Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 4; StPO § 349 Abs. 2; StGB § 33; StGB § 46 Abs. 2; StGB § 46 Abs. 3
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten, die insbesondere geltend macht, das Landgericht habe ihm Notwehr, hilfsweise eine Überschreitung der Notwehr unter den Voraussetzungen des § 33 StGB zugute halten müssen, erweist sich aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Das Rechtsmittel erzielt aber hinsichtlich des Strafausspruchs einen Teilerfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der 60 Jahre alte Angeklagte und der 42 Jahre alte E. seit November 2000 verfeindet. Sie trafen in der Nacht des - zunächst auf gegenüber liegenden Bürgersteigen - aufeinander, beleidigten sich lautstark gegenseitig und forderten den jeweiligen Gegner auf, doch auf die andere Straßenseite herüber zu kommen. Beide trafen dann auf der Fahrbahn aufeinander. Der mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ alkoholisierte Angeklagte erlitt einen heftigen Schlag gegen die Brust und stürzte rückwärts schmerzhaft zu Boden. Er erhob sich wieder, zog ein Messer aus seiner Tasche, öffnete dieses und stach fünf Mal von vorn und hinten gegen Hals und Oberkörper des E. , der dem Angeklagten seinerseits noch heftige Faustschläge versetzte. E. verstarb infolge eines in den Herzbeutel geführten Messerstichs.
2. Das Landgericht hat die Annahme eines minder schweren Falles gemäß § 227 Abs. 2 StGB im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen verneint: "...der Getötete (hat) durch sein eigenes aggressives Verhalten einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung der Auseinandersetzung geleistet, indem er auf den Angeklagten zustürmte und ihn niederschlug, nachdem er sich zuvor an wechselseitigen Beleidigungen beteiligt bzw. diese möglicherweise sogar begonnen hatte. Weil der Angeklagte in erheblichem Umfang Alkohol zu sich genommen hatte, war seine Hemmschwelle zur Begehung der Tat zudem herabgesetzt. Gegen die Annahme eines minder schweren Falles spricht jedoch, dass der Angeklagte von Beginn der Auseinandersetzung an ein hohes Maß an Aggressivität gezeigt hat, das ihn sogleich zum Messer greifen und ohne Vorwarnung wiederholt zustechen ließ."
Solches stößt auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGHSt 29, 319, 320) auf durchgreifende Bedenken.
Die Erwägung, der Angeklagte habe "sogleich" zum Messer gegriffen und deshalb ein hohes Maß an Aggressivität gezeigt, findet in den Feststellungen keine Stütze (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 16). Danach wurde der Angeklagte zunächst in schmerzhafter Weise vom späteren Opfer niedergeschlagen. Erst danach habe er sein Messer eingesetzt.
Auch der Umstand, dass der Angeklagte "ohne Vorwarnung" wiederholt zugestochen hat, ist nicht geeignet, hier einen maßgeblich erhöhten Schuldvorwurf zu belegen. Mit einer Warnung hätte der Angeklagte vielmehr einen die Schuld mindestens weiter herabsetzenden Umstand begründet, weil der Täter dem Opfer noch Gelegenheit gegeben hätte, seine körperliche Integrität durch Beendigung der eigenen Aggression zu bewahren.
Schließlich stößt hier auch die schulderhöhende Bewertung der Anzahl der vom Angeklagten geführten Stiche auf Bedenken. Zwar manifestieren sie grundsätzlich eine in der Tatausführung zum Ausdruck kommende erhöhte kriminelle Energie (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Tötungsversuch 1). Vorliegend hätte das Landgericht aber auch den dieser Wertung entgegenstehenden Umstand erwägen müssen, dass der Angeklagte nicht nur "aus Wut über die vorausgegangenen Beleidigungen" gehandelt hat, sondern auch "um sich den wieder auf ihn zukommenden Getöteten vom Leib zu halten" (UA S. 9), mithin auch mit dem Willen, sich zu verteidigen.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich eine zutreffende Bewertung der dargelegten Umstände bei Strafrahmenwahl und Straffestsetzung zugunsten des Angeklagten ausgewirkt hätte. Neben der Aufhebung des Strafausspruchs bedarf es einer Aufhebung von Feststellungen bei dem hier vorliegenden bloßen Wertungsfehler nicht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
IAAAC-16898
1Nachschlagewerk: nein