Gewerbesteuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen;
Steuerstundung und Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen durch die Gemeinde
(übernommen vom Bayrischen Landesamt für Steuern)
Das (BStBl 2003 I S. 240) nimmt zur Frage der ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen sowie zur Steuerstundung und zum Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen Stellung. Danach ist im Ergebnis vorgesehen, Sanierungsgewinne nach Verrechnung mit Verlusten oder negativen Einkünften nicht zu besteuern, damit insoweit kein Hindernis für sinnvolle Sanierungsmaßnahmen besteht.
1. Entscheidung der Gemeinden über eine abweichende Festsetzung des Steuermessbetrags nach § 163 AO
Entsprechend Abschn. 3 Abs. 1 und Abschn. 7 Abs. 1 GewStR 1998 obliegt die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer einschließlich Stundung, Niederschlagung und Erlass allein der hebeberechtigten Gemeinde. Diese Grundsätze werden durch das nicht berührt (s. Rz. 15). Insbesondere hat die durch das Finanzamt getroffene Qualifizierung als Sanierungsgewinn keine bindende Wirkung im Hinblick auf mögliche Billigkeitsmaßnahmen durch die Gemeinde. Jede Gemeinde muss deshalb für Zwecke der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer in eigener Zuständigkeit prüfen, ob ein Sanierungsgewinn vorliegt und inwieweit eine sachliche oder persönliche Unbilligkeit für den Gewerbetreibenden anzunehmen ist.
Bei Sanierungsgewinnen ergibt sich im Ergebnis eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinde für Entscheidungen über eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO § 163 Satz 1 und Satz 2 AO regeln folgende Fallgestaltungen einer abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen:
a) § 163 Satz 1 AO:
Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuern nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.
Die Befugnis des Finanzamts, Realsteuermessbeträge festzusetzen, schließt auch die Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 Satz 1 AO ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind (vgl. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO).
Billigkeitsmaßnahmen in diesem Sinne sind im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen nach dem nicht vorgesehen, so dass insoweit für das Finanzamt keine Befugnis zur abweichenden Festsetzung nach § 163 Satz 1 AO besteht.
b) § 163 Satz 2 AO:
Nach § 163 Satz 2 AO kann mit Zustimmung des Steuerpflichtigen bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden. Insoweit ist zwischen der Zuständigkeit der Finanzämter und der Zuständigkeit der Gemeinden zu unterscheiden:
aa) Finanzämter
Zwar würde nach § 184 Abs. 2 Satz 2 AO eine Maßnahme nach § 163 Satz 2 AO, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflusst, auch für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags wirken, Billigkeitsmaßnahmen in diesem Sinne, d.h. Billigkeitsmaßnahmen, die die gewerblichen Einkünfte beeinflussen und sich deshalb auch auf den Gewerbeertrag bzw. den Gewerbesteuermessbetrag auswirken, sind im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen nach dem nur ausnahmsweise denkbar.
Soweit nach Rz. 8 Satz 2 des die Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen ist, geht es nach Rz. 8 Satz 3 darum, dass Verluste/negative Einkünfte unbeschadet von Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen bis zur Höhe des Sanierungsgewinns vorrangig mit dem Sanierungsgewinn zu verrechnen sind. Die dort beispielhaft genannten Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen: „insbesondere nach § 2 Abs. 3, § 2a, § 2b, § 10d, § 15a, § 23 Abs. 3 EStG” finden für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrags jedoch nur sehr eingeschränkt Anwendung.
Es kann sich nur um Fälle handeln, bei denen die eingeschränkte Verlustverrechnung unselbständige Einkunftsteile ein und desselben Gewerbebetriebs erfasst (z.B. Beteiligung an einem Verlustzuweisungsfonds im Betriebsvermögen). Gleichzeitig dürfen der Berücksichtigung dieser Verluste nicht bereits gewerbesteuerliche Vorschriften entgegenstehen (z.B. Verluste aus ausländischen Betriebsstätten wegen § 2 Abs. 1 GewStG oder Verluste aus mitunternehmerischer Beteiligung wegen § 8 Nr. 8 GewStG). Nur wenn diese Voraussetzungen ausnahmsweise gegeben sein sollten, wirkt die vorzeitige Berücksichtigung entsprechender Verluste nach § 163 Satz 2 AO für die Einkommen- und Körperschaftsteuer auch mindernd für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags (§ 184 Abs. 3 Satz 2 AO).
bb) Gemeinden
Die Gemeinden können § 163 Satz 2 AO analog anwenden und – mit Zustimmung des Steuerpflichtigen – bei der Gewerbesteuer zulassen, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden. Im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen war dies bis EHZ 2003 ohne Bedeutung.
Ab dem EHZ 2004 ist jedoch bei der Gewerbesteuer durch § 10a Satz 1 und 2 GewStG die Möglichkeit des Verlustabzugs eingeschränkt worden. Der maßgebende Gewerbeertrag wird nur bis zu einem Betrag in Höhe von 1,00 Mio. um vortragsfähige Gewerbeverluste gekürzt. Der 1,00 Mio. übersteigende maßgebende Gewerbeertrag ist nur noch bis zu 60 v.H. um vortragsfähige Gewerbeverluste zu kürzen. Seitdem müssen die Gemeinden prüfen, ob sie evfl. Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen unter den Vorbehalt stellen, dass zunächst alle vorhandenen Verlustverrechnungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden (analog Rz. 8 Satz 3 des .
Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung des § 184 Abs. 2 Satz 2 AO nicht einschlägig ist, weil es sich bei § 10a Satz 1 und 2 GewStG um eine eigenständige Verlustabzugsbeschränkung des Gewerbesteuerrechts handelt. Die bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu beachtende „Mindestbesteuerung” nach § 10d Abs. 2 Satz 1 und 2 EStG beeinflusst nicht die Ausgangsgröße „Gewinn aus Gewerbebetrieb” für die Ermittlung des Gewerbeertrags.
2. Unterrichtung der Gemeinden
Das Finanzamt teilt spätestens im Rahmen der Erteilung des Gewerbesteuermessbescheids im Verfahren nach § 184 Abs. 3 AO der Gemeinde förmlich mit.
die Höhe des Sanierungsgewinns und die Höhe der bisher noch nicht verrechneten Verluste sowie
die Grundlagen einer möglicherweise abweichenden Festsetzung des Gewerbeertrages (s. oben geschilderter Ausnahmefall)
in Zerlegungsfällen zusätzlich die anteilige Verteilung auf die einzelnen, zerlegungsberechtigten Gemeinden.
Im Interesse des zu sanierenden Unternehmens soll das Finanzamt jedoch mit dessen Einverständnis die Gemeinde frühzeitig unterrichten, wenn nach seinem Dafürhalten die Voraussetzungen für sachliche Billigkeitsmaßnahmen nach Maßgabe des zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen vorliegen.
3. Auswirkung einer vorzeitigen Verlustverrechnung im Rahmen der Billigkeitsmaßnahme auf die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes gem. § 10a Satz 4 GewStG
Zwar betrifft die im Rahmen der Billigkeitsmaßnahme vorgenommene vorrangige Verlustverrechnung entsprechend Rz. 8 Satz 3 des nicht die Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags durch das Finanzamt (s.o.), aber sie hat Auswirkung auf die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes gem. § 10a Satz 4 GewStG, da die Verluste insoweit aufgebraucht sind.
Das maschinelle Verfahren wendet grundsätzlich die eingeschränkte Verlustverrechnung nach § 10a Satz 1 und 2 GewStG an. Im Falle einer vorzeitigen Verlustverrechnung kann die zutreffende Berechnung des verbleibenden Verlustvortrags (ggf. 0) durch Berücksichtigung des (vollständigen) Verlustverbrauchs deshalb nur durch eine personelle Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes erzielt werden.
Sollte sich der Steuerpflichtige gegen die vorgenommene Verlustverrechnung bei der Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes wenden und die Feststellung eines höheren verbleibenden Verlustvortrags begehren, ist darin die Rücknahme seines Erlassantrags zu sehen, mit der Folge, dass die Billigkeitsmaßnahme keine Anwendung findet (s. entsprechend Rz. 8 Satz 7 . Die Gemeinde ist hierüber zu unterrichten und das weitere Verfahren mit dieser abzustimmen.
OFD Hannover v. - G 1498 - 16 - StO 252
Fundstelle(n):
SAAAC-19507