BAG Beschluss v. - 7 ABR 40/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB IX § 71 Abs. 3; SGB IX § 87; SGB IX § 97 Abs. 1; SGB IX § 97 Abs. 3; BPersVG § 6; BPersVG § 25; SchwbWO § 22; GVG § 17b

Instanzenzug: ArbG Berlin 86 BV 21902/03 vom LAG Berlin 5 TaBV 2627/03 vom LAG Berlin 5 TaBV 413/04 vom

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am bei dem zu 9) beteiligten Bundesministerium durchgeführten Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung.

Die zu 1) - 6) beteiligten Antragsteller sind vier Vertrauenspersonen von Dienststellen im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern (BMI) sowie eine Bezirks- und eine Gesamtvertrauensperson dieses Geschäftsbereichs.

Mit Schreiben vom lud die Hauptvertrauensperson der schwerbehinderten Menschen des BMI sämtliche Vertretungen der schwerbehinderten Menschen im Geschäftsbereich des Ministeriums zu einer Jahresversammlung vom 3. - nach Berlin ein. Auf dieser fand am die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung des BMI statt. An der Wahl beteiligten sich insgesamt 37 Vertreter von Schwerbehindertenvertretungen, darunter die Vertreterin der einzigen im Geschäftsbereich des BMI gebildeten Bezirksschwerbehindertenvertretung, fünf Gesamtvertrauenspersonen und 18 Vertrauenspersonen von personalvertretungsrechtlich verselbständigten Außen- und Nebenstellen. Die zu 7) beteiligte Hauptvertrauensperson wurde mit 24 : 13 Stimmen gewählt. In den vorherigen Wahlperioden wurde die Hauptvertrauensperson gleichfalls von allen im Geschäftsbereich des BMI gebildeten Vertretungen der schwerbehinderten Menschen gewählt.

Mit einem am beim Verwaltungsgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz haben sich die Antragsteller gegen die Gültigkeit der Wahl der Hauptvertrauensperson gewandt. Sie haben die Auffassung vertreten, dass die Wahl unter schweren Fehlern leide, die zu ihrer Nichtigkeit, zumindest aber zu ihrer Anfechtbarkeit führten. Den Schwerbehindertenvertretungen der nicht unmittelbar dem BMI nachgeordneten Dienststellen fehle ebenso das aktive Wahlrecht wie den Vertrauenspersonen der verselbständigten Außen- und Nebenstellen, wenn für ihre Dienststelle eine Gesamt- oder Bezirksschwerbehindertenvertretung bestehe. Daneben müsse eine Stimmengewichtung entsprechend den von den jeweiligen Schwerbehindertenvertretungen repräsentierten schwerbehinderten Menschen erfolgen.

Die Antragsteller haben beantragt,

1. festzustellen, dass die am erfolgte Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung bei dem Bundesministerium des Inneren nichtig ist,

2. hilfsweise die Wahl für ungültig zu erklären.

Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag der Antragsteller abgewiesen und auf den Hilfsantrag die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung für ungültig erklärt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die eingelegte Beschwerde der Hauptvertrauensperson die Anträge vollständig abgewiesen und die gegen die Abweisung des Hauptantrags eingelegte Anschlussbeschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihre Anträge weiter, während die Hauptvertrauensperson die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.

B. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die die Anschlussbeschwerde zurückweisende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts richtet. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde zulässig, aber unbegründet. Die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung ist nicht unwirksam.

I. Die Rechtsbeschwerde ist mangels ordnungsgemäßer Begründung unzulässig, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Anschlussbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht wendet. Die Rechtsbeschwerdebegründung entspricht insoweit nicht den Anforderungen des § 94 Abs. 2 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Nr. 2a ZPO.

1. Die Rechtsbeschwerdebegründung muss nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG angeben, inwieweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird, welche Bestimmungen verletzt sein sollen und worin die Verletzung bestehen soll. Nach § 551 Abs. 3 Nr. 2a ZPO müssen die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Rechtsbeschwerdeführer muss darlegen, warum er die Begründung des Beschwerdegerichts für unrichtig hält. Er darf sich nicht darauf beschränken, seine Rechtsausführungen aus den Vorinstanzen zu wiederholen ( - AP ArbGG 1979 § 94 Nr. 3 = EzA ArbGG 1979 § 94 Nr. 4, zu II 1 der Gründe mwN).

2. Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung nur teilweise. Es fehlt an einer Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, soweit es die gegen die Zurückweisung des Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl gerichtete Anschlussbeschwerde zurückgewiesen hat. Das Beschwerdegericht ist bei seiner Entscheidung über die Nichtigkeit der Wahl von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Nichtigkeit von Betriebsratswahlen ausgegangen, wonach die Wahl nur dann nichtig ist, wenn gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen worden ist, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Es muss sowohl ein offensichtlicher als auch ein besonders grober Verstoß gegen Wahlvorschriften vorliegen ( - 7 ABR 57/03 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1, zu B II 1 b bb [1] der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat die Nichtigkeit der Wahl mit der Begründung verneint, dass die von den Beteiligten zu 7) und 9) zur Auslegung des § 97 Abs. 3 SGB IX vertretenen Auffassungen nicht als abwegig anzusehen seien. Es fehle daher bereits an der Evidenz eines oder mehrerer Verstöße gegen Wahlvorschriften. Mit dieser auf das Fehlen eines offensichtlichen Wahlverstoßes bezogenen Begründung setzt sich die Rechtsbeschwerdebegründung nicht argumentativ auseinander. Sie wiederholt nur ihre bereits zur Begründung des Wahlanfechtungsantrags vertretene Auffassung, in dem Stimmenübergewicht einer Behörde und ihrer nachgeordneten Dienststellen liege ein massiver Verstoß gegen das Demokratieprinzip. Damit stellt sie die fehlende Evidenz der behaupteten Verstöße gegen das Wahlrecht nicht in Frage. Die Intensität der von den Antragstellern angenommenen Verstöße gegen das in § 97 Abs. 3 Satz 2 SGB IX geregelte Wahlverfahren sagt allein nichts darüber aus, ob die Verfahrensfehler zugleich so offensichtlich waren, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestand.

Eine gesonderte Auseinandersetzung mit der Offenkundigkeit der geltend gemachten Wahlfehler war auch deshalb erforderlich, weil die Hauptvertrauensperson bereits in den vorangegangenen Wahlperioden offenbar unbeanstandet von sämtlichen im Geschäftsbereich des BMI gebildeten Vertretungen der schwerbehinderten Menschen gewählt worden ist.

II. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung des Hilfsantrags richtet, ist sie zulässig, aber unbegründet. Allerdings haben die Vorinstanzen den Wahlvorstand zu Unrecht am Verfahren beteiligt. Diesen Fehler hat der Senat korrigiert, indem er den Wahlvorstand in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr beteiligt hat.

1. Die Vorinstanzen haben den Wahlvorstand zu Unrecht am Verfahren beteiligt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zB - 1 ABR 22/04 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 125 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 7, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I der Gründe; - 1 ABR 37/87 - BAGE 59, 371 = AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 14, zu B I 1 a der Gründe) ist Beteiligter eines Beschlussverfahrens in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen wird. Hieran fehlt es bei dem Wahlvorstand nach Abschluss des Wahlverfahrens, da mit diesem Zeitpunkt sein Amt endet. Gleichzeitig verliert der Wahlvorstand seine Beteiligungsfähigkeit. Er ist deshalb nicht Beteiligter in einem die Wahlanfechtung betreffenden Beschlussverfahren, selbst wenn sich die Anfechtung auf Mängel seiner Bestellung bzw. seines Verfahrens bezieht ( - BAGE 53, 119 = AP BetrVG 1972 § 1 Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 1 Nr. 6, zu II 2 a der Gründe; - 6 ABR 39/82 -BAGE 41, 275 = AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 9 = EzA ArbGG 1979 § 81 Nr. 1, zu II 1 c der Gründe; - 1 ABR 61/75 - AP BetrVG 1972 § 18 Nr. 1). Diese Grundsätze gelten auch für den zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung nach personalvertretungsrechtlichen Vorschriften gebildeten Wahlvorstand. Der Senat hat daher von einer weiteren Beteiligung des Wahlvorstands in der Rechtsbeschwerdeinstanz abgesehen.

2. Die gegen die Zurückweisung des Hilfsantrags gerichtete Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Wahlanfechtungsantrag ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

a) Der Hilfsantrag, mit dem die Antragsteller begehren, die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung für unwirksam zu erklären, ist zulässig.

aa) Die antragstellenden Vertrauenspersonen zu 2) - 6) sind anfechtungsberechtigt. Nach § 97 Abs. 7, § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX sind für die Wahl der Hauptvertrauensperson und ihres Stellvertreters die Vorschriften über die Wahlberechtigung bei der Wahl des Personalrats sinngemäß anzuwenden ( - AP SGB IX § 94 Nr. 4 = EzA SGB IX § 94 Nr. 3, zu B I 2 der Gründe). Bei der Personalratswahl sind nach § 25 BPersVG mindestens drei Wahlberechtigte anfechtungsberechtigt. Bei sinngemäßer Anwendung dieser Regelung auf die Anfechtung der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung sind mindestens drei zur Wahl der Hauptvertrauensperson Wahlberechtigte anfechtungsbefugt. Diese Mindestzahl ist vorliegend erreicht, der Antrag wird von einer Bezirksvertrauensperson und zumindest vier wahlberechtigten Vertrauenspersonen getragen. Auf die Antragsberechtigung der Gesamtvertrauensperson kommt es daher nicht an.

bb) Die Antragsteller haben die Wahl innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist von 12 Arbeitstagen, vom Tag der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet (§ 25 BPersVG), angefochten. Zwar hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, wann das Wahlergebnis der am durchgeführten Wahl bekannt gegeben worden ist. Dies war jedoch entbehrlich, da die am beim Verwaltungsgericht Berlin eingegangene Antragsschrift die Frist des § 25 BPersVG gewahrt hat, selbst wenn das Wahlergebnis noch am Wahltag bekannt gegeben worden sein sollte. Die Anfechtungsfrist ist auch nicht deshalb versäumt, weil die Antragsschrift zunächst bei einem Gericht eines anderen Rechtswegs eingegangen und nicht innerhalb der Frist des § 25 BPersVG an das Arbeitsgericht weitergeleitet worden ist. Nach § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG bleiben nach einer Entscheidung durch einen Verweisungsbeschluss die Wirkungen der Rechtshängigkeit bestehen. Zu diesen gehört die durch den rechtzeitigen Eingang der Antragsschrift eingetretene Wahrung der Anfechtungsfrist. Das Verwaltungsgericht Berlin hat durch Beschluss vom den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Berlin verwiesen.

b) Der Hilfsantrag ist aber nicht begründet. Nach dem sinngemäß anwendbaren § 25 BPersVG kann die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Danach liegt ein zur Ungültigkeit der Wahl der Hauptvertrauensperson führender Wahlfehler nicht vor. Die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen einschließlich der verselbständigten Außen- und Nebenstellen waren nach § 97 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX wahlberechtigt. Den Gesamtschwerbehindertenvertretungen fehlte zwar das aktive Wahlrecht. Deren Teilnahme führt aber nicht zur Unwirksamkeit der nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl durchzuführenden Wahl, da durch diesen Fehler das Wahlergebnis nicht beeinflusst worden ist.

aa) Nach § 97 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wählen die Schwerbehindertenvertretungen der einzelnen Dienststellen eine Gesamtschwerbehindertenvertretung, wenn für den Geschäftsbereich mehrerer Dienststellen ein Gesamtpersonalrat errichtet ist. Für den Geschäftsbereich mehrstufiger Verwaltungen, bei denen ein Bezirks- oder Hauptpersonalrat gebildet ist, gilt § 97 Abs. 1 SGB IX sinngemäß mit der Maßgabe, dass bei den Mittelbehörden von deren Schwerbehindertenvertretung und den Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen eine Bezirksschwerbehindertenvertretung zu wählen ist (§ 97 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Bei den obersten Dienstbehörden ist von deren Schwerbehindertenvertretung und den Bezirksschwerbehindertenvertretungen des Geschäftsbereichs eine Hauptschwerbehindertenvertretung zu wählen; ist die Zahl der Bezirksschwerbehindertenvertretungen niedriger als 10, sind auch die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen wahlberechtigt (§ 97 Abs. 3 Satz 2 SGB IX). Der Gesetzgeber hat aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung für die Schwerbehindertenvertretungen in einer mehrstufigen Verwaltung keine Direktwahl durch die schwerbehinderten Menschen, sondern vorrangig eine Wahl durch die Bezirksvertrauenspersonen vorgesehen. Danach ist die Hauptschwerbehindertenvertretung grundsätzlich durch die im Geschäftsbereich der obersten Dienststelle gebildeten Bezirksschwerbehindertenvertretungen zu wählen, soweit deren Zahl zumindest zehn beträgt. Nur wenn für die Wahl zur Hauptschwerbehindertenvertretung eine ausreichend breite Basis fehlt, sind nach § 97 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX neben der Schwerbehindertenvertretung der obersten Dienstbehörde und den Bezirksschwerbehindertenvertretungen auch die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen wahlberechtigt.

bb) Da im Geschäftsbereich des BMI nur eine Bezirksschwerbehindertenvertretung bestand, waren nach § 97 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX sämtliche Schwerbehindertenvertretungen wahlberechtigt. Für das Wahlrecht der Schwerbehindertenvertretungen ist es ohne Bedeutung, ob sie eine verselbständigte Außen- oder Nebenstelle, eine dem BMI nur mittelbar nachgeordnete Dienststelle oder eine Dienststelle, für die eine Bezirksschwerbehindertenvertretung gebildet ist, vertreten.

(1) Zu den nach § 97 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX wahlberechtigten Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen zählen auch die Schwerbehindertenvertretungen der nach § 6 Abs. 3 BPersVG verselbständigten Außen- und Nebenstellen. Das folgt aus dem Wortlaut der Normen und deren Gesamtzusammenhang.

Der Begriff der Dienststelle iSd. Teil 2 des SGB IX, zu dem § 97 gehört, bestimmt sich gem. § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nach dem Personalvertretungsrecht (zu § 24 Abs. 1 Satz 1 SchwbG: -BVerwGE 110, 163 = AP SchwbG 1986 § 24 Nr. 1, zu II 2 der Gründe; zu §§ 1, 4 BetrVG: - AP BetrVG 1972 § 3 Nr. 4 = EzA BetrVG 2001 § 3 Nr. 1, zu B I 3 a aa der Gründe). Für die Bestimmung der Organisationseinheiten, von deren Vertretungen die Hauptschwerbehindertenvertretung zu wählen ist, sind danach grundsätzlich die Vorschriften der §§ 1, 6 BPersVG maßgebend. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BPersVG gelten als selbständige Dienststellen Nebenstellen und Teile einer Dienststelle, die räumlich weit von dieser entfernt liegen, wenn die Mehrheit ihrer wahlberechtigten Beschäftigten dies in geheimer Abstimmung beschließt. Aus der Verwendung des Ausdrucks "gelten" wird zwar erkennbar, dass an Nebenstellen oder Teile einer Dienststelle, die durch Beschluss der Beschäftigten verselbständigt werden, nicht die strengen organisatorischen Maßstäbe angelegt werden, die sonst gem. § 6 Abs. 1 BPersVG für die Personalratsfähigkeit von Dienststellen zu beachten sind. Jedoch wird eine nach § 6 Abs. 3 BPersVG verselbständigte Dienststelle personalvertretungsrechtlich wie eine Dienststelle mit originärer Selbstständigkeit behandelt ( - BVerwGE 88, 233). Die durch § 6 Abs. 3 BPersVG verliehene Dienststelleneigenschaft gilt nach § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB IX auch im Bereich des Teil 2 des SGB IX, in dem die Wahlvorschriften für die Vertretungen der schwerbehinderten Menschen enthalten sind.

(2) Auch die Schwerbehindertenvertretungen der den Mittelbehörden nachgeordneten Dienststellen waren wahlberechtigt.

Dies folgt zunächst aus dem Wortlaut von § 97 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX, wonach die Wahlberechtigung der Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Behörden nicht davon abhängt, ob sie der obersten Dienstbehörde unmittelbar oder nur mittelbar nachgeordnet sind. Hierfür spricht auch § 6 Abs. 2 Satz 1 BPersVG. Danach bildet die einer Behörde der Mittelstufe unmittelbar nachgeordnete Behörde mit den ihr nachgeordneten Stellen eine Dienststelle; dies gilt nicht, soweit auch die weiter nachgeordneten Stellen im Verwaltungsaufbau nach Aufgabenbereich und Organisation selbständig sind. Die Regelung verdeutlicht, dass der Gesetzgeber in der für den Dienststellenbegriff zentralen Vorschrift des § 6 BPersVG bei der Beschreibung des Behördenaufbaus zwischen unmittelbar und weiter nachgeordneten Behörden unterscheidet. Eine § 6 Abs. 2 Satz 1 BPersVG entsprechende Differenzierung zwischen Schwerbehindertenvertretungen der unmittelbar nachgeordneten und den weiter nachgeordneten Behörden enthält § 97 Abs. 3 Satz 2 SGB IX nicht. Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch § 71 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX. Danach gilt als öffentlicher Arbeitgeber iSd. Teil 2 jede oberste Bundesbehörde mit ihren nachgeordneten Dienststellen. Zu diesen zählen nicht nur die unmittelbar nachgeordneten, sondern alle nachgeordneten Dienststellen (Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 11. Aufl. § 71 Rn. 26).

(3) Die Wahlberechtigung der Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen besteht unabhängig davon, ob für diese Dienststellen eine Bezirksschwerbehindertenvertretung gebildet ist. Dies folgt, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, bereits aus dem Wortlaut von § 97 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX.

Für eine Beschränkung des Wahlrechts auf solche Schwerbehindertenvertretungen, in deren Bereich keine Bezirksschwerbehindertenvertretung errichtet worden ist, enthält der Gesetzeswortlaut keinen Anhaltspunkt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung bei Fehlen einer ausreichenden Anzahl von Bezirksschwerbehindertenvertretungen auch durch die Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen erfolgen. Die Beschränkung des aktiven Wahlrechts auf die Schwerbehindertenvertretungen, für die keine Bezirksschwerbehindertenvertretung gewählt worden ist, könnte dazu führen, dass die durch den Rückgriff auf die Wahlberechtigung der Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen geschaffene breite Basis für die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung wieder beseitigt wird.

cc) Die Gesamtschwerbehindertenvertretungen waren für die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung zwar nicht wahlberechtigt. Bei der Gesamtschwerbehindertenvertretung handelt es sich nicht um eine für eine nachgeordnete Dienststelle gebildete Schwerbehindertenvertretung. Dieser Fehler führt jedoch nicht zur Anfechtbarkeit der Wahl, da er das Wahlergebnis nicht beeinflusst hat.

(1) Gesamtschwerbehindertenvertretungen sind nach § 97 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX nicht wahlberechtigt. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, der Gesetzessystematik und der Funktion der Gesamtschwerbehindertenvertretung.

Schon der Wortlaut des § 97 Abs. 1 und 3 SGB IX unterscheidet begrifflich zwischen der Schwerbehindertenvertretung und der Gesamtschwerbehindertenvertretung. § 97 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX gewährt nur den Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen ein Wahlrecht zur Hauptschwerbehindertenvertretung, nicht aber den Gesamtschwerbehindertenvertretungen.

Eine Auslegung des § 97 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz SGB IX, die zur Wahlberechtigung der Gesamtschwerbehindertenvertretung für die Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung führt, ist auch nach der Gesetzessystematik nicht geboten. Zwar ist die Gesamtschwerbehindertenvertretung wie die Schwerbehindertenvertretung eine Vertretung der schwerbehinderten Menschen auf der untersten Stufe in einer mehrstufigen Behörde. Die der Gesamtschwerbehindertenvertretung übertragenen Aufgaben sind jedoch wie die Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats (§ 55 BPersVG, dazu - PersV 1986, 329), bei dem die Gesamtschwerbehindertenvertretung gebildet wird, nur auf eine Auffangzuständigkeit in den beteiligungspflichtigen Angelegenheiten, die von den Schwerbehindertenvertretungen der verselbständigten Dienststellenteile mangels Legitimation nicht geregelt werden können, beschränkt (§ 97 Abs. 6 Satz 1 SGB IX). Hierzu zählt die Beteiligung an der Wahl zu der Hauptschwerbehindertenvertretung nicht.

(2) Die fehlerhafte Beteiligung der Gesamtschwerbehindertenvertretungen an der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung führt nicht zur Anfechtbarkeit der Wahl.

Der Wahlfehler hat, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, das Ergebnis der durchgeführten Wahl nicht beeinflusst. Nach § 25 BPersVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Dafür ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtungsweise eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis geführt hätte (vgl. - BAGE 108, 375 = AP BetrVG 1972 § 19 Nr. 54 = EzA BetrVG 2001 § 19 Nr. 2, zu B II 3 a der Gründe mwN). So verhält es sich im Streitfall. Ohne die Beteiligung der fünf Gesamtvertrauenspersonen hätte das Wahlergebnis 19 : 13 betragen. Auch in diesem Fall wäre der Beteiligte zu 7) als Hauptvertrauensperson gewählt worden.

dd) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Wahl nicht deshalb anfechtbar, weil die Stimmen der Schwerbehindertenvertretungen der nachgeordneten Dienststellen bei der Wahl zur Hauptschwerbehindertenvertretung entsprechend der Anzahl der von ihnen vertretenen schwerbehinderten Menschen zu gewichten gewesen wären. Nach § 97 Abs. 7, § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB IX ist die Hauptschwerbehindertenvertretung von den wahlberechtigten Bezirks- und Schwerbehindertenvertretungen nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl zu wählen. Durch die Bezugnahme in § 22 Abs. 1 SchwbWO auf § 9 Abs. 1 SchwbWO ist klargestellt, dass die wahlberechtigten Bezirksvertrauenspersonen und Vertrauenspersonen jeweils eine Stimme für die Wahl der Hauptvertrauensperson haben. Die gesetzliche Regelung ist daher nicht lückenhaft und erfordert keinen Rückgriff auf die für die Bildung des Gesamtbetriebsrats geltenden Grundsätze (§ 47 BetrVG). Im Übrigen übersehen die Antragsteller, dass die Anzahl der von den Einzelbetriebsräten vertretenen Arbeitnehmer nicht bei der Bildung des Gesamtbetriebsrats nach § 47 Abs. 2 BetrVG, sondern erst bei der Stimmengewichtung (§ 47 Abs. 7 BetrVG) von Bedeutung ist.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordern weder das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG noch der sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergebende Grundsatz der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl die Berücksichtigung der von den Schwerbehindertenvertretungen repräsentierten schwerbehinderten Menschen bei der Wahl der Hauptschwerbehindertenvertretung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
EAAAC-16911

1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein