Leitsatz
1. Zur Klageart für Leistungsbegehren in der privaten Pflegeversicherung.
2. Zur Abgrenzung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung für Hilfsmittel im häuslichen Bereich.
3. Das Gebot eines gleichwertigen Mindestschutzes in der privaten und sozialen Pflegeversicherung begründet für privat Versicherte keinen Anspruch auf ein Hilfsmittel als Leistung der Pflegeversicherung zur Pflegeerleichterung oder selbständigeren Lebensführung, wenn dieses Hilfsmittel vorwiegend dem Behinderungsausgleich dient und nur deshalb nicht von der privaten Krankenversicherung geleistet wird, weil kein entsprechender Versicherungsschutz vereinbart worden ist (hier: eigenbedienbarer Elektro-Rollstuhl).
Gesetze: SGG § 55; SGB XI § 13 Abs 2; SGB XI § 13 Abs 3 S 3; SGB XI § 13 Abs 4; SGB XI § 23 Abs 1; SGB XI § 40 Abs 1 S 1; SGB V § 33; VVG § 178b Abs 4
Instanzenzug: SG Marburg S 6 P 224/01 vom LSG Darmstadt L 14 P 1091/02 vom
Gründe
I
Der Kläger begehrt von dem beklagten privaten Pflegeversicherungsunternehmen die Versorgung mit einem eigenbedienbaren Elektrorollstuhl. Er leidet an Multipler Sklerose, die ua eine Lähmung des linken Armes sowie eine Schwäche beider Beine zur Folge hat. Seinen Beruf als Rechtsanwalt musste er deshalb aufgeben. Er ist bei dem Beklagten privat kranken- und pflegeversichert und mit einem Schieberollstuhl ausgestattet. Seit August 2004 bezieht er aus der Pflegeversicherung tarifliche Leistungen nach der Pflegestufe II.
Im Januar 2001 beantragte der Kläger, ihn mit einem Rollstuhl mit elektrischem Antrieb und einer Steuerungsmöglichkeit für die rechte Hand als Leistung der Pflegeversicherung auszustatten. Der Beklagte lehnte dies ab und bot dem Kläger an, ihm einen tariflichen Zuschuss bis zu 800 € als Leistung der privaten Krankenversicherung zu zahlen.
Der Kläger hat daraufhin am Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben. Er hat geltend gemacht, der eigenbedienbare Elektrorollstuhl sei als Pflegehilfsmittel zu gewähren, weil er ihm ermögliche, sich innerhalb und außerhalb der häuslichen Umgebung ohne fremde Hilfe fortzubewegen, was ihm mit einem normalen Schieberollstuhl auf Grund seiner praktischen Einarmigkeit und der Kraftlosigkeit der Beine nicht möglich sei. Das Hilfsmittel diene deshalb der Erleichterung der Pflege und einer selbstständigeren Lebensführung. Das SG hat den Beklagten mit Gerichtsbescheid vom verurteilt, den Kläger mit einem eigenbedienbaren Elektrorollstuhl als Hilfsmittel zu versorgen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dem Hilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegeversicherung, das nur einen fremdbedienbaren Elektrorollstuhl aufführe, komme keine rechtsverbindliche Bedeutung zu. Maßgeblich sei § 40 Sozialgesetzbuch, Elftes Buch (SGB XI), der auch den Leistungsumfang der privaten Pflegeversicherung festlege. Danach sei das Hilfsmittel von der Pflegeversicherung zu gewähren, weil es eine selbstständigere Lebensführung ermögliche und auch die Pflege erleichtere. Die Beklagte hat den Kläger zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vorläufig mit einem eigenbedienbaren Elektrorollstuhl ausgestattet.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung und die Erleichterung der Pflege seien allein nicht ausreichend, den eigenbedienbaren Elektrorollstuhl als Leistung der Pflegeversicherung zu erhalten, weil der Behinderungsausgleich ganz im Vordergrund stehe. Für dieses Hilfsmittel wäre bei einem Versicherten der sozialen Pflegeversicherung, der zugleich gesetzlich krankenversichert sei, allein die Leistungspflicht der Krankenversicherung gegeben. Für die private Pflegeversicherung, die einen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertigen Versicherungsschutz gewährleisten solle, könne für die Abgrenzung der Leistungspflichten nichts anderes gelten. Deshalb komme es auch nicht darauf an, ob der Pflegedürftige privat krankenversichert sei und in welchem Umfang nach dem jeweiligen Tarif ein Leistungsanspruch gegen die private Krankenversicherung bestehe. Versorgungslücken im Bereich der privaten Krankenversicherung seien nicht durch Leistungen der Pflegeversicherung auszufüllen.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), des § 4 (7) der Musterbedingungen für die private Pflegeversicherung (MB/PPV) 1996 sowie des § 40 SGB XI rügt. Das LSG habe zu Unrecht angenommen, dass er den Rollstuhl nicht allein im häuslichen Umfeld, sondern auch außerhalb der Wohnung einsetzen wolle. Er habe stets behauptet und unter Beweis gestellt, dass er den eigenbedienbaren Elektrorollstuhl ganz überwiegend oder ausschließlich im häuslichen Umfeld nutzen werde. Die dazu angebotenen Beweise habe das LSG übergangen. Ihm stehe der Anspruch auf einen eigenbedienbaren Elektrorollstuhl als Pflegehilfsmittel nach § 4 (7) MB/PPV 1996 zu, weil die Einschränkung in § 40 Abs 1 SGB XI, wonach in der gesetzlichen Pflegeversicherung ein Anspruch auf Hilfsmittel nur bestehe, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen Leistungsträgern zu leisten seien, in den Versicherungsbedingungen nicht enthalten sei. Insoweit gehe das Leistungsangebot der privaten Pflegeversicherung in zulässiger Weise über das Leistungsangebot der sozialen Pflegeversicherung hinaus. Die Voraussetzungen, dass die Ausstattung mit dem eigenbedienbaren Elektrorollstuhl zu einer selbstständigeren Lebensführung beitrage und die Pflege erleichtere, seien erfüllt. Wenn § 4 (7) MB/PPV auf Nr 4 des Tarifs PV und damit auf das Hilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegeversicherung verweise, in welchem ein eigenbedienbarer Elektrorollstuhl nicht enthalten sei, stehe dies dem Anspruch nicht entgegen, weil er, der Kläger, weder die Tarifbedingungen noch das Hilfsmittelverzeichnis zur Kenntnis habe nehmen können. Soweit das Hilfsmittelverzeichnis eigenbedienbare Elektrorollstühle nicht aufführe, sei es nicht verbindlich, weil es gegen das Gleichwertigkeitsgebot des § 23 SGB XI verstoße. § 40 SGB XI lasse sich im Übrigen nicht entnehmen, dass eine Zuständigkeit der Pflegeversicherung für Pflegehilfsmittel nur dann gegeben sei, wenn das Recht der Krankenversicherung keinen Anspruch begründe. Die Eigenschaft eines Gegenstandes als Pflegehilfsmittel werde deshalb nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass er auch dem Ausgleich einer Behinderung diene. In einem solchen Fall müsse eine Aufteilung der Kosten für das Hilfsmittel zwischen Krankenversicherung und Pflegeversicherung in dem Maß erfolgen, in welchem das Hilfsmittel dem einen oder dem anderen Zwecke diene. Die Auslegung des § 40 SGB XI durch das LSG, wonach in einem solchen Fall allein die Krankenversicherung zuständig sei, führe zu einer Benachteiligung der privat Krankenversicherten, wenn diese sich dort nur bis zu einem Höchstbetrag von 800 € versichern könnten. Dies könne nur verhindert werden, wenn die private Pflegeversicherung insoweit eine ergänzende, anteilige Leistungspflicht treffe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihn mit einem Elektrorollstuhl der Marke "Meyra Optimus 3.622 Ergoform" mittels Kostenübernahmeerklärung gemäß § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XI zu versorgen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise,
ihn nur Zug um Zug gegen Herausgabe der beiden bereits im Besitz des Klägers befindlichen Rollstühle zu verurteilen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Auffassung, dass es nicht entscheidend darauf ankomme, ob der Kläger den Rollstuhl vorwiegend oder gar ausschließlich im häuslichen Umfeld oder auch außerhalb des Hauses benutzen wolle. Auch im häuslichen Bereich diene der eigenbedienbare Elektrorollstuhl dem Behinderungsausgleich. Ein bestimmtes Gerät könne nicht gleichzeitig sowohl Pflegehilfsmittel als auch Hilfsmittel der Krankenversicherung sein. Es müsse in jedem Fall eine Entscheidung getroffen werden, welchem Versicherungszweig das Gerät zuzuordnen sei. Auf den jeweils vorhandenen subjektiven Einsatzwillen komme es dabei nicht an. Ein eigenbedienbarer Elektrorollstuhl sei eindeutig der Krankenversicherung zuzuordnen, weil der Behinderungsausgleich ganz im Vordergrund stehe. Deshalb sei er im Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkassen enthalten, während er im Pflegehilfsmittelverzeichnis sowohl der sozialen Pflegekassen als auch der privaten Versicherungsunternehmen fehle.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm der Beklagte die Kosten für einen eigenbedienbaren Elektrorollstuhl erstattet.
Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind gegeben. Der vom Kläger im Berufungsverfahren beantragten Beiladung des "Krankenversicherungsträgers" bedurfte es schon deshalb nicht, weil dieser mit dem beklagten Versicherungsunternehmen identisch ist.
Die Klage ist als Feststellungsklage iS des § 55 SGG zulässig. Der Antrag des Klägers, den Beklagten zu verurteilen, ihn mit einem bestimmten Elektrorollstuhl "mittels Kostenübernahmeerklärung" zu versorgen, ist zwar als Leistungsklage formuliert; in dieser Form ist der Antrag aber nicht sachdienlich, weil die Verurteilung des Beklagten zur Abgabe einer Kostenübernahmeerklärung nicht spruchreif wäre und der Kläger damit auch keinen Vollstreckungstitel für die Erstattung seiner Kosten erhielte. Die Kostenübernahmeerklärung hat hier keine eigenständige rechtliche, sondern nur deklaratorische Bedeutung. Im privatrechtlichen Versicherungsverhältnis hat ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen und die Leistungspflicht der Versicherung beschränkt sich auf reine Kostenerstattung, sofern sie das Hilfsmittel nicht leihweise zur Verfügung stellt (4.1 des Tarifs PV). Der Versicherte, der ein bestimmtes Hilfsmittel benötigt, muss sich dieses selbst beschaffen und im Regelfall in Vorleistung treten, wenn eine leihweise Überlassung nicht angeboten wird. Im Falle der Vorleistung trägt er das Risiko, dass er seine verauslagten Kosten nicht erstattet erhält. In Zweifelsfällen hat er deshalb ein berechtigtes Interesse daran, vorab gerichtlich klären zu lassen, ob eine Leistungspflicht der Versicherung besteht (zur Feststellungsklage im zivilgerichtlichen Deckungsschutzprozess vgl BGH VersR 1967, 149; Gruber in Honsell (Hrsg), Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz 1999, § 12 RdNr 91). Das prozessuale Mittel dafür ist die Feststellungsklage gemäß § 55 SGG; das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich bei einem Bestreiten der Leistungspflicht durch das Versicherungsunternehmen. Das ist hier der Fall. Im Falle des Obsiegens wäre zu erwarten, dass der Beklagte den vorläufig zur Verfügung gestellten Elektrorollstuhl dem Kläger nunmehr leihweise auf Dauer überlässt. Die Frage, ob der Kläger bei Ablehnung dieses Angebots Anspruch auf den von ihm näher bezeichneten Rollstuhl als "zwingenden Grund" iS des 4.1 Tarifs PV hat, könnte zwar weiter streitig bleiben. Das steht aber der Zweckmäßigkeit der Vorabentscheidung über die Leistungspflicht des Beklagten nicht entgegen. Der im schriftlichen Verfahren formulierte Antrag des Klägers ist somit in sachdienlicher Weise als Feststellungsbegehren auszulegen (§ 123 SGG).
Dem Kläger steht der geltend gemachte versicherungsvertragliche Anspruch nicht zu. Gemäß § 178b Abs 4 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) haftet der Versicherer im Falle der Pflegebedürftigkeit im vereinbarten Umfang für Aufwendungen, die für die Pflege der versicherten Person entstehen (Pflegekostenversicherung) oder er leistet das vereinbarte Tagegeld (Pflegetagegeldversicherung). Der Leistungsumfang der hier vorliegenden Pflegekostenversicherung bestimmt sich demgemäß nach den im Versicherungsvertrag vereinbarten Konditionen. Für die "Leistungen der häuslichen Pflege" ist die Regelung des § 4 MB/PPV 1996 maßgeblich. Nach § 4 (7) MB/PPV haben versicherte Personen gemäß Nr 4 des Tarifs PV Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für Pflegehilfsmittel und technische Hilfen oder deren leihweise Überlassung, wenn und soweit die Pflegehilfsmittel und technischen Hilfen zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung von Beschwerden der versicherten Personen beitragen oder ihr eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen und die Versorgung notwendig ist. Nach Nr 4 des Tarifs PV sind erstattungsfähig die Aufwendungen für die in dem Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegepflichtversicherung aufgeführten Pflegehilfsmittel und technischen Hilfen. Im Pflegehilfsmittelverzeichnis der privaten Pflegepflichtversicherung sind als Pflegehilfsmittel zur Erleichterung der Pflege unter Ziff 1.4.2 lediglich fremdbedienbare Elektrorollstühle, ansonsten aber unter Ziff 1.3.1 Zimmerrollstühle und unter Ziff 1.4.1 Schieberollstühle aufgeführt. Ein Anspruch auf Ausstattung mit einem eigenbedienbaren Elektrorollstuhl besteht somit nach den Versicherungsbedingungen nicht.
Die zum Vertragsinhalt gewordenen Versicherungsbedingungen sind verbindlich, weil sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Der Beklagte ist weder nach den Vorschriften des VVG, des SGB XI noch nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) verpflichtet, den Kläger mit dem begehrten Hilfsmittel zu versorgen. Soweit der Kläger bestreitet, dass ihm das als Anlage zum Tarif PV bezeichnete Hilfsmittelverzeichnis übersandt oder in sonstiger Weise bekannt gegeben worden ist, kann dies im Hinblick auf seine revisionsrechtliche Zulässigkeit offen bleiben. Die Behauptung des Klägers, als zulässig und wahr unterstellt, kann nämlich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt dazu führen, den im Hilfsmittelverzeichnis nicht enthaltenen eigenbedienbaren Elektrorollstuhl als vertraglich vereinbart anzusehen. Auf die besonderen Voraussetzungen für die Einbeziehung von Versicherungsbedingungen in den Vertrag in § 5a VVG ist hier nicht näher einzugehen. Nach § 306 Abs 1 BGB (inhaltsgleich mit dem früheren § 6 des Gesetzes über Allgemeine Geschäftsbedingungen, sodass Fragen der zeitlichen Anwendbarkeit offen bleiben können) bleibt der Vertrag nämlich im Übrigen wirksam, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind. Nach § 306 Abs 2 BGB richtet sich der Inhalt des Vertrages dann nach den gesetzlichen Vorschriften. Gesetzliche Vorschriften, die den Beklagten zur Leistung des begehrten Hilfsmittels verpflichten würden, bestehen indessen nicht.
Das Gesetz schreibt in § 23 Abs 1 Satz 2 SGB XI vor, dass ein Vertrag der privaten Pflegeversicherung ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Versicherungspflicht für den Versicherungsnehmer und seine Angehörigen, für die in der sozialen Pflegeversicherung nach § 25 SGB XI eine Familienversicherung bestünde, Vertragsleistungen vorsehen muss, die nach Art und Umfang den Leistungen des Vierten Kapitels (§§ 28 bis 45 SGB XI) gleichwertig sind. Dabei tritt an die Stelle der Sachleistungen eine der Höhe nach gleiche Kostenerstattung (§ 23 Abs 1 Satz 3 SGB XI). Diesen Bedingungen werden die Regelungen des § 4 MB/PPV 1996 gerecht.
Maßstab für die Frage der Gleichwertigkeit des Leistungsanspruchs ist § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI. Danach haben Pflegebedürftige der sozialen Pflegeversicherung Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Ein eigenständig bedienbarer Elektrorollstuhl ist kein Hilfsmittel der sozialen Pflegeversicherung, und zwar unabhängig davon, ob er ausschließlich oder überwiegend zu Hause oder außerhalb genutzt wird. Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass ein solcher Rollstuhl geeignet ist, zur Erleichterung der Pflege beizutragen und vor allem eine selbstständigere Lebensführung zu ermöglichen. Dies macht ihn aber noch nicht zu einem Hilfsmittel der Pflegeversicherung, weil diese Eigenschaften auch mehr oder weniger allen Hilfsmitteln zukommen, die dem Behinderungsausgleich dienen und deshalb als Hilfsmittel von der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 33 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) zu leisten sind (stRspr des BSG, vgl BSG SozR 2200 § 182b Nr 9; BSGE 51, 268, 271 = SozR 2200 § 182b Nr 20; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 7; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 13; ferner Gaßner/Schottky, NZS 2005, 523, 527). Um ein reines Pflegehilfsmittel, das der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zugerechnet werden kann, handelt es sich nur dann, wenn es im konkreten Fall allein oder doch jedenfalls schwerpunktmäßig der Erleichterung der Pflege dient (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 47; SozR 4-2500 § 33 Nr 5).
Bei dem eigenbedienbaren Elektrorollstuhl steht der Behinderungsausgleich ganz im Vordergrund, weil er es dem behinderten Menschen erlaubt, seinem Grundbedürfnis nach Fortbewegung im häuslichen Bereich und auch draußen in einem bestimmten Umkreis nachzukommen, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Dadurch wird zwangsläufig sein allgemeiner Pflegebedarf verringert und damit die Pflege erleichtert; außerdem wird ihm dadurch eine selbstständigere Lebensführung ermöglicht. Diese Aspekte sind aber nur Folge des Behinderungsausgleichs und ändern nichts daran, dass ein solches Hilfsmittel allein der Leistungspflicht der Krankenversicherung zuzuordnen ist.
Zu Unrecht wendet die Revision ein, dass dies jedenfalls dann nicht gelte, wenn im konkreten Fall die Krankenversicherung nicht eintrete. Sie leitet dies aus dem Wortlaut des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI ab, wonach der Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln bestehe, "soweit" die Hilfsmittel nicht von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Diese Gesetzesfassung bedeutet nicht, dass zwischen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis besteht in der Weise, dass ein Überschneidungsbereich bestünde, in dem grundsätzlich beide Leistungsträger für Hilfsmittel zuständig sind, wobei die Leistungspflicht der Pflegekasse vergleichbar der Sozialhilfe subsidiär eintritt, wenn im Einzelfall kein vorrangiger Versicherungsschutz besteht. Es kommt nur die Zuständigkeit des einen oder des anderen Leistungsträgers in Betracht, obwohl sich nach dem gesetzlichen Tatbestand die Anwendungsbereiche von § 33 SGB V und § 40 SGB XI zu überschneiden scheinen (Leitherer in Kasseler Kommentar, Stand September 2003, § 40 SGB XI, RdNr 5; Gaßner/Schottky, NZS 2005, 523 sprechen zwar auch von Subsidiarität, aber nicht im Sinne von Auffangzuständigkeit). Doppelte Zuständigkeiten für Sozialleistungen sind nur ausnahmsweise anzunehmen und jeweils ausdrücklich angeordnet. § 13 SGB XI regelt den Nachrang der Pflegeversicherung gegenüber bestimmten Entschädigungsleistungen und den grundsätzlichen Vorrang gegenüber den Fürsorgeleistungen. Bei Leistungen der Eingliederungshilfe, die ebenfalls zu den Fürsorgeleistungen zählen, ordnet § 13 Abs 3 Satz 3 SGB XI ausdrücklich ihre Gleichrangigkeit mit der Möglichkeit von Überschneidungen mit Leistungen der Pflegeversicherung an. Die Leistungsträger sollen dann den zuständigen Leistungsträger bestimmen und Kostenteilung vereinbaren (§ 13 Abs 4 SGB XI). Im Verhältnis zur Krankenversicherung ergibt sich aus § 13 SGB XI kein Überschneidungsbereich. § 13 Abs 2 SGB XI stellt dies mit der Erwähnung von § 37 SGB V nur noch besonders klar (vgl Udsching, SGB XI, 2. Aufl 2000, § 13 RdNr 8). Welcher Leistungsträger im Einzelnen für Hilfsmittel zuständig ist, richtet sich im Zweifel nach dem Schwerpunkt der Zweckbestimmung. Der gesetzliche Wortlaut von § 40 SGB XI ("soweit") ist nur gewählt worden, um deutlich zu machen, dass es auch hier nach Inkrafttreten der Pflegeversicherung bei der bisherigen Leistungsverpflichtung anderer Leistungsträger (mit Ausnahme der Sozialhilfe) bleiben sollte (Regierungsentwurf BR-Drucks 505/93 S 113/114 zu § 36 Abs 1).
Im Bereich der Sozialversicherung hat die Zuweisung der Zuständigkeit für die Leistungserbringung bei Hilfsmitteln im häuslichen Bereich für den Versicherten in der Regel keine entscheidende Bedeutung, weil beide Leistungsträger die Hilfsmittel als Sachleistung schulden und allenfalls eine unterschiedliche Zuzahlung in Betracht kommt. Wäre der Kläger gesetzlich krankenversichert, hätte er einen Anspruch auf Hilfsmittelversorgung gemäß § 33 SGB V gegen die Krankenkasse. Dass der Kläger im Rahmen der privaten Krankenversicherung nur einen beschränkten Leistungsanspruch bei der Hilfsmittelversorgung hat, ist Folge des eigenverantwortlich ausgehandelten Vertragsabschlusses. Diese Versorgungslücke ist nicht durch Eintreten der privaten Pflegeversicherung zu schließen. § 23 SGB XI verlangt nicht, dass privat pflegeversicherte Personen im Ergebnis gesetzlich Krankenversicherten gleichzustellen sind. Es wird lediglich eine Gleichwertigkeit der Vertragsleistungen der privaten Pflegeversicherung mit denen der sozialen Pflegeversicherung vorgeschrieben. Aus der sozialen Pflegeversicherung wäre der begehrte Elektrorollstuhl aber nicht zu leisten; das Hilfsmittelverzeichnis der Pflegekassen enthält dieses Hilfsmittel deshalb zu Recht nicht.
Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf § 193 SGG in der bis zum geltenden, für die Berufungs- und Revisionsinstanz in der seitdem geltenden Fassung. Maßgebend ist der Zeitpunkt der Anhängigkeit des jeweiligen Rechtsmittels, soweit es sich nicht um ein Verfahren nach § 197a SGG handelt (BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 13, SozR 3-3300 § 40 Nr 9).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
JAAAC-15411