Leitsatz
[1] a) Die Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen für die Angebote sind auch im Verhandlungsverfahren verbindlich, solange sie nicht vom Auftraggeber transparent und diskriminierungsfrei gegenüber allen noch in die Verhandlungen einbezogenen Bietern aufgegeben oder geändert worden sind (Fortführung von Sen.Urt. v. - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3644; v. - X ZR 282/02, NJW 2004, 2165).
b) Angebote, die eine für die Bieter unzumutbare Vorgabe nicht erfüllen, dürfen nicht ausgeschlossen werden. Ein Ausschluss kommt danach nicht in Betracht, soweit die Ausschreibungsbedingungen eine technisch unmögliche Leistung verlangen (Fortführung von Sen.Beschl. v. - X ZB 43/02, NZBau 2003, 293, 295 f.).
c) Werden an den Inhalt der Angebote unerfüllbare Anforderungen gestellt, so muss die Vergabestelle die Ausschreibung entweder gemäß § 26 Nr. 1 VOB/A aufheben oder diskriminierungsfrei die Leistungsbeschreibung soweit ändern, wie es erforderlich ist, um die unerfüllbaren Anforderungen zu beseitigen.
d) Für den Erfolg einer auf positives Interesse gerichteten Schadensersatzklage eines Bieters nach Erteilung des ausgeschriebenen Auftrags an einen anderen Bieter ist entscheidend, ob dem klagenden Bieter bei objektiv richtiger Anwendung der bekanntgemachten Vergabekriterien unter Beachtung des der Vergabestelle gegebenenfalls zukommenden Wertungsspielraums der Zuschlag erteilt werden musste (Fortführung von Sen.Urt. v. - X ZR 232/00, NZBau 2003, 168; Urt. v. - X ZR 282/02, NJW 2004, 2165).
e) Bei einer Ausschreibung mit Leistungsprogramm ist es jedenfalls dann unzulässig, die Preise der Angebote mittels einer Mengenkorrektur zum Zweck der Wertung vergleichbar zu machen, wenn ein Einfluss der angebotenen Mengen auf die Angebotsbewertung nicht transparent gemacht worden ist.
Gesetze: GWB § 97 Abs. 1; GWB § 97 Abs. 2; VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 2; VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b; VOB/A § 25 Nr. 3; BGB § 276 Fa
Instanzenzug: LG Köln 5 O 520/99 vom OLG Köln 18 U 12/03 vom
Tatbestand
Die Klägerin nimmt das beklagte Klinikum auf entgangenen Gewinn wegen Nichterteilung des Auftrags für die Ersatzbeschaffung der Ver- und Entsorgungsanlage (AWT-Anlage) für die medizinischen Einrichtungen der Universität K. in Anspruch.
Das Staatliche Bauamt K. I als Vergabestelle schrieb diesen Auftrag im August 1997 europaweit im offenen Verfahren aus. In der "Aufforderung zur Abgabe eines Angebots" waren als Kriterien für die Auftragserteilung unter anderem Preis und Qualität genannt. Der Aufforderung war eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm beigefügt, in der es unter "0.2.1 Pauschalfestpreis" heißt:
"Im Rahmen dieses Vertrages ist zum vereinbarten Pauschalpreis in der vereinbarten Zeit eine betrieblich und technisch, nach den Regeln der Technik und nach den baufachlichen Bestimmungen einwandfrei funktionierende Anlage betriebsfertig herzustellen, einzubauen und in Betrieb zu nehmen."
Auf diese Ausschreibung gaben außer der Klägerin nur die Unternehmen V. (VA) und D. Angebote ab. Die Angebotssumme aller drei Angebote überstieg jeweils die für die Maßnahme genehmigten Finanzmittel etwa um das Doppelte. Die Vergabestelle hob daraufhin die Ausschreibung auf. Darüber wurden die Bieter mit dem Hinweis informiert, dass nun ein Verhandlungsverfahren durchgeführt werde.
In dem Verhandlungsverfahren wurden die drei Bieter aufgefordert, ihre Angebote bei unveränderter Transportaufgabenstellung anhand ihrer fabrikatsspezifischen Besonderheiten zu optimieren und die Anlagenkosten zu minimieren. Ein verändertes Leistungsprogramm wurde nicht erstellt. VA legte ein zweites Angebot mit einer Angebotssumme von 24.237.643,-- DM vor. Das zweite Angebot der Klägerin endete mit einer Angebotssumme von 22.977.414,-- DM, das des dritten Bieters D. mit einem Betrag von 26.145.825,-- DM.
Die Vergabestelle hatte die Streithelferin mit der Prüfung der Angebote beauftragt. Die Bewertung der Streithelferin vom schloss für die Klägerin und VA jeweils mit dem Fazit:
"Unter der Voraussetzung, dass die FTS-spezifischen Forderungen von allen Gewerken erbracht werden, erfüllt das angebotene FTS-System die gestellten Logistikaufgaben und kann daher empfohlen werden."
Hinsichtlich des Angebots von D. kam die Streithelferin zu dem Ergebnis, dass dieses in weiten Teilen nicht den im Leistungsprogramm definierten Anforderungen entspreche.
Wegen der Unterschiede zwischen den angebotenen Konzepten der beteiligten Bieter "normierte" die Streithelferin die Angebote zwecks Vergleichbarkeit. Ausgangspunkt waren dafür Mengenansätze, die die Streithelferin aufgrund einer überarbeiteten Planung selbst ermittelt hatte. Soweit die von ihr ermittelten Mengen von den angebotenen Mengen der Bieter abwichen, hat die Streithelferin die Mengendifferenz zu den von dem jeweiligen Bieter angegebenen Einzelpreisen bei den einzelnen Ausschreibungspositionen aus dem Angebotspreis heraus- oder ihm hinzugerechnet. Dies hatte zur Folge, dass sich das Angebot von VA geringfügig, dasjenige der Klägerin hingegen deutlich verteuerte. Daraufhin sprach sich die Streithelferin in ihrer abschließenden Vergabeempfehlung für eine Auftragserteilung an VA aus. Unter dem erteilte die Vergabestelle der VA den Auftrag.
Die auf Ersatz des infolge Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinns in Höhe von 1.793.310,26 € gerichtete Klage hat das Landgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens dem Grunde nach als gerechtfertigt angesehen. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten wurde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Revision.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen die Verurteilung des Beklagten zum Schadensersatz auf positives Interesse nicht.
I. Das Berufungsgericht geht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats davon aus, dass einem Bieter ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns zustehen kann, wenn er den Auftrag bei ordnungsgemäßer Vergabe hätte erhalten müssen und wenn der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich an einen anderen Bieter vergeben worden ist (vgl. Sen.Urt. v. - X ZR 99/96, NJW 1998, 3640, 3644; Urt. v. - X ZR 282/02, NJW 2004, 2165). Das Berufungsgericht meint, das Angebot der Klägerin sei demjenigen von VA mindestens gleichwertig, so dass dem Angebotspreis maßgebliche Bedeutung zukomme. Die von der Streithelferin vorgenommene "Normierung" der Angebote für den Preisvergleich sei nicht zulässig, weil die Vergabe zu einem Pauschalpreis ausgeschrieben worden sei und infolgedessen der Auftragnehmer das Mengenermittlungsrisiko trage. Bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vergabeverfahrens hätte deshalb der Klägerin der Auftrag erteilt werden müssen.
II. Das Berufungsurteil kann keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, dass das Angebot der Klägerin von den Vorgaben der Ausschreibung abweichen kann und nach ständiger Rechtsprechung des Senats gegebenenfalls hätte ausgeschlossen werden müssen. Das Berufungsgericht hätte der Klägerin nicht dem Grunde nach positives Interesse zusprechen dürfen, ohne zuvor die Ausschreibungskonformität ihres Angebots zu prüfen. Anlass zu dieser Prüfung bestand nach dem für die Revision maßgeblichen Sachverhalt unter zwei Aspekten, die jeder für sich gegebenenfalls zu einem Ausschluss des Angebots der Klägerin und zur Abweisung ihrer Schadensersatzklage führen können.
1. Der Beklagte hat sowohl vor dem Landgericht wie auch vor dem Berufungsgericht unter Beweisantritt vorgetragen, die Ausschreibung habe ausdrücklich gefordert, dass eine Beendigung der aktuellen Transportaufträge durch die FTS-Fahrzeuge trotz Ausfalls der kompletten Dispositionsebene, also des Rechnersystems, gewährleistet sein müsse; dies sei bei der von der Klägerin gewählten Lösung nach deren Angaben nicht möglich gewesen. Da der Beklagte das auch schon in erster Instanz vorgetragen hatte, stand entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO der Berücksichtigung dieses Vorbringens nicht entgegen. Sofern es den Ausschluss des Angebots der Klägerin nicht schon wegen Fehlen des Pauschalfestpreises für geboten hielt (dazu unten 2.), hätte das Berufungsgericht deshalb eigene Feststellungen zu der Frage treffen müssen, ob die FTS-Fahrzeuge im Angebot der Klägerin in der Lage sind, ihre Transportaufträge auch bei Rechnerausfall zu beenden. Denn sollte dies nicht der Fall sein, wiche das Angebot der Klägerin von einer zwingenden Anforderung des Leistungsprogramms ab.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es eine gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A unzulässige Änderung an den Verdingungsunterlagen, wenn das Angebot eines Bieters eine Vorgabe des Leistungsverzeichnisses nicht einhält. Eine solche Abweichung führt - jedenfalls in der Regel - zwingend zum Ausschluss des Angebots von der Wertung gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A (vgl. nur Sen.Urt. v. - X ZR 85/97, NJW 1998, 3634; Beschl. v. - X ZB 43/02, NZBau 2003, 293, 295 f.; zuletzt Urt. v. - X ZR 243/02, NZBau 2005, 703). Bei einer funktionalen Ausschreibung tritt an die Stelle des Leistungsverzeichnisses das Leistungsprogramm. Eine Abweichung von dessen verbindlichen Vorgaben stellt nicht anders als eine Abweichung vom Leistungsverzeichnis eine Änderung an den Verdingungsunterlagen dar.
Die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Behandlung unvollständiger oder geänderter Angebote gelten auch im Verhandlungsverfahren. Zwar ist gemäß § 3a Nr. 1 lit. c VOB/A Wesensmerkmal des Verhandlungsverfahrens, dass der Auftraggeber mit den Bietern über den Auftragsinhalt verhandelt. Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot als tragende Grundlagen des Vergaberechts verlangen aber, dass die Anforderungen der Ausschreibungsunterlagen an die Angebote auch im Verhandlungsverfahren verbindlich sind, solange sie nicht vom Auftraggeber transparent und diskriminierungsfrei gegenüber allen noch in die Verhandlungen einbezogenen Bietern aufgegeben oder geändert werden. Für eine Änderung der Anforderungen der Ausschreibung in Bezug auf das Verhalten der FTS-Fahrzeuge bei Rechnerausfall ist auf der Grundlage des für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalts nichts ersichtlich.
Der zwingende Ausschlussgrund der Abweichung von den Verdingungsunterlagen ist im Schadensersatzprozess unabhängig davon zu berücksichtigen, ob sich der Auftraggeber im Vergabeverfahren darauf berufen hat (Sen.Urt. v. - X ZR 85/97).
b) Das Berufungsgericht wird daher der Klägerin den begehrten Schadensersatz nicht zusprechen können, ohne Feststellungen zum Inhalt der Ausschreibung bezüglich der Fähigkeit der FTS-Fahrzeuge, ihre Transportaufträge bei Rechnerausfall zu beenden, sowie dazu zu treffen, ob das Angebot der Klägerin gegebenenfalls diesen Anforderungen entsprach. Allerdings hat der gerichtliche Sachverständige in seinem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Gutachten die Anforderung zur Beendigung der Fahraufträge bei Rechnerausfall für eine "eigentlich unerfüllbare Forderung" gehalten (GA II 507). War diese Vorgabe der Ausschreibung tatsächlich objektiv nicht erfüllbar, wäre sie für die Bieter unzumutbar mit der Folge, dass Angebote, die sie nicht einhalten, nicht ausgeschlossen werden dürften (vgl. Sen.Beschl. v. , aaO, 296). Dennoch könnte dann der Klägerin der begehrte Schadensersatz zu versagen sein, wenn sie die Unerfüllbarkeit der Anforderung zur Beendigung der Fahraufträge hätte erkennen müssen. Als Folge davon hätte bei ihr schon vor Abgabe ihres Angebots kein schutzwürdiges Vertrauen mehr darauf bestanden, dass der Beklagte seine für das Leistungsprogramm bestehenden vergaberechtlichen Bindungen einhalten werde. Mangels schutzwürdigen Vertrauens käme dann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht in Betracht (Sen. in st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 124, 64, 70; Urt. v. - X ZR 150/99, NJW 2001, 3698).
Sollte es sich bei der Anforderung zur Beendigung der Fahraufträge um eine unerfüllbare Forderung gehandelt haben, begegnet das Ersatzverlangen der Klägerin darüber hinaus einem weiteren Bedenken. In diesem Fall hätte der Beklagte das eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne Weiteres durch Zuschlag beenden dürfen. Er hätte entweder die Ausschreibung gemäß § 26 Nr. 1 VOB/A aufheben oder diskriminierungsfrei das Leistungsprogramm, soweit zur Beseitigung unerfüllbarer Anforderungen erforderlich, ändern und den Bietern angemessene Gelegenheit zur Abgabe neuer Angebote auf der Basis des veränderten Leistungsprogramms geben müssen. In beiden Fällen wäre aber ungewiss, ob die Klägerin danach den Zuschlag erhalten musste, so dass ihr dann auch aus diesem Grund der eingeklagte Schadensersatz nicht zustehen könnte.
2. Das Angebot der Klägerin könnte auch unter einem anderen Aspekt zwingend auszuschließen sein. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von keiner Partei in Zweifel gezogen werden, hatten die Bieter das ausgeschriebene Leistungsprogramm zu einem Pauschalpreis anzubieten. Die Revision macht jedoch geltend, der Sachverständige habe ausgeführt, dass sich sowohl die Klägerin als auch VA vorbehalten hätten, erst durch eine Simulation in der Feinplanungsphase die genaue Anzahl der benötigten FTS-Fahrzeuge zu ermitteln und dann eine Gutschrift oder einen Nachtrag zu erstellen. Die Revision meint zwar, es handele sich insoweit um nicht von dem Pauschalpreis erfasste Zusatzarbeiten. Dafür gibt es jedoch keinen Anhaltspunkt. Vielmehr war die für die betrieblichen Anforderungen des Beklagten erforderliche Anzahl der FTS-Fahrzeuge notwendiger Bestandteil des nachgefragten Leistungsprogramms. Danach war zum vereinbarten Pauschalpreis in der vereinbarten Zeit eine betrieblich und technisch, nach den Regeln der Technik und nach den baufachlichen Bestimmungen einwandfrei funktionierende Anlage betriebsfertig herzustellen, einzubauen und in Betrieb zu nehmen. Das ist ohne die erforderliche Zahl von FTS-Fahrzeugen nicht möglich.
Das Berufungsgericht wird daher, sofern es die Klage nicht mangels Erfüllung der Anforderung zur Beendigung der Transportaufträge bei Rechnerausfall abweist, klären müssen, ob die Klägerin zu dem geforderten Pauschalpreis angeboten hat oder ob sie diese Anforderung der Ausschreibung wegen eines Preisvorbehalts hinsichtlich der Zahl der benötigten FTS-Fahrzeuge nicht erfüllt hat. Sollte die Klägerin keinen Pauschalpreis angeboten haben, wäre ihr Angebot zwingend auszuschließen. Es ist nichts dafür dargetan, dass die Angabe eines Pauschalpreises den Bietern im vorliegenden Fall unzumutbar war. Denn sie hätten etwa versuchen können, die benötigte Anzahl der FTS-Fahrzeuge durch Simulationen und Informationsanfragen an den Beklagten zu ermitteln, oder sie hätten in ihr Angebot die erforderlichen Sicherheitsmargen hinsichtlich der Zahl der benötigten Fahrzeuge einkalkulieren können.
III. 1. Sollte die Klägerin in schutzwürdiger Weise auf die Einhaltung der VOB/A durch den Beklagten vertraut haben und ihr Angebot nicht auszuschließen sein, so wäre auf der Grundlage des für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalts der Klage ohne Weiteres stattzugeben, ohne dass es auf die von den Parteien erörterten Fragen der Angebotsbewertung ankäme. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts steht fest, dass gemäß Ausschreibung ein Hot-stand-by-Rechner gefordert war, VA jedoch (anders als die Klägerin) lediglich einen Cold-stand-by-Rechner angeboten hatte. Das Berufungsgericht erwähnt auch, dass die Streithelferin schon in ihrer ursprünglichen Auswertung bemerkte, dass das Leitstandkonzept von VA mit dem Angebot eines Cold-stand-by-Rechners nicht den gestellten Anforderungen entsprach. Da das Angebot des dritten Bieters D. laut Angebotsauswertung in weiten Teilen nicht die im Leistungsprogramm definierten Anforderungen erfüllte, wäre in diesem Fall allein das Angebot der Klägerin zu werten gewesen. Nachdem der ausgeschriebene Auftrag jedoch VA erteilt worden ist, wäre der Klägerin dann Schadensersatz in Form des positiven Interesses zuzusprechen, sofern ihr eigenes Angebot gewertet werden durfte und der Beklagte bei ihr schutzwürdiges Vertrauen auf die Einhaltung der VOB/A verletzt hat.
2. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht geäußerten Rechtsansichten hält der Senat noch folgende Hinweise für angezeigt:
a) Hinsichtlich der Position " Zusatzfördersysteme" meint das Berufungsgericht, die Vergabestelle hätte die Klägerin vor einer abschließenden Entscheidung über die Auftragserteilung darauf hinweisen müssen, dass sie beabsichtige, bei dieser Ausschreibungsposition höhere Anforderungen als nach dem Leistungsprogramm zu stellen. Da dies unterlassen worden sei, hätte die Beklagte die Angebote von VA und der Klägerin insoweit gleich bewerten müssen. Das Leistungsprogramm formuliert zur Position indes nur Mindestanforderungen. Höhere Leistungen konnten deshalb im Rahmen der qualitativen Bewertung grundsätzlich positiv berücksichtigt werden. Die Qualität der Angebote war in der Aufforderung zur Angebotsabgabe als Vergabekriterium genannt. Der Beklagte hat zu Position auf eine größere Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Systems von VA infolge redundanter Sicherheitssysteme verwiesen. Allerdings kann die höhere Qualität einer Leistung nur dann wertungsrelevant werden, wenn die angebotene Leistung den Anforderungen der Ausschreibung entspricht und sich nicht als Aliud darstellt. Denn anderenfalls läge eine unzulässige Änderung der Verdingungsunterlagen vor, die jedenfalls bei einem Hauptangebot zum Ausschluss von der Wertung führen müsste.
b) Das Berufungsgericht meint, dass die von der Streithelferin für die Vergabestelle vorgenommene "Normierung" der Angebote zwecks Vergleichbarkeit vergaberechtlich unzulässig war. Das überzeugt im Ergebnis, jedoch nicht in allen Teilen der Begründung.
Das Berufungsgericht hebt entscheidend auf den Charakter der Vergabe als funktionale Ausschreibung mit Pauschalpreis ab, bei der nach Auftragserteilung Mengenänderungen nicht zu Preisänderungen führten. Die Frage, ob es aufgrund der Art des ausgeschriebenen Vertrags nach dessen Abschluss zu Preisänderungen kommen kann, ist jedoch zu unterscheiden von der Frage, welchem Angebot der Zuschlag gebührt. Auch bei einer funktionalen Ausschreibung mit Pauschalpreis kann es geboten sein, qualitativ unterschiedliche Angebote auf angemessene Weise vergleichbar zu machen. Das ist der Fall, wenn der Preis nicht alleiniges Vergabekriterium ist, sondern etwa auch die Qualität der Leistung. Der Auftraggeber ist dann nicht gehindert, den Zuschlag auf ein ausschreibungskonformes, qualitativ besseres Angebot mit höherem Preis zu erteilen. Um eine objektive Bewertung der Angebote sicher zu stellen, ist es in diesem Fall eine zulässige Methode, Qualitätsunterschiede in geeigneter Weise zu bepreisen und in Form von Zuschlägen oder Abschlägen auf den Angebotspreis zu berücksichtigen.
Die im vorliegenden Fall für die Vergabestelle vorgenommene "Normierung" ist jedoch vergaberechtlich unzulässig, weil in intransparenter Weise Preisanpassungen allein auf der Grundlage den Bietern nicht offen gelegter Vergleichszahlen für die nachgefragten Mengen von Systemkomponenten erfolgten. Bei einer Ausschreibung mit Leistungsprogramm ist es jedenfalls dann unzulässig, die Preise der Angebote mittels einer Mengenkorrektur zum Zweck der Wertung vergleichbar zu machen, wenn ein Einfluss der angebotenen Mengen auf die Angebotsbewertung von der Vergabestelle nicht transparent gemacht worden ist. Das Berufungsgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass bei einer solchen Ausschreibung der Bieter das Mengenermittlungsrisiko trägt, weil er für die Erfüllung der Anforderungen des Leistungsprogramms einzustehen hat. Sollte der nach dem Leistungsprogramm geschuldete Erfolg mit den angebotenen Mengen nicht zu erreichen sein, wäre der erfolgreiche Bieter zur Lieferung der benötigten Menge verpflichtet, ohne dafür eine Anpassung der Vergütung verlangen zu können. Eine zulässige qualitative Bewertung der Angebote kann in der für die Vergabestelle vorgenommenen "Normierung" der Angebote nicht erkannt werden. Eine unterschiedliche Qualität der Angebote wurde vorliegend gerade nicht bepreist.
c) Nach Auffassung des Berufungsgerichts muss sich die Vergabestelle an der ursprünglich für sie von der Streithelferin vorgenommenen Angebotsbewertung im Schadensersatzprozess festhalten lassen. Das trifft nicht zu. Zwar ist es, wie der Senat wiederholt entschieden hat, unzulässig, nachträglich weitere Vergabekriterien einzuführen (vgl. Sen.Urt. v. - X ZR 101/97, NJW 2000, 137, 139; Urt. v. - X ZR 30/03, NZBau 2004, 517). Jedoch ist für den Erfolg einer auf positives Interesse gerichteten Schadensersatzklage eines Bieters nach Erteilung des ausgeschriebenen Auftrags an einen anderen Bieter Voraussetzung, dass dem klagenden Bieter bei objektiv richtiger Anwendung der bekanntgemachten Vergabekriterien unter Beachtung des der Vergabestelle gegebenenfalls zukommenden Wertungsspielraums (vgl. Sen.Urt. v. - X ZR 185/99, NJW 2002, 1952, 1954) der Zuschlag erteilt werden musste. Der Vergabestelle ist es nicht verwehrt, sich im Prozess auf die objektiv richtige Bewertung zu berufen.
d) Zutreffend hält das Berufungsgericht das Verhandlungsverfahren der Vergabestelle für mangelhaft, weil der Ablauf der Verhandlungen den Bietern nicht mitgeteilt und insbesondere nicht offen gelegt wurde, bis zu welchem Zeitpunkt die Vergabestelle Änderungen akzeptieren werde. Das ist mit dem vergaberechtlichen Transparenzgebot, das auch schon vor Inkrafttreten des § 97 GWB n.F. zu beachten war, unvereinbar.
IV. Der Rechtsstreit ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelferin, übertragen ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2007 S. 1193 Nr. 21
WM 2007 S. 87 Nr. 2
WAAAC-17660
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja