Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGG § 103
Instanzenzug:
Gründe
Die ausschließlich mit Verfahrensrügen begründete Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist teils unzulässig, teils unbegründet und daher insgesamt zurückzuweisen.
Der Kläger beanstandet, das Landessozialgericht (LSG) habe notwendige Ermittlungen zum medizinischen Sachverhalt nicht durchgeführt und damit seine Sachaufklärungspflicht nach § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt. Diese Rüge greift nicht durch.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann die Revision wegen eines Verstoßes gegen § 103 SGG nur zugelassen werden, wenn das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Soweit sich die Beschwerde auf den mit Schriftsatz vom gestellten Antrag bezieht, die Ärztin Dr. C. als Sachverständige zur Frage der beruflichen Verursachung der beim Kläger bestehenden Enzephalopathie zu hören, fehlt es bereits an einem berücksichtigungsfähigen Beweisantrag. Der besagte Antrag war ausdrücklich auf § 109 SGG gestützt; mit ihm hat der Kläger sein gesetzlich verbürgtes Recht in Anspruch genommen, die gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes zu den entscheidungserheblichen medizinischen Fragen des Falles zu verlangen. Ein solcher Antrag ist kein Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, wie die Vorschrift selbst zeigt; denn wegen einer Verletzung des § 109 SGG kann die Zulassung der Revision danach gerade nicht beansprucht werden.
Der Auffassung des Klägers, sein Antrag müsse ungeachtet der Bezugnahme auf § 109 SGG zugleich als Beweisantrag nach § 103 SGG gewertet werden, weil aus den begleitenden Ausführungen die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen von Amts wegen zu ersehen gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass in einem Antrag nach § 109 SGG nicht automatisch ein Beweisantrag nach § 103 SGG enthalten ist (siehe zuletzt: Beschluss vom - B 2 U 18/04 B - mwN; ferner mit eingehender Begründung: Beschluss des 9. Senats des SozR 1500 § 160 Nr 67); denn die Besonderheit des Antragsrechts nach § 109 SGG besteht gerade darin, dass der Kläger eine weitere Begutachtung auch dann verlangen kann, wenn die entscheidungserheblichen medizinischen Tatsachen an sich geklärt sind, er sich aber von dem Arzt seines Vertrauens noch eine günstigere Beurteilung erhofft. Soll das LSG vorrangig zu eigenen Ermittlungen veranlasst und das Antragsrecht nach § 109 SGG nur hilfsweise in Anspruch genommen werden, muss der Kläger dies deutlich machen und dem Gericht vor Augen führen, dass aus seiner Sicht wesentliche Fragen tatsächlicher Art offen geblieben sind und eine Beweiserhebung nach § 103 SGG geboten ist.
Die Regelungen zur Beschränkung der Verfahrensrevision in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG dienen der Entlastung des Revisionsgerichts. Für die Zulassung der Revision gelten deshalb insoweit enge Voraussetzungen. Die Rechtsprechung verlangt einen förmlichen Beweisantrag, der das Beweisthema und die Beweismittel benennt. Der Beweisantrag muss in der das Verfahren abschließenden mündlichen Verhandlung oder, wenn ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, schriftsätzlich zu einem Zeitpunkt gestellt werden, in dem feststeht, dass das Gericht von sich aus keine Ermittlungen mehr durchführen will. In formaler Hinsicht wird gefordert, dass der Antrag entweder protokolliert oder im Urteilstatbestand aufgeführt wird (ausführlich zu alledem: BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9, Nr 20, Nr 29, Nr 31). Begehrt der Kläger die Anhörung eines bestimmten Arztes, muss Klarheit herrschen, welche prozessualen Ziele er damit verfolgt. Wird ein Tätigwerden des Gerichts gemäß § 103 Satz 1 SGG erwartet, muss dies jedenfalls bei rechtskundig vertretenen Beteiligten in dem Antrag selbst zum Ausdruck kommen, indem klargestellt wird, dass die Begutachtung nach § 109 SGG nur hilfsweise für den Fall beantragt wird, dass das Gericht eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen nicht für erforderlich hält. Da der hier in Rede stehende Antrag keine solche Einschränkung enthält, fehlt es von vornherein an einem Beweisantrag, auf den sich die Aufklärungsrüge beziehen könnte.
Der weitere im Schriftsatz vom gestellte Antrag auf ergänzende Anhörung des Sachverständigen Dr. R. zu den Auswirkungen des Kontakts mit dem Flugbenzin JP-8 auf die Krankheitsentstehung und -entwicklung erfüllt zwar die Voraussetzungen eines Beweisantrags. Entgegen dem Beschwerdevorbringen musste sich das Berufungsgericht in Anbetracht der bereits vorliegenden ärztlichen Gutachten aber nicht veranlasst sehen, den beantragten weiteren Sachverständigenbeweis zu erheben. Bezüglich des beruflichen Umgangs mit dem Treibstoff JP-8 hat es mit Recht darauf verwiesen, dass dieser aufgrund der Angaben im Verwaltungsverfahren aktenkundig war. Dass dem Sachverständigen die Eigenheiten des Treibstoffs und die von ihm ausgehende Gesundheitsgefährdung nicht bekannt gewesen sein sollen, hatte der Kläger lediglich pauschal behauptet, aber durch nichts belegt.
Soweit die Beschwerde die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen mit angeblichen Widersprüchen im Gutachten des arbeitsmedizinischen Sachverständigen Dr. R. begründet, ist dies ebenfalls nicht geeignet, verfahrensrechtliche Versäumnisse des LSG aufzuzeigen. Beanstandet wird, der Sachverständige habe eine berufliche Verursachung der beim Kläger bestehenden Hirnschädigung ursprünglich nur deshalb verneint, weil ein vom behandelnden Arzt diagnostiziertes Schlafapnoesyndrom als alternative Ursache der Krankheit in Betracht gekommen sei. Als sich das Vorliegen einer Schlafapnoe später nicht bestätigt habe, sei er ohne Begründung von der bisherigen Position abgerückt und zu der Auffassung gelangt, dies ändere nichts an der Einschätzung, dass eine toxische Enzephalopathie im Sinne einer Berufskrankheit nach Nr 1317 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung nicht gegeben sei. Dieser Einwand gibt jedoch die Ausführungen im Gutachten verkürzt wieder. Dr. R. hatte sich darin keineswegs auf nur zwei denkbare Ursachen für die Krankheitsentstehung festgelegt; vor allem aber hatte er die Möglichkeit einer außerberuflichen Genese der Hirnleistungsstörung von vornherein nur als eines von mehreren Argumenten für seine Auffassung angeführt, dass ein Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit zu verneinen sei. Widersprüchliche Aussagen des Sachverständigen, die das Berufungsgericht zu einer weiteren Beweiserhebung hätten veranlassen müssen, sind bei dieser Sachlage nicht erkennbar.
Unzulässig ist die Beschwerde, soweit der Kläger eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht und dies ebenfalls damit begründet, dass das LSG keine erschöpfende Sachaufklärung durchgeführt habe. Die Vorschriften über das rechtliche Gehör (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 Grundgesetz) sollen verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1; BVerfGE 84, 188, 190). Tatsachen, die im vorliegenden Fall eine solche Annahme begründen könnten, hat der Kläger nicht vorgetragen. Die Rüge unzureichender Tatsachenfeststellungen beinhaltet nicht zugleich die Darlegung einer Gehörsverletzung. Abgesehen davon kann mit der Behauptung, das Unterlassen von Ermittlungen verletzte den Anspruch auf rechtliches Gehör, nicht die Ausschlussregelung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG unterlaufen werden.
Die Beschwerde konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EAAAC-15281