Grundstückskaufpreis von 1 DM als Gegenleistung i.S. des § 8 GrEStG
Leitsatz
Als Gegenleistung i. S. des § 8 Abs. 1 GrEStG gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb von Grundstücken gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung von Grundstücken empfängt. Ein symbolischer Kaufpreis, der nicht als Gegenleistung i. S. des § 8 Abs. 1 GrEStG angesehen werden kann, wird angenommen, wenn der Kaufpreis in einem so krassen Missverhältnis zum Wert des Grundstücks steht, dass er sich dazu in keinerlei Relation bringen lässt und daher nicht ernsthaft vereinbart ist. Als Gegenleistung i. S. des § 8 Abs. 1 GrEStG ist auch ein Grundstückskaufpreis von 1 DM anzusehen, wenn er ernsthaft vereinbart worden ist, weil z. B. die Gebäudeabbruchkosten den Wert des Grund und Bodens überstiegen haben. Das gilt auch, wenn die Parteien des Grundstücksgeschäfts angesichts ihrer gemeinsamen Vorstellung vom Wert des Grundstücks anstelle eines Kaufpreises von 1 DM auch 0 DM hätten ansetzen können.
Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, GrEStG § 8 Abs. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist in der Rechtsform einer GmbH eine Nachfolgeeinrichtung der Treuhandanstalt. Alleingesellschafter ist der Bund (§ 2 der Treuhandliegenschaftsübertragungsverordnung vom , BGBl I, 3908). Die Klägerin erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom von der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) —ebenfalls eine Nachfolgeeinrichtung der Treuhandanstalt— zum Gesamtkaufpreis von X Mio. DM eine Vielzahl von Grundstücken, die in einer Anlage einzeln aufgeführt waren. Die Anlage wies für jedes Grundstück einen individuellen Kaufpreis aus, der in den Gesamtkaufpreis einging. Für einige der Grundstücke war ein Kaufpreis von 1 DM angegeben. Darunter befand sich auch das streitbefangene Grundstück. Nach einer von der BvS erstellten „Ankaufsliste” vom sollte der Verkehrswert des Grundstücks 300 000 DM betragen.
Die für Thüringen zuständige Niederlassung der Klägerin hielt diesen Wert jedoch nicht für angemessen. Sie berief sich dabei auf den schlechten Bauzustand der Gebäude. Ein Teil der Gebäude sei baupolizeilich geschlossen und die Instandsetzung unwirtschaftlich. Der andere Teil stehe unter Denkmalschutz —es handelte sich um einen Ensembleschutz—; seine ursprüngliche Nutzung als Gaststätte sei wegen des schlechten Gebäudezuschnitts nicht sinnvoll. Der Wert dieses Teils der Gebäude sei mit einem symbolischen Betrag von 1 DM anzusetzen. Der Wert des Grund und Bodens belaufe sich auf 120 000 DM. Der Abbruch des baufälligen Teils der Gebäude werde Kosten von 256 500 DM verursachen. Dem lag eine Schätzung der Abbruchkosten von 45 DM/cbm umbauten Raums zugrunde. Insgesamt ergab sich ein negativer Grundstückswert. Die Niederlassung schlug daher einen Ankauf zum Preis von 1 DM vor.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) sah den vereinbarten Preis von 1 DM als symbolischen Kaufpreis an und veranlasste gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die gesonderte Feststellung des Grundstückswerts gemäß § 138 Abs. 5 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG). Auf der Grundlage dieses Werts setzte das FA mit Bescheid vom Grunderwerbsteuer von 45 885 DM fest. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides verlangt hatte, weil der Preis von 1 DM auf ernsthaften Erwägungen beruht habe, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 63 veröffentlichten Urteil der Ansicht, es könne auf sich beruhen, ob dem Grundstück ein positiver oder negativer Verkehrswert zugekommen sei; solange ein solcher Wert nicht seinen Niederschlag in einer Gegenleistung gefunden habe, sei er unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 2 GrEStG unbeachtlich.
Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 8 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Der vereinbarte Preis von 1 DM stelle einen zwischen fremden Dritten ausgehandelten und ernsthaft vereinbarten Kaufpreis dar. Nach den Vorstellungen der Vertragspartner hätten sich Leistung und Gegenleistung ausgewogen gegenübergestanden.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Grunderwerbsteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Das FG hat dem vereinbarten Kaufpreis zu Unrecht die Eigenschaft einer Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 GrEStG abgesprochen und ihm einen lediglich symbolischen Charakter beigemessen. Daher waren die Vorentscheidung sowie der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
1. Die Klägerin hat ihre Revisionsrüge einer fehlerhaften Anwendung des § 8 Abs. 1 und 2 sowie des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ausreichend begründet. Soweit das FA gegenteiliger Auffassung ist, kann ihm nicht gefolgt werden.
2. Gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb von Grundstücken gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung von Grundstücken empfängt (, BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174, sowie vom II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186). Ist eine Gegenleistung in diesem Sinne nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, wird die Steuer gemäß Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Vorschrift nach den Werten i.S. des § 138 Abs. 2 oder 3 BewG bemessen. Im Streitfall ist diese Ausnahmeregelung jedoch nicht anzuwenden, weil der vereinbarte Kaufpreis von 1 DM eine Gegenleistung im Sinne des Absatzes 1 der Vorschrift darstellt.
a) Ein symbolischer Kaufpreis, der nicht als Gegenleistung i.S. des § 8 Abs. 1 GrEStG angesehen werden kann, wird angenommen, wenn der Kaufpreis in einem so krassen Missverhältnis zum Wert des Grundstücks steht, dass er sich dazu in keinerlei Relation bringen lässt und daher nicht ernsthaft vereinbart ist (so , BFHE 176, 456, BStBl II 1995, 268, unter II.1.b, sowie vom II R 46/93, BFH/NV 1996, 578, unter 1. a.E.). Bei der Prüfung, ob ein derartiges Missverhältnis vorliegt, ist zu berücksichtigen, dass ein vereinbarter Kaufpreis grundsätzlich auch dann als Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist, wenn er den Wert des Grundstücks —ggf. deutlich— unterschreitet. Der Verkehrswert des Grundstücks stellt keine hilfsweise heranzuziehende Bemessungsgrundlage dar (, BFH/NV 1997, 613, a.E.). Diese Grundsätze hat das FG verkannt. Daher war die Vorentscheidung aufzuheben.
b) Die Sache ist spruchreif. Die vom FG festgestellten Tatsachen ergeben, dass im Streitfall der Kaufpreis von 1 DM ernsthaft vereinbart worden ist. Die Klägerin hat durch ihre Niederlassung vor Ort den in der Ankaufsliste der BvS angegebenen Wert des streitbefangenen Grundstücks überprüft. Dabei ist der baufällige Zustand eines wesentlichen Teils der Gebäude aufgefallen. Diese Gebäudeteile wurden daher nicht nur als wertlos, sondern darüber hinaus als künftige Verursacher erheblicher Abbruchkosten angesehen. Diese Abbruchkosten wurden aufgrund der konkret berechneten Kubikmeter umbauten Raums ermittelt. Dabei ergaben sich Kosten, die den Wert des Grund und Bodens und der noch nutzbaren Gebäudeteile überstiegen. Unter diesen Umständen kann nicht davon gesprochen werden, der vereinbarte Kaufpreis von 1 DM stehe in keiner Relation zum Wert des Grundstücks und sei nicht ernsthaft vereinbart worden. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass die Klägerin nicht angegeben hat, wie sie zu den Abbruchkosten pro Kubikmeter umbauten Raums von 45 DM gelangt ist. Entscheidend ist, dass sie mit derartigen Kosten rechnete und die BvS daraufhin ihre Wertvorstellungen aus der Ankaufsliste fallen ließ. An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass die Parteien des Grundstücksgeschäfts angesichts ihrer gemeinsamen Vorstellung vom Wert des Grundstücks an Stelle eines Kaufpreises von 1 DM auch 0 DM hätten ansetzen können. Sie haben dies nicht getan, ohne dass darin eine Steuerumgehung i.S. des § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gesehen werden kann.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2006 S. 2128 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 40/2006 S. 3353
UVR 2006 S. 354 Nr. 12
JAAAC-16046