Leitsatz
[1] Legt ein Bieter die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften dar und kommt danach als vergaberechtsgemäße Maßnahme die Aufhebung der Ausschreibung in Betracht, weil alle anderen Angebote unvollständig sind, ist der Bieter regelmäßig unabhängig davon im Nachprüfungsverfahren antragsbefugt, ob auch sein Angebot an einem Ausschlussgrund leidet.
Fehlen Muster, deren Vorlage der öffentliche Auftraggeber verlangt, oder sind verlangte Muster unvollständig, ist § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A entsprechend anzuwenden.
Wenn der öffentliche Auftraggeber in Anwendung von § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A das Angebot eines Bieters wegen Unvollständigkeit nicht wertet, muss er jedenfalls auch diejenigen Angebote anderer Bieter ausschließen, die gleichfalls an dem beanstandeten oder einem gleichwertigen Mangel leiden.
Wenn alle Angebote in bestimmter Hinsicht unvollständig und deshalb von der Wertung auszuschließen sind, kann auch ein Bieter, dessen Angebot an einem weiteren Ausschlussgrund leidet, verlangen, dass eine Auftragsvergabe in dem eingeleiteten Vergabeverfahren unterbleibt.
Der öffentliche Auftraggeber und der ihn unterstützende Beigeladene haften als Teilschuldner für die Erstattung der Aufwendungen des obsiegenden Antragstellers im Verfahren vor der Vergabekammer.
Gesetze: GWB § 97 Abs. 2; GWB § 97 Abs. 7; GWB § 100 Abs. 1; GWB § 107 Abs. 2; GWB § 128 Abs. 4; VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 2 a
Instanzenzug: OLG Frankfurt/Main 11 Verg 11/05 vom
Gründe
A. Die Antragsgegnerin schrieb Ende April 2005 europaweit die Beschaffung von 1.400 universellen Einsatzanzügen für die hessische Polizei im offenen Verfahren aus. Die Anzüge sollten aus einem Aramidgewebe bestimmter Zusammensetzung in der Farbe Stahlblau und unter Beachtung näher angegebener technischer Spezifikationen hergestellt werden. So sollten die an den Anzügen anzubringenden Haft- und Flauschbänder in der Außen- und Innenlage schwer entflammbar sein, soweit sie für die Anbringung von Funktionsabzeichen sowie zur Fixierung des Rückenschildes mit Aufschriften wie "Polizei", "Einsatzleiter" usw. und eines weiteren Schildes dienen sollten, jedoch aus einem permanent schwer entflammbaren farbpassenden Material bestehen. Außerdem sollte an jeder Einsatzanzugsjacke im Reißverschlussschieber eine Material- und Artikelkurzbeschreibung (Hinweis auf Schutzwirkung) mit Pflegehinweisen angeheftet sein.
In den Angebotsbedingungen war vermerkt:
"Es ist ausdrücklich zuzusichern, dass die Einsatzanzüge und der zur Konfektionierung verwendete Stoff TL-gerecht angefertigt werden. Waren- und Materialproben, sowie technische Protokolle eines unabhängigen Prüfinstitutes legen Sie bitte bei.
Angebote ohne Nachweis der technischen Forderungen, sowie Angebote ohne Angebotsmuster bleiben unberücksichtigt."
Spinnmaterialien mit gleichwertigen Eigenschaften waren zugelassen. Der Anbieter sollte insoweit an hierfür vorgesehener Stelle folgende Erklärung unterschreiben:
"Das angebotene Spinnmaterial (verkehrsübliche Bezeichnung) ist in allen Eigenschaften dem beschriebenen Material gleichwertig."
und ebenfalls alle geforderten Prüfwerte vorlegen.
Die Ausschreibungsunterlagen konnten bis zum angefordert, ausschließlich Hauptangebote bis zum abgegeben werden. Bis zum Angebotstermin waren verbindliche Angebotsmuster mit Firmenstempel zur Beurteilung vorzulegen. Die Ausführungsfrist sollte am beginnen. Die Anzüge sollten bis zum geliefert werden, weil sie jedenfalls bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 zur Verfügung stehen sollten. Weitere maximal 200 Stück sollten 2006 von der Antragsgegnerin angefordert und ebenfalls bis zum geliefert werden können. Eine weitere optionale Lieferung von 1.000 Stück für das Haushaltsjahr 2007 sollte bis zum Ende des ersten Quartals 2007 erfolgen können. Im Leistungs- und Preisblatt war sowohl für die bis zum als auch für die bis zum Ende des ersten Quartals 2007 zu bewirkende Lieferung durch Ausfüllen eines entsprechenden Vordrucks jeweils das Datum der Lieferung anzugeben.
Vier Bieter gaben bis zum Angebote ab. Die Angebotspreise lagen zwischen 279.709,64 € (Antragstellerin) und 401.371,60 €.
Die Angebote zweier Bieter schloss die Antragsgegnerin wegen Unvollständigkeit aus. Auch der Antragstellerin teilte die Antragsgegnerin mit, dass ihr Angebot gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A auszuschließen sei, weil geforderte Angaben und Erklärungen fehlten. Laut Vergabevermerk beanstandete die Antragsgegnerin an dem Angebot der Antragstellerin Folgendes:
"Folgende ... zwingend geforderte Anlagen und Erklärungen wurden nicht vorgelegt. Es handelt sich dabei um einen Nachweis der ... geforderten UV-Prüfung, geforderte Prüfprotokolle des verwendeten stahlblauen Materials (die der Ausschreibung beigefügten Prüfprotokolle beziehen sich auf ein moosgrünes Material), Prüfprotokoll für das permanent schwer entflammbare Flauschband für den Außenbereich am Einsatzanzug ..., Musterproben für das permanent schwer entflammbare Flauschband für den Außenbereich am Einsatzanzug ..., das geforderte Pflegeheft mit Infodaten für den Träger."
Das Informationsschreiben der Antragsgegnerin, das diese Beanstandungen ebenfalls benannte, gab außerdem an, dass die Antragsgegnerin beabsichtige, den Auftrag an die Beigeladene zu vergeben. Deren Angebotspreis belief sich auf 367.705,56 €.
Die Antragstellerin hat sich durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit einem am eingegangenen Fax an die Antragsgegnerin gewandt und mitgeteilt, dass sie näher ausgeführte "Vergaberechtsverstöße rüge". Die von der Antragsgegnerin geforderten Prüfprotokolle hinsichtlich des ausgeschriebenen Gewebes in der Farbe Stahlblau seien von keinem Bieter zu erbringen, weil die Zeit zwischen Ausschreibung/Veröffentlichung und Submissionstermin nicht ausreichend gewesen sei, die bereits vorhandenen Prüfprotokolle, die sich auf die Farbe Moosgrün oder Oliv bzw. eine Farbe einer gleichwertigen Farbtonklasse bezögen, in Bezug auf die Farbe Stahlblau neu zu erstellen. Gleiches gelte für die verlangte UV-Prüfung. Es sei zu vermuten, dass der Wettbewerb unzulässig habe eingeschränkt werden sollen, weil die aufgestellten Anforderungen dafür sorgten, dass - wenn überhaupt - nur Bieter, welche die Faser N. anböten, diese Anforderungen erfüllen könnten. Die Prüfzertifikate für das Flauschband seien bereits dem Angebot beigefügt gewesen, ebenso wie 2 m Muster dieser Ware.
Die Antragsgegnerin antwortete noch am . Zuvor hatte die Antragstellerin jedoch um 12.10 Uhr Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer eingereicht.
Die Vergabekammer hat die Bieterin, die nach dem Vergabevermerk der Antragsgegnerin den Auftrag erhalten soll, als Beigeladene am Verfahren beteiligt und über den Nachprüfungsantrag, mit dem die Antragstellerin hauptsächlich die Aufhebung der Ausschreibung und ggf. Neuausschreibung begehrt hat, am mündlich verhandelt. Eine Entscheidung der Vergabekammer binnen der nach § 113 Abs. 1 GWB zu beachtenden, vom Vorsitzenden bis zum verlängerten Frist ist nicht ergangen.
Die Antragstellerin hat sich deshalb am mittels sofortiger Beschwerde an das Oberlandesgericht Frankfurt/Main gewandt. Die Antragstellerin beantragt,
1. die sich gemäß § 116 Abs. 2 GWB ergebende fiktive Ablehnungsentscheidung der Vergabekammer aufzuheben,
2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Ausschreibung aufzuheben und ggf. neu auszuschreiben,
3. hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache (erneut) zu entscheiden,
4. gänzlich hilfsweise, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschlag nur unter Wertung des Angebots der Antragstellerin zu erteilen,
5. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten diesem Begehren entgegen.
Der Vergabesenat des Oberlandesgerichts hat die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt. Er möchte der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin stattgeben, weil er diese für antragsbefugt und ihr Begehren für begründet hält. Das Angebot der Antragstellerin habe zwar nicht den Vorgaben der Ausschreibungsbedingungen entsprochen; die Antragsgegnerin habe jedoch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, weil sie das in mehrfacher Hinsicht unvollständige Angebot der Beigeladenen nicht ebenfalls von der Wertung ausgeschlossen habe.
B. I. Die Vorlage ist zulässig. Das vorlegende Oberlandesgericht will als tragende Begründung seiner Entscheidung den Rechtssatz zugrunde legen, der Umstand, dass das Angebot des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Bieters einen Ausschlusstatbestand erfülle, hindere dann nicht, geeignete Maßnahmen im Sinne des § 114 Abs. 1 GWB zu treffen, wenn auch die anderen Bieter mit ihrem Angebot ausgeschlossen werden müssten (vgl. schon die früheren Beschlüsse des vorlegenden OLG Frankfurt/Main v. - 11 Verg 1/05, VergabeR 2005, 487; v. - 11 Verg 13/05, VergabeR 2006, 212, 218 ff.; v. - 11 Verg 11/05; ebenso OLG Düsseldorf z.B. VergabeR 2005, 483, 485 m.w.N.; ähnlich OLG Dresden VergabeR 2004, 724, 727). Hiermit würde das vorlegende Oberlandesgericht jedenfalls von der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Naumburg (NZBau 2006, 57) und Jena (NZBau 2005, 476) abweichen (vgl. auch OLG Koblenz VergabeR 2005, 112), weil diese Gerichte in derartigen Fällen den Rechtssatz anwenden bzw. anwenden wollen, ein von der Wertung auszuschließender Bieter könne nicht darlegen, dass er durch andere Handlungen des öffentlichen Auftraggebers in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt sei oder ihm hierdurch ein Schaden zu entstehen drohe. Angesichts dieser Divergenz führt die Vorlage dazu, dass grundsätzlich nunmehr der Bundesgerichtshof über die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu entscheiden hat (§ 124 Abs. 2 Satz 2 GWB; BGHZ 146, 202, 205).
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß § 116 Abs. 2 GWB statthaft und in rechter Frist und Form eingelegt.
III. Das Begehren der Antragstellerin, das von der Antragsgegnerin eingeleitete Vergabeverfahren der Nachprüfung zu unterziehen, ist ebenfalls zulässig.
1. Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt.
a) Die Antragstellerin hat ein Interesse an dem Auftrag, dessentwegen die Antragsgegnerin das zur Nachprüfung gestellte Vergabeverfahren durchführt. Dies bedarf keiner weiteren Darlegung, weil die Antragstellerin Bieterin in dem eingeleiteten Vergabeverfahren ist und bereits der Umstand der Angebotsabgabe regelmäßig das erforderliche Interesse belegt (vgl. , NZBau 2004, 564). Dafür, dass im Streitfall ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte (vgl. insoweit z.B. ), ist nichts ersichtlich und wird auch weder von der Antragsgegnerin noch der Beigeladenen etwas dargetan.
b) Die weitere Voraussetzung des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB (Geltendmachung einer Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften) ist ebenfalls erfüllt.
(1) Insoweit reicht es aus, dass nach der Darstellung des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Unternehmens eine Verletzung eigener Rechte möglich erscheint. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes, der im Anwendungsbereich des § 100 Abs. 1 GWB durch das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren ermöglicht werden soll, kann die Antragsbefugnis nämlich nur einem Unternehmen fehlen, bei dem offensichtlich eine Rechtsbeeinträchtigung nicht vorliegt (, NZBau 2004, 564, 566). Wünscht ein Bieter die Nachprüfung eines eingeleiteten Vergabeverfahrens, ist deshalb die Voraussetzung des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB regelmäßig gegeben, wenn er sich auf die Verletzung von subjektiven Rechten mit der Behauptung beruft, dass der öffentliche Auftraggeber Bestimmungen über das Vergabeverfahren nicht eingehalten hat oder einhält. Wenn und soweit - seine Richtigkeit unterstellt - der Tatsachenvortrag des Antragstellers geeignet ist, die Missachtung von Regeln des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder der einschlägigen Verdingungsordnung einschließlich der sich aus diesen Regeln ergebenden Bindung an die in der Bekanntmachung oder Ausschreibung festgelegten Bedingungen des betreffenden Vergabeverfahrens darzutun, kommt nämlich regelmäßig in Betracht, dass der Antragsteller hiervon auch in seinen Rechten betroffen ist. Denn nach § 97 Abs. 7 GWB haben Unternehmen Anspruch darauf, dass der öffentliche Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält. Begehrt ein Bieter mit der schlüssigen Behauptung einer Missachtung solcher Bestimmungen die Nachprüfung des eingeleiteten Vergabeverfahrens, bedarf mithin die Verletzung in Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB keiner besonderen Darlegung mehr. Für die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ist vielmehr die schlüssige Behauptung erforderlich und regelmäßig ausreichend, dass und welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlaufe des Vergabeverfahrens missachtet worden sein sollen (vgl. BGHZ 159, 186, 192).
(2) Mit ihrem das Nachprüfungsverfahren einleitenden Schriftsatz hat die Antragstellerin unter anderem vorgebracht, Gewebe des gewünschten Farbtons Stahlblau habe erst hergestellt und die insoweit geforderten Prüfungen durch ein unabhängiges Prüfinstitut hätten erst durchgeführt werden müssen, weil bisher nur Anzüge in Moosgrün oder Oliv nachgefragt worden seien. Angesichts der Kürze der Zeit bis zum Angebotstermin sei deshalb kein Bieter in der Lage gewesen, die geforderten Prüfprotokolle vorzulegen. Der auf das Fehlen der Prüfprotokolle für stahlblaues Gewebe gestützte Ausschluss ihres Angebots sei daher vergaberechtswidrig. Jedenfalls hätten aber entweder alle anderen Bieter ebenfalls ausgeschlossen werden müssen, oder die Antragsgegnerin hätte eine ausreichende Verlängerung der Vorlagefrist für die Nachweise vereinbaren müssen.
(3) Die Antragstellerin hat damit Umstände vorgetragen, die - wenn sie zutreffen - ergeben, dass die Antragsgegnerin Bestimmungen über das Vergabeverfahren missachtet hat. Denn nach ihrem Vortrag hat die Antragsgegnerin eine unerfüllbare Bedingung aufgestellt und diese rechtswidrig zum Anlass genommen, das Angebot der Antragstellerin auszuschließen; vor allem ist hiernach aber auch die beabsichtigte Vergabe des Auftrags an die Beigeladene nicht mit dem Vergaberecht zu vereinbaren.
Unerfüllbare Anforderungen widersprechen dem Grundsatz von Treu und Glauben, der allgemein gilt, deshalb auch selbstverständliche Grundlage eines jeden Vergabeverfahrens ist und zu den Bestimmungen gehört, die der öffentliche Auftraggeber nach § 97 Abs. 7 GWB zu beachten hat. Zwar ordnet § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A an, dass Angebote ausgeschlossen werden können, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Hierzu gehören auch Erklärungen Dritter, die als Nachweis für die Qualität der angebotenen Leistung im Hinblick darauf gefordert werden, dass nach § 97 Abs. 5 GWB der öffentliche Auftraggeber die Wirtschaftlichkeit eines Angebots zu prüfen und festzustellen hat. § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A geht aber davon aus, dass die geforderten Angaben und Erklärungen Vorgaben betreffen, die erfüllt werden können. Denn etwas, was für jedermann unmöglich ist, kann schlechterdings nicht durchgesetzt werden. Das verbietet, aus der Nichterfüllung eines hierauf gerichteten Verlangens nachteilige Folgen für die Bieter herzuleiten. Bei einer unerfüllbaren Anforderung leidet das Vergabeverfahren vielmehr an einem grundlegenden Mangel, dessentwegen es nicht in Betracht kommt, überhaupt auf dieser Grundlage einen Auftrag für die nachgefragte Leistung zu erteilen. Das gilt nicht nur für den vom Senat bereits entschiedenen Fall (Urt. v. - X ZR 115/04, zur Veröffentlichung vorgesehen), dass die Erbringung der nachgefragten Leistung selbst ganz oder teilweise objektiv unmöglich ist, sondern gleichermaßen, wenn - wie hier - bestimmte Nachweise über die Beschaffenheit der angebotenen Leistung verlangt werden, aber nicht rechtzeitig beigebracht werden können. Denn auch dann fehlt eine vom öffentlichen Auftraggeber für wesentlich gehaltene Grundlage für den Vergleich der abgegebenen Angebote und damit für die sachgerechte Entscheidung, der das eingeleitete Vergabeverfahren dienen soll. In einem unter anderem durch eine unmöglich zu erfüllende Vorgabe gekennzeichneten Vergabeverfahren darf deshalb auch in einem solchen Fall kein Auftrag vergeben werden. Kann der grundlegende Mangel des eingeleiteten Vergabeverfahrens nicht durch transparente und diskriminierungsfreie Änderung der betreffenden Vorgabe behoben werden und/oder macht der öffentliche Auftraggeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, ist er deshalb gehalten, die Ausschreibung wegen des ihr anhaftenden Mangels aufzuheben. Die Handhabe hierzu bietet § 26 Nr. 1 VOL/A, wobei mangels hiervon abhängender unterschiedlicher Rechtsfolgen dahinstehen kann, ob eine unerfüllbare Anforderung die Alternative a oder die Alternative d ausfüllt. Ein Ausschluss bloß einzelner Bieter nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A und die Erteilung des Auftrags an einen anderen Bieter, der ebenfalls den gewünschten Nachweis nicht rechtzeitig vorgelegt hat, kommt jedenfalls nicht in Betracht.
(4) Die Antragstellerin hat ferner behauptet, tatsächlich habe auch keiner der vier Bieter innerhalb der Angebotsfrist ausreichende technische Protokolle eines unabhängigen Prüfinstituts vorgelegt. Dabei kann dahinstehen, ob diese Behauptung, die nicht auf die Unmöglichkeit rechtzeitiger Vorlage abstellt, bereits dem das Nachprüfungsverfahren einleitenden Schriftsatz der Antragstellerin zu entnehmen war. Denn die Antragstellerin hat diese Behauptung jedenfalls zum Gegenstand ihres Nachprüfungsbegehrens gemacht, nachdem die Antragsgegnerin und die Beigeladene sich zu dem Gesuch der Antragstellerin geäußert hatten und diese Akteneinsicht erhalten hatte.
(5) Damit hat die Antragstellerin eine weitere Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend gemacht, die unabhängig von der zunächst abgehandelten Beanstandung (unerfüllbare Bedingung) ist.
Dabei kann dahinstehen, ob der öffentliche Auftraggeber nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A, obwohl diese Regelung als Kann-Vorschrift formuliert ist, nicht ohnehin in jedem Fall einem Zwang unterworfen ist, nicht der Ausschreibung entsprechende Angebote von der Wertung auszuschließen (so z.B. ; OLG Dresden NZBau 2004, 574, 575), weil wie bei der Vergabe von Bauleistungen auch bei der Vergabe von Lieferungen und Leistungen im Sinne der VOL/A der Grundsatz gilt, dass alle in den Ausschreibungsbedingungen enthaltene Vorgaben als Umstände ausgewiesen sind, die für die Vergabeentscheidung relevant sein sollen, und weil ein transparentes, auf Gleichbehandlung aller Bieter beruhendes Vergabeverfahren, wie es die §§ 97 Abs. 1 und 2 GWB voraussetzen, nur zu erreichen ist, wenn lediglich Angebote gewertet werden, die in jeder sich aus den Ausschreibungsunterlagen ergebenden Hinsicht vergleichbar sind (vgl. BGHZ 154, 32, 45). Denn nach der Darstellung der Antragstellerin verstößt die beabsichtigte Erteilung des Auftrags an die Beigeladene jedenfalls gegen das vergaberechtliche Gleichbehandlungsgebot.
Nach § 97 Abs. 2 GWB gilt der Grundsatz, dass die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren gleich zu behandeln sind. Dieser Grundsatz bildet zusammen mit den in § 97 Abs. 1 GWB genannten Vorgaben die Grundlage für andere Bestimmungen über das Vergabeverfahren. Außerhalb der in § 97 Abs. 2 GWB genannten Ausnahmen muss deshalb der öffentliche Auftraggeber das Gleichbehandlungsgebot einschränkungslos beachten. Dies zwingt den öffentlichen Auftraggeber nicht nur, nach Maßgabe des § 25 Nr. 1 VOL/A alle Angebote gleichermaßen darauf zu überprüfen, ob sie der Ausschreibung entsprechen oder unvollständig sind. Der öffentliche Auftraggeber hat auch und vor allem die Entscheidung, wem er den Auftrag erteilt, und die hierzu nötigen Wertungen selbst nach einheitlichem Maßstab zu treffen. Wenn der öffentliche Auftraggeber hierbei die Unvollständigkeit des Angebots eines Bieters in Anwendung von § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A zum Anlass nehmen will, dieses Angebot nicht zu werten, findet deshalb eine Selbstbindung in der Weise statt, dass jedenfalls auch diejenigen Angebote anderer Bieter ausgeschlossen werden müssen, die ebenfalls an dem beanstandeten oder einem gleichwertigen Mangel leiden (vgl. z.B. OLG Düsseldorf ZfBR 2006, 513, 514 m.w.N.).
Dass diese Selbstbindung im Streitfall gerade die Frage der Vorlage von Protokollen eines unabhängigen Prüfinstituts betraf, wird durch den zudem drucktechnisch hervorgehobenen Hinweis der Antragsgegnerin in den Angebotsbedingungen belegt, wonach Angebote ohne Nachweis der technischen Forderungen unberücksichtigt bleiben. Die Antragsgegnerin hat hierdurch bereits bei Einleitung des Vergabeverfahrens selbst festgelegt, dass bei Fehlen der verlangten Protokolle eines unabhängigen Prüfinstituts als Verhalten, das allein den in diesem Vergabeverfahren zu beachtenden Bestimmungen entspricht, nur der Ausschluss des betreffenden Angebots in Betracht kommt. Nach der Sachdarstellung der Antragstellerin, wonach tatsächlich bei allen abgegebenen Angeboten die erforderlichen technischen Nachweise fehlen, stellt die Aufhebung der Ausschreibung die Maßnahme dar, die in der Verdingungsordnung (hier § 26 Nr. 1 Altern. a VOL/A) für solche Fälle ausdrücklich vorgesehen ist.
c) Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen mangelt es auch nicht an der nach § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB erforderlichen Darlegung, dass der Antragstellerin durch die behauptete Nichtbeachtung von Vergabevorschriften ein Schaden zu entstehen droht.
(1) Wie ausgeführt kommt nach der Darstellung der Antragstellerin als Maßnahme der Antragsgegnerin, die den Bestimmungen über das Vergabeverfahren entspricht, die Aufhebung des eingeleiteten Vergabeverfahrens in Betracht. In einem solchen Fall liegt auch ohne weitere Darlegung auf der Hand, dass als Folge der stattdessen gewählten oder beabsichtigten vergaberechtswidrigen Vorgehensweise des öffentlichen Auftraggebers dem Bieter ein Schaden zu entstehen droht. Denn die Aufhebung einer Ausschreibung kann zu einer erneuten Ausschreibung der nachgefragten Leistung führen; besteht der Bedarf beim öffentlichen Auftraggeber fort, ist die Neuausschreibung eine konsequente Folge der Aufhebung (vgl. § 26 Nr. 5 VOL/A). Der um Nachprüfung nachsuchende Bieter hätte so die Chance, sich an der erneuten Ausschreibung im Rahmen eines vergaberechtsgemäßen Verfahrens mit einem dieser Ausschreibung entsprechenden konkurrenzfähigen Angebot zu beteiligen (so auch z.B. Reidt, VergabeR 2005, 115, 116; ; OLG Düsseldorf u.a. VergabeR 2005, 483, 485). Der Wahrnehmung dieser Chance steht die von der Antragstellerin behauptete Nichtbeachtung von Vergabevorschriften durch die Antragsgegnerin entgegen.
(2) Es ist durchaus mit § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB vereinbar, darauf abzustellen, ob der Vortrag des um Nachprüfung nachsuchenden Bieters ergibt, dass er im Fall eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte als in dem beanstandeten Verfahren. Denn ein Schaden droht bereits dann, wenn die Aussichten dieses Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können (vgl. , NZBau 2004, 564, 565). Das ist nicht nur der Fall, wenn dies für den Zuschlag in dem eingeleiteten und zur Nachprüfung gestellten Vergabeverfahren zutrifft. Denn es ist die tatsächliche Erteilung des Auftrags, welche die Vermögenslage von Bietern beeinflusst, nicht der Umstand, in welchem Vergabeverfahren sie erfolgt. § 107 Abs. 2 GWB lässt auch nicht erkennen, dass für die Antragsbefugnis allein auf die Möglichkeit abzustellen sein könnte, den ausgeschriebenen Auftrag gerade in dem eingeleiteten und zur Nachprüfung gestellten Vergabeverfahren zu erhalten. Nach seinem Wortlaut muss vielmehr ganz allgemein ein (drohender) Schaden dargelegt werden, für den die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften kausal ist. Es genügt deshalb, wenn nach dem Vorbringen des das Nachprüfungsverfahren betreibenden Bieters möglich erscheint, dass er ohne den behaupteten Vergaberechtsverstoß den Bedarf, dessentwegen die Ausschreibung erfolgt ist, gegen Entgelt befriedigen kann. Das ist regelmäßig auch der Fall, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne weiteres durch Zuschlag beendet werden darf, und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt.
Dass im Voraus nicht abzusehen ist, ob die darin liegende Chance eine realistische Aussicht darstellt, den Auftrag zu erhalten, und sich eine solche Chance keinesfalls zwangsläufig für den betreffenden Bieter auftun muss (worauf Müller-Wrede/Schade, VergabeR 2005, 460, 462 abstellen wollen), etwa weil der öffentliche Auftraggeber möglicherweise ein Verhandlungsverfahren ohne Beteiligung dieses Bieters durchführen kann, ist angesichts der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unerheblich. Denn hiernach reicht schon die Möglichkeit einer Verschlechterung der Aussichten des den Nachprüfungsantrag stellenden Bieters infolge der Nichtbeachtung von Vergabevorschriften aus (so auch Stolz, VergabeR 2005, 486 gegen Müller-Wrede/Schade, VergabeR 2005, 460, 463 f.). Es ist deshalb keine die Zulässigkeit des Gesuchs um Nachprüfung beeinflussende Frage, ob das Angebot der Antragstellerin ohnehin von der Wertung in dem eingeleiteten Vergabeverfahren hätte ausgeschlossen werden können oder müssen (für Antragsbefugnis in diesen Fällen Hardraht, VergabeR 2006, 221, 222; 2005, 200; Reidt, VergabeR 2005, 115, 116; Stolz, VergabeR 2005, 486; 2004, 478, 479 f.; Deckers, VergabeR 2005, 210, 211; Möllenkamp, NZBau 2005, 557, 558; wohl auch Otting, VergabeR 2004, 602, 603; Franke, IBR 2006, 295; dagegen Müller-Wrede/Schade, VergabeR 2005, 460, 461; wohl auch Boesen/Upleger, NZBau 2005, 672, 675). Wie der Senat im Beschluss vom (BGHZ 159, 186, 192) bereits ausgeführt hat, kann der Zugang zum Nachprüfungsverfahren nicht mit der Begründung verwehrt werden, das Angebot des Antragstellers sei aus anderen als den zur Überprüfung gestellten Gründen auszuscheiden gewesen.
d) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist auch nicht ganz oder teilweise wegen Missachtung der Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 GWB) unzulässig.
(1) § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB lässt bei nicht rechtzeitiger Rüge das Nachprüfungsrecht für Verstöße gegen Vergabevorschriften entfallen, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist hiernach der bekannt gemachte Inhalt der Ausschreibung. Nur was sich bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt bereits auf dieser Grundlage als vergaberechtswidrig erschließt, begründet die Rügeobliegenheit. Im Streitfall war in der Bekanntmachung jedoch nur ganz allgemein auf die Notwendigkeit von Qualitätsbescheinigungen hingewiesen worden. Schon die Erkenntnis, dass es sich um eine unerfüllbare Bedingung handeln könne, war hieraus nicht möglich. Zu Überlegungen und gegebenenfalls Nachforschungen insoweit bestand erst nach Erhalt der Ausschreibungsunterlagen Anlass.
(2) § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB beinhaltet eine Rügeobliegenheit nur für erkannte Verstöße gegen Vergabevorschriften. Diese Obliegenheit entsteht also erst, nachdem der Antragsteller um die dann zum Gegenstand des Nachprüfungsbegehrens gemachte Nichtbeachtung von Vergaberechtsvorschriften weiß. Das setzt positive Kenntnis aller tatsächlichen Tatumstände, aus denen die Beanstandung im Nachprüfungsverfahren abgeleitet wird, sowie die zumindest laienhafte rechtliche Wertung voraus, dass sich aus ihnen eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren ergibt. Wie auch sonst, wenn das Gesetz auf positive Kenntnis abstellt, bilden eine Ausnahme nur die Fälle, in denen der Antragsteller sich der vorausgesetzten und ihm möglichen Erkenntnis bewusst verschließt. Ansonsten reicht, anders als bei § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB, bloße Erkennbarkeit nicht aus. Um die Notwendigkeit einer Rüge und deren Rechtzeitigkeit beurteilen zu können, bedarf es deshalb im Rahmen des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB regelmäßig vor allem der Feststellung, dass und ab wann der Antragsteller alle Umstände gekannt hat, die er zur Rechtfertigung seiner mit dem Nachprüfungsbegehren erhobenen Beanstandungen vorbringt.
Entgegen der Meinung der Antragsgegnerin kann im Streitfall nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin die Umstände, die für die zunächst behandelte Beanstandung (Unerfüllbarkeit) maßgeblich sind, bereits zu einem Zeitpunkt kannte, zu dem es einem auf unverzügliche Rüge bedachten Bieter möglich gewesen wäre, sich früher als tatsächlich mit dem Schreiben vom geschehen an die Antragsgegnerin zu wenden. Denn es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin Ermittlungen darüber angestellt hat, ob die Angebotsfrist für die Vorlage der geforderten Nachweise überhaupt ausreichend sei. Zugunsten der Antragstellerin muss deshalb angenommen werden, dass sie zunächst allenfalls wusste, dass sie selbst die benötigten Nachweise nicht hatte beschaffen können. Die weitere Erkenntnis, dass auch kein anderer Bieter hierzu in der Lage sei, war auch aufgrund des Antwortschreibens der Antragsgegnerin nicht möglich, weil dieses sich nur über Unvollständigkeiten des Angebots der Antragstellerin verhält. Der Kenntnisstand der Antragstellerin verbesserte sich erst, als sie im Rahmen des bereits eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens erfuhr, dass tatsächlich kein anderer Bieter die erforderlichen Nachweise vorgelegt hat.
Nach allem ist der Antragstellerin nicht zu widerlegen, dass sie vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens auf die mit ihrem ersten Schriftsatz behauptete Unmöglichkeit der rechtzeitigen Beibringung der Nachweise nur geschlossen, hiervon jedoch keine positive Kenntnis hatte. Eine Rüge vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens war deshalb insoweit entbehrlich. Erhält ein Bieter erst nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens Kenntnis von den maßgeblichen Umständen, führt das nicht zu der in § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB geregelten Obliegenheit, weil dann deren Zweck, ein Nachprüfungsverfahren nach Möglichkeit zu vermeiden, nicht mehr erreicht werden kann.
Der Überprüfung des jedenfalls nachträglich erhobenen Vorwurfs, die Beigeladene trotz Fehlens der geforderten Nachweise nicht ebenfalls von der Wertung ausgeschlossen zu haben, steht deshalb § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gleichfalls nicht entgegen. Vom tatsächlichen Fehlen hat die Antragstellerin erst im Laufe des bereits eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens erfahren.
Der Umstand, dass nicht angenommen werden kann, die Antragstellerin habe vor der Anrufung der Vergabekammer Kenntnis von dem im Nachprüfungsverfahren beanstandeten Verhalten der Antragsgegnerin gehabt, stellt nicht die im Rahmen der Behandlung des § 107 Abs. 2 GWB getroffene Feststellung in Frage, dass die Antragstellerin die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften hinreichend geltend gemacht hat. Denn die Schlüssigkeit dieser Darlegung ist - wie auch sonst, wenn es darum geht, ob ausreichend vorgetragen worden ist - nicht davon abhängig, dass der Antragsteller positive Kenntnis von den als Tatsache behaupteten Umständen hat. Ein sachgerechter Rechtsschutz wäre in vielen Fällen nicht gewährleistet, wenn nur vorgetragen werden könnte, worüber bereits Gewissheit besteht. Denn oft ist es den Betreffenden nicht möglich, sich überhaupt oder jedenfalls vor Beginn des Verfahrens eigene Kenntnis zu verschaffen. Selbst die Wahrheitspflicht der Parteien, ohne die ein geordneter Rechtsschutz im Rahmen eines förmlichen Verfahrens nicht möglich ist und die deshalb im Vergabenachprüfungsverfahren auch ohne eine § 138 Abs. 1 ZPO entsprechende Norm im vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gilt, verlangt lediglich nach subjektiver Wahrhaftigkeit und verbietet nur, Erklärungen wider besseres Wissen abzugeben ( IXa ZB 229/03, NJW 2004, 2096, 2097 m.w.N.). Deshalb darf im Vergabenachprüfungsverfahren behauptet werden, was der Betreffende aus seiner Sicht der Dinge für wahrscheinlich oder möglich hält (vgl. z.B. , NJW 1986, 246, 247). Eine willkürliche, aufs Geradewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung ist allerdings unzulässig und unbeachtlich (, NJW 1995, 2111). Hier hatte die Antragstellerin aber Anhaltspunkte, dass die Angebotsfrist für die Beibringung der geforderten Nachweise zu kurz gewesen sein könne und diese deshalb auch von keinem anderen Bieter hätten vorgelegt werden können.
IV. Das mithin zulässige Begehren um Nachprüfung des eingeleiteten Vergabeverfahrens ist im Wesentlichen begründet.
1. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Verlangen der Antragsgegnerin nach Vorlage von Protokollen eines unabhängigen Prüfinstituts um eine bis zum Termin zur Angebotsabgabe nicht erfüllbare Forderung gehandelt hat, oder ob die entsprechende Behauptung der Antragstellerin nicht zutrifft. Denn die Beantwortung dieser Frage beeinflusst die rechtliche Würdigung nicht.
a) Beinhaltete die Ausschreibung der Antragsgegnerin eine unerfüllbare Forderung, kommt eine Erteilung des Auftrags auf der Grundlage der ausgeschriebenen Bedingungen und der in dem eingeleiteten Vergabeverfahren bereits abgegebenen Angebote an einen der vier Bieter nicht in Betracht. Auf die vorstehenden Ausführungen zu B III 1 b (3) wird verwiesen.
b) Kann nicht festgestellt werden, dass die rechtzeitige Beschaffung von Prüfprotokollen über die Einhaltung der technischen Forderungen der Antragsgegnerin objektiv unmöglich war, darf der ausgeschriebene Auftrag ebenfalls in dem beanstandeten Vergabeverfahren nicht erteilt werden. Denn eine Überprüfung der abgegebenen Angebote der Bieter ergibt, dass die Behauptung der Antragstellerin zutrifft und auch das Angebot der Beigeladenen Protokolle eines unabhängigen Prüfinstituts zum Nachweis der in den Ausschreibungsunterlagen aufgestellten technischen Forderungen für das angebotene Gewebe nicht in dem geforderten Umfang enthielt.
Die Beigeladene hat hinsichtlich des Gewebes nur vorläufige technische Datenblätter des Lieferanten (F. ) und ein Zertifikat des Herstellers (D.) des in ihrem Angebot als N. C. bezeichneten Produkts vorgelegt. Die Antragstellerin hat ihrem Angebot ebenfalls ein technisches Datenblatt des Gewebelieferanten (G. ) und ein Zertifikat des Faserherstellers (K. ) beigefügt. Der von der Antragstellerin ferner vorgelegte Prüfbericht des Forschungsinstituts H. betrifft nicht das angebotene stahlblaue Gewebe, sondern Gewebe in der Farbe Polizeigrün. Die Antragsgegnerin hat deshalb die Antragstellerin zwar zu Recht gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A von der Wertung ausgeschlossen. Das Angebot der Beigeladenen muss dann aber - wie ebenfalls schon ausgeführt (B III 1 b (3)) - gleichfalls von der Wertung ausgeschlossen werden. Da die Antragsgegnerin die beiden anderen Bieter aus der Wertung genommen hat, weil auch deren Angebote unvollständig i.S. des § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A sind, steht mithin im Rahmen des eingeleiteten Vergabeverfahrens kein Angebot zur Verfügung, auf das der ausgeschriebene Auftrag erteilt werden könnte.
Die beabsichtigte Vergabe des Auftrags an die Beigeladene verstößt deshalb in jedem Fall gegen Bestimmungen über das Vergabeverfahren.
2. Zu Recht macht die Antragstellerin auch geltend, hierdurch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein.
Auch der vorliegende Fall (vgl. schon BGHZ 154, 32, 37 f.) bietet keinen Anlass zu abschließender Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls welche Regeln, die das Vergabeverfahren betreffen, von § 97 Abs. 7 GWB ausgenommen sind oder ob die Vorschrift ausnahmslos alle Bestimmungen über das Vergabeverfahren erfasst, die vom öffentlichen Auftraggeber im Anwendungsbereich des § 100 GWB einzuhalten sind. Wenn aus den bereits erörterten Gründen kein Angebot vorhanden ist, auf das der Zuschlag erteilt werden kann oder darf, fehlt es nämlich an Anhaltspunkten, dass die missachteten Regeln den Schutz der Bieter als der potentiellen Auftragnehmer nicht bezwecken könnten. Wie die Ausführungen zur Darlegung eines drohenden Schadens zeigen (oben B III 1 c), scheidet eine Feststellung aus, die Antragstellerin sei oder werde durch das zur Nachprüfung gestellte Verhalten der Antragsgegnerin nicht berührt; die Antragstellerin wird dadurch betroffen, dass die Antragsgegnerin unter Missachtung der vorstehend erörterten Regeln für das Vergabeverfahren den Auftrag an die Beigeladene erteilen will. Es ist aber gerade Sinn des § 97 Abs. 7 GWB, Unternehmen, die hinsichtlich ihrer Chance, einen Bedarf gegen Entgelt zu decken, betroffen sind, das materielle Recht zu geben, Nachteile zu unterbinden, die sich aus der Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren ergeben können.
3. Die Verletzung der Antragstellerin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass deren Angebot angesichts weiterer Abweichungen von der Ausschreibung in jedem Fall von der Wertung im eingeleiteten Vergabeverfahren ausgeschlossen werden muss, also ein allein auf diese anderen Abweichungen gestützter, von der Antragsgegnerin ausgesprochener Ausschluss des Angebots der Antragstellerin rechtmäßig wäre.
a) Die Antragstellerin hat sich nicht gegen die Feststellung im Vergabevermerk der Antragsgegnerin gewandt, dass die ihrem Angebot beigefügten Musteranzüge nicht mit dem in der Ausschreibung geforderten Pflegeheft mit Informationen für den Träger versehen sind. Die dem Senat vorliegenden Vergabeakten ergeben ebenfalls nichts Gegenteiliges. Das Angebot der Antragstellerin darf deshalb nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A aus diesem Grund von der Wertung ausgeschlossen werden. Angeforderte Muster der angebotenen Leistung sollen nähere Erklärungen der Bieter, wie diese beschaffen ist, ersetzen. Das gebietet, sie den vom öffentlichen Auftraggeber geforderten Erklärungen vergaberechtlich gleich zu behandeln. Fehlen Muster, deren Vorlage der öffentliche Auftraggeber im Hinblick auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Angebots wünscht, oder ist - wie hier - das verlangte Muster unvollständig, ist mithin die Anwendung von § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A eröffnet.
b) Nach dem Bestätigungsschreiben des Herstellers YKK, das dem Angebot der Antragstellerin beilag, ist die von dieser als Flauschband angebotene Ware nur flammhemmend ausgerüstet. Jedenfalls soweit die Ausschreibung auch die Verwendung von permanent schwer entflammbaren Bändern vorschrieb, hat die Antragstellerin somit nicht die geforderte Leistung angeboten. Das erfüllt den Tatbestand des § 25 Nr. 1 Abs. 1 d VOL/A. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es eine Änderung an den Verdingungsunterlagen, wenn das Angebot eine Vorgabe des Leistungsverzeichnisses nicht einhält (zuletzt Sen.Urt. v. - X ZR 115/04, zur Veröffentlichung vorgesehen).
c) Der auch von der Antragstellerin letztlich nicht (mehr) angezweifelte Umstand, dass ihr Angebot jedenfalls wegen dieser Mängel ausgeschlossen werden darf, ja ihr deswegen der Auftrag in dem beanstandeten Vergabeverfahren ohnehin nicht erteilt werden darf, mag zwar die Feststellung rechtfertigen, dass die Antragsstellerin durch den in dem Informationsschreiben von der Antragsgegnerin auch anderweit begründeten Ausschluss von der Wertung nicht betroffen und deshalb insoweit nicht in ihren Rechten verletzt ist. Dieser Umstand nimmt der Antragstellerin jedoch nicht das sich aus § 97 Abs. 7 GWB ergebende Recht darauf, dass auch die Auftragsvergabe an einen der anderen Bieter unterbleibt (für Begründetheit des Nachprüfungsgesuchs in diesen Fällen, in denen es an einem zuschlagsfähigen Angebot fehlt: Hardraht, VergabeR 2006, 221, 222; 2005, 200; Reidt, VergabeR 2005, 115, 116; Stolz, VergabeR 2005, 486; dagegen Müller-Wrede/Schade, VergabeR 2005, 460, 464). Der Meinung, die das insbesondere im Hinblick auf das Recht auf Gleichbehandlung in Zweifel zieht, kann nicht beigetreten werden.
(1) § 97 Abs. 2 GWB weist das Recht auf Gleichbehandlung und den Anspruch auf Einhaltung der sonstigen Bestimmungen über das Vergabeverfahren jedem durch deren Missachtung betroffenen Teilnehmer an einem solchen Verfahren zu. Eine Einschränkung danach, wie das eigene Angebot beschaffen ist, oder danach, ob der betroffene Bieter seinerseits Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten hat, sieht das Gesetz nicht vor. Da es allein Sache des öffentlichen Auftraggebers ist, einen Bedarf zur Beschaffung auszuschreiben und die Bedingungen festzulegen, die ergänzend zu den auf gesetzlicher Grundlage bestehenden Regeln in dem ausgeschriebenen Verfahren zu beachten sind, und der öffentliche Auftraggeber nicht das Recht hat, über die Handlungsfreiheit am Auftrag interessierter Unternehmen zu verfügen, ist ein Bieter schon nicht verpflichtet, (nur) mit einem der Ausschreibung entsprechenden Angebot hervorzutreten (vgl. BGHZ 154, 32, 45; anders Müller-Wrede/Schade, VergabeR 2005, 460, 465). Nur weil er Interesse am Auftrag hat und er angesichts des den öffentlichen Auftraggeber verpflichtenden § 25 VOL/A lediglich dann damit rechnen kann, in dem eingeleiteten Vergabeverfahren Erfolg zu haben, wenn sein Angebot der Ausschreibung entspricht, ist ein Bieter gehalten, ein solches Angebot abzugeben, oder "muss" er, wie sich § 21 Nr. 1 VOL/A ausdrückt, den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers genügen. Auch ein zeitliches Ende des bei eigener Betroffenheit durch § 97 Abs. 7 GWB gewährten subjektiven Rechts lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Der Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren besteht deshalb bis zu dem das eingeleitete Vergabeverfahren beendenden Verhalten des öffentlichen Auftraggebers fort und schließt insbesondere seine Beachtung auch bei dessen abschließender Entscheidung ein. So hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu den Richtlinien 93/37/EWG, 89/665/EWG in der Fassung der Richtlinie 92/50/EWG in seiner Entscheidung vom (C-470/99, NZBau 2002, 162, 167) in Rdn. 93 gefordert, das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags müsse in jedem Stadium den Grundsatz der Gleichbehandlung wahren. Auch ein Bieter, dessen Angebot zu Recht ausgeschlossen wird, dessen Angebot zu Recht ausgeschlossen werden kann oder dessen Angebot ausgeschlossen werden muss, kann deshalb in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt sein, wenn ein anderes Angebot trotz Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren nicht ausgeschlossen wird und den Zuschlag erhalten soll oder wenn sich der beabsichtigte Zuschlag aus einem anderen Grund verbietet.
(2) Das kann auch nicht mit dem Hinweis in Zweifel gezogen werden (vgl. z.B. Vergabekammer Leipzig, Beschl. v. - 1 SVK/130/05, NZBau 2006, 536), der Gleichbehandlungsgrundsatz gebe keinen Anspruch auf "Gleichheit im Unrecht". Eine Gleichbehandlung im Unrecht, die zu einer Fehlerwiederholung bei der Rechtsanwendung führen würde und deshalb auch aus Art. 3 GG nicht hergeleitet werden kann (BVerfGE 50, 142, 166; 92, 153, 157; vgl. auch BFHE 199, 77, 80), kann nämlich nur in Frage stehen, soweit mit dem Nachprüfungsantrag erstrebt wird, bei dem eigenen Angebot möge der gegebene Ausschlusstatbestand ebenfalls unberücksichtigt bleiben. Wenn und soweit der das Nachprüfungsverfahren betreibende Bieter hingegen - wie es hier die Antragstellerin angesichts der Begründung ihres Gesuchs mit ihrem Antrag auf Aufhebung der Ausschreibung getan hat - deutlich macht, dass er sich dagegen wendet, dass sich der öffentliche Auftraggeber zugunsten eines anderen Bieters ohne Beachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren, insbesondere der beim eigenen Angebot zu Recht angewandten Wertung, entscheidet, kann es jedoch nur am Interesse an der im Nachprüfungsverfahren nachgesuchten Entscheidung oder an der eigenen Betroffenheit durch die Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren fehlen. Wie die vorstehenden Ausführungen ergeben, kann aber sowohl die Darlegung der Voraussetzung des § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB gelingen als auch die Verletzung in eigenen Rechten festzustellen sein, wenn geltend gemacht werden kann und wird bzw. sich bei der Nachprüfung des Vergabeverfahrens ergibt, dass bei Beachtung der Bestimmungen das eingeleitete Vergabeverfahren auch nicht mit der Auftragsvergabe an einen anderen Bieter abgeschlossen werden darf, weil die Angebote der anderen Bieter, soweit sie der öffentliche Auftraggeber nicht schon ausgeschlossen hat, ebenfalls von der Wertung ausgeschlossen werden müssen.
d) Mit der Feststellung, dass die Antragstellerin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist, setzt sich der Senat schließlich auch nicht zu seiner Entscheidung vom (BGHZ 154, 32) in Widerspruch (so auch OLG Düsseldorf z.B. VergabeR 2005, 195, 198). Damals hat der Senat nur für den Fall, dass die Nachprüfung der Aufhebung der Ausschreibung begehrt wird, ausgeführt, die Interessen des Antragstellers seien nicht berührt und eine Verletzung der Rechte dieses Bieters komme nicht in Betracht, wenn dessen Angebot wegen Unvollständigkeit ausgeschlossen werden müsse. Das Rechtsschutzziel in einem solchen Fall ist auf Rückgängigmachung der Aufhebung der Ausschreibung und Fortsetzung des eingeleiteten Vergabeverfahrens gerichtet. Im Rahmen dieses Verfahrens kann der Bieter, der ein auszuschließendes Angebot abgegeben hat, den Auftrag jedoch nicht erhalten. Nur wenn es bei der Aufhebung der Ausschreibung bleibt, hat er weiterhin die Chance hierauf. Im Streitfall wahrt hingegen erst der Erfolg des Nachprüfungsantrags die Möglichkeit, den Bedarf des öffentlichen Auftraggebers doch noch gegen Entgelt zu decken. Deshalb kann auch nicht angenommen werden, dass die Antragstellerin mit dem Nachprüfungsantrag lediglich eine Belastung eines anderen Bieters, den Wegfall der diesem in Aussicht gestellten Begünstigung oder eine immaterielle Genugtuung erstrebe (a.A. Müller-Wrede/Schade, VergabeR 2005, 460, 464 f.). Die Frage, ob ein aus dem Gleichbehandlungsgebot des Vergaberechts abzuleitender Individualschutz für Derartiges nicht zur Verfügung gestellt ist, bedarf deshalb hier keiner Erörterung.
4. Die Maßnahme, die nach § 114 Abs. 2 ZPO zu treffen ist, um der Verletzung der Antragstellerin in ihren Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB entgegenzuwirken, kann allerdings nicht - wie von der Antragstellerin beantragt - in der Aufhebung der Ausschreibung durch den Senat oder in der Anweisung an die Antragsgegnerin bestehen, das eingeleitete Vergabeverfahren auf diese Weise zu beenden (ebenso OLG Düsseldorf ZfBR 2006, 513, 514, vgl. aber auch NZBau 2006, 525, 527; ähnlich Müller-Wrede/Schade, VergabeR 2005, 460, 465; a.A. Hänsel, IBR 2005, 707). Der Senat hat für eine Ausschreibung mit Leistungsprogramm bereits darauf hingewiesen, dass in Fällen, in denen keinem Bieter der Auftrag erteilt werden darf, dem öffentlichen Auftraggeber auch eine andere Möglichkeit (vgl. oben B III 1 b (3)) zu Gebote stehen kann, wenn diese in Übereinstimmung mit den grundlegenden Grundsätzen für die Vergabe öffentlicher Aufträge zu bringen ist, die der Gesetzgeber in § 97 Abs. 1 und 2 GWB niedergelegt hat (Sen.Urt. v. - X ZR 115/04, zur Veröffentlichung vorgesehen). Ob eine solche Möglichkeit besteht und ergriffen werden soll, hat der öffentliche Auftraggeber in eigener Verantwortung zu klären und zu bestimmen. Das steht in Einklang mit § 26 Nr. 1 a VOL/A. Denn auch hiernach ist der öffentliche Auftraggeber nicht gezwungen, die Ausschreibung aufzuheben (ebenso OLG Jena NZBau 2005, 476, 479), wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht. § 26 Nr. 1 VOL/A schreibt vielmehr nur die Sachverhalte fest, in denen der öffentliche Auftraggeber, ohne gegen Vergaberecht zu verstoßen, ein eingeleitetes Vergabeverfahren aufheben darf. Da mithin derzeit abschließend nur festgestellt werden kann, dass die Antragsgegnerin auf der Grundlage der bisherigen Ausschreibungsbedingungen keinem Bieter den Zuschlag erteilen darf, stellt ein entsprechendes Verbot die zur Erledigung des Streits der Beteiligten gebotene Maßnahme dar, die für die erforderliche Rechtmäßigkeit des eingeleiteten Vergabeverfahrens sorgt und eine Rechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin verhindert.
5. Auch den weiterhin oder hilfsweise in der Sache gestellten Anträgen der Antragstellerin kann nicht entsprochen werden. Eine Neuausschreibung kann nicht angeordnet werden, weil es allein Sache des öffentlichen Auftraggebers ist, zu entscheiden, ob er (noch) einen Bedarf hat oder sieht, den er nicht selbst, sondern durch ein von ihm rechtlich verschiedenes Unternehmen decken lassen will. Eine Neubescheidung durch die Vergabekammer oder eine erneute Angebotswertung der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin kommen hingegen aus den bereits erörterten Gründen nicht in Betracht.
V. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, das Angebot der Beigeladenen sei auch in weiterer Hinsicht unvollständig gewesen. Die Beigeladene habe die für den angebotenen Stoff geforderte Reißfestigkeit nicht zugesagt. Sie habe Flauschband ebenfalls nur in flammhemmender, nicht aber wie gefordert auch in permanent schwer entflammbarer Qualität angeboten. Da die Beigeladene hinsichtlich des angebotenen Stoffes nicht die in der Ausschreibung geforderte Zusammensetzung genannt, sondern als Fasertyp nur Bezeichnungen wie N. verwendet habe, habe sie die Gleichwertigkeitserklärung abgeben müssen. Die geforderte Unterschrift fehle aber im Angebot der Beigeladenen. Schließlich habe die Beigeladene den Termin für die - optionale - Lieferung im Jahre 2007 nicht angegeben. Außerdem sei davon auszugehen, dass die Ausschreibung nicht produktneutral erfolgt sei. Da aus den soeben erörterten Gründen ein über das ausgesprochene Verbot hinausgehender Erfolg des Nachprüfungsgesuchs nicht in Betracht kommt, kann dahinstehen, ob diese Beanstandungen in dem § 107 Abs. 2 und 3 GWB genügender Weise geltend gemacht worden und ebenfalls berechtigt sind.
VI. 1. Die Entscheidung des Senats bedeutet in der Sache ein Unterliegen der Antragsgegnerin in einem Umfang, der bei Anwendung der sich aus § 92 Abs. 2 ZPO ergebenden Grundsätze eine Kostenbelastung der Antragstellerin nicht rechtfertigt. Aber auch die Beigeladene unterliegt in diesem Umfang, weil sie sich ebenfalls mit dem Begehren, den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen, an dem Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer beteiligt hat. Dies hat gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 und 2 GWB zur Folge, dass die Antragsgegnerin und die Beigeladene als Gesamtschuldner die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer zu tragen haben.
2. a) Für die Erstattung der Aufwendungen der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer ordnet § 128 Abs. 4 GWB, der insoweit heranzuziehen ist, dagegen eine gesamtschuldnerische Haftung nicht an. Hinsichtlich der notwendigen Auslagen kommt eine Kostentragung nur in Betracht, "soweit" ein Beteiligter unterliegt (§ 128 Abs. 4 Satz 2 GWB). Dies führt dazu, dass der öffentliche Auftraggeber und der ihn im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer unterstützende Beigeladene für die Kosten des obsiegenden Bieters nur als Teilschuldner haften (so auch OLG München NZBau 2006, 135, 136; OLG Düsseldorf VergabeR 2001, 38, 40). Da die Antragsgegnerin und die Beigeladene sich mit identischem Rechtsschutzziel und weitgehend gleicher Begründung gegen den Nachprüfungsantrag gewandt haben, haben sie deshalb die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren vor der Vergabekammer notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu gleichen Kopfteilen zu tragen (ebenso OLG Düsseldorf VergabeR 2001, 38, 40).
b) Entsprechend § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG ist außerdem zu bestimmen, dass die Hinzuziehung des von der Antragstellerin mit der Vertretung im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer betrauten Rechtsanwalts notwendig war.
Da das Gesetz insoweit keine Regel vorgibt, kann die Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht schematisch beantwortet werden; es ist - wie auch sonst, wenn es um die Notwendigkeit verursachter Kosten geht - eine Entscheidung geboten, die den Umständen des Einzelfalls gerecht wird. Hierzu ist die Frage zu beantworten, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen. Hierfür können neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände bestimmend sein wie etwa die sachliche und personelle Ausstattung des Beteiligten, also beispielsweise, ob er über eine Rechtsabteilung oder andere Mitarbeiter verfügt, von denen erwartet werden kann, dass sie gerade oder auch Fragen des Vergaberechts sachgerecht bearbeiten können, oder ob allein der kaufmännisch gebildete Geschäftsinhaber sich des Falls annehmen muss.
Im Streitfall ist der Umstand, dass eine Rechtsfrage zu beantworten war, derentwegen das Oberlandesgericht zu Recht eine Vorlage an den Bundesgerichtshof für gesetzlich geboten gehalten hat, ein starkes Indiz dafür, dass jedenfalls auf Seiten eines Bieters, der zur Beantwortung vergaberechtlicher Fragen nicht auf besondere eigene Ressourcen zurückgreifen kann, ein außenstehender Rechtsanwalt zur sachgerechten Rechtswahrung erforderlich war. Da für etwas Gegenteiliges nichts ersichtlich oder dargetan ist, bejaht der Senat deshalb die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin.
3. Was die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten (Gerichtskosten und Kosten der Beteiligten) anbelangt, sind die Regeln der Zivilprozessordnung heranzuziehen (Sen.Beschl. v. - X ZB 15/05, NZBau 2006, 375; BGHZ 146, 202, 216). Ein Beigeladener ist kostenrechtlich wie der Antragsteller oder Antragsgegner eines Nachprüfungsverfahrens zu behandeln, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung im Beschwerdeverfahren auch nutzt, indem er sich an diesem Verfahren beteiligt (BGHZ 148, 43, 59). Im Streitfall hat sich die Beigeladene im Beschwerdeverfahren entgegen der Darstellung im Vorlagebeschluss nicht nur zur Frage der von der Antragstellerin gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB begehrten Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde gegenüber der als Ablehnung des Nachprüfungsantrags geltenden Untätigkeit der Vergabekammer geäußert. Mit Schriftsatz vom hat sie zur sofortigen Beschwerde der Antragstellerin sachlich Stellung genommen, auch insoweit auf Zurückweisung des Begehrens der Antragstellerin angetragen und einer Entscheidung hierüber im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Neben der Antragsgegnerin hat mithin auch die Beigeladene als im Wesentlichen unterliegende Partei die in der Beschwerdeinstanz entstandenen Kosten zu tragen (§§ 91, 92 Abs. 2 ZPO in entsprechender Anwendung). Für die Kostenerstattung haften die Antragsgegnerin und die Beigeladene dabei nach Kopfteilen (§ 100 Abs. 1 ZPO in entsprechender Anwendung).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
WM 2007 S. 266 Nr. 6
KAAAC-18730
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: ja; BGHR: ja