BVerwG Urteil v. - 5 C 3.05

Leitsatz

1. Ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auf der Grundlage des § 1 Abs. 1 Buchst. f StAngRegG i.V.m. der Verordnung über die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die in die Deutsche Volksliste der Ukraine eingetragenen Personen vom (RGBl 1943 I S. 321) setzt voraus, dass eine Eintragung in die Deutsche Volksliste erfolgt war; dies gilt auch für deutsche Volkszugehörige, welche die Voraussetzungen für eine Eintragung in die Abteilungen 1 oder 2 der Deutschen Volksliste gemäß § 1 der Verordnung erfüllten.

2. Für die erfolgte Eintragung trägt derjenige die Beweislast, der sich auf den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit beruft.

Gesetze: RuStAG § 4 Abs. 1; StAngRegG § 1 Abs. 1 Buchst. f; Volkslistenverordnung Ukraine vom (RGBl 1943 I S. 321) § 1

Instanzenzug: VG Köln VG 10 K 4538/03 vom Fachpresse: ja BVerwGE: ja

Gründe

I

Der am in der ehemaligen Sowjetunion geborene Kläger zu 1 und seine Tochter begehren die Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit.

Der Kläger zu 1 ist eheliches Kind des 1929 in der Ortschaft Wo. im Gebiet Shitomir (Ukraine) geborenen Ferdinand G., dessen Nationalität in der 1965 ausgestellten Geburtsurkunde des Klägers zu 1 als deutsch angegeben ist. In dem 1929 durch die deutsche evangelisch-lutherische Kirche in Wo. ausgestellten Taufschein des Vaters sind als Eltern Ewald und Maria G., geborene W. - beides deutsche Namen -, eingetragen. Mehrere Geschwister des Klägers zu 1 sind als Vertriebene anerkannt worden und leben in der Bundesrepublik Deutschland. Die deutsche Volkszugehörigkeit des Vaters des Klägers zu 1 steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit, sondern dessen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auf der Grundlage der während der deutschen Besetzung der Ukraine erlassenen "Verordnung über die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die in die Deutsche Volksliste der Ukraine eingetragenen Personen".

In dem unter dem gestellten Aufnahmeantrag der Kläger ist angegeben, der Vater des Klägers zu 1 und dessen Eltern seien deutsche Volkszugehörige mit deutscher Muttersprache gewesen, die sowohl in Abteilungen 1 oder 2 als auch in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste eingetragen worden seien und bis 1942 in Wo. wohnhaft gewesen seien. Anschließend habe die Familie sich in Polen sowie zwischen 1943 und 1945 im Deutschen Reich aufgehalten. 1945 sei sie von der russischen Armee mitgenommen und in Archangelsk unter Kommandanturbewachung gestellt worden. Der Aufnahmeantrag ist mit der Begründung abgelehnt worden, der Kläger zu 1 sei nicht deutscher Volkszugehöriger, weil seine Eltern die bei ihnen vorhandene Bekenntnislage nicht durch Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse an ihn weitergegeben hätten; die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Im Februar 2001 beantragte der Kläger zu 1 daraufhin, ihm unter Einbeziehung seiner 1987 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2, einen Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen. Dazu gab er an, sein Vater habe bis zu seiner im Jahre 1943 erfolgten Umsiedlung in den Warthegau in seinem Geburtsort gelebt. 1945 sei er in das Gebiet Archangelsk gekommen und habe bis zu seinem Tode in der damaligen Sowjetunion gelebt. Nachdem das Bundesarchiv mitgeteilt hatte, Einbürgerungsunterlagen über den Vater des Klägers zu 1 und dessen Eltern hätten nicht ermittelt werden können, lehnte das Bundesamt den Antrag ab (Bescheid vom ). Der Vater des Klägers zu 1 habe die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Sammeleinbürgerung nach der Volkslistenverordnung Ukraine erwerben können, da er als Umsiedler nach § 3 der Verordnung ausdrücklich vom Staatsangehörigkeitserwerb ausgenommen gewesen sei, sondern habe - wie alle Umsiedler - ein Einzeleinbürgerungsverfahren bei der Einwandererzentralstelle mit abschließender Einbürgerung durchlaufen müssen, um deutscher Staatsangehöriger zu werden.

Hiergegen haben die Kläger Widerspruch eingelegt und gleichzeitig Klage auf Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit nach dem Vater des Klägers zu 1 erhoben, die dieser als am im späteren Reichskommissariat Ukraine ansässiger deutscher Volkszugehöriger nach der Volkslistenverordnung Ukraine kraft Gesetzes erworben habe. Bei der Evakuierung durch die Wehrmacht im Jahre 1943 habe es sich auch nicht um eine "Umsiedlung" i.S.d. § 3 der Volkslistenverordnung gehandelt, denn diese Bestimmung betreffe nur diejenigen Volksdeutschen, die aufgrund von Verträgen umgesiedelt worden seien, die das Deutsche Reich von 1939 bis 1941 mit der Sowjetunion bzw. ostmitteleuropäischen Staaten geschlossen habe.

Das Verwaltungsgericht hat die auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gerichtete Klage als unbegründet angesehen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger zu 1 habe die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nachweislich nach § 4 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes - RuStAG - in der bei seiner Geburt geltenden Fassung durch Geburt vom Vater erworben, weil nicht belegt sei, dass sein Vater damals die deutsche Staatsangehörigkeit besessen habe. Es gebe keine Hinweise für eine Einzeleinbürgerung des Vaters, und es sei auch nicht feststellbar, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 1 Abs. 1 Buchst. f des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom - StAngRegG - i.V.m. der Verordnung vom über die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die in die Deutsche Volksliste der Ukraine eingetragenen Personen erworben habe. Das Gericht gehe davon aus, dass es nicht den gemäß Art. 25 GG zu berücksichtigenden allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts widerspreche, wenn der Gesetzgeber Einbürgerungen aufgrund der Volkslistenverordnung Ukraine als wirksam und damit über den hinaus fortbestehend ansehe. Die deutschen Volkszugehörigen im Machtbereich der Sowjetunion seien aufgrund von Dekreten des Obersten Sowjet enteignet, deportiert und unter Vorenthaltung sämtlicher Bürgerrechte in Sondersiedlungen untergebracht worden, und die Sowjetunion habe ihnen somit eine funktionell wirksame Staatsangehörigkeit vorenthalten. Unter diesen Umständen sei es völkerrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den in ihrer früheren Heimat recht- und schutzlos gewordenen, wegen ihres Deutschtums verfolgten Personen Zuflucht und Schutz geboten habe, indem er ihre aufgrund der Volkslistenverordnung Ukraine erworbene deutsche Staatsangehörigkeit anerkannt habe. Es lasse sich jedoch nicht feststellen, dass der Vater des Klägers zu 1 sämtliche Voraussetzungen für den Staatsangehörigkeitserwerb nach den Bestimmungen der Volkslistenverordnung Ukraine erfülle. Von seiner deutschen Volkszugehörigkeit gehe das Gericht aus, denn an der Weitergabe der volksdeutschen Bekenntnislage in der Familie der Großeltern väterlicherseits an den bei Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen in der Ukraine noch nicht bekenntnisfähigen Vater des Klägers zu 1 könne kein vernünftiger Zweifel bestehen. Ein Staatsangehörigkeitserwerb scheitere aber daran, dass eine Aufnahme des Vaters des Klägers zu 1 in die Deutsche Volksliste nicht feststellbar sei. Eine derartige Eintragung sei für den Staatsangehörigkeitserwerb konstitutiv. Unabhängig von völkerrechtlichen Bedenken, die sich ansonsten aus der Verleihung der Staatsangehörigkeit an einen kaum abgrenzbaren Personenkreis außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes ergeben könnten, lasse sich das Erfordernis der individuellen Eintragung bereits aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Volkslistenverordnung Ukraine ableiten. Dieses Auslegungsergebnis werde durch einen Vergleich mit der entsprechenden Verordnung über die Deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten - Volkslistenverordnung Polen - bestätigt. Verlässliche Anhaltspunkte für eine Eintragung des Vaters des Klägers zu 1 in eine der Abteilungen der Deutschen Volksliste seien nicht vorhanden. Lasse sich demnach ein Staatsangehörigkeitserwerb auf der Grundlage der Volkslistenverordnung Ukraine für den Vater des Klägers zu 1 bereits mangels Eintragung nicht feststellen, bedürfe es keiner Entscheidung, ob er Umsiedler i.S.d. § 3 dieser Verordnung gewesen sei.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision rügen die Kläger eine fehlerhafte Anwendung der Volkslistenverordnung Ukraine und machen geltend, bei deutschen Volkszugehörigen i.S.v. § 6 BVFG sei der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund der Volkslistenverordnung kraft Gesetzes eingetreten. Bei den Angehörigen der Abteilungen 1 und 2 der Volksliste seien der (damalige) Gesetzgeber sowie die Praxis im Gegensatz zu den Fällen der Aufnahme in die Abteilung 3 betreffend die Staatsangehörigkeit auf Widerruf nicht von einem konstitutiven Aufnahmeakt ausgegangen. Im Übrigen habe die Bundesrepublik Deutschland die über die Volksliste der Ukraine eingebürgerten Personen mindestens seit dem als deutsche Staatsangehörige angesehen und behandelt und sei an diese über 50jährige Rechts- und Verwaltungspraxis gebunden.

Die Beklagte ist in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil der Auffassung, ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im Wege der Sammeleinbürgerung nach §§ 1 und 2 der Volkslistenverordnung Ukraine setze einen individuellen Eintrag in die Deutsche Volksliste voraus.

Die Vertreterin des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt mit dem Bundesministerium des Innern das angefochtene Urteil.

II

Die Revision der Kläger ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat für den Kläger zu 1 einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit kraft Geburt gemäß § 4 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes - RuStAG -, hier anzuwenden in der Fassung vom (BGBl I S. 982), zutreffend mit der Begründung verneint, es sei nicht feststellbar, dass sein Vater die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 1 Abs. 1 Buchst. f des Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom (BGBl I S. 65) - StAngRegG - i.V.m. der "Verordnung über die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die in die Deutsche Volksliste der Ukraine eingetragenen Personen" vom (RGBl I S. 321) - Volkslistenverordnung Ukraine - erworben habe.

1. Die Bestimmungen des 1. Abschnittes des Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes betreffend die "Staatsangehörigkeitsverhältnisse deutscher Volkszugehöriger, denen die deutsche Staatsangehörigkeit in den Jahren 1938 bis 1945 durch Sammeleinbürgerung verliehen worden ist", sind rechtlich wie historisch vor dem Kontext der nationalsozialistischen Expansionspolitik mit ihrer Instrumentalisierung deutscher Minderheiten für machtpolitische Zwecke der Errichtung eines deutsch beherrschten Großraums Europa unter Einschluss der europäischen Teile der Sowjetunion und der darauf folgenden Flucht- und Vertreibungsphase zu sehen, in welcher Nachkriegsdeutschland zum Zufluchts- und Aufnahmeort für die hiervon betroffenen Gruppen deutscher Volkszugehöriger wurde. Der Gesetzgeber des Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes wollte die in der Nachkriegszeit aufgetretenen rechtlichen Unsicherheiten über die Anerkennung von Verleihungen der deutschen Staatsangehörigkeit auf der Grundlage der in § 1 Abs. 1 Buchst. a - f aufgezählten Verträge bzw. Verordnungen beseitigen (vgl. Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl. 2005, S. 21 f.) und dabei der Entscheidung des - (BVerfGE 1, 322 ff.) Rechnung tragen (vgl. dazu näher BVerwG 1 C 21.64 - BVerwGE 23, 274 <278> unter Hinweis auf BRDrucks 2/849, Bericht des Bundestagsausschusses für Angelegenheiten der Inneren Verwaltung zum Gesetzesentwurf), in welcher das Bundesverfassungsgericht mit Bezug auf deutsche Volkszugehörige des früheren Protektorats Böhmen und Mähren - deren Staatsangehörigkeit in § 1 Abs. 1 c StAngRegG geregelt worden ist - Grundsätze für die innerstaatliche Wirksamkeit der in den annektierten Gebieten verfügten Einbürgerungen aufgestellt und dabei entscheidend insbesondere darauf abgestellt hatte, dass "die Regelung der deutschen Staatsangehörigkeit durch das Deutsche Reich auch außerhalb Deutschlands nach Beendigung der Feindseligkeiten jedenfalls mittelbar anerkannt worden" sei (a.a.O. S. 330).

Nach § 1 Abs. 1 StAngRegG, der die insoweit maßgeblichen völkerrechtlichen Verträge und Verordnungen auflistet, sind "Die deutschen Volkszugehörigen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund folgender Bestimmungen verliehen worden ist" - darunter gemäß Buchst. f die "Verordnung über die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die in die Deutsche Volksliste der Ukraine eingetragenen Personen (RGBl I S. 321)" -, "nach Maßgabe der genannten Bestimmungen deutsche Staatsangehörige geworden, es sei denn, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit durch ausdrückliche Erklärung ausgeschlagen haben oder noch ausschlagen." Die Gruppe der deutschen Volkszugehörigen, denen die deutsche Staatsangehörigkeit auf der Grundlage der oben genannten Volkslistenverordnung Ukraine verliehen worden ist, unterscheidet sich dabei von den anderen, auf der Grundlage der in Buchst. a bis e aufgezählten Rechtsakte eingebürgerten Gruppen dadurch, dass ihr Status unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien für eine völkerrechts- und verfassungskonforme Anerkennung als deutsche Staatsangehörige von vornherein zweifelhaft war, weil die Sowjetunion - anders als etwa Polen, die Tschechoslowakei und Jugoslawien - keine Bereitschaft zeigte, auf ihre vom nationalsozialistischen Deutschland als deutsche Staatsangehörige in Anspruch genommenen Staatsbürger zu verzichten, sondern sie im Gegenteil - mit Unterstützung und Billigung durch die westlichen Besatzungsmächte - aus Deutschland in die Sowjetunion zurückverbrachte, wie dies auch bei der Familie des Vaters des Klägers zu 1 der Fall war. Eine weitere rechtliche Problematik der vom nationalsozialistischen Verordnungsgeber verfügten Inanspruchnahme dieser deutschen Volkszugehörigen als deutsche Staatsangehörige liegt schließlich auch darin, dass diese - im Gegensatz zu den deutschen Volkszugehörigen in der Tschechoslowakei, Polen und Jugoslawien - nicht geschlossen unter die Kontrolle der deutschen Annexions- bzw. Besatzungsmacht geraten, sondern teilweise vor dem Einmarsch der Wehrmacht aus der Ukraine evakuiert worden und daher nicht in den deutschen Machtbereich geraten waren.

Die im vorliegenden Verfahren zur Überprüfung gestellte Frage der Voraussetzungen eines Staatsangehörigkeitserwerbs auf der Grundlage der Volkslistenverordnung Ukraine gibt dem Senat keinen rechtlichen Anlass zu einer Vertiefung der im Revisionsverfahren aufgeworfenen Fragen, unter welchen Voraussetzungen aus einer grundsätzlich völkerrechtswidrigen Inanspruchnahme fremder Staatsangehöriger völkerrechtswidrig annektierter oder besetzter Gebiete als Staatsangehörige der Annexions- oder Besatzungsmacht (vgl. nur Artikel 45 der Haager Landkriegsordnung: "Es ist untersagt, die Bevölkerung eines besetzten Gebietes zu zwingen, der feindlichen Macht den Treueid zu leisten.") eine völker- und verfassungsrechtskonforme (Art. 25 GG) deutsche Staatsangehörigkeit entstehen konnte (vgl. dazu außer der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts BVerwG 1 C 21.64 - BVerwGE 23, 274 betr. den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit in annektierten jugoslawischen Gebieten <§ 1 Abs. 1 Buchst. e StAngRegG> und vom - BVerwG 9 C 340.93 - BVerwGE 95, 228 betr. die eingegliederten polnischen Gebiete <§ 1 Abs. 1 Buchst. d StAngRegG>), und ob die insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Gesichtspunkte (insbesondere das Kriterium einer weiteren Inanspruchnahme als Staatsangehörige durch Staaten, deren Gebiete völkerrechtswidrig annektiert worden waren) auf den Fall sowjetischer Staatsangehöriger aus dem Gebiet des Reichskommissariats Ukraine zur Anwendung gebracht werden können. Denn dem Vater des Klägers zu 1 war schon nach den insoweit maßgeblichen Kriterien der Volkslistenverordnung die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nachweislich verliehen worden.

2. Die in § 1 Abs. 1 Buchst. f StAngRegG in Bezug genommene "Verordnung über die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die in die Deutsche Volksliste der Ukraine eingetragenen Personen" - Volkslistenverordnung Ukraine - betrifft deutsche Volkszugehörige, die am - dem Vortag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion - im Gebiet des von der deutschen Besatzungsmacht später eingerichteten "Reichskommissariats Ukraine" ansässig waren, und hat - soweit vorliegend von Interesse - folgenden Wortlaut:

§ 1

Die ehemaligen Staatsangehörigen der UdSSR und die Staatenlosen deutscher Volkszugehörigkeit, die die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Abteilungen 1 und 2 der Deutschen Volksliste der Ukraine erfüllen und am im Gebiet des Reichskommissariats Ukraine ansässig waren, erwerben ohne Rücksicht auf den Tag ihrer Aufnahme mit Wirkung vom die deutsche Staatsangehörigkeit.

§ 2

(1) Die ehemaligen Staatsangehörigen der UdSSR und die Staatenlosen deutscher Volkszugehörigkeit, die in Abteilung 3 der Deutschen Volksliste der Ukraine aufgenommen sind, erwerben durch die Aufnahme die Staatsangehörigkeit auf Widerruf.

...

§ 3

Die in den §§ 1 und 2 getroffene Regelung gilt nicht für Umsiedler.

a) Was zunächst die Terminologie der Volkslistenverordnung betrifft, welche die Bevölkerung der Ukraine als "ehemalige Staatsangehörige der UdSSR" bezeichnet, liegt dieser ersichtlich ein politischer Herrschaftswille zugrunde, nach dem mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Sowjetunion die sowjetische Staatsangehörigkeit in den besetzten Gebieten erloschen und unbeachtlich geworden war. Dass dieser Standpunkt in völkerrechtlicher Hinsicht nicht haltbar war, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung; jedenfalls sollten mit dieser Terminologie offensichtlich alle sowjetischen Staatsbürger im Gebiet des Reichskommissariats Ukraine erfasst werden, andernfalls die Verordnung praktisch keinen Anwendungsbereich gehabt hätte.

b) Entgegen der Rechtsansicht des Klägers zu 1 haben deutsche Volkszugehörige, welche die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Abteilungen 1 oder 2 der Deutschen Volksliste erfüllten, nicht bereits kraft Gesetzes (Verordnung) die deutsche Staatsangehörigkeit mit Wirkung zum erworben. Vielmehr konnten auch Personen mit unzweifelhaft deutscher Volkszugehörigkeit die deutsche Staatsangehörigkeit erst mit der erfolgten Eintragung in die Deutsche Volksliste erwerben.

aa) Geht man - wie zutreffend das Verwaltungsgericht - für die Frage des Staatsangehörigkeitserwerbs vom Wortlaut der Volkslistenverordnung Ukraine aus und berücksichtigt dabei die in der als Muster dienenden Volkslistenverordnung Polen getroffenen Regelungen, so spricht dies gegen den vom Kläger zu 1 behaupteten Staatsangehörigkeitserwerb unmittelbar kraft Verordnung und ohne vorangegangenes Überprüfungsverfahren durch die zuständigen deutschen Dienststellen.

Die Überschrift "Verordnung über die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an die in die Deutsche Volksliste der Ukraine eingetragenen Personen" legt die Annahme jedenfalls nahe, dass Gegenstand der Verordnung der Staatsangehörigkeitserwerb von Personen war, welche tatsächlich in die Volksliste eingetragen worden waren. Zwar ist für die genaue Ermittlung des Regelungsinhalts der Gesetzestext selbst und nicht die Überschrift maßgeblich, doch gibt sie immerhin einen Hinweis, wie der Verordnungsgeber selbst die Verordnung rechtlich einordnete. Der nachfolgend dargestellte zeitgeschichtliche Kontext des Verordnungserlasses ergibt, dass der Verordnungsgeber von einem bereits weitgehend durchgeführten Volkslistenverfahren ausging und es insoweit um eine Sammeleinbürgerung bereits listenmäßig erfasster, deutscher Volkszugehöriger ging.

Nach § 1 der Verordnung erwarb der in Betracht kommende Personenkreis bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Aufnahme in die Abteilungen 1 und 2 der Deutschen Volksliste ohne Rücksicht auf den "Tag" der Aufnahme mit Wirkung vom die deutsche Staatsangehörigkeit. Diese Voraussetzungen waren allerdings nicht in der Verordnung selbst geregelt, sondern gemäß § 1 der zeitlich vorausgegangenen Verordnung des Reichskommissars für die Ukraine vom über die Aufnahme der Volksdeutschen im Reichskommissariat Ukraine in die deutsche Volksgemeinschaft (Verordnungsblatt des Reichskommissars für die Ukraine 1942, S. 111) "in sinngemäßer Anwendung der Verordnung über die Deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom ... und der dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen" zu bestimmen. § 1 der Verordnung vom legt mithin schon bei einer rein sprachlichen Betrachtung das Verständnis nahe, dass es dem Verordnungsgeber wegen des auf den Vortag des Angriffs auf die Sowjetunion rückwirkenden Staatsangehörigkeitserwerbs zwar nicht auf den Tag der Aufnahme in die Deutsche Volksliste ankam, die Eintragung aber Voraussetzung des Staatsangehörigkeitserwerbs war. Soweit der Verordnungsgeber in § 1 für den Staatsangehörigkeitserwerb - anders als in der Überschrift - nicht auf den Eintrag als solchen, sondern auf die "Voraussetzungen für die Aufnahme in die Abteilungen 1 und 2" abstellt, erklärt sich dies daraus, dass das Volkslistenverfahren noch nicht abgeschlossen und eine Erweiterung des Personenkreises über die bereits Eingetragenen hinaus durch konstitutiv wirkende Eintragung beabsichtigt war; insoweit dürfte es sich um eine Mischform zwischen einer Sammeleinbürgerung bereits eingetragener Personen und einer zukunftsoffenen Erweiterung auf noch aufzunehmende Personen handeln.

bb) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch die entsprechenden Regelungen der Verordnung über die Deutsche Volksliste und die deutsche Staatsangehörigkeit in den eingegliederten Ostgebieten vom i.d.F. der Verordnung vom (RGBl 1941 I S. 118, 1942 S. 51) - nachfolgend Volkslistenverordnung Polen -, welche bei Erlass der Verordnung als Vorlage diente, in seine Erwägungen einbezogen. Die § 1 der Volkslistenverordnung Ukraine entsprechende Regelung der Volkslistenverordnung Polen, die sich gemäß ihrem § 1 Abs. 1 in vier Abteilungen gliederte, während die Volkslistenverordnung Ukraine nur noch drei Abteilungen vorsah, lautet:

§ 3

Die ehemaligen polnischen Staatsangehörigen, die die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Abteilungen 1 oder 2 der Deutschen Volksliste erfüllen, erwerben ohne Rücksicht auf den Tag ihrer Aufnahme mit Wirkung vom die deutsche Staatsangehörigkeit.

Im Gegensatz zu dieser Regelung, welche terminologisch mit § 1 der Volkslistenverordnung Ukraine übereinstimmt, sah § 4 der Volkslistenverordnung Polen für Danziger Staatsangehörige einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ohne Zwischenschaltung eines Volkslistenverfahrens vor:

§ 4

Die ehemaligen Danziger Staatsangehörigen erwerben ohne Aufnahme in die Deutsche Volksliste mit Wirkung vom die deutsche Staatsangehörigkeit ...

Dass allerdings auch hier ein Volkstumsüberprüfungsvorbehalt bestand, erhellt § 5 der Volkslistenverordnung Polen, wonach

"Die ehemaligen polnischen oder Danziger Staatsangehörigen, die in die Abteilung 3 der Deutschen Volksliste aufgenommen werden, erwerben durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit."; entsprechend stellt ein Runderlass des Reichsministers des Innern vom unter Ziff. 11 b fest, dass von dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit mit Wirkung vom "diejenigen ehemaligen Danziger Staatsangehörigen" ausgenommen sind, "von denen die ... Bezirksstelle der Deutschen Volksliste bis zum feststellt, dass sie die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Abteilungen 1 oder 2 ... nicht erfüllen".

Wenn § 3 Abs. 1 und § 5 der Volkslistenverordnung Polen - in der Terminologie identisch mit den Bestimmungen der §§ 1, 2 Volkslistenverordnung Ukraine - in § 4 durch eine Sonderregelung für ehemalige Danziger Staatsangehörige ergänzt wurden, wonach diese die deutsche Staatsangehörigkeit "ohne Aufnahme in die Deutsche Volksliste" mit Wirkung vom erwarben, ist daraus mit dem Verwaltungsgericht zu schließen, dass nur die Danziger Staatsangehörigen - sofern sie nicht unter die Abteilungen 3 oder 4 einzuordnen waren - die deutsche Staatsangehörigkeit ohne eine solche Eintragung erwarben. Dies bestätigt die Annahme, dass es sich bei den entsprechenden Formulierungen in der Verordnung vom nicht um eine missverständliche Formulierung handelt, sondern es auf die tatsächliche Eintragung in die Volksliste ankam.

cc) Die Entstehungsgeschichte der Verordnung bestätigt dieses Bild. Aus den von der Beklagten und der Vertreterin des Bundesinteresses vorgelegten zeitgeschichtlichen Unterlagen ergibt sich, dass die deutschen Dienststellen im Zuständigkeitsbereich des Reichskommissars für die Ukraine bereits vor Erlass der Verordnung des Reichsministers des Innern mit der Erfassung der deutschen Volkszugehörigen begonnen hatten. Nachdem der Reichskommissar für die Ukraine am - aufgrund einer Verordnung des Ministers für die besetzten Ostgebiete (Rosenberg) und auf Weisung des Reichskommissars für die Festigung des deutschen Volkstums (Himmler), aber ohne Beteiligung des für Staatsangehörigkeitsfragen zuständigen Reichsministers des Innern - mit seiner oben genannten Verordnung über die Aufnahme der Volksdeutschen des Reichskommissariats in die deutsche Volksgemeinschaft vom die Initiative ergriffen, den Reichsminister des Innern ersichtlich aber erst nachträglich davon unterrichtet und gebeten hatte, "die Staatsangehörigkeit an die mit solchen Volkslistenausweisen ausgestatteten Personen zu verleihen" (vgl. Schnellbrief des Reichsministers des Innern vom , Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom , Revisionsakte S. 324), sah dieser sich veranlasst, seinerseits beschleunigt das staatsangehörigkeitsrechtliche Verordnungsverfahren einzuleiten. Nachdem das Auswärtige Amt unter dem keine Bedenken gegen eine Verleihung der Staatsangehörigkeit an "die mit Volkslistenausweisen ausgestatteten Volksdeutschen der Ukraine" gesehen hatte, wurde am im Reichsministerium des Innern unter Beteiligung der maßgeblichen Stellen - darunter des Reichskommissariats Ukraine, des Ostministeriums und des Reichssicherheitshauptamtes - die Besprechung durchgeführt, welche zum Erlass der Volkslistenverordnung Ukraine vom führte. Die Besprechungsniederschrift enthält hierzu folgende Erklärungen:

"Das RMdI nimmt in Aussicht, demnächst im Wege der Gruppenverleihung nach § 1 Abs. 3 der VO vom den in die Abteilung 1 und 2 der Deutschen Volksliste in der Ukraine Eingetragenen die deutsche Staatsangehörigkeit und den in Abteilung 3 Eingetragenen die Staatsangehörigkeit auf Widerruf (Frist 10 Jahre) zu verleihen ...

Der RFSS beabsichtigt, die Staatsangehörigen auf Widerruf in einem Nachtragsverfahren rassisch zu überprüfen ..."

Soweit demgegenüber in dem von den Klägern vorgelegten Runderlass des Reichskommissars für die Ukraine vom über die Aufnahme der Volksdeutschen in die Deutsche Volksliste und Aushändigung der Volkslistenausweise geltend gemacht wurde, der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund des § 1 der Verordnung trete bei den Volksdeutschen des Reichskommissariats, die die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Abteilungen 1 oder 2 erfüllten, "nicht erst mit dem Tage der Eintragung oder Aushändigung einer Bescheinigung hierüber ein, sondern (sei) bei Erfüllung der Voraussetzungen für die Aufnahme in die genannte Abteilung bereits eingetreten", ist dem gegenüber den entgegengesetzten Äußerungen der am Rechtsetzungsverfahren der Volksliste Ukraine unmittelbar beteiligten Ressorts und Dienststellen keine maßgebliche Bedeutung für das Verständnis der Verordnung beizumessen. Dies gilt auch mit Blick auf die im damaligen Schrifttum in Bezug auf die terminologisch übereinstimmende Volksliste Polen vertretene Auffassung, dass die Eintragung in die Abteilungen 1 und 2 nur deklaratorische Wirkung gehabt habe und die Betreffenden die deutsche Staatsangehörigkeit bereits unmittelbar kraft Verordnung erworben hätten (so Lichter, Das Staatsangehörigkeitsrecht im Großdeutschen Reich, Berlin 1943, S. 110 zu § 3 der Volkslistenverordnung für die eingegliederten Ostgebiete, und der vom Kläger zu 1 vorgelegte Aufsatz Dr. Franke aus dem Aktenbestand des Bundesarchivs <Aktenbestand 62, Bundesarchiv R 49, S. 7 - 10 eines Schreibmaschinenmanuskripts>).

3. Soweit die Revision geltend macht, die Bundesrepublik Deutschland habe die über die Deutsche Volksliste der Ukraine eingebürgerten Personen mindestens seit Inkrafttreten des Staatsangehörigkeitsregelungsgesetzes vom als deutsche Staatsangehörige angesehen und behandelt, trifft dies auch nach Auffassung der Beklagten zu (vgl. bereits das Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom , Revisionsakte S. 203 ff.). In dem Runderlass des Innenministers Baden-Württemberg vom (abgedruckt in Makarow/von Mangoldt, Anhang 1 D zum StAngRegG ), dem nach Angaben des Klägers zu 1 eine auf der Konferenz der Staatsangehörigkeitsreferenten des Bundes und der Länder abgestimmte einheitliche Haltung der Staatsangehörigkeitsbehörden in Deutschland zugrunde liegt, heißt es unter 1.4 ("Zu den Sammeleinbürgerungen nach § 1 Abs. 1 Buchst. f StAngRegG <Ukraine>"), Ziffer 1.4.2 ausdrücklich: "Im Gegensatz zu dem Personenkreis des § 1 der Verordnung haben deutsche Volkszugehörige die deutsche Staatsangehörigkeit aufgrund von § 2 der Verordnung erst mit der tatsächlichen Aufnahme in die Volksliste erworben" (auf diese Verwaltungsauffassung stützt sich auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom - 5 D 97.603 -). Daraus ergibt sich jedoch entgegen der Rechtsauffassung der Revision nicht, dass die Beklagte gegenüber den Klägern verpflichtet wäre, an dieser früheren Praxis trotz grundsätzlicher Änderung ihrer Rechtsauffassung auch weiter festzuhalten. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, ist eine Behörde - von Fällen berechtigten Vertrauensschutzes abgesehen - unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG berechtigt, eine als rechtsfehlerhaft erkannte Verwaltungspraxis zu ändern, und ergibt sich ein Anspruch aus Art. 3 GG i.V.m. Ziff. 1.3 StAR-VwV für die Kläger schon deshalb nicht, weil sie nicht nachweisen oder glaubhaft machen können, spätestens seit dem von deutschen Stellen als deutsche Staatsangehörige behandelt worden zu sein.

4. a) War nach alledem zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund des § 1 Abs. 1 Buchst. f StAngRegG i.V.m. der Volkslistenverordnung Ukraine außer der deutschen Volkszugehörigkeit und der Zugehörigkeit zur einheimischen Wohnbevölkerung des Reichskommissariats auch die Eintragung in die Deutsche Volksliste erforderlich, so geht es - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - zu Lasten der Kläger, dass sie die Eintragung des Vaters des Klägers zu 1 in die Deutsche Volksliste der Ukraine als rechtsbegründende Tatsache nicht nachzuweisen vermögen und verlässliche Anhaltspunkte für eine Eintragung des Vaters des Klägers zu 1 in eine der Abteilungen der Deutschen Volksliste nicht vorhanden sind (zu den Grundsätzen der Beweislastverteilung vgl. etwa BVerwG 8 C 117.72 - BVerwGE 44, 265 <269>, vom - BVerwG 9 C 22.90 - juris-Ausdruck unter Rn. 24, vom - BVerwG 8 C 10.00 - BVerwGE 114, 75 <77>; sowie zuletzt BVerwG 8 B 4.06 - juris).

b) Auch soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom unter Hinweis auf neu ermittelte Archivunterlagen vorträgt, entgegen bisheriger Annahme habe die Volksliste Ukraine nach nunmehr erreichtem Kenntnisstand faktisch schon im Jahre 1942 existiert und sei nicht so gut wie unausgeführt geblieben, sondern bei der Masse der Ukrainedeutschen schon vor Erlass der Volkslistenverordnung Ukraine angewendet und dann Grundlage der Selektion der vor der Sowjetarmee flüchtenden deutschen Bevölkerung gewesen, hat sie damit nicht den zeitgeschichtlichen Beweis für eine vollständige und damit auch die Familie des Vaters des Klägers zu 1 erfassende Durchführung der Verordnung erbracht, sondern lediglich Umstände vorgetragen, welche - allerdings auf statistisch nicht quantifizierbare Weise - die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass auch die Familie des Vaters des Klägers zu 1 volkslistenmäßig überprüft und erfasst worden war. Der von der Beklagten zur Bestätigung ihrer neuen Sicht angeführte Vermerk des Leiters der Einwandererstelle Litzmannstadt vom mit dem Hinweis, "nach Mitteilung der VOMI" (Volksdeutschen Mittelstelle) seien "die gesamten Volksdeutschen in der Ukraine in die Deutsche Volksliste eingetragen, jedoch ... nur bei einem geringen Teil der Volkslistenausweis ausgegeben worden", ist jedenfalls kein ausreichender zeitgeschichtlicher Beweis für eine umfassend durchgeführte Überprüfung und Eintragung der volksdeutschen Wohnbevölkerung. Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Volkslistenerfassung in dem Sinne Grundlage der Evakuierungen gewesen wären, dass ausschließlich oder vorrangig Eingetragene evakuiert worden wären. Für die Kläger besteht danach vielmehr - auch bei einem bis 1943 dauernden Verbleib der Familie des Vaters des Kläger zu 1 in Wo. - lediglich eine statistisch nicht quantifizierbare Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der Eintragung in die Deutsche Volksliste, jedoch keine Wahrscheinlichkeit der Art, welche als nach der Lebenserfahrung der Gewissheit gleichkommend oder vernünftigen Zweifeln Einhalt gebietend gewertet werden könnte (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, Rn. 5 zu § 108 m.w.N.).

c) Auch nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere zum Vertriebenen- und Asylrecht entwickelten Grundsätzen des Beweisnotstandes, welche es zulassen, bei einem unverschuldeten Beweisnotstand, in dem sich etwa Bewerber um einen Vertriebenenausweis vielfach befinden, in großem Umfang auch Tatsachen festzustellen, die nur vom Antragsteller vorgetragen sind, sofern die zur Entscheidung berufene Stelle dem Vortrag des Antragstellers glaubt (vgl. etwa BVerwG 9 C 22.90 - Buchholz 412.3 Nr. 15 zu § 18 BVFG und vom - BVerwG 9 C 40.92 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 71), ergibt das Vorbringen der Kläger keine ausreichend verlässlichen Anhaltspunkte für die Eintragung des Vaters des Klägers zu 1 in die Deutsche Volksliste. Diese Grundsätze betreffen die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit von Parteivorbringen, nicht aber die Einschätzung des quantitativ-statistischen Wahrscheinlichkeitsgrades behaupteter Tatsachen und ermöglichen es, eigenen Erklärungen der beweisbelasteten Partei größere Bedeutung beizumessen, als dies sonst in der Prozesspraxis der Fall ist, und den Beweiswert einer Aussage im Rahmen des Möglichen wohlwollend zu beurteilen (vgl. BVerwG 9 C 109.84 -BVerwGE 71, 180 <181 f.>). Insoweit muss es im vorliegenden Fall bei der Feststellung des Verwaltungsgerichts bleiben, dass die Erklärungen des Klägers zu 1 zur Eintragung in die Deutsche Volksliste ersichtlich nicht auf der Kenntnis des tatsächlichen Hergangs, sondern auf Vermutungen basieren (so kommt nach den oben dargelegten Selektionskriterien der Volkslistenverordnung etwa die von den Klägern im Vertriebenenverfahren behauptete gleichzeitige Eintragung in mehrere Abteilungen gleichzeitig rechtlich von vornherein nicht in Betracht).

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 20 000 € festgesetzt.

Fundstelle(n):
JAAAC-17592