BFH Beschluss v. - VII E 18/05

Instanzenzug:

Gründe

I. Der dem Kostenansatz zugrunde liegende Rechtsstreit betraf eine Klage der Kostenschuldnerin und Erinnerungsführerin (Kostenschuldnerin), mit der diese für den Betrieb von Fotogroßlaboren eine Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom gemäß § 9 Abs. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom (BGBl I, 378) begehrte. Mit der Begründung, dass die Unternehmen der Klägerin nicht dem Produzierenden Gewerbe zugeordnet werden könnten, wies das Finanzgericht (FG) die Klage als unbegründet ab. Die vom FG zugelassene Revision hatte ebenfalls keinen Erfolg (). Mit Kostenrechnung vom KostL 1483/05 hat die Kostenstelle des BFH die für das Revisionsverfahren zu entrichtenden Gerichtskosten mit 4 780 € angesetzt, wobei sie einen Streitwert von 118 789 € zugrunde gelegt hat. Unter Heraufsetzung des Streitwerts auf 146 192 € hat die Kostenstelle die Kostenrechnung mit Schreiben vom berichtigt und Gerichtskosten in Höhe von nunmehr 5 780 € angesetzt. Dabei wurde der Streitwert nach den finanziellen Vorteilen vom Zeitpunkt der Einführung der Stromsteuer zum bis zur Klageerhebung im Oktober 2000 zuzüglich des durchschnittlichen finanziellen Nutzens eines Jahres bemessen.

Dagegen wendet sich die Kostenschuldnerin mit ihrer Erinnerung. Unter Berufung auf den Senatsbeschluss vom VII S 16/80 (BFHE 132, 206, BStBl II 1981, 276) beantragt sie, den Streitwert nach dem Wert der erstrebten Steuerersparnis für den Zwölf-Monats-Zeitraum vom bis zum in Höhe von 53 926,88 € zu bemessen. Sie ist der Rechtsansicht, dass der Streitwert bei „Dauertatbeständen” nicht von der vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbaren Verfahrensdauer abhängig gemacht werden könne, sondern in typisierender Weise ermittelt werden müsse.

II. Die Erinnerung hat zum Teil Erfolg. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Kostenentscheidung. Entgegen der Auffassung der Kostenschuldnerin ist der Streitwert jedoch nicht mit 53 926,88 €, sondern mit 58 563 € anzusetzen.

1. Da im Streitfall die Revision am eingelegt worden ist, findet nach § 72 des Gerichtskostengesetzes (GKG) das GKG in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl I, 3047) Anwendung (GKG a.F.). Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. ist im Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Streitwert grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

2. Im vorliegenden Fall geht der Streit um die Frage, ob der Kostenschuldnerin ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom zusteht. Das Interesse der Kostenschuldnerin richtet sich somit auf die Gewährung eines Steuervorteils auf unbestimmte Zeit. In Bezug auf Dauerschuldverhältnisse sehen die §§ 16 Abs. 2 und 17 Abs. 1 GKG a.F. für den Regelfall einen Streitwert in Höhe eines Jahresbetrages voraus. Hinsichtlich der Bewilligung eines Mineralöllagers ist der Senat in Anlehnung an diese Regelungen davon ausgegangen, dass sich der Streitwert nach dem wirtschaftlichen Nutzen richtet, den der Lagerinhaber durchschnittlich im Zeitraum eines Jahres erzielt; dabei hat er der Berechnung dieses Nutzens den Zeitraum ab Bewilligung des Lagers bis zum Widerruf derselben zugrunde gelegt (BFH-Beschluss in BFHE 132, 206, BStBl II 1981, 276).

Diese Grundsätze können auf den Streitfall übertragen werden. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Kostenschuldnerin nie im Besitz einer Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom gewesen ist, die vom Hauptzollamt (HZA) hätte widerrufen werden können. Zur Bestimmung des Beginns des Jahreszeitraums, der für die Streitwertfestsetzung maßgebend ist, erscheint es dem Senat zweckmäßig, auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 9 Abs. 3 StromStG abzustellen. Im Streitfall hat die Kostenschuldnerin den Antrag im April 1999 gestellt. Ausweislich der Nachberechnung der Stromsteuer durch den Stromlieferanten der Kostenschuldnerin hätte der Steuervorteil bei Gewährung der Steuerbegünstigung für die ersten 21 Monate ab Antragstellung 102 486,51 € betragen. Dies ergibt einen Streitwert in Höhe von (102 468,51 € : 21 Monate x 12 Monate) 58 563 €.

3. Entgegen der Rechtsansicht des , Steuer-Eildienst 2004, 444, juris Nr: STRE200470840) sind dem so errechneten Streitwert die sich bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung ergebenden finanziellen Vorteile bei Erteilung einer Erlaubnis für diesen Zeitraum nicht hinzuzurechnen. Der (BFHE 192, 19, BStBl II 2000, 544) zur Streitwertfestsetzung in einem Verfahren wegen Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer ist deshalb auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil der Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom eine konstitutive Wirkung zukommt (vgl. zur Erlaubnis nach § 12 des Mineralölsteuergesetzes Senatsbeschluss vom VII B 150/03, BFH/NV 2004, 981). Eine rückwirkende Erteilung einer solchen Erlaubnis ist in den Vorschriften des Stromsteuerrechts (§ 9 StromStG, §§ 8 und 9 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung —StromStV—) nicht vorgesehen. Daran kann auch der Hinweis im Vordruck des Antrags auf Erlangung einer Erlaubnis zur steuerbegünstigten Entnahme von Strom nichts ändern, nach dem das HZA die Erlaubnis rückwirkend ab dem Zeitpunkt erteilen kann, zu dem die Anspruchsvoraussetzungen vorlagen, frühestens jedoch mit Wirkung vom 1. Januar des Kalenderjahres, in dem der Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis gestellt wird (Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung V 4395). Weder die Möglichkeit einer rückwirkenden Erlaubniserteilung noch deren zeitliche Beschränkung finden eine Stütze in den einschlägigen Rechtsvorschriften.

Wird Strom ohne die für die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes erforderliche Erlaubnis entnommen, entsteht die Steuer zum Regelsteuersatz des § 3 StromStG. Es wäre mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren, wenn es in der Hand der Finanzverwaltung läge, durch eine im Gesetz nicht vorgesehene rückwirkende Erlaubniserteilung eine einmal entstandene Steuer wieder rückgängig zu machen. Auch könnte in diesen Fällen die Funktion des vom HZA auszustellenden Erlaubnisscheins nicht zum Tragen kommen, die darin besteht, den Nachweis der Bezugsberechtigung während der Belieferung mit Strom in einer Urkunde zu verbriefen (§ 9 Abs. 1 StromStV). Schließlich könnten eine Gefährdung des Steueraufkommens und eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung durch eine uneingeschränkte Möglichkeit der rückwirkenden Erlaubniserteilung nicht ausgeschlossen werden (, Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 194). Die dargestellte Rechtslage schließt einen Rückgriff auf den in § 17 Abs. 4 Satz 1 GKG a.F. zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken aus, nach dem die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge dem Streitwert hinzuzurechnen sind. Da die Stromsteuervorschriften eine rückwirkende Erteilung der Erlaubnis zur steuerbegünstigten Verwendung von Strom nicht vorsehen, sind im Streitfall bei Klageerhebung auch keine Beträge aufgelaufen, die i.S. von § 17 Abs. 4 Satz 1 GKG a.F. als fällig angesehen werden könnten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2135 Nr. 11
DStRE 2007 S. 109 Nr. 2
KÖSDI 2007 S. 15419 Nr. 2
DAAAC-16489