BAG Urteil v. - 8 AZR 477/05

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BGB § 613a; KSchG § 1 Abs. 2

Instanzenzug: ArbG Magdeburg 2 Ca 3097/03 vom LAG Sachsen-Anhalt 9 Sa 347/04 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über einen Wiedereinstellungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 2).

Die schwerbehinderte, verheiratete Klägerin ist gelernte Finanzökonomin und war seit dem bei dem früheren Beklagten zu 1) als Sozialbetreuerin im Frauenhaus W beschäftigt. Die Klägerin verdiente monatlich 2.360,00 Euro brutto. Seit dem ist sie berechtigt, die Berufsbezeichnung "Staatlich anerkannte Fachkraft für soziale Arbeit" zu führen.

Der frühere Beklagte zu 1) führte das Frauenhaus auf der Grundlage eines Vertrages mit dem Landkreis O und beschäftigte dort zuletzt zwei Arbeitnehmerinnen einschließlich der Klägerin.

In der Landesvorstandssitzung am fasste der frühere Beklagte zu 1) den Beschluss, das Frauenhaus zum an den Landkreis "zurückzuführen" und den Vertrag mit dem Landkreis sowie die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Mitarbeiterinnen fristgerecht zum zu kündigen. Zur Begründung stellte er auf die unsichere Situation der zukünftigen Förderung und die darauf beruhende unternehmerische Entscheidung, den Vertrag mit dem Landkreis zu kündigen, ab. In der Folgezeit wurde der Vertrag mit dem Landkreis aufgelöst. Mit Schreiben vom sprach der frühere Beklagte zu 1) der Klägerin und der weiteren im Frauenhaus beschäftigten Arbeitnehmerin eine Kündigung aus.

Am beschloss der Landkreis O die Fortführung des Frauenhauses. Nach einer Ausschreibung fand der Kreis mit dem Beklagten zu 2) einen neuen Träger. Er schloss in der Folgewoche mit dem Beklagten zu 2) einen Mietvertrag über das bisherige Gebäude samt Mobiliar ab. Der Beklagte zu 2) führt das Frauenhaus seit dem auf der Grundlage eines Fördervertrages mit dem Land Sachsen-Anhalt vom / fort. Hierfür stellte er zum drei diplomierte Fachkräfte ein. Das bisherige Gebäude samt Mobiliar verwendete er ab auf Grund des Mietvertrages mit dem Landkreis weiter, ebenso die "alte" Telefonnummer. Fünf am betreute Bewohnerinnen verblieben im Frauenhaus.

Die Klägerin hat ihre inzwischen rechtskräftig abgewiesene Kündigungsschutzklage hilfsweise um eine Klage auf Wiedereinstellung durch den Beklagten zu 2) erweitert.

Sie hat geltend gemacht, die Fortführung des Frauenhauses stelle einen Betriebsübergang iSv. § 613a BGB dar, da der Beklagten zu 2) nahtlos in die mit dem Betrieb des Frauenhauses verbundene Leistungserbringung unter Verwendung der bisherigen Betriebsmittel eingetreten sei. Ein Wiedereinstellungsanspruch bestehe auch, wenn der Betriebsübergang nach Ablauf der Kündigungsfrist stattfinde. Die Wiedereinstellung sei dem Beklagten zu 2) zumutbar, auch wenn die Klägerin nicht über einen Hochschulabschluss verfüge.

Die Klägerin hat - soweit in der Revision noch von Interesse - beantragt,

den Beklagten zu 2) zu verurteilen, das Angebot der Klägerin auf Wiedereinstellung ab dem zu den Arbeitsbedingungen des bisherigen Arbeitsvertrages der Klägerin mit dem früheren Beklagten zu 1) vom als Mitarbeiterin im Frauenhaus W unter Anrechnung der bisherigen Betriebszugehörigkeit seit dem anzunehmen.

Der Beklagte zu 2) hat Klageabweisung beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Fortführung des Frauenhauses keinen Betriebsübergang darstelle. Er habe keinen Betrieb in seiner Gesamtheit übernommen, sondern nur die Trägerschaft für ein Frauenhaus erhalten und einen eigenständigen Betrieb mit eigener Organisation, Leitung, einem eigenen Betreiberkonzept und eigenen Arbeitnehmern errichtet. Rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zwischen dem früheren Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) habe es nicht gegeben. Übergeben worden seien lediglich fünf Aktenordner, welche Dokumente über die Bewohnerinnen enthielten. Von einem Betreiberkonzept des früheren Beklagten zu 1) habe der Beklagte zu 2) erst durch ein gerichtliches Verfahren im Dezember 2003 erfahren. Sein Konzept unterscheide sich in wesentlichen Punkten von dem des früheren Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 2) stelle in den Mittelpunkt seiner Arbeit die Gewaltprävention im Vorfeld eines Frauenhausaufenthalts. Er biete den Betroffenen Kurse zur Konflikt- und Stressbewältigung sowie zur Entspannung an, um eigenverantwortliches Handeln und Verhalten zu fördern. Begleitend werde die Möglichkeit zur Teilnahme an beruflichen Weiterbildungskursen geboten. Eine Präventionsarbeit, die Arbeit mit den Betroffenen zum Erlernen von Techniken der Konfliktbewältigung und berufliche Weiterbildungsmaßnahmen seien in der Konzeption des früheren Beklagten zu 1) nicht enthalten gewesen. Er habe von dem früheren Beklagten zu 1) kein "Know-how" oder "Goodwill" übernommen. Weiterhin habe er neue Verträge mit Dienstleistern in Bezug auf das Gebäude abschließen müssen, da der frühere Beklagte zu 1) alle Verträge zum gekündigt habe. Weiter sei die Arbeitsorganisation bei dem Beklagten zu 2) eine andere als bei dem früheren Beklagten zu 1). Außerdem betreibe der Beklagte zu 2) mit Mitarbeiterinnen des Frauenhauses neben der festen Beratungsstelle im Frauenhaus fünf weitere ambulante Beratungsstellen für gewaltbedrohte Frauen im Umkreis von W. Die Mitarbeiterinnen seien im Schichtdienst eingesetzt und stünden an den Wochentagen von 7.30 Uhr bis 21.30 Uhr zur Verfügung. An den Wochenenden seien sie zu Bereitschaftsdiensten eingeteilt. Eine solch weitgehende Präsenz der Mitarbeiterinnen habe es bei dem früheren Beklagten zu 1) nicht gegeben. Zur Umsetzung seines anspruchsvollen Konzepts benötige er diplomierte Fachkräfte und ziehe bei Bedarf außerdem externe Berater hinzu. Die Anforderungen an die Qualifikation ihrer Mitarbeiterinnen trügen den Vorgaben des Ministeriums für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt Rechnung. Die Klägerin erfülle diese Anforderungen nicht.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Gründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie hat gegen den Beklagten zu 2) keinen Anspruch auf Wiedereinstellung.

I. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch auf Wiedereinstellung für unbegründet gehalten, weil der Beklagte zu 2) das Frauenhaus erst nach Ablauf der Kündigungsfrist der Klägerin weiter betreibe. Auch sei es zu keinem Betriebsübergang gekommen. Der Beklagte zu 2) sei nur Funktionsnachfolger des früheren Beklagten zu 1). Die nahtlose Übernahme des Gebäudes samt Mobiliar nebst den Unterlagen habe, auch angesichts der Tatsache, dass die zu schützenden Frauen weiter im Frauenhaus wohnten, nur begrenzt identitätsstiftende Bedeutung. Der Beklagte zu 2) habe weder Personal noch eine vorhandene betriebliche Organisation übernommen. Die eigene Organisation, Konzeption, das eigene Personal und die eigene Leitung seien in Bezug auf die Art der Dienstleistung für die Frage der Identitätswahrung bestimmend. Die Ausrichtung und Tendenz der Organisationen des früheren Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) unterschieden sich. Dem käme ausschlaggebendes Gewicht zu. Doch selbst wenn es zu einem Betriebsübergang gekommen sei, sei der Wiedereinstellungsanspruch schon deshalb unbegründet, weil es dem Beklagten zu 2) im Hinblick auf seine unternehmerischen Dispositionen nicht zuzumuten sei, die Klägerin einzustellen. Die Klägerin entspreche nicht dem Anforderungsprofil des Beklagten zu 2). Dieser dürfe berechtigterweise nur diplomiertes Fachpersonal schon wegen des deutlich höheren Beratungsanteils beschäftigen. Auch liege die Heraufsetzung des Anforderungsprofils im Kernbereich der konkreten unternehmerischen Betätigung und entspreche dem mit dem Land abgeschlossenen Fördervertrag. Die Klägerin als gelernte Finanzökonomin mit einer nachfolgenden Ausbildung zur Fachkraft für soziale Arbeit besitze nicht die geforderte fachliche Qualifikation.

II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand. Der Antrag auf Wiedereinstellung ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Zwar kann ein Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Erwerber auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses gegeben sein, wenn es trotz einer ursprünglich vorgesehenen Stilllegung des Betriebs oder eines Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit aus anderen Gründen und einer infolge dessen wirksam ausgesprochenen Kündigung aus betriebsbedingten Gründen iSd. § 1 KSchG nachträglich zu einem Betriebsübergang und damit zur Fortführung des Betriebs oder der Entstehung einer anderen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer kommt (ausführlich Senat - 8 AZR 198/03 - BAGE 110, 336, 339 f. = AP BGB § 613a Nr. 264 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 25 mwN).

2. Der Beklagte zu 2) hat den Betrieb des Frauenhauses nicht gemäß § 613a BGB übernommen.

a) Die Vorschrift des § 613a Abs. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr. des Senats im Anschluss an - [Ayse Süzen] EuGHE I 1997, 1259 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145; vgl. zB - BAGE 111, 283, 291 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27; - 8 AZR 159/98 - BAGE 91, 121, 126 = AP BGB § 613a Nr. 189 = EzA BGB § 613a Nr. 177). In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung ihrer Identität ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) keinen Betriebsübergang dar ( - AP BGB § 613a Nr. 190 = EzA BGB § 613a Nr. 178; - 8 AZR 520/99 -). In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (so zuletzt - [Carlito Abler] EuGHE I 2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13; vgl. auch - BAGE 111, 283, 292 = aaO). Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb einstellen. Die bloße Möglichkeit zu einer unveränderten Fortsetzung des Betriebs genügt für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht. Wesentliches Kriterium für den Übergang ist die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs nicht ( - BAGE 90, 163, 167 = AP BGB § 613a Nr. 186 = EzA BGB § 613a Nr. 170).

b) Nach diesen Kriterien liegt kein Betriebsübergang vor.

Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass es sich bei dem Frauenhaus um einen organisatorisch selbständigen Betrieb oder zumindest Betriebsteil gehandelt hat, obwohl dies nicht näher festgestellt ist. Der Beklagte zu 2) führte ab 1./ den Betrieb eines Frauenhauses, wobei fünf Bewohnerinnen vor und nach dem im Frauenhaus wohnten. Die Einrichtung befindet sich im selben Gebäude wie zuvor bei dem früheren Beklagten zu 1). Auch wurde das Mobiliar übernommen. Diese Betriebsmittel sind angesichts der von dem Beklagten zu 2) übernommenen Dienstleistung jedoch von eher untergeordneter Bedeutung, zumal gerade am Gebäude Veränderungen vorgenommen worden sind. Die Einrichtung befand sich nach dem nicht in Abrede gestellten Vortrag des Beklagten zu 2) in keinem sehr gepflegten Zustand, auch war keine oder keine ausreichende Sicherheitsschleuse am Eingangsbereich vorhanden, diese Umstände hat der Beklagte zu 2) geändert. Der Beklagte zu 2) hat des Weiteren weder Personal noch andere wesentlichen Betriebsmittel übernommen, mit denen er seine Dienstleistung betreibt. Im Übrigen hat der Beklagte zu 2) nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keinerlei Konzepte oder die Organisation des früheren Beklagten zu 1) übernommen. Die Klägerin hat die Behauptung des Beklagten zu 2), er habe kein Betreiberkonzept, keine Hausordnung, keine Ablaufpläne und keine Sicherheits- und Alarmpläne des früheren Beklagten zu 1) übernommen, nicht mit ihr obliegendem Gegenvortrag in Abrede gestellt. Auch hatte der frühere Beklagte zu 1) alle Verträge über Energie, das Postschließfach und den Münzfernsprecher gekündigt; es waren Neuabschlüsse nötig. Der Beklagte zu 2) hat nach seiner Behauptung lediglich fünf Ordner mit Daten über die noch im Frauenhaus wohnenden Personen bekommen, die aber nicht einmal personenbezogene Hilfepläne und Handlungsleitfaden sowie Erziehungspläne für die Kinder enthielten; dies betrifft Maßnahmen, die der Beklagte zu 2) nunmehr jeweils neu ergreift. Gegenteiliges hat die Klägerin nicht behauptet.

Die Annahme eines Betriebsübergangs auf den Beklagten zu 2) scheitert deshalb daran, dass der Beklagte zu 2) nach seinen von der Klägerin nicht widerlegten Behauptungen den Betrieb des früheren Beklagten zu 1) nicht im Wesentlichen unverändert fortführt und damit nicht die Identität der wirtschaftlichen Einheit wahrt. Der Beklagte zu 2) verrichtet keine ähnliche, sondern eine im Wesentlichen andere betriebliche Tätigkeit als der frühere Beklagte zu 1). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind wesentliche Änderungen der Tätigkeit auf Grund von Änderungen des Konzepts und der Struktur Faktoren, die einem Betriebsübergang entgegenstehen können (vgl. - 8 AZR 331/03 - AP BGB § 613a Nr. 273 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 26 (Modellschuhe anstatt Massenproduktion); - 8 AZR 421/02 - AP BGB § 613a Nr. 261 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 14 (Schießplatz); - 8 AZR 796/98 - AP BGB § 613a Nr. 188 = EzA BGB § 613a Nr. 188 (Sortimentswechsel im Einzelhandel); - 8 AZR 555/95 -BAGE 86, 271, 274 ff. = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 16 = EzA BGB § 613a Nr. 153 (Neuausrichtung in Gastronomiebetrieb); vgl. auch ErfK/Preis 6. Aufl. § 613a BGB Rn. 33; APS/Steffan 2. Aufl. § 613a BGB Rn. 40).

Der Betrieb des Frauenhauses ist nach der Darlegung des Beklagten zu 2) und den vorgelegten Unterlagen mit der präventiven Beratung konzeptionell verflochten. Der Beklagte zu 2), ein Unternehmen, das sich - anders als der frühere Beklagte zu 1) - insgesamt vorwiegend mit Weiterbildungsangeboten befasst, hat entschieden, die präventiv beratende Tätigkeit zur Vermeidung einer Unterbringung und Angebote zur Stress- und Konfliktbewältigung, Freizeitgestaltung und kostenlose Rechtsberatung in den Vordergrund zu stellen und erst im Notfall die bedrohten Frauen unterzubringen. Die Unterbringung ist nur ein Baustein in dem Konzept des Beklagten zu 2), während es bei dem früheren Beklagten zu 1) der Hauptbetriebszweck war. Unterbringung und präventive Beratung sind konzeptionell und personell verzahnt, da die Mitarbeiterinnen im Frauenhaus auch die Beratung in und außerhalb des Frauenhauses in den Beratungsstellen durchführen. Die Beratungsstellen sind organisatorisch nicht selbständig, sondern dem Frauenhaus zugeordnet. Die Klägerin hat nicht im Einzelnen vorgetragen, ob und wie der frühere Beklagte zu 1) Beratungstätigkeit durchgeführt hat. Schon gar nicht ist ersichtlich, dass die Beratungstätigkeit den Stellenwert einnahm, den er bei dem Beklagten zu 2) hat und dass überhaupt eine präventive Beratung durchgeführt worden ist.

Dies ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Konzept des früheren Beklagten zu 1) für das Frauenhaus in W. Hiernach beschränkte sich die Dienstleistung des früheren Beklagten zu 1) auf die Hilfe im Frauenhaus und die nachgehende Beratung. Außerdem gibt es bei dem Beklagten zu 2) rund um die Uhr einen Bereitschaftsdienst, was es bei dem früheren Beklagten zu 1) ebenfalls nicht gegeben hat. Die Tatsache, dass das schriftlich erstellte Konzept des Beklagten zu 2) ggf. erst vom Frühjahr 2004 stammt, widerlegt nicht den Vortrag des Beklagten zu 2), er habe ein anderes Betreiberkonzept als der frühere Beklagte zu 1) und keines des früheren Beklagten zu 1) übernommen. Jedenfalls folgt aus diesem Einwand nicht die positiv von der Klägerin darzulegende und zu beweisende Tatsache, dass der Beklagte zu 2) Konzepte des früheren Beklagten zu 1) übernommen hat. Eine Änderung der Tätigkeit ist selbst dann anzunehmen, wenn im Frauenhaus selbst nur eine Beratung von zweimal zwei Stunden wöchentlich angeboten wird, denn entscheidend ist, dass der Beklagte zu 2) die geschützte Unterbringung der misshandelten Frauen nicht als eigentlichen Betriebszweck ansieht, sondern vielmehr ein umfassendes Beratungskonzept verfolgt, in dem die Unterbringung nur die letztmögliche Maßnahme ist. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zu 2) das Frauenhaus zugleich nicht mehr als eigenständigen Betrieb, sondern strukturell und personell zusammengefasst mit mehreren Beratungsstellen nach dem Gewaltschutzgesetz organisiert.

3. Selbst wenn von einem Betriebsübergang auszugehen wäre, wäre - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat - es dem Beklagten zu 2) unzumutbar, mit der Klägerin ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen.

a) Ein Wiedereinstellungsanspruch besteht dann nicht, wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers der Wiedereinstellung entgegenstehen ( - BAGE 95, 171, 177 ff. = AP KSchG 1969 § 1 Wiedereinstellung Nr. 6 = EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 5 mwN). Solche entgegenstehenden Interessen des Arbeitgebers können insbesondere dann vorliegen, wenn er bereits anderweitige Dispositionen getroffen hat. Dies ist ua. dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den frei gewordenen Arbeitsplatz schon wieder mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt hat. Dadurch erlischt grundsätzlich ein etwa entstandener Wiedereinstellungsanspruch. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Arbeitgeber den - erneuten - Wegfall der in Betracht kommenden Beschäftigungsmöglichkeit treuwidrig herbeigeführt hat. Dies folgt aus dem in § 162 BGB normierten allgemeinen Rechtsgedanken, nach dem niemand aus einem von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten darf. Die Berufung des Arbeitgebers auf den - erneuten - Wegfall des für den Arbeitnehmer geeigneten Arbeitsplatzes kann ihm insbesondere dann verwehrt sein, wenn er den Arbeitsplatz in Kenntnis des Wiedereinstellungsverlangens des Arbeitnehmers treuwidrig mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt hat. Wenn es für einen frei gewordenen Arbeitsplatz mehrere Bewerber gibt, darf der Arbeitgeber unter diesen nicht willkürlich auswählen, sondern hat anhand betrieblicher Belange und sozialer Gesichtspunkte eine den §§ 242, 315 BGB genügende Auswahlentscheidung zu treffen. Dabei unterliegt es grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers, das Anforderungsprofil für einen eingerichteten Arbeitsplatz festzulegen ( - EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 8 mwN; - 2 AZR 326/03 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 76 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 132; - 2 AZR 399/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138). Die Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist von den Arbeitsgerichten jedenfalls dann zu respektieren, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zur Organisation und zum Inhalt der auszuführenden Arbeiten haben. Diese für die Durchführung der Sozialauswahl heranzuziehenden Grundsätze gelten auch bei einem Anspruch auf Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen des § 613a BGB.

b) Unter Berücksichtigung dieser Kriterien durfte der Beklagte zu 2) die Einstellung der Klägerin ablehnen. Der Beklagte zu 2) beschäftigt nunmehr im Frauenhaus drei diplomierte Kräfte, dh. Arbeitnehmerinnen mit (Fach-)Hochschulausbildung. Diese nehmen nicht nur die Betreuung und Beratung der im Frauenhaus wohnenden Frauen und Kinder wahr, sondern betreuen auch die insgesamt sechs vom Beklagten zu 2) betriebenen Beratungsstellen für Frauen nach dem Gewaltschutzgesetz. Frauenhaus und Beratungsstellen sind personell miteinander verzahnt. Der Beklagte zu 2) hat - auch im Hinblick auf die Beratungsstellen - die sachlich gerechtfertigte Entscheidung getroffen, nur Mitarbeiterinnen zu beschäftigen, die über einen Diplomabschluss und somit über vertieftes Grundlagenwissen verfügen, wie es nur an einer Hochschule vermittelt wird. Außerdem ist in § 4 Nr. 1 des Fördervertrages zwischen dem Land und dem Beklagten zu 2) festgelegt, dass mindestens zwei staatlich anerkannte Diplomsozialpädagoginnen bzw. Diplomsozialarbeiterinnen sowie ggf. als zweite Kraft eine staatlich anerkannte Diplompädagogin einzusetzen sind. Über eine Hochschulausbildung verfügt die Klägerin nicht. Sie hat eine dreijährige Ausbildung an einer berufsbildenden Schule für Gesundheits- und Sozialberufe in Magdeburg - einer Fachschule für Sozialpädagogik - durchlaufen und ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Staatlich anerkannte Fachkraft für soziale Arbeit" zu führen. Damit entspricht sie nicht dem Anforderungsprofil des Beklagten zu 2). Bereits deshalb überwiegen die Interessen des Beklagten zu 2) die der Klägerin an einer Neueinstellung, selbst wenn man das Alter, die Schwerbehinderung und die Betriebszugehörigkeit der Klägerin bei dem früheren Beklagten zu 1) berücksichtigt.

Dem steht letztlich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht entgegen, dass nach dem Fördervertrag nur eine Mindestanzahl einzusetzender Arbeitnehmerinnen gefordert ist und der Beklagte zu 2) daneben - weitere - geringer bzw. anders qualifizierte Kräfte beschäftigen könnte. Denn die Entscheidung darüber, mit welcher Anzahl von Arbeitnehmer ein Arbeitgeber sein Unternehmen betreiben will, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts in der unternehmerischen Freiheit ( - BVerfGE 97, 169, 176 = AP KSchG 1969 § 23 Nr. 17 = EzA KSchG § 23 Nr. 17; - 1 BvR 2283/03 - AP AEntG § 3 Nr. 2; - BAGE 90, 182, 188 = AP KSchG 1969 § 2 Nr. 51 = EzA KSchG § 2 Nr. 33). Der Beklagte zu 2) kann deshalb nicht gezwungen werden, die Klägerin als überzählige Kraft einzustellen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Fundstelle(n):
HAAAC-15870

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