Anforderungen an den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts
Gesetze: BewG § 145 Abs. 3; BewG § 146 Abs. 7
Instanzenzug: BG
Gründe
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erbte im Dezember 1998 ein Grundstück, auf dem ein 1927 errichtetes dreistöckiges Mietshaus mit ausgebautem Dachgeschoss stand. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) stellte den Grundstückswert durch Bescheid vom auf 412 000 DM fest. Die Bewertung erfolgte gemäß § 146 Abs. 2 und 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) auf der Grundlage der im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Erwerb erzielten Jahresmiete von 43 980 DM und einer Alterswertminderung in Höhe von 25 v.H.
Gegen den Bescheid legte der Kläger Einspruch ein und verlangte gemäß § 146 Abs. 7 BewG die Feststellung eines niedrigeren gemeinen Werts. Zur Begründung führte er aus, bei dem Mietshaus habe es sich um ein Sanierungsobjekt gehandelt. Deshalb seien die in der Vergangenheit gezahlten Mieten nicht weiter erzielbar gewesen. Im Erwerbszeitpunkt hätten bereits zwei Wohnungen leer gestanden. Der Sanierungsaufwand sei von zwei Architekten unabhängig voneinander auf 770 500 DM bzw. 890 035 DM geschätzt worden. Der Ertragswert nach Sanierung sei mit 768 000 DM ermittelt worden. Daraus ergebe sich ein Gebäudewert von 0 DM. Bei einem Wert des Grund und Bodens von 111 752 DM und Abbruchkosten von 70 000 DM errechne sich daraus ein gemeiner Wert des Grundstücks von 41 752 DM. Weder der Einspruch noch die anschließende Klage hatten Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, mit den vom Kläger angestellten Berechnungen sei ein niedrigerer gemeiner Wert des Grundstücks nicht nachgewiesen. Während des Klageverfahrens hatte der Kläger ein Wertgutachten des zuständigen Gutachterausschusses eingeholt, der das Objekt erst nach Sanierung und lediglich von außen zu sehen bekam und zu einem Verkehrswert von 310 000 € gelangte. Dieses Gutachten, das der Kläger unter Protest gegen die Beweislast vorgelegt hatte, hatte er durch einen vereidigten Sachverständigen für Grundstücksbewertungen überprüfen lassen, der gravierende Fehler und Widersprüche festgestellt haben wollte und im Übrigen eine Bewertung nach der Residualwertmethode empfahl. Danach sei vom Ertragswert nach Sanierung auszugehen und davon der Sanierungsaufwand abzuziehen. Das Ergebnis sei anhand eines anderen Bewertungsverfahrens zu verproben, wobei vorliegend das Vergleichswertverfahren in Betracht komme.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung wegen der Frage zu,
ob ein niedrigerer gemeiner Wert i.S. des § 146 Abs. 7 BewG auch durch Berechnungen nachgewiesen werden könne, die ein Sachverständiger bestätigt habe und die „dem Gericht die Ermittlung des Verkehrswerts im Rahmen der von ihm anzustellenden Beweiswürdigung ermöglichen”, und
ob das Gericht bei einem vorsätzlich fehlerhaften Gutachten „einen Beweisbeschluss über die Fehlerhaftigkeit zu fassen oder dem Kläger zumindest Gelegenheit zur Vorlage eines weiteren Gutachtens zu geben hat”.
Die Beantwortung dieser Fragen diene auch der Fortbildung des Rechts. Außerdem rügte der Kläger Verfahrensmängel. Das Urteil stelle eine Überraschungsentscheidung dar. Das FG habe das Recht auf Gehör verletzt, das Gutachten des Gutachterausschusses sowie dessen Bewertung durch den Sachverständigen keiner Beweiswürdigung unterzogen und die Erläuterungen, die Letzterer in der mündlichen Verhandlung gegeben habe, nicht protokolliert.
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen, denen er grundsätzliche Bedeutung beimisst, sind nicht klärungsbedürftig.
a) Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass der Steuerpflichtige in der Wahl der Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts i.S. des § 145 Abs. 3 Satz 3 bzw. § 146 Abs. 7 BewG grundsätzlich frei ist (, BFHE 204, 306, BStBl II 2004, 179, unter II.1.a, sowie vom II R 55/01, BFHE 205, 492, BStBl II 2004, 703, unter II.2.b). Nach dieser Rechtsprechung kann deshalb ein solcher Nachweis nicht nur durch Vorlage eines Gutachtens des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden, sondern beispielsweise auch durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück (BFHE 205, 492, BStBl II 2004, 703). Das vom Steuerpflichtigen gewählte Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts muss danach allerdings von einer Aussagekraft sein, die der eines Gutachtens des Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen bzw. von Kaufpreisen für entsprechende Grundstücke vergleichbar ist. Für jedes der zum Nachweis gewählten Mittel gilt, dass es grundsätzlich der freien Beweiswürdigung des Gerichts unterliegt (, BFHE 207, 352, BStBl II 2005, 259, unter II.2.b).
b) Damit ist geklärt, dass eigene Berechnungen des Steuerpflichtigen, der selbst nicht Sachverständiger für die Bewertung von Grundstücken ist, nicht geeignet sind, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen, und zwar auch dann nicht, wenn sie von einem derartigen Sachverständigen für zutreffend gehalten worden sind. Die Überprüfung der vom Steuerpflichtigen angestellten Berechnungen durch einen Sachverständigen steht unter Nachweisgesichtspunkten einer eigenen Wertermittlung durch diesen Sachverständigen nicht gleich.
Ferner ist durch die zitierten BFH-Entscheidungen geklärt, dass der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts mit einem das Gericht nicht überzeugenden Gutachten nicht erbracht ist, ohne dass es darauf ankommt, ob das Gutachten einen vom Gutachter zu vertretenden Fehler enthält, und ohne dass über den behaupteten Fehler des Gutachtens Beweis zu erheben wäre. Die Tatsache, dass die vom Steuerpflichtigen beigebrachten Gutachten der richterlichen Beweiswürdigung unterliegen, bedeutet nicht, dass das Gericht über die Fehlerhaftigkeit eines Gutachtens Beweis zu erheben hätte. Dies wäre mit der Verteilung der Nachweislast nicht vereinbar. Ob dem Steuerpflichtigen Gelegenheit zur Einholung eines neuen Gutachtens zu geben ist, ist eine Frage der Prozesssituation im Einzelfall und daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung.
2. Auch die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Da das Gutachten des Gutachterausschusses zu einem höheren Grundstückswert gelangt, als festgestellt worden ist, schied es ohne Notwendigkeit weiterer Beweiswürdigung als Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts von vornherein aus.
b) Da nach den vorstehenden Ausführungen zu II.1. die Berechnungen des Klägers auch in Verbindung mit den Aussagen des Sachverständigen kein geeignetes Mittel zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts darstellen, bedurfte es auch insoweit keiner weiteren Beweiswürdigung.
c) Die Rüge, die Aussagen des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Sachverständigen seien nicht protokolliert worden, ist schon deshalb unzulässig, da nicht vorgetragen worden ist, der behauptete Mangel sei in der mündlichen Verhandlung i.S. des § 295 der Zivilprozessordnung gerügt worden (vgl. Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 6. Aufl. 2006, § 94 Anm. 8).
d) Auch die Rüge, die Vorentscheidung beruhe auf einer zu kurzen Frist für die Vorlage eines Sachverständigengutachtens, ist gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht ausreichend begründet. Es fehlt an einer Auseinandersetzung mit der gemäß § 79b Abs. 2 FGO ergangenen Verfügung vom und deren Vorgeschichte.
e) Schließlich liegt weder eine Verletzung des Rechts auf Gehör noch eine Überraschungsentscheidung vor. Die Entscheidung des FG beruht nicht auf einem Übergehen des Sachvortrags des Klägers, sondern auf der vom Kläger nicht geteilten Rechtsauffassung, dass die von ihm angestellten Berechnungen auch in Verbindung mit den Aussagen des Sachverständigen nicht geeignet sind, einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 11 Nr. 1
KÖSDI 2006 S. 15304 Nr. 11
KÖSDI 2006 S. 15306 Nr. 11
XAAAC-19138