Kein Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage, ob die Programmierung von Robotern eine ingenieurähnliche Tätigkeit ist
Gesetze: EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Instanzenzug:
Gründe
Die Beschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen der Einkommensteuer für 2002 und die Beschwerde des Klägers im Übrigen sind teils unzulässig und teils unbegründet und daher insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.
1. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor. Entgegen der Rüge der Kläger weicht die Vorentscheidung nicht von dem (BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989) ab. Vielmehr hat das Finanzgericht (FG) seiner Entscheidung dieses Urteil ausdrücklich zugrunde gelegt, indem es ausgeführt hat, es könne offenbleiben, ob die vom Kläger in den Streitjahren entfaltete Tätigkeit als Systemsoftwareprogrammierung oder als Anwendungsprogrammierung zu verstehen sei. Es hat die Klage mit dem Begehren, die Einkünfte als solche i.S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und nicht als gewerblich (§ 15 EStG) zu qualifizieren, deshalb abgewiesen, weil es aufgrund einer Würdigung des Sachverhalts des Streitfalles der Auffassung war, dass der Kläger, der keinen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss als Ingenieur oder Informatiker erlangt hat, nicht über eine Ausbildung verfüge, die in ihrer Breite und Tiefe mit der des Berufs des Ingenieurs vergleichbar sei (Seite 5 2. Absatz des Urteils).
2. Die Kläger haben die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt. Dass die Frage, „ob es sich bei der Programmierung von Robotern um eine ingenieurähnliche Tätigkeit” handelt, noch nicht höchstrichterlich entschieden ist, macht sie nicht klärungsbedürftig. Der BFH hat bereits entschieden, allein der Umstand, dass jemand im Bereich der Systemsoftwareentwicklung tätig sei, reiche nicht aus, die Ähnlichkeit mit dem Beruf eines Ingenieurs oder Informatikers zu begründen; erforderlich sei außerdem eine Vergleichbarkeit der theoretischen Ausbildung mit derjenigen eines Ingenieurs oder Diplom-Informatikers (, BFH/NV 2003, 170, m.w.N.). An diesem Erfordernis hat der BFH auch in dem Urteil in BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989 ausdrücklich festgehalten (vgl. unter II. und II. 2. der Entscheidungsgründe). Nachvollziehbare Gründe dafür, weshalb dies bei einer praktischen Tätigkeit als Roboterprogrammierer anders sein solle, hat der Kläger jedenfalls vor dem Hintergrund nicht aufgezeigt, dass er in der Klageschrift vom (Seite 5 4. Absatz) in dem Verfahren 10 K 4762/03 selbst vorgetragen hat, als Systemsoftwareprogrammierer tätig zu sein.
3. Das angefochtene Urteil beruht entgegen der Rüge der Kläger auch nicht auf Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
a) Das FG hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht durch den Erlass einer überraschenden Entscheidung verletzt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH liegt eine sog. Überraschungsentscheidung dann vor, wenn das Gericht seine Entscheidung auf einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. z.B. , BFHE 186, 29, BStBl II 1998, 505, m.w.N., unter II. A. der Gründe; vom IV R 30/04, BFHE 209, 496, BStBl II 2005, 704). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Denn die Frage, ob der Kläger über eine Ausbildung verfügt hat, die mit derjenigen eines Ingenieurs vergleichbar ist, war der wesentliche Streitpunkt zwischen den Beteiligten. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) hatte dies verneint und die Einsprüche deshalb zurückgewiesen.
Auch mit ihrem Vorbringen über das Verhalten des Einzelrichters in der mündlichen Verhandlung haben die Kläger eine Überraschungsentscheidung nicht schlüssig dargelegt. Denn die Kläger tragen selbst vor, der Richter habe auf die Frage nach der Tendenz der möglichen Entscheidung keine Hinweise gegeben. Danach aber war der Ausgang des Verfahrens offen, so dass die Kläger auch mit einer die Klage abweisenden Entscheidung rechnen mussten.
b) Die Kläger haben einen Verfahrensfehler auch nicht schlüssig gerügt, soweit das FG die Klage unter dem Gesichtspunkt einer schriftstellerischen Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG abgewiesen hat.
Die Kläger haben zwar um einen entsprechenden richterlichen Hinweis für den Fall gebeten, dass die Abgrenzung der Einnahmen aus der Roboterprogrammierung zu den Einnahmen aus der Erstellung der Dokumentation nach Auffassung des Gerichts eine Rolle spielen sollte (Klageschrift vom , Seite 5 in dem Verfahren 10 K 4762/03). Das Unterlassen eines entsprechenden Hinweises war aber nicht verfahrensfehlerhaft, weil bei der Beurteilung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, der materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen ist (vgl. z.B. , BFHE 198, 403, BStBl II 2002, 714, 718; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 79). Aus der Sicht des FG war ein Hinweis wegen der Abgrenzung aber nicht erforderlich. Denn es hat die Klage insoweit nicht wegen der fehlenden Abgrenzung, sondern deshalb abgewiesen, weil seiner Meinung nach der Kläger die Voraussetzungen, unter denen die Anfertigung von Dokumentationen als schriftstellerische Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu würdigen sei, nicht nachgewiesen habe.
c) Soweit die Kläger in ihrem Schriftsatz vom eine mangelhafte Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen der Nichteinholung eines Sachverständigengutachens rügen, ist diese Rüge verspätet erhoben worden, da die Begründungsfrist (vgl. § 116 Abs. 3 FGO) bereits am abgelaufen war. Außerdem ist das Vorbringen der Kläger, mit der die Klage abweisenden Entscheidung habe nicht gerechnet werden müssen, weil nicht zu erwarten gewesen sei, dass die Roboterprogrammierung anders beurteilt werde als die Programmierung eines beliebigen Computers, nicht schlüssig (vgl. zu den Anforderungen an eine schlüssige Rüge einer mangelnden Sachaufklärung durch das FG z.B. das , BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637). Denn auch bei einer Tätigkeit als Systemsoftwareprogrammierer verlangt die Rechtsprechung den Nachweis einer vergleichbaren Ausbildung (vgl. BFH in BFH/NV 2003, 170, m.w.N.). Gegen eine Schlüssigkeit der Rüge spricht ferner, dass der Einzelrichter nach dem eigenen Vorbringen der Kläger trotz einer entsprechenden Frage keinen Hinweis auf den möglichen Prozessausgang gegeben hat, so dass es Sache der Kläger gewesen wäre, spätestens in der mündlichen Verhandlung die Einholung eines Gutachtens —unter Inkaufnahme des Kostenrisikos— zu beantragen. Dies ist ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung nicht geschehen.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2255 Nr. 12
SAAAC-16993