Künstlerische Betätigung eines Restaurators
Gesetze: EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) seine Tätigkeit als Restaurator selbständig i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausübt.
Der Kläger restauriert seit Beginn der achtziger Jahre Fresken, Figuren und Reliefs aus dem Mittelalter bis hin zum Barock. Seine Auftraggeber sind vor allem Landesdenkmalämter sowie verschiedene Staatliche Hochbauämter.
Erstmals für die Zeiträume 1995 und 1996 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) Gewerbesteuermessbescheide für 1995 (einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag: ... DM) bzw. für 1996 (einheitlicher Gewerbesteuermessbetrag: ... DM). Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Im Streitfall habe der Kläger ein Privatgutachten vorgelegt, das zu dem Ergebnis komme, dass er eine freiberufliche Tätigkeit ausübe. Da weder die Beteiligten noch das FG über ausreichenden Sachverstand verfügten, habe das FG absprachegemäß den Hochschulprofessor X mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, ob der Kläger eine einem Künstler ähnliche Tätigkeit ausübe. Das Gutachten vom komme zu dem Ergebnis, dass das der Fall sei. Das FG habe keine Bedenken dieser Entscheidung zu folgen, zumal auch das FA lediglich formale Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht habe.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 EStG:
1. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers um die Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit gehandelt habe und somit eine selbständige, nicht der Gewerbesteuer unterliegende Einkünfteerzielung vorliege. Nach Ansicht des FG „übt der Kläger eine einem Künstler ähnliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) aus”. In diesem Zusammenhang zitiere das FG § 18 EStG in den Entscheidungsgründen jeweils mit Satz 1; aus dem Sinnzusammenhang sei allerdings davon auszugehen, dass offenbar Satz 2 gemeint ist. Das FG gehe offensichtlich davon aus, dass sich der Begriff „ähnliche Berufe” in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht nur auf die sog. Katalogberufe, sondern auch auf die unter die Vorschrift fallenden Tätigkeiten beziehe. Das sei nicht der Fall.
2. Das FG stütze seine Entscheidung letztlich allein darauf, dass der Sachverständige auf die Frage des Einzelrichters, „ob der Kläger eine einer künstlerischen Tätigkeit ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes ausübe”, zu Protokoll gegeben habe: „Ja, der Kläger übt einen einem Künstler ähnlichen Beruf aus.”
Das Sachverständigen-Gutachten selbst enthalte zur restauratorischen Tätigkeit des Klägers unter Ziffer 4 nur zwei eher beiläufige Aussagen, die in Richtung einer künstlerischen Tätigkeit weisen könnten: Der Kläger habe „eigenständig” an seinen Objekten gearbeitet und „ein Vergleich mit handwerklich ausgerichteten Arbeiten einschlägiger Firmen sei nicht gegeben”. Die Entscheidungsgründe des FG-Urteils gingen allerdings nicht darauf ein, sondern stützten sich ausschließlich auf die obige Aussage des Sachverständigen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
1. Das FA stelle erneut darauf ab, das FG habe seine Entscheidung allein darauf gestützt, dass er, der Kläger, „eine einem Künstler ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ausübe”. Dem sei zu widersprechen. Das FG habe aufgrund der Beweisaufnahme entschieden, dass er eine künstlerische Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ausübe. Schon der Gutachter Prof. X sei ganz eindeutig zu dem Ergebnis gekommen, dass er künstlerisch tätig gewesen sei. Wenn das FG dann in seiner Begründung formuliere, er übe eine einem Künstler ähnliche Tätigkeit aus, so habe es damit der Tatsache Rechnung getragen, dass seine Tätigkeit auch handwerkliche Elemente umfasse, welche aber nicht prägend seien.
2. Die Frage, ob eine Tätigkeit die Merkmale einer künstlerischen Tätigkeit erfülle, eine einheitliche Tätigkeit vorliege und welches Element einen einheitlichen Betrieb präge, habe das FG anhand der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei könne der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil des FG nur daraufhin überprüfen, ob die Würdigung des FG gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoße oder das FG Verfahrensvorschriften verletzt habe.
Im Ergebnis —und das habe auch das FA am Ende der Beweisaufnahme im Termin so gesehen— sei es unstreitig gewesen, dass er, der Kläger, eine künstlerische Tätigkeit ausübe und deshalb freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig sei. Diese Würdigung des FG verstoße weder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze noch habe das FG Verfahrensvorschriften verletzt, wobei Letzteres vom FA auch nicht gerügt werde.
3. Das FA meine weiter, das FG habe auch keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob etwa seine, des Klägers, Tätigkeit von freier schöpferischer Gestaltung geprägt sei, was in der Rechtsprechung als wesentlich für eine künstlerische Betätigung angesehen würde. Auch dieser Argumentation könne nicht gefolgt werden. Wenn das FG —dem Gutachter folgend— zu dem Ergebnis komme, es liege eine künstlerische Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor, so sei dieser Annahme immanent, dass er, der Kläger, eine eigenschöpferische Leistung vollbringe, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck komme und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreiche, denn gerade dies sei Voraussetzung für die Annahme einer künstlerischen Tätigkeit. Mithin wolle das FA auch insoweit mit seiner Begründung im Ergebnis lediglich tatsächliche Feststellungen angreifen.
II. Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen ist eine abschließende Entscheidung, ob der Kläger eine künstlerische Tätigkeit ausgeübt hat, nicht möglich.
1. Eine künstlerische Tätigkeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG übt ein Steuerpflichtiger nach ständiger Rechtsprechung des BFH —neben weiteren Voraussetzungen— nur dann aus, wenn er eine schöpferische Leistung mit einer gewissen Gestaltungshöhe vollbringt, d.h. eine Leistung, in der seine individuelle Anschauungsweise und seine besondere Gestaltungskraft klar zum Ausdruck kommen (, BFH/NV 1999, 460; vom IV R 63/02, BFHE 209, 116, BStBl II 2005, 362).
2. Die künstlerische Betätigung des Restaurators setzt voraus, dass der Gegenstand, mit dem er sich befasst, seinerseits ein Kunstwerk darstellt. Die Restaurierung eines —möglicherweise historisch bedeutsamen— Gebrauchsgegenstandes führt nicht zu einer künstlerischen Tätigkeit (BFH-Urteil in BFHE 209, 116, BStBl II 2005, 362).
Aber auch dann, wenn es sich bei dem restaurierten Gegenstand um ein Kunstwerk handelt, ist der Restaurator nicht künstlerisch tätig, soweit sich seine Arbeit auf Bereiche wie etwa die Festigung, die Sicherung von Bausubstanz oder die Reinigung von Bildern beschränkt. Seine eigene individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft kann ein Restaurator nur dort zum Ausdruck bringen, wo infolge der Beschädigung des Kunstwerks eine Lücke entstanden ist, die er durch seine Arbeit füllt (BFH-Urteil in BFHE 209, 116, BStBl II 2005, 362; Kempermann, Finanz-Rundschau 2005, 497).
Im Streitfall hat das FG insoweit keine Feststellungen getroffen, aus denen sich ergibt, welche Tätigkeit der Kläger im Einzelnen ausgeführt hat; durch die Zurückverweisung erhält das FG Gelegenheit, Feststellungen dazu zu treffen, inwieweit der Kläger nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen —ganz oder teilweise— künstlerisch tätig geworden ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2238 Nr. 12
CAAAC-16994