Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGB V § 35a
Instanzenzug:
Gründe
I
Streitig ist die Festbetragsfestsetzung für Arzneimittel auf Grund der vorübergehend bis zum geltenden Vorschrift des § 35a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), die durch das Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung (Festbetrags-Anpassungsgesetz - FBAG) vom (BGBl I 1948) in das SGB V eingefügt worden ist. Damit wurde das Bundesministerium für Gesundheit (BMG, jetzt: BMGS) bis zum ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates
"1. einmalig die Festbeträge für Arzneimittel anzupassen,
2. im Ausnahmefall bei sachlich gebotenem Änderungsbedarf, insbesondere bei neuem wissenschaftlichem Erkenntnisstand oder infolge gerichtlicher Entscheidungen, Gruppen von Arzneimitteln neu zu bestimmen und für diese Festbeträge festzusetzen."
Die Antragstellerinnen und Revisionsklägerinnen (im Folgenden: Klägerinnen) sind Tochterunternehmen eines großen Pharmakonzerns und stellen ua Arzneimittel her, die zur Gruppe der so genannten ACE-Hemmer gehören und zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden. Eines der von den Klägerinnen hergestellten Arzneimittel enthält den Wirkstoff Quinapril, ein anderes eine Wirkstoffkombination von Quinapril und Hydrochlorothiazid, das eingesetzt wird bei Patienten, deren Bluthochdruck mit Quinapril allein nicht ausreichend gesenkt werden kann. Für diese Arzneimittel wurden schon im Jahre 1995 Festbeträge durch die Spitzenverbände der Krankenkassen festgesetzt, gegen die sich die Klägerinnen mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) erfolgreich und rechtskräftig wehrten, weil der Wirkstoff Quinapril bei der Festbetragsfestsetzung gegenüber dem Referenzwirkstoff in der Arzneimittelgruppe unterbewertet worden war. Sie erreichten damit eine Gleichstellung der Wirkstoffe. Durch die Rechtsverordnung zur Neubestimmung von Arzneimittelfestbetragsgruppen (FGNV) vom (BGBl I 93) wurde nunmehr durch das ermächtigte Bundesministerium eine Festbetragsfestsetzung vorgenommen, die wiederum auch die Arzneimittel der Klägerinnen betraf. In der Festbetragsgruppe der ACE-Hemmer wurden auf Grund einer neuen Berechnungsmethode, mit der durch Auswertung internationaler klinischer Studien ermittelt wurde, welche Menge eines der in die Festbetragsgruppe fallenden Wirkstoffes im Vergleich zu dem Referenzwirkstoff Enalapril jeweils erforderlich ist, um den gleichen blutdrucksenkenden Effekt zu bewirken, die sog Äquivalenzfaktoren neu bestimmt. Ergebnis dieser Neubewertung war, dass dem Wirkstoff Quinapril im Vergleich zu dem Referenzwirkstoff Enalapril mit dem Äquivalenzfaktor 1,0 ein Äquivalenzfaktor von 1,78 zugewiesen wurde, der noch höher lag als der seinerzeit mit Erfolg gerichtlich angegriffene Äquivalenzfaktor von 1,5. Das bedeutete eine etwa nur halb so hohe Einstufung der Wirksamkeit und führte zu entsprechend niedrigeren Festbeträgen für die vergleichbaren Arzneimittelpackungen.
Die Klägerinnen haben am beim Landessozialgericht (LSG) Berlin gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland den Antrag gestellt, die FGNV für nichtig zu erklären, soweit durch sie die Festbeträge für den Wirkstoff Quinapril sowie seiner Kombination auf der Grundlage der festgelegten Äquivalenz- und Vergleichsfaktoren abgesenkt worden sind. Das den Antrag zurückgewiesen mit der Begründung, die Klägerinnen seien wegen fehlender Rechtsverletzung nicht antragsbefugt. Die Vorschriften über die Festbetragsfestsetzung dienten allein den Interessen der Versicherten und der Krankenkassen, nicht aber denen der Arzneimittelhersteller. Die Festbetragsfestsetzungen beträfen die Arzneimittelhersteller auch nicht in ihren Grundrechten. Nach der Entscheidung des (BVerfGE 106, 275) werde das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht berührt. Die Klägerinnen seien auch nicht in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art 3 Grundgesetz (GG) verletzt. Das Gesetz mache für die Festbetragsfestsetzung strikte Vorgaben; sie erfolge nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Eine drittschützende Wirkung zu Gunsten der Arzneimittelhersteller sei daraus nicht abzuleiten. Auch aus den sonstigen Regelungen des Gesetzes, wie dem Anhörungsrecht im Festsetzungsverfahren, den Ausnahmen für patentgeschützte Wirkstoffe und den besonderen Regelungen über den Rechtsschutz lasse sich zu Gunsten einer Antragsbefugnis der Klägerinnen nichts herleiten.
Dagegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Klägerinnen. Sie machen geltend, dass durch § 35a SGB V nach dem Willen des Gesetzgebers Rechtsschutzmöglichkeiten für die betroffenen Unternehmen eingeräumt werden sollten. Im Übrigen seien sie durch die Festbetragsfestsetzung in ihrem Grundrecht auf gleiche Wettbewerbsbedingungen verletzt worden, weil der Wirkstoff Quinapril gegenüber dem Referenzwirkstoff zu Unrecht abgewertet worden sei, wodurch ihre Marktchancen beeinträchtigt würden. Die der Festbetragsfestsetzung zu Grunde gelegte Berechnungsmethode zur Ermittlung der Wirkstärke des jeweiligen Arzneistoffs sei wissenschaftlich nicht haltbar; die Gleichwertigkeit von Quinapril mit Enalapril werde durch die Verordnungspraxis der Ärzte belegt. Ein Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz ergebe sich auch aus der europarechtlichen Transparenzrichtlinie (Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom - ABl Nr L 140 vom S 8), die bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sei.
Die Klägerinnen betragen,
das aufzuheben und die FGNV vom für nichtig zu erklären, soweit hierdurch die Festbeträge für den Wirkstoff Quinapril sowie die Kombinationen der Wirkstoffe Quinapril und Hydrochlorothiazid abgesenkt worden sind,
hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte und der beigeladene Gemeinsame Bundesausschuss beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revisionen der Klägerinnen sind zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht und ist deshalb aufzuheben. Da zur abschließenden Entscheidung weitere Feststellungen zu treffen sind, ist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
1. Die Revision gegen das angefochtene Urteil ist statthaft, weil sie vom LSG - für das BSG bindend (§ 160 Abs 3 SGG ) - ausdrücklich zugelassen worden ist. Etwaigen Zweifeln an der Anwendbarkeit der §§ 160 f SGG über das Revisionsverfahren, die sich daraus ergeben könnten, dass es sich um eine im SGG ansonsten nicht vorgesehene Normenkontrollklage mit einem abweichenden Rechtszug handelt, hat der Gesetzgeber dadurch vorgebeugt, dass er in § 35a Abs 7 Satz 8 SGB V ausdrücklich die Anwendung von § 160 SGG angeordnet hat. Auch wenn dort nur die Zulassung der Revision geregelt ist, lässt sich der Wille des Gesetzgebers hinreichend erkennen, den Beteiligten die Revisionsinstanz wie in einem normalen Klageverfahren zu eröffnen. Die von den Klägerinnen eingelegten Revisionen begegnen im Hinblick auf die somit anzuwendenden gesetzlichen Formvorschriften und Fristen keinen Bedenken.
2. Die von Amts wegen auch im Revisionsverfahren zu prüfenden besonderen Verfahrensvoraussetzungen der Normenkontrollklage sind ebenfalls erfüllt. Nach § 35a Abs 7 SGB V entscheidet über die Gültigkeit einer Verordnung über die Festsetzung von Festbeträgen erstinstanzlich das örtlich allein zuständige LSG Berlin. Den Antrag kann nach Satz 2 dieser Vorschrift jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Der Antrag ist gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das zuständige Bundesministerium, zu richten (Satz 3). Der Antrag der Klägerinnen auf Feststellung der Nichtigkeit der Verordnung im angefochtenen Umfang ist danach form- und fristgerecht bei dem sachlich und örtlich zuständigen Gericht geltend gemacht worden. Zutreffend hat das LSG über den Antrag durch Urteil entschieden (§ 35a Abs 7 Satz 4 SGB V).
3. Mit der Abweisung des Antrags als unzulässig hat das LSG den Klägerinnen aber zu Unrecht gerichtlichen Rechtsschutz versagt. Diese haben entgegen der Auffassung des LSG in nachvollziehbarer Weise geltend gemacht, durch die FGNV in ihren Rechten verletzt zu sein. Ob das tatsächlich der Fall ist, hängt vom Ergebnis der noch durchzuführenden Beweisaufnahme ab.
Es kann offen bleiben, ob - wie die Revision geltend macht - mit der Erwähnung der juristischen Personen in § 35a Abs 7 Satz 2 SGB V nur oder jedenfalls auch Arzneimittelhersteller gemeint sein können, denen der Gesetzgeber damit ausdrücklich eine Klagebefugnis zuerkannt habe, oder ob damit die allgemeinen Voraussetzungen für Rechtsschutzbegehren bestätigt und nur um weitere Rechtsschutzvoraussetzungen ergänzt worden sind. Dass der Gesetzgeber die Arzneimittelhersteller zumindest im Blickfeld gehabt hat, liegt im Hinblick auf die Ausnahmevorschriften für patentgeschützte Wirkstoffe nahe, durch die ganz vorrangig Interessen der Arzneimittelhersteller berücksichtigt worden sind. Ob der Gesetzgeber darüber hinausgehend den Arzneimittelherstellern auch im Hinblick auf nicht patentgeschützte Arzneimittel eine Klagebefugnis gegen eine gesetzeswidrige Festbetragsfestsetzung hat einräumen wollen, weil ihre wirtschaftlichen Interessen in jedem Fall betroffen sind, ist im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihren Zusammenhang mit der in § 35 SGB V vorher und jetzt wiederum getroffenen und geltenden Regelung allerdings zweifelhaft; denn dort war die Klagebefugnis der Arzneimittelhersteller gegenüber der Festbetragsfestsetzung durch die Spitzenverbände der Krankenkassen von Anfang an streitig. Hätte der Gesetzgeber durch § 35a SGB V den Arzneimittelherstellern eine umfassende Klagebefugnis einräumen wollen, hätte eine Klarstellung erwartet werden können, die über die bloße Erwähnung juristischer Personen in § 35a Abs 7 Satz 2 SGB V hinausgegangen wäre. Die Frage braucht deshalb nicht abschließend entschieden zu werden, weil der einfache Gesetzgeber jedenfalls Rechtsschutz gegen Grundrechtsverletzungen nicht ausschließen durfte (vgl Art 19 Abs 4 GG), sodass § 35a SGB V in verfassungskonformer Auslegung die Anrufung der Gerichte durch Arzneimittelhersteller jedenfalls dann zulässt, wenn geltend gemacht wird, dass die Festbetragsfestsetzung sie in Grundrechten verletze. Dafür reicht es wie für jedes andere sozialgerichtliche Rechtsschutzbegehren aus, dass die Rechtsverletzung generell möglich ist und im Einzelfall nachvollziehbar dargelegt wird (vgl Meyer-Ladewig, SGG 7. Aufl 2002, Vor § 51 RdNr 16 f; § 54 RdNr 12 f). Das ist hier der Fall.
Die Klägerinnen machen geltend, durch die FGNV in ihrem Grundrecht aus Art 12 GG verletzt zu sein, indem die Wirksamkeit des von ihnen hergestellten Arzneistoffs gegenüber dem Referenzarzneistoff zu Unrecht deutlich unterbewertet worden sei und sie dadurch im Wettbewerb erheblich benachteiligt würden. Diesem Vorbringen steht entgegen der Ansicht des LSG die Entscheidung des (BVerfGE 106, 275 ff = SozR 3-2500 § 35 Nr 2) nicht entgegen. Das BVerfG hat in dieser Entscheidung die Grundrechtsbetroffenheit von Arzneimittelherstellern nur insofern verneint, als der Gesetzgeber die Spitzenverbände der Krankenkassen zur Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel ermächtigt habe. Nur mit der Fragestellung, ob die den Spitzenverbänden der Krankenkassen in § 35 SGB V eingeräumte Befugnis, für Arzneimittel Festbeträge festzusetzen, mit dem GG vereinbar ist, hatte der erkennende Senat die Sache dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt ( - NZS 1995, 502). Mit der Durchführung der Festbetragsfestsetzung im Einzelnen und ihren Auswirkungen auf die Versicherten, die Ärzte und die Arzneimittelhersteller hatte sich der vorlegende Senat nicht befasst; das BVerfG hat ausdrücklich zu den damit verbundenen verfassungsrechtlichen Fragen nicht Stellung genommen (vgl BVerfGE 106, 275, 296 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2).
Damit steht für alle Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden bindend fest (§ 31 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz <BVerfGG>), dass Festbetragsfestsetzungen als solche die Berufsfreiheit pharmazeutischer Unternehmen nicht verletzen, weil sie lediglich die Rahmenbedingungen ihrer wirtschaftlichen Betätigung betreffen, auf deren unveränderte Beibehaltung kein verfassungsrechtlich geschützter Anspruch besteht. Die Festbeträge als solche konkretisieren nur, was auch ohne sie schon gilt, nämlich eine Beschränkung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auf wirtschaftliche Arzneimittel. Die Veröffentlichung der Festbeträge macht nur transparent, wo aus Wirtschaftlichkeitsgründen die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für die einzelnen Arzneimittel endet. Wird durch die Transparenzwirkung der Festbeträge auf das Marktverhalten eines Arzneimittelherstellers Einfluss genommen, ist dies ein bloßer Reflex auf die Rechtsetzung, nicht aber ein Grundrechtseingriff.
Das schließt aber nicht aus, dass staatliche Maßnahmen, die auf eine Veränderung des Verhaltens von Unternehmen im Wettbewerb zielen oder den Wettbewerb der Unternehmen untereinander verfälschen, im Einzelfall die Berufsfreiheit beeinträchtigen können (BVerfGE 86, 28, 37; BSGE 87, 95, 97 = SozR 3-2500 § 35 Nr 1; Jarass in Jarass/Pieroth GG, 7. Aufl 2004, Art 12 RdNr 15). Art 12 Abs 1 GG begründet ein Recht der Unternehmen auf Teilhabe am Wettbewerb, was zwar nicht vor der Zulassung von Konkurrenten, wohl aber vor ungerechtfertigter staatlicher Begünstigung von Konkurrenten (BVerfGE 82, 209, 223) schützt.
Von einem solchen Recht auf fairen Wettbewerb gehen auch die gesetzlichen Vorschriften zur Festbetragsfestsetzung aus. Nach der seit dem wieder in Kraft befindlichen Vorschrift des § 35 SGB V (idF durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz vom - BGBl I 2190 -) sollen Gruppen von Arzneimitteln gebildet werden mit
1. denselben Wirkstoffen
2. pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen,
3. therapeutisch vergleichbarer Wirkung, insbesondere Arzneimittelkombinationen;
unterschiedliche Bioverfügbarkeiten wirkstoffgleicher Arzneimittel sind dabei zu berücksichtigen, sofern sie für die Therapie bedeutsam sind. Nach § 35 Abs 5 SGB V sind die Festbeträge so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie haben Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherzustellen. Die hier vorübergehend geltende Ermächtigung in § 35a SGB V sah vor, dass das BMGS einmalig die Festbeträge für Arzneimittel "anpassen" durfte; die "Anpassung" sollte dabei im Wesentlichen nach den selben Kriterien wie in § 35 SGB V erfolgen. Durch die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen, die jeweils zur Behandlung bestimmter Erkrankungen dienen und deshalb therapeutisch vergleichbar sind, wird die Transparenz geschaffen, die es dem verordnenden Arzt ermöglicht, unter den auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln auszuwählen und sich im Zweifel für dasjenige Produkt zu entscheiden, das am preisgünstigsten ist. Sofern die Gruppeneinteilung medizinisch-pharmakologisch einwandfrei erfolgt, werden gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle pharmazeutischen Unternehmen geschaffen, die Arzneimittel für die Behandlung der darin erfassten Krankheiten entwickeln und vertreiben.
Die hier streitige Festbetragsfestsetzung durch Rechtsverordnung trägt dem Gedanken gleicher Wettbewerbsbedingungen ebenfalls Rechnung, obwohl die Festbeträge nicht für alle in die Vergleichsgruppe fallende Arzneimittel gleich hoch festgesetzt worden sind, sondern bei den vergleichbaren Wirkstoffen zusätzlich nach der Wirkstärke differenziert wird. Das hat zur Folge, dass bei gleichen Packungsgrößen das wirksamere Arzneimittel einen höheren Festpreis zugeordnet bekommt als das wirkstoffschwächere Arzneimittel. Im Ergebnis bedeutet dies dennoch eine Gleichbehandlung, weil bei dem wirkstoffschwächeren Arzneimittel die Dosierung entsprechend höher erfolgen muss, sodass die Gesamtkosten der Arzneimitteltherapie bei Zugrundelegung der jeweiligen Festpreise gleich hoch liegen.
Wird aber ein Wirkstoff, wie es die Klägerinnen geltend machen, im Vergleich zu den anderen in der Gruppe zusammengefassten Wirkstoffen, insbesondere dem Referenzwirkstoff, unterbewertet in der Weise, dass die erforderliche Tagesdosis im Vergleich zum Referenzarzneistoff nahezu verdoppelt wird, obwohl die Wirkstoffe gleich wirksam sind und in der ärztlichen Verordnungspraxis auch als gleich wirksam behandelt werden, tritt dadurch eine erhebliche Benachteiligung im Wettbewerb ein. Denn wenn die Klägerinnen bei gleicher Packungsgröße den Verkaufspreis in Höhe des Festpreises für das Referenzarzneimittel festlegen würden, wäre der Versicherte mit einer erheblichen Zuzahlung belastet. Der behandelnde Arzt müsste ihn darauf hinweisen (§ 73 Abs 5 Satz 3 SGB V), mit der Folge, dass der Versicherte idR sich für das Medikament ohne oder mit der geringeren Zuzahlung entscheiden wird. Faktisch werden die Klägerinnen damit gezwungen, ihre Arzneimittelverkaufspreise auf die Höhe der Festbeträge herabzusetzen, was - unter der Prämisse gleicher Wirksamkeit - erhebliche Umsatzeinbußen gegenüber dem Referenzarzneimittel bedeutet.
Eine derartige Verschlechterung ihrer Absatzchancen müssten die Klägerinnen nicht hinnehmen. Auch wenn sie nicht unmittelbare Adressaten der Festbeträge sind und eine fehlerhafte Festbetragsfestsetzung nicht absichtlich und zielgerichtet erfolgt wäre, wäre ihr Grundrecht auf freie Berufsausübung jedenfalls iVm dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG verletzt. Gegen sachlich ungerechtfertigte Benachteiligungen steht ihnen ein Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz zu, sodass zunächst von den Tatsachengerichten zu prüfen ist, ob die Behauptung, die Wirksamkeit des von den Klägerinnen hergestellten Wirkstoffs Quinapril sei im Vergleich zum Referenzwirkstoff pharmakologisch unterbewertet worden, zutrifft. Es ist Aufgabe der Tatsacheninstanz, sich mit dem Vorbringen der Klägerinnen auseinander zu setzen, die von dem BMGS mit Unterstützung der Krankenkassen herangezogenen internationalen Arzneimittelstudien seien fehlerhaft ausgewertet und gewichtet worden, während aussagekräftige unmittelbare Vergleichsstudien zwischen Quinapril und Enalapril, die eine gleiche Wirksamkeit der Arzneistoffe ergeben hätten, unberücksichtigt geblieben seien. Soweit der auf zwei Stellen hinter dem Komma berechnete Äquivalenzfaktor als arithmetischer Durchschnitt aus verschiedenen Arzneimittelstudien errechnet worden sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass die damit verbundene scheinbare Genauigkeit im Wesentlichen davon abhängt, in welchem Umfang die in die statistische Erhebung einbezogenen Zahlenwerte aussagekräftig und genau sind. Methodisch verfehlt wäre es danach, im Rahmen einer statistischen Betrachtung unterschiedlich aussagekräftige Studien gleich zu bewerten und die entsprechenden Zahlenwerte ungewichtet der Errechnung eines arithmetischen Durchschnitts zu Grunde zu legen. Es ist an dieser Stelle nicht näher darauf einzugehen, inwieweit dem Verordnungsgeber die Möglichkeit stärkerer Pauschalierung zur Verfügung gestanden hätte. Da er sich zu einer äußerst differenzierten Regelung entschlossen hat, hat dies bezüglich ihrer Sachgerechtigkeit eine entsprechende gerichtliche Kontrolldichte zur Folge.
Unter diesen Umständen ist die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen über die sachliche Richtigkeit des der Festbetragsfestsetzung zu Grunde gelegten Äquivalenzfaktors an das LSG zurückzuverweisen, das auch die abschließende Kostenentscheidung zu treffen haben wird.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
PAAAC-15299