoden zum Einsatz kommen, besteht die Gefahr, wichtige Gesichtspunkte zu übersehen (hierzu W. Meyer, Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, S 221, 231).
bb) Der Senat vermag sich auch nicht der Rechtsansicht des 8. und des 5. Senats des BSG in deren Urteilen vom Juni und Oktober 2005 (BSG 8. Senat vom , zB BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4; SozR 4-1300 § 44 Nr 5; BSG 5. Senat vom , zB B 5 RJ 57/03 R) anzuschließen. Diese leiten eine unklare und verworrene Rechtslage daraus ab, dass bis zum Urteil des 4. Senats aus dem Jahre 2001 dessen Auslegung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG (die Vorschrift stehe der Zahlung einer Hinterbliebenenrente nach dem FRG auch dann nicht entgegen, wenn der Berechtigte bereits eine eigene Fremdrente unter Ausschöpfung der Begrenzung auf 25 EP beziehe) nicht vertreten worden sei und nicht nur die Rentenversicherungsträger, sondern auch ein Großteil der Instanzgerichte damals dem 4. Senat die Gefolgschaft verweigert hätten. Damit aber hätten die Betroffenen kein berechtigtes Vertrauen in den ihnen günstigen Inhalt des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF (Zahlung einer Hinterbliebenenrente unter Überschreitung der 25 EP-Grenze) bilden können; ein solches Vertrauen habe auch in der Folgezeit nicht mehr entstehen können.
Nach Auffassung des Senats ähnelt diese Betrachtungsweise indes einem Zirkelschluss: Um darzutun, dass eine unklare und verworrene Rechtslage bestand, als deren Folge kein schutzwürdiges Vertrauen habe entstehen können, stellen der 8. und der 5. Senat des BSG darauf ab, dass die Betroffenen kein Vertrauen in die ihnen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (Urteil des 4. Senats des ) zustehende Begünstigung hätten setzen dürfen. Dies wiederum begründen die genannten Senate damit, dass die Leistungsträger und viele Instanzgerichte dieser Rechtsprechung - jedenfalls bis zum Beschluss des rückwirkenden Gesetzes - nicht gefolgt seien.
Allein daraus, dass eine Rechtsprechung des BSG nicht sofort von den betroffenen Trägern und den Instanzgerichten akzeptiert wird, folgt jedoch keine Unklarheit und Verworrenheit der Rechtslage. Im typischen Verlauf der Klärung des konkreten Inhalts einer neuen Vorschrift tragen höchstrichterliche Entscheidungen im Gegenteil dazu bei, die Unklarheit oder Verworrenheit einer Rechtslage zu beseitigen. Mit dieser Wendung muss daher denknotwendig etwas anderes gemeint sein als ein Zwischenstadium innerhalb eines derartigen Ablaufs - wie hier nach Inkrafttreten des § 22b FRG aF.
Eine solche Klärung kann nicht abgeschlossen sein, bevor der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes (hier also das BSG) hierzu entschieden hat. Dies ist gerade die Aufgabe, die diesen Gerichtshöfen (und dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes) obliegt (vgl zB die Fallgestaltung bei BVerfGE 50, 177, 194 = SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 8). Der Erfahrung entspricht es, dass der Prozess einer solchen Klärung auch länger dauern und mehrere Entscheidungen, ggf unterschiedlicher Senate, erfordern kann. Als typisch kann ferner gewertet werden, dass, solange der Prozess noch nicht abgeschlossen ist, sowohl die Instanzgerichte als auch die Beteiligten versuchen, weiterhin jeweils ihre eigene Auslegung der Vorschrift durchzusetzen, also ggf der Auslegung des BSG (zunächst) "die Gefolgschaft verweigern". Sollten sich innerhalb des BSG verschiedene Auffassungen über die richtige Auslegung einer Vorschrift bilden, ist im Verfahren nach § 41 SGG der GS anzurufen.
Es ist daher von vornherein zweifelhaft, ob überhaupt durch eine Rechtsprechung eine "unklare und verworrene Rechtslage" eintreten kann. Der vorlegende Senat ist insoweit der Auffassung, dass nur der Gesetzgeber selbst durch mehrdeutige oder widersprüchliche Gesetze ohne eindeutigen Vorrang durch den Lex specialis- oder den Lex posterior-Satz eine solche unklare und verworrene Rechtslage schaffen kann (s W. Meyer, Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, S 221, 238 f). Dann mag er durch schnelles Handeln uU auch rückwirkend unklare Regelungen verdeutlichen dürfen (vgl die Fallgestaltung bei BVerfGE 11, 64, 70 ff, 77). Nur wenn ein derartiges Gesetz zur verfassungsrechtlichen Prüfung steht, kann es darauf ankommen, ob die Rechtslage (objektiv) völlig klar war und das Gesetz bisher zutreffend angewandt worden ist. Äußerungen, mit denen das BVerfG diesen Prüfungsmaßstab auch an oberstgerichtliche Entscheidungen anzulegen scheint ( BVerfGE 18, 429, 439; vgl auch die Vorgehensweise in BVerfGE 24, 75, 93 ff), kann gegenüber diesen grundsätzlichen Erwägungen kein entscheidendes Gewicht zukommen. Jedenfalls aber darf sich der Gesetzgeber nicht unter Berufung auf eine unklare und verworrene Rechtslage rückwirkend in Widerspruch zu einer oberstgerichtlichen Rechtsprechung begeben.
Zwar hat das BVerfG einmal angenommen, dass auch durch eine Rechtsprechung - konkret: nach einer Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Beurkundungserfordernissen - "ein Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit darüber herrschte, was Rechtens sei". Die echte Rückwirkung der korrigierenden Gesetzgebung (ein Jahr nach dem ersten einschlägigen Urteil) hat es damit legitimiert, dass sich in der Zeit zwischen dem Bekanntwerden der Rechtsprechung und dem korrigierenden Gesetzesbeschluss kaum verfestigtes und schutzwürdiges Vertrauen habe bilden können ( BVerfGE 72, 302, 326). Abgesehen davon, dass sich das BVerfG damals nicht ausdrücklich auf eine "unklare und verworrene Rechtslage" bezogen hat, war die entschiedene Fallgestaltung durch eine Reihe von Besonderheiten gekennzeichnet, die im vorliegenden Fall nicht gegeben sind: Eine punktuelle Rechtsprechungsänderung hatte eine Vielzahl weiterer Probleme zwischen privaten - also auf beiden Seiten grundrechtsfähigen - Rechtsträgern aufgeworfen; es galt, beider Vertrauen auch in die geschlossenen Verträge angemessen zu berücksichtigen (aaO 320 f). All dies spielt bei der rückwirkenden Änderung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG keine Rolle; hier geht es lediglich darum, ob einem bestimmten Personenkreis ein bestimmter Anspruch gegen einen Leistungsträger zustand oder nicht.
cc) Im Übrigen ist nach Auffassung des vorlegenden Senats jedenfalls für Fallgestaltungen wie die vorliegende zu überdenken, ob der Vertrauensschutz als einschlägige Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips anzusehen und vorrangig auf ein "vorhandenes schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen" abzustellen ist. Zwar mag das BVerfG die von ihm gebildeten Fallgruppen (mit der Ausnahme des Bagatellvorbehalts) auf diesen Grundgedanken zurückführen (vgl zB BVerfGE 72, 200, 258).
Diese Herangehensweise impliziert jedoch nicht nur die auch vom 8. und 5. Senat des BSG in den Vordergrund gestellte Frage, inwieweit die betroffene Gruppe tatsächlich Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage habe entwickeln dürfen, sondern darüber hinaus die Frage, ob sie dies auch überhaupt getan hat. Dies wiederum legt den nächsten Schritt nahe: Dann wird nicht allein gefragt, ob ein Vertrauen vorhanden gewesen sei, sondern - weil ein solcher innerer Vorgang ja auch schwer feststellbar ist - danach, ob das Vertrauen auch betätigt worden sei, also nach einer getroffenen Disposition.
Dies wird deutlich anhand solcher Stimmen der Literatur, die die Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung fallen lassen wollen; stattdessen sei von einem einheitlichen dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriff auszugehen (s zB Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 2002, S 236 f mwN): Eine Rückwirkung liege vor, wenn ein Gesetz Rechtsfolgen für bereits abgeschlossene Vertrauensbetätigungen ändere.
Legt man diese Kriterien an Fallgestaltungen wie die vorliegende an, so wird dort - anders als bei der Änderung von dispositionsbezogenen Steuernormen - kaum jemals eine Vertrauensbetätigung im Sinne einer (Vermögens-)Disposition vorliegen: Die bloße Stellung eines Antrags auf Sozialleistungen (hier: Zahlung einer weiteren Rente) ist keine Vermögensdisposition; und das Weiterverfolgen dieses Antrags nach Ablehnung durch den Rentenversicherungsträger verursacht allenfalls Kosten für die Rechtsvertretung. Denkt man in Kategorien einer Vermögensdisposition des Einzelnen, kann in Fällen wie dem vorliegenden auch das für Übergangsregelungen bei unechter Rückwirkung sprechende Argument nicht weiterhelfen, den Betroffenen müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Lebensführung auf künftig eingeschränkte Rentenleistungen einzustellen (hierzu ua, unter C II 2 der Gründe).
Ließe man es bei dieser eher subjektiven Beurteilungsgrundlage bewenden, so bedeutete dies freilich einen Freibrief des Gesetzgebers für jegliche echte Rückwirkung, soweit es um solche staatlichen Leistungen geht, die keine weiteren Dispositionen im Hinblick auf eine erwartete Leistungsgewährung nach sich ziehen, wie typischerweise im Sozialrecht. Es geht also nicht etwa um ein Sonderproblem sozialhilfeähnlicher staatlicher Leistungen, sondern um die Grundfrage, ob dem Gesetzgeber die Möglichkeit eingeräumt werden soll, ungeachtet (vor allem: entgegen) der Rechtsprechung rückwirkend anzuordnen, dass ein früheres Gesetz nur so und nicht anders verstanden werden durfte (zu einer ganz entsprechenden Fallgestaltung s bereits die dem BVerfGE 105, 48 zugrunde liegende Vorlage des BSG 8. Senat vom - 8 RKn 27/95, insoweit nicht vollständig in SozR 3-2600 § 93 Nr 3 abgedruckt).
Ein derartiger Freibrief hätte nicht nur negative Folgen auf die Qualität der Gesetzgebung, weil sich die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten darauf verlassen könnten, dass ihnen die Möglichkeit unbegrenzter Nachbesserung zu Gebote steht. Er ist auch nicht mit dem Gewaltenteilungsprinzip (Art 20 Abs 2 Satz 2 GG), konkret der durch das GG vorgezeichneten Aufgabenteilung zwischen Gesetzgeber und Rechtsprechung, zu vereinbaren. Der Gesetzgeber verabschiedet abstrakte Regelungen, die notwendigerweise Interpretationsspielräume lassen. Diese Spielräume so auszufüllen, dass hieraus eine möglichst verlässliche Rechtsordnung entsteht, ist Aufgabe der Rechtsprechung. Meint der Gesetzgeber, die höchstrichterliche Rechtsprechung habe ein Gesetz nicht zutreffend angewandt, ist er nicht mit der Auslegung "seiner" Gesetze durch die Rechtsprechung einverstanden, kann er nachbessern, nicht jedoch eine missbilligte Rechtsprechung nachträglich ins Unrecht setzen ( BVerfGE 18, 429 LS 2, 439 = SozR Nr 5 zu Art 28 GG; BVerfGE 24, 75, 101; BVerfGE 30, 367, 389).
Nicht mit dem Gewaltenteilungsprinzip vereinbar (vgl BVerfGE 95, 1, 15) ist auch die Vorstellung eines generellen Übergewichts des Gesetzgebers vor der Rechtsprechung, die man Äußerungen entnehmen kann wie: "Das Bundessozialgericht hat anders entschieden. Aber in Deutschland ist der Gesetzgeber die oberste Instanz" (so Thönnes, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung, in: Bundesrat, Plenarprotokoll 798, Stenografischer Bericht, S 133 <D> zu einer weiteren "authentischen Interpretation" im Entwurf des RVNG <s BT-Drucks 15/2678 S 25, zu Nr 8>).
Gegen die oben angesprochene subjektive Anschauungsweise spricht ferner die Überlegung, dass die Zulässigkeit rückwirkender Rechtsänderung nicht vom Verständnis (und Verstand bzw den Informationsmöglichkeiten) Einzelner abhängen kann. Will man hier mit dem Begriff des "Vertrauens" argumentieren, so beschreibt das Vertrauen in den Bestand einer im Gesetz normierten Rechtslage, die durch die Auslegung in höchstrichterlicher Rechtsprechung ihre Konkretisierung gefunden hat, nicht das Gut eines Einzelnen. Zu schützen ist vielmehr ein objektiviertes Vertrauen in den Bestand einer bestimmten Rechtslage schlechthin und damit - treffender formuliert - die Rechtssicherheit. Diese ist ebenfalls als Forderung des Rechtsstaatsgebots des GG anerkannt und kann sich als Oberbegriff nicht in ihrer Teilbedeutung als Vertrauensschutz erschöpfen (vgl BVerfGE 45, 142, 167 mwN; BVerfGE 60, 253, 267).
Der Senat schließt sich daher den Erwägungen des Bundesfinanzhofs (BFH) in seiner Vorlage zum an, mit denen dieser sich gegen einen einheitlichen dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriff ausgesprochen hat (BFHE 204, 228, 243 f mwN):
Der Bürger bedarf - anders als bei einer unechten Rückwirkung (tatbestandlichen Rückanknüpfung) - auch dann des Schutzes vor einer echten Rückwirkung, wenn keine Betätigung im Vertrauen auf die alte Rechtslage vorliegt. Denn der Gesetzgeber greift mit der Rückbewirkung von Rechtsfolgen nicht nur in Dispositionen des Bürgers ein, sondern er verstößt zusätzlich auch gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtssicherheit. Dieses Gebot enthält als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips des Art 20 Abs 3 GG ein objektives Element. Es verlangt eine gewisse Rechtsbeständigkeit, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit der geltenden Rechtsordnung. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung ist für eine freiheitliche Ordnung und damit für einen Wandel in geordneter Freiheit wesensnotwendig. Dieses objektive Element gewinnt dort an Bedeutung, wo eine rückwirkende Rechtsänderung ohne Dispositionsbezug erfolgt; in diesen Fällen besteht aufgrund von Art 20 Abs 3 GG auch ohne Disposition Schutz vor einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen.
Mit dieser objektiven Betrachtungsweise steht die Erwägung des BVerfG in Einklang, dass bereits ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf eine nicht unerhebliche Geldleistung einen Vermögenswert darstellt, der nicht rechtsstaatswidrig entzogen werden darf ( BVerfGE 30, 367, 389).
Stellt man mit dem vorlegenden Senat, wie dargelegt, auf objektive Gesichtspunkte ab, kann es für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der echten Rückwirkung von vornherein weder positiv noch negativ auf spezifische Einzelheiten des Falles der Klägerin ankommen - etwa darauf, dass ihr Ehemann bereits verstorben war, bevor sie nach Deutschland übergesiedelt war, oder darauf, dass sie den Ablehnungsbescheid der Beklagten (vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ) zunächst hatte bindend werden lassen.
d) "Rechnen müssen" mit der Neuregelung
Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der echten Rückwirkung folgt auch nicht daraus, dass die Betroffenen aus sonstigen Gründen zu einem früheren als dem Verkündungszeitpunkt mit der Neuregelung rechnen mussten.
Auch dies ergibt sich aus dem bereits oben Dargelegten. Ein Anhaltspunkt, das objektivierte Vertrauen, die Rechtssicherheit vor dem erneuten Tätigwerden des Gesetzgebers (ab Dezember 2003) enden zu lassen, fehlt. Zu diesem Zeitpunkt aber hatte die Klärung der durch § 22b FRG aF geschaffenen Rechtslage durch das BSG zumindest schon begonnen; sie war dem Grunde nach jedenfalls abgeschlossen, bevor die Neufassung der Vorschrift durch das RVNG verkündet war.
Der objektiven Betrachtungsweise des Senats widerspräche es ferner, an Einschnitte innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens des RVNG in dem Sinne anzuknüpfen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt kein "Vertrauen" in den Bestand der Regelung mehr gerechtfertigt gewesen sei. Die echte Rückwirkung ist weder ab dem Zeitpunkt zB des Kabinettsbeschlusses (vgl zu § 22b FRG idF des WFG: ) noch ab dem des ersten Gesetzesbeschlusses des Bundestages (am ) oder ab dem der Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates (am ) zulässig. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn sich das Gesetz selbst - wie hier - keine derartige Rückwirkung beimisst, sondern für sein Inkrafttreten einen noch weiter zurückliegenden Zeitpunkt in der Vergangenheit wählt.
e) Zwingende Belange des Gemeinwohls
Auch zwingende Gründe des gemeinen Wohls rechtfertigen hier keine Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots. Dafür gelten strengere Voraussetzungen als im Falle einer unechten Rückwirkung, bei der lediglich die Anforderungen des Gemeinwohls mit dem Ausmaß des Vertrauensschutzes abzuwägen sind ( BVerfGE 30, 367, 390 f). Zu den Gründen des gemeinen Wohls können zwar finanzielle Belange der öffentlichen Haushalte gehören. Geringe Einspareffekte rechtfertigen indes noch nicht zwingend eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen), insbesondere keine einschneidenden Eingriffe in einen bereits entstandenen (Einzel-)Anspruch auf Rente (Senatsurteil vom , BSGE 93, 15 = SozR 4-5050 § 22b Nr 3 RdNr 62 ff).
Im vorliegenden Fall sind die mit der rückwirkenden Anwendung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF verbundenen Einsparungen nicht erheblich. Dies ergibt sich aus den Berechnungen der Bundesknappschaft (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See; s deren Schriftsatz vom im Verfahren B 8 KN 8/04 R), welche dem erkennenden Senat vorliegen und von diesem zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.
Grundlage dieser Berechnungen war die Rentenzugangsstatistik des Verbands Deutscher Rentenversicherungsträger für die Jahre 1997 bis 2003; Zahlen zu den Jahren 1996 und 2004 lagen nicht bzw noch nicht vor. Davon ausgehend ist für jeden Jahrgang des Zugangs von Witwen-/Witwerrenten der gesetzlichen Rentenversicherung mit Anwendung des FRG der Rentenzahlbetrag ermittelt worden, und zwar anhand des aktuellen Rentenwerts, der durchschnittlichen Beitragssätze zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie einer durchschnittlichen Bezugsdauer von 8,8 Jahren pro Rentner. Dies geschah einmal fiktiv, in Anwendung der Rechtsprechung des BSG zu § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF, und einmal in tatsächlicher Höhe (zB fiktive Zahlung 1997: 1401 <Zugangsrentner> x € 336,55 <durchschnittlicher Rentenzahlbetrag> x 12 <Monate> = € 5.658.039,91; dieser Betrag x 8,8 Jahre = € 49.790.751,22). Die fiktiven Rentenzahlungen für die Jahre 1997 bis 2003 werden hiernach mit € 353.002.368,-- angegeben, die tatsächlichen im selben Zeitraum mit € 109.328.601,--. Dem entspricht eine Mehrbelastung der Rentenversicherungsträger für die sieben Jahrgänge 1997 bis 2003 von € 243.673.767,--; unter zusätzlicher Berücksichtigung der Rentenzugänge in den Zeiträumen bis und bis wird die Mehrbelastung auf etwa € 270 Mio geschätzt. Somit errechnet sich ein jährlicher Einspareffekt, bezogen auf den durchschnittlichen Bezugszeitraum von 8,8 Jahren, von (€ 270 Mio : 8,8 =) € 30,68 Mio. Gemessen am Gesamtumfang der Bundeszuschüsse an die Rentenversicherungsträger für Leistungen nach dem FRG in Höhe von - nach den Angaben der Bundesknappschaft - jährlich etwa € 6 Mrd, erscheint die Ersparnis gering (ca 0,5 % für die Zeit der Anwendbarkeit von § 22b FRG aF).
Demgegenüber hat die Klägerin bei ihren Renteneinkünften ganz erhebliche Einbußen erlitten (15 EP Kürzung bei einer Gesamtrentenleistung nach 40 EP <25 + 15> bzw 9 EP bei einer von 34 EP <25 + 9; s hierzu oben unter 1. a) aa)>). Daher muss das Interesse des Gemeinwohls, möglichst schnell zu Einsparungen zu kommen, gegenüber dem Interesse der Klägerin an dem Fortbestand der bereits entstandenen Rentenansprüche für die Vergangenheit zurücktreten.
4. Verfassungskonforme Auslegung
Das Ergebnis der Verfassungswidrigkeit des Art 15 Abs 3 RVNG kann schließlich nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung vermieden werden.
Diese Vorschrift ist weder einer Auslegung dahingehend zugänglich,
- dass statt der Worte "mit Wirkung vom " zu lesen ist: "mit Wirkung ab Veerkündung dieses Gesetzes" (a)
noch einer Auslegung,
- dass § 22b FRG nF nur auf die Fälle anzuwenden sei, hinsichtlich derer bei Verkündung des RVNG noch keine, und sei es ablehnende, Verwaltungsentscheidung vorlag (b).
Die Auslegung zu (a) scheitert bereits am eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung sowie an der Systematik der Inkrafttretensvorschriften des Art 15 RVNG mit der Grundregel des Abs 1 ("am ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Kalendermonats") und den abweichenden, differenzierten Regelungen der Abs 2 bis 12, die, in der Folge der Absätze, ein immer späteres Inkrafttreten bestimmter Vorschriften des Gesetzes vorsehen: so nach Abs 2 "mit Wirkung vom " bis nach Abs 9 "mit Wirkung vom "; Abs 10 regelt ein Inkrafttreten "am Tag nach der Verkündung", während die Abs 11 und 12 ein Inkrafttreten - aus damaliger Sicht - erst in fernerer Zukunft anordnen.
Aber auch die Auslegung zu (b) würde die hiernach in Art 15 Abs 3 RVNG normierte ("echte") Rückwirkung im Ergebnis weginterpretieren, wenn sie die Anwendung des § 22b FRG nF lediglich auf diejenigen Fälle beschränkte, in denen die Verwaltung bei Verkündung des RVNG noch nicht über eine vor diesem Zeitpunkt beginnende Hinterbliebenenrente entschieden hatte. Diese Verwandlung in (allenfalls marginal mehr als) eine "unechte Rückwirkung" würde das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlen (vgl BVerfG Plenumsbeschluss vom , BVerfGE 54, 277, 299).
Überdies wäre eine solche Auslegung ihrerseits aus den Gesichtspunkten der Rechtsanwendungsgleichheit sowie des Rechtsstaatsprinzips verfassungsrechtlich bedenklich. Denn dann käme es im Einzelfall darauf an, ob die Verwaltung ihr Verfahren mit der notwendigen Beschleunigung betrieben hat oder nicht (vgl zu einer ähnlichen Problematik des Berufskrankheitenrechts SozR 4-1100 Art 3 Nr 32 = BVerfGK 5, 340). Denkbar ist auch, dass Verwaltung und Antragsteller das Antragsverfahren im gegenseitigen Einverständnis bis zur gesetzlichen Neuregelung haben ruhen lassen; dies würde sich nunmehr zu Ungunsten der Antragsteller auswirken.
5. An der Vorlage zum BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass er in der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Art 15 Abs 3 RVNG vom 8. und 5. Senat des BSG abweicht (s hierzu oben unter A. 7 und B. 3 c) cc)). Er hat nicht vorrangig den GS des BSG anzurufen (vgl BVerfGE 6, 222, LS 2; BVerwG GS vom , Buchholz 310 § 11 VwGO Nr 2; BFHE 211, 351, unter D der Gründe; BFHE 125, 188, 192 mwN).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
NAAAC-19539