Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StPO § 354 Abs. 1; StGB § 240 Abs. 4 Satz 1; StGB § 249 Abs. 1; StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 b; StGB § 253; StGB § 253 Abs. 1; StGB § 255; StGB § 265
Instanzenzug: LG Duisburg vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und Diebstahls in vier Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er allgemein die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Verurteilung des Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung gemäß §§ 253, 255, § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB (Fall II. 1. der Urteilsgründe) hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht Stand.
Nach den Feststellungen bestellte der heroinabhängige Angeklagte, der seit etwa 10 Jahren arbeitslos war und von staatlicher Unterstützung lebte, ein Taxi, nachdem er auf der Rückfahrt von Holland den Zug verlassen musste, weil er keine Fahrkarte vorweisen konnte. Er ließ sich, obwohl er nicht zahlen konnte, zu dem von dem Taxifahrer angegebenen Preis (60 bis 65 € bei einem Rabatt von 10 %) von Viersen nach Duisburg fahren. Als der Fahrer am Ende der Fahrt den Fahrpreis kassieren wollte, sagte ihm der Angeklagte, dass er kein Geld habe. Auf die Ankündigung des Fahrers, er werde die Polizei rufen, holte der Angeklagte einen wie eine Pistole aussehenden Gegenstand hervor und richtete ihn "auf den Taxifahrer, um diesen dazu zu bringen, dass er den Fahrpreis nicht weiter verlange". Aufgrund der Bedrohung mit der Scheinwaffe forderte der Taxifahrer, der die Drohung ernst nahm und nicht einschätzen konnte, ob es sich um eine scharfe Waffe handelte, den Fahrpreis nicht weiter ein und ließ den Angeklagten das Taxi verlassen.
Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen schwerer räuberischer Erpressung nicht. Allerdings kann eine Erpressung auch dadurch begangen werden, dass der Täter das Tatopfer durch Drohung oder Gewalt dazu veranlasst, auf die Geltendmachung einer Forderung zu verzichten, sei es durch Unterlassen geeigneter Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung, sei es dadurch, dass es (wie hier) duldet, dass sich der Täter entfernt, ohne seine Personalien anzugeben. Der von dem Tatbestand vorausgesetzte Vermögensschaden tritt in diesen Fällen aber nur ein, wenn die Forderung werthaltig ist. Wer auf die Geltendmachung einer wertlosen, weil gänzlich uneinbringlichen Forderung verzichtet, erleidet dadurch keinen Vermögensschaden. So liegen die Dinge hier. Das Vermögen des Taxifahrers ist bereits dadurch geschädigt worden, dass er den Angeklagten, obwohl dieser nicht zahlen konnte, abgeholt und von Viersen nach Duisburg gefahren hat. Nach den zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten getroffenen Feststellungen spricht nichts dafür, dass nachträgliche Bemühungen des Fahrers, den Fahrpreis - etwa auch gerichtlich - geltend zu machen, irgendeine Aussicht auf Erfolg gehabt hätten. Unter diesen Umständen hat der Angeklagte durch den Einsatz des Nötigungsmittels dem Vermögen des Fahrers keinen Nachteil im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB - auch nicht im Sinne einer Vertiefung des eingetretenen Schadens - zugefügt.
Allerdings ergeben die Feststellungen des Landgerichts, dass der Angeklagte sich des Betrugs (§ 263 StGB) - durch die aufgrund Täuschung über die Zahlungsfähigkeit erlangte Transportleistung - und der Nötigung (§ 240 StGB) - durch den aufgezwungenen "Verzicht" auf die Personalienfeststellung - schuldig gemacht hat.
Da in einer neuerlichen Hauptverhandlung zu diesem Fall weitergehende als die aus dem Urteil ersichtlichen Feststellungen nicht zu erwarten sind, insbesondere keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der neue Tatrichter feststellen könnte, dass die Fahrpreisforderung des Taxifahrer doch werthaltig war, hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch geändert. § 265 steht dem hier nicht entgegen, weil ausgeschlossen ist, dass sich der Angeklagte nach einem entsprechenden Hinweis anders als geschehen verteidigt hätte.
Die Berichtigung des Schuldspruchs im Fall II. 1. der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der zugehörigen Einzelstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie des Ausspruches über die Gesamtstrafe nach sich.
Der neue Tatrichter wird bei der Bemessung der Einzelstrafe für die Nötigung auch Gelegenheit zu der Prüfung haben, ob ein (unbenannter) besonders schwerer Fall des Delikts gemäß § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB gegeben ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
UAAAC-17545
1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein