Leitsatz
Der Umfang der sich aus der Planungshoheit ergebenden Rechte von Gemeinden aus Schallschutzgesichtspunkten im Planfeststellungsverfahren nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Fachplanungsrecht bereits hinreichend geklärt.
Ob auf eine im Zuge einer Planfeststellung vorgesehene Maßnahme die Kostenregelungen des Eisenbahnkreuzungsgesetzes anzuwenden sind, ist im Rahmen einer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss grundsätzlich nicht entscheidungserheblich.
Gesetze: GG Art. 28 Abs. 2; AEG § 18 Abs. 1; EKrG § 3; EKrG § 13 Abs. 1
Instanzenzug: OVG Koblenz OVG 8 C 11398/05 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Der Beschwerdevortrag rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht.
1. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen entscheidungserheblicher Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sind nicht erfüllt. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerdebegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom - BVerwG 1 B 44.88 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 und vom - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde rügt zunächst, "eine Abweichung des Entscheidungssatzes der anzufechtenden Entscheidung" vom BVerwG 4 VR 1001.04 - sei "offensichtlich", soweit das Bundesverwaltungsgericht darin ausgeführt habe, die von den antragstellenden Gemeinden unter dem Aspekt des Schutzes der gemeindlichen Planungshoheit thematisierte Immissionsschutzproblematik bedürfe einer dem Hauptsacheverfahren vorbehaltenen eingehenden Untersuchung, weil es ihnen unbenommen sei, sich als kommunale Planungsträger gegen die Ausführung eines mit Immissionsbelastungen verbundenen Vorhabens zur Wehr zu setzen, das nach ihrer Einschätzung geeignet sei, die städtebauliche Entwicklung und Ordnung ihres Gemeindegebiets zu stören. Die Beschwerde rügt sinngemäß weiter, "eine Abweichung der anzufechtenden Entscheidung" vom BVerwG 4 A 18.04 - (BVerwGE 123, 152) sei insoweit "gegeben", als das Bundesverwaltungsgericht dort ausgeführt habe, Gemeinden könnten ihr Interesse an der Bewahrung der in der Bauleitplanung zum Ausdruck gekommenen städtebaulichen Ordnung vor nachhaltigen Störungen als eigenen abwägungserheblichen Belang geltend machen, wenn ausgewiesene Baugebiete von einem durch ein Straßenbauvorhaben verursachten erheblichen Lärmzuwachs betroffen sind.
Beide Rügen genügen schon deshalb nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil mit ihnen kein divergierender abstrakter Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung bezeichnet wird. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht in dieser Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin eine vorhabenbedingte Lärmbetroffenheit in einer hinreichend konkretisierten gemeindlichen Planung weder im Planfeststellungs- noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht habe.
2. Entgegen der Annahme der Beschwerde hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Auch daran fehlt es hier.
a) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage nach dem Umfang der Rechte von Kommunen aus Schallschutzgesichtspunkten im Planfeststellungsverfahren nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz ist - soweit sie sich in dieser Allgemeinheit im vorliegenden Verfahren stellt - durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Fachplanungsrecht bereits hinreichend geklärt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann die Gemeinde eine Fachplanung unter Berufung auf ihre Planungshoheit grundsätzlich nur abwehren, wenn durch die Fachplanung eine hinreichend konkrete und verfestigte eigene Planung der Gemeinde nachhaltig gestört wird oder wenn das Fachplanungsvorhaben wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren kommunalen Planung entzieht ( BVerwG 4 C 80.86 - BVerwGE 81, 95 <106>, vom - BVerwG 7 C 18.91 - BVerwGE 90, 96 <100> und vom - BVerwG 9 A 62.03 - NVwZ 2005, 813 <816>). Eine nachhaltige Störung der kommunalen Planungshoheit kann insbesondere dann vorliegen, wenn sich ein vorhabenbedingter erheblicher Lärmzuwachs nicht nur auf einzelne benachbarte Grundstücke, sondern auf wesentliche Teile von Baugebieten auswirkt, die in Bebauungsplänen ausgewiesen sind (vgl. Urteil vom a.a.O. S. 157 f.). Die Planfeststellungsbehörde muss ferner auf noch nicht verfestigte, aber konkrete Planungsabsichten einer Gemeinde abwägend in der Weise Rücksicht nehmen, dass von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötig verbaut werden ( BVerwG 4 C 26.94 - BVerwGE 100, 388 <394>, vom - BVerwG 9 A 40.02 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 62 S. 47 und vom a.a.O.). Indiziell sind mit dieser Rechtsprechung jene Fallgruppen beschrieben, in denen die Gemeinden gegenüber der Fachplanung "wehrfähig" sind, weil ihre Planungshoheit mehr als nur geringfügig beeinträchtigt sein kann (vgl. BVerwG 4 CN 1.01 - BVerwGE 114, 301 <305> = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 147 S. 58).
Eine genauere Umschreibung des Umfangs der sich hieraus ergebenden Rechte einer Gemeinde hängt vom Grad der Konkretisierung ihrer Planungen oder Planungsabsichten einerseits sowie vom Gewicht der Beeinträchtigung dieser Planungen oder Planungsabsichten durch das Vorhaben andererseits ab und entzieht sich damit der rechtsgrundsätzlichen Klärung. Nach den - nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen - tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die für das Revisionsgericht bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO), hat die Klägerin zudem weder im Planfeststellungsverfahren noch im nachfolgenden Prozess substantiiert die Voraussetzungen für eine Beeinträchtigung ihrer Planungshoheit geltend gemacht. Es ist aber in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die Gemeinden insoweit eine Darlegungslast trifft (vgl. Urteil vom a.a.O. S. 394 m.w.N.).
b) Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage,
"ob eine Anwendung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes bereits dann erfolgt, wenn eine konkrete Ersatzmaßnahme im Zuge einer Planfeststellung auch anderen Zwecken dienen könnte",
war für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht von Bedeutung. Denn dieses hat offen gelassen, ob die der Beigeladenen im Planfeststellungsbeschluss auferlegten (Folge-)Maßnahmen solche nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz sind, weil hierüber nicht im Planfeststellungsverfahren zu entscheiden sei.
c) Die von der Beschwerde im Zusammenhang damit sinngemäß als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob die Anwendung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes auf eine konkrete Ersatzmaßnahme im Zuge einer Planfeststellung vom Gericht im Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss selbst zu klären ist, ist - soweit sie sich im vorliegenden Verfahren stellt - nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu verneinen, ohne dass es hierfür des von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahrens bedarf. Nach dieser Rechtsprechung stellt das kreuzungsrechtliche Verfahren ein gegenüber dem Planfeststellungsverfahren verselbständigtes Verfahren dar und sind die besonderen kreuzungsrechtlichen Kostenregelungen nicht davon abhängig, auf welcher verfahrensrechtlichen Grundlage die Maßnahme selbst durchgeführt werden soll oder bereits durchgeführt worden ist ( BVerwG 4 C 97.79 - Buchholz 407.2 EKrG Nr. 8 S. 12 und vom - BVerwG 4 C 28.90 - Buchholz 407.2 EKrG Nr. 17 S. 7). Da die Art der Finanzierung des Vorhabens kein Gegenstand des Planfeststellungsbeschlusses ist, ist sie im Rahmen einer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss grundsätzlich nicht entscheidungserheblich ( BVerwG 11 B 27.97 - juris). Eine Rechtsschutzlücke haben die Gemeinden insofern nicht zu besorgen, weil etwaige Kostenansprüche nach §§ 11 ff. EKrG im Streitfall in einem gesonderten Verfahren geltend gemacht werden können (vgl. BVerwG 11 C 6.00 - BVerwGE 112, 253 <255 ff.> = Buchholz 407.2 § 13 EKrG Nr. 2 S. 14 f.).
Die Frage, ob - in Einschränkung dieses Grundsatzes - das Interesse einer Gemeinde, im Hinblick auf die in § 13 Abs. 1 EKrG vorgesehene Kostenverteilung von der Beseitigung eines Bahnübergangs und von infolgedessen an anderen Anlagen erforderlich werdenden Maßnahmen abzusehen, im Rahmen der nach § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG gebotenen Abwägung zu berücksichtigen ist, stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht. Denn in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin nicht (mehr) die vollständige oder teilweise Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern nur noch die Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung ihres Begehrens auf Planergänzung um weitergehende Regelungen beantragt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAC-15926