Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a); StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b); StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c); StGB § 51 Abs. 1 Satz 1; StGB § 108 e; StGB § 108 e Abs. 1; StGB § 108 e Abs. 1 2. Var.; StGB § 331; StGB § 332; StGB § 332 Abs. 1; StGB § 332 Abs. 3 Nr. 2; StGB § 333; StPO § 154 a Abs. 2
Instanzenzug:
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in Tateinheit mit Beihilfe zur Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und einen Geldbetrag von 15.000 Euro für verfallen erklärt; überdies hat es angeordnet, die in einem anderen Verfahren erlittene Untersuchungshaft auf die Strafe anzurechnen. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte von 1994 bis zum Frühjahr 2000 Mitglied im Rat der Stadt und dort seit 1998 Fraktionsvorsitzender der Fraktion der SPD; von 1991 bis 2000 war er auch Fraktionsgeschäftsführer. Im Herbst 1999 fanden in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen statt, bei denen für die Stadt erstmals nach der Reform des Kommunalrechts ein hauptamtlicher Oberbürgermeister statt der bis dahin bestehenden "Doppelspitze" aus ehrenamtlichem Oberbürgermeister und hauptamtlichem Oberstadtdirektor zu wählen war. Für das Amt des Oberbürgermeisters bewarb sich für die SPD der damalige Oberstadtdirektor Dr. H. , der ein enger Vertrauter und politischer Förderer des Angeklagten war.
Zu den innerparteilichen Aufgaben des Angeklagten zählte insbesondere auch die Akquisition von Spenden. Bereits ab 1997 bemühte er sich im Hinblick auf den bevorstehenden Wahlkampf verstärkt auch um die Einwerbung von Spenden, die nach den Vorschriften des Parteiengesetzes unzulässig waren oder nicht im Rechenschaftsbericht der Partei aufgeführt wurden; diese in erheblicher Höhe eingeworbenen Mittel wurden über so genannte "schwarze Kassen" verwaltet, über welche der Angeklagte verfügungsberechtigt war. Zu den Spendern zählte unter anderem auch der Unternehmer T. , dessen Firmengruppe im Bereich der Abfallwirtschaft tätig und an einigen Entsorgungseinrichtungen der Stadt beteiligt war. Er strebte eine Beteiligung an der Müllabfuhr der Stadt oder deren vollständige Übernahme an. Eine solche Privatisierung der Müllentsorgung war kommunalpolitisch umstritten. Die Mehrheit der Fraktion des Angeklagten befürwortete eine Aufgabenerledigung durch eine eigenbetriebsähnliche Einrichtung. Am beschloss der Rat der Stadt , die Müllentsorgung für die Dauer von vorerst drei Jahren in eine eigenbetriebsähnliche Einrichtung zu überführen, um dann nach einer öffentlichen Ausschreibung im Jahr 2000 zu entscheiden, ob eine vollständige Privatisierung durchgeführt werden solle.
Anfang 1999 zeichnete sich ab, dass weitere Mittel für den Wahlkampf des Kandidaten Dr. H. fehlten. Dieser und der Angeklagte entschlossen sich daher, noch einmal gezielt an den Unternehmer T. heranzutreten. Dr. H. bat den Angeklagten, dies zu tun, da er selbst als beamteter Oberstadtdirektor Amtsträger sei und sich strafbar machen würde. Der Angeklagte nahm daraufhin im März 1999 Kontakt zu T. auf und bat ihn um eine Spende in Höhe von 150.000 DM für den Wahlkampf der SPD. Diesen Betrag leistete T. in zwei Barzahlungen Ende April/Anfang Mai sowie am an den Angeklagten.
Eine verbindliche Zweckbestimmung für die Zahlung wurde nicht getroffen. Der Unternehmer T. verband mit ihr die Erwartung, dass Dr. H. in seiner Funktion als Oberstadtdirektor und nach seiner möglichen Wahl als Oberbürgermeister und der Angeklagte als Ratsherr und Fraktionsvorsitzender sein Anliegen unterstützen und die SPD-Fraktion "auf Linie" bringen würden. Er erwartete auch, dass Dr. H. und der Angeklagte im Hinblick auf die Zuwendung bei weiteren Abstimmungen über eine Privatisierung und eine Übertragung an ein Unternehmen der Firmengruppe T. in seinem Sinn abstimmen würden. Der Angeklagte und Dr. H. erkannten diese Erwartung; sie wussten auch, dass der Zeuge T. die Zahlungsbitte und die Annahme des Geldes dahin verstand, dass sie bereit seien, im Sinne seiner Erwartungen zu handeln.
Ob der Angeklagte tatsächlich beabsichtigte, entsprechend den Erwartungen des Zeugen T. zu handeln, hat das Landgericht nicht festgestellt. Neben der von ihm angestrebten Unterstützung des Kandidaten Dr. H. wollte er durch Akquisition der Spende auch der SPD zum Wahlerfolg verhelfen und hierdurch als Fraktionsvorsitzender seine Position und seinen politischen Einfluss stärken. Eine Verwendung des Geldbetrages auch für persönliche Zwecke ist nicht festgestellt.
b) Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte sei als Mitglied des Rats der Stadt Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB gewesen und habe sich daher im Hinblick auf die für ihn selbst vorteilhafte Zuwendung der Bestechlichkeit gemäß § 332 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 StGB schuldig gemacht. Soweit er irrtümlich angenommen habe, dass Gemeinderatsmitglieder keine Amtsträger seien und von den Vorschriften der §§ 331 ff. daher nicht erfasst würden, habe es sich um einen Verbotsirrtum gehandelt, der vermeidbar gewesen sei. Tateinheitlich hierzu habe sich der Angeklagte der Beihilfe zur Bestechlichkeit des damaligen Oberstadtdirektors Dr. H. schuldig gemacht. Von einer möglichen Strafverfolgung wegen tateinheitlicher Abgeordnetenbestechung gemäß § 108 e Abs. 1, 2. Var. StGB hat das Landgericht gemäß § 154 a Abs. 2 StPO abgesehen.
2. Die Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, so dass es auf die Verfahrensrügen nicht ankommt.
a) Die Verurteilung wegen täterschaftlicher Bestechlichkeit hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Angeklagte war als Ratsmitglied, Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt und Fraktionsgeschäftsführer nicht Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB, so dass die Strafvorschrift des § 332 StGB auf ihn nicht anwendbar ist. Der Senat folgt insoweit im Ergebnis der vom 5. Strafsenat des - vertretenen Rechtsauffassung. Danach sind kommunale Mandatsträger keine Amtsträger, wenn sie nicht mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut sind, die über die Ausübung ihres freien Mandats in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen hinausgehen. Die vom Landgericht umfassend erörterten Gründe für die Gegenansicht (so auch OLG Braunschweig MDR 1950, 629; OLG Stuttgart Die Justiz 1989, 679; LG Krefeld NJW 1994, 2036; LG Köln StV 2003, 507), die auch in der Literatur vertreten wird (vgl. zuletzt etwa Rübenstahl HRRS 2006, S. 23), haben Gewicht, dringen aber nach Abwägung der vom 5. Strafsenat in der genannten Entscheidung vom aufgeführten Argumente, die so oder ähnlich auch von der überwiegenden Literaturmeinung geteilt werden (vgl. u. a. Gribbohm in LK 11. Aufl. § 11 Rdn. 37; Rudolphi/Stein in SK-StGB; § 11 Rdn. 21; Deiters NStZ 2003, 453; Marel StraFo 2003, 259; Dahs/Müssig NStZ 2006, 191; differenzierend auch Eser in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 11 Rdn. 23; Radtke in MünchKomm § 11 Rdn. 48), im Ergebnis nicht durch. Kommunale Mandatsträger sind weder Beamte im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB noch stehen sie in einem sonstigen Amtsverhältnis im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) StGB. Auch eine Bestellung, bei einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen, gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB liegt jedenfalls insoweit nicht vor, als es um die Ausübung des freien Mandats in der kommunalen Volksvertretung geht, denn es fehlt an der hierfür erforderlichen organisatorischen Einordnung in ein der Amtsträgereigenschaft eigenes Dienst- oder Auftragsverhältnis. An dieser Bewertung ändert auch nichts, dass der Angeklagte R. Fraktionsführer und Fraktionsgeschäftsführer war, da auch diese Aufgaben Ausfluss seines freien Mandats waren. Es kann daher letztlich dahinstehen, ob der Gesetzgeber des § 108 e StGB auch im Hinblick auf kommunale Mandatsträger eine abschließende Sonderregelung treffen und eine Anwendung der §§ 331, 332 StGB von vornherein ausschließen wollte, wie der 5. Strafsenat in seiner Entscheidung vom vertreten hat.
Vorliegend bezog sich die Übereinkunft, welche der Angeklagte mit dem Unternehmer T. über die für die Geldzuwendung zu erbringende Gegenleistung traf, nicht auf eine im Rahmen eines Dienst- oder Amtsverhältnisses zu treffende Ermessensentscheidung, sondern allein auf die Ausübung des Mandats im Rat der Stadt ; hierzu zählen auch Entscheidungen, Einflussnahmen und sonstige originär politische Tätigkeiten in den Fraktionen sowie die Tätigkeit als Mitglied von Ausschüssen.
b) Die Aufhebung der Verurteilung wegen täterschaftlicher Bestechlichkeit erfasst auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Bestechlichkeit, soweit der Angeklagte dem damaligen Oberstadtdirektor Dr. H. Hilfe zu dessen Bestechlichkeit geleistet hat. Der Zeuge Dr. H. war Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) StGB und daher tauglicher Täter des § 332 StGB. Hieran ändert nichts, dass er sich im Tatzeitraum um ein kommunales Wahlamt bewarb und dass die Geldzuwendung des Zeugen T. der Finanzierung des Wahlkampfs um dieses Amt diente. Die Grundsätze, welche der 3. Strafsenat des (BGHSt 49, 275 = NJW 2004, 3569) für eine einschränkende Auslegung der §§ 331, 333 StGB bei Einwerbung von Wahlkampfspenden für einen Amtsträger aufgestellt hat, sind hier schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich vorliegend nicht um eine grundsätzlich zulässige Spende mit dem Ziel allgemeiner politischer "Klimapflege" handelte, sondern um eine unzulässige Einflussspende mit dem Ziel, ein bestimmtes, dem Spender wirtschaftlich vorteiliges dienstliches Verhalten des Amtsträgers als Gegenleistung zu erlangen (vgl. BGHSt 49, 275, 286 f.).
3. Die Aufhebung umfasst auch die an sich rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu umfassenden neuen Feststellungen zu geben. Dieser wird auch die Wiedereinbeziehung der gemäß § 154 a Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Strafverfolgung wegen Abgeordnetenbestechung gemäß § 108 e Abs. 1 StGB zu prüfen haben, da nach den bisherigen Feststellungen eine Vollendung dieses Tatbestands durch den Angeklagten in Betracht kommt; insoweit wären nähere Feststellungen zur Konkretisierung der Unrechtsvereinbarung erforderlich (vgl. Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 108 e Rdn. 6 f.). Der Senat geht davon aus, dass in der neuen Tatsachenverhandlung eine Wiedereinbeziehung dieses rechtlichen Gesichtspunkts erfolgen wird.
4. Der Senat weist darauf hin, dass gegen die Anrechnung der verfahrensfremden Untersuchungshaft, die der Angeklagte in dem Verfahren des Landgerichts erlitten hat, Bedenken bestehen. Eine für die Anrechnung gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB hinreichende funktionale Verfahrenseinheit (vgl. BGHSt 43, 112, 116 ff.; Tröndle/Fischer aaO § 51 Rdn. 6 a m.w.N.) ist bislang nicht belegt.
Fundstelle(n):
wistra 2006 S. 419 Nr. 11
WAAAC-15800
1Nachschlagewerk: nein