BSG Urteil v. - B 2 U 34/03 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BK Nr 2108; RVO § 551; SGB VII § 9

Instanzenzug:

Gründe

I

Der Kläger begehrt von der beklagten Unfallkasse die Anerkennung seiner Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) als Berufskrankheit (BK) Nr 2108 und die Gewährung einer Verletztenrente.

Der im Jahre 1943 geborene Kläger war zunächst als Schreiner und ab dem Jahre 1971 in der Ausbildung sowie anschließend als Krankenpfleger beschäftigt. In dem aufgrund einer ärztlichen Anzeige über eine BK wegen der Rückenschmerzen des Klägers von der Beklagten im Jahre 1993 eingeleiteten BK-Feststellungsverfahren bejahte deren Präventionsabteilung für die Jahre 1976 bis 1991 das Vorliegen der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108, für die Zeit danach wurden sie verneint. Nach Einholung mehrerer ärztlicher Gutachten und Stellungnahmen lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK Nr 2108 beim Kläger ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien (Bescheid vom , Widerspruchsbescheid vom ).

Das Sozialgericht Darmstadt (SG) hat nach Einholung eines radiologischen Gutachtens die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ) und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar lägen beim Kläger die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108 vor und er leide auch an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS, jedoch könne nicht davon ausgegangen werden, dass der notwendige Kausalzusammenhang zwischen Berufstätigkeit und Erkrankung bestehe. Das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen rechtfertige keinen Anscheinsbeweis in dem Sinne, dass damit auch vom Vorliegen des Kausalzusammenhangs zwischen der Einwirkung und der Erkrankung auszugehen sei. Da die Verursachung bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS vielgestaltig und die berufliche Einwirkung nur einer unter vielen denkbaren anderen Kausalfaktoren sei, bedürfe es stets einer individuellen Abwägung im Einzelfall. Bei dieser Abwägung müsse mehr für als gegen den Zusammenhang sprechen, die bloße Möglichkeit genüge nicht. Die berufliche Verursachung der LWS-Erkrankung sei nicht schon dann anzunehmen, wenn anlagebedingte bzw außerberufliche Ursachen nicht sicher identifiziert werden könnten. Vielmehr sei der Ursachenzusammenhang positiv festzustellen und zu begründen.

Unter Bezugnahme auf Literaturstellen werden als wesentliche Kriterien für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs angesehen: Das Krankheitsbild, insbesondere ein belastungskonformes von oben nach unten zunehmendes Schadensbild, konstitutionelle Veranlagungen bzw konkurrierende Erkrankungen, die Eignung der Einwirkung unter Berücksichtigung ihrer Begleitumstände zur Verursachung der Erkrankung, die zeitliche Korrelation zwischen beruflicher Belastung und Erkrankungsverlauf. Nach diesen Grundsätzen könne aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens beim Kläger eine wesentlich beruflich verursachte Schädigung der LWS nicht festgestellt werden. Der Kläger leide zwar an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS, ohne dass eine konkurrierende Ursache erkennbar sei. Es fehle jedoch die zeitliche Belastungskonformität des Schadens, also ein wenigstens zehnjähriges Intervall zwischen dem Beginn der beruflichen Belastung und dem Auftreten der Bandscheibensymptomatik. Obwohl die berufliche Belastung im Jahre 1991 geendet habe, habe sich die Bandscheibendegeneration kontinuierlich weiter fortgesetzt. Nach Abwägung sei der Sachverständige - für den Senat überzeugend - zu dem Schluss gekommen, dass mehr für eine degenerative Erkrankung spreche als für eine aufgrund der beruflichen Belastung. Die vom Kläger eingewandte Ausübung belastender Tätigkeiten seit 1971 ändere nichts daran, dass das Erfordernis des 10-Jahresintervalls angesichts der Arbeitsunfähigkeit im Jahre 1968 und der Beschwerden im Jahre 1977 nicht erfüllt sei.

Mit seiner Revision rügt der Kläger: Das LSG habe sein Urteil entscheidungserheblich auf das Erfordernis eines 10-Jahresintervalls zwischen dem Beginn der beruflichen Belastung und dem Auftreten der Bandscheibensymptomatik gestützt. Mit einem solchen Ausschlussgrund eines 10-Jahresintervalls für die Annahme einer BK Nr 2108 habe es einen allgemeinen Erfahrungssatz aufgestellt, der nicht existiere (Hinweis auf BSG SozR 3-2200 § 581 Nr 8, § 551 Nr 16). Zudem habe es eine innere Ursache für das Entstehen der LWS-Erkrankung angenommen, ohne dass die Grundlagen einer inneren Erkrankung im Sinne des Vollbeweises erbracht seien. Das weitere Fortschreiten der LWS-Erkrankung nach dem Jahre 1991 stehe seinem Anspruch nicht entgegen, weil es keinen entsprechenden allgemeinen Erfahrungssatz gebe.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom und des Sozialgerichts Darmstadt vom aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, bei ihm eine Berufskrankheit Nr 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente in Höhe von 20 vH ab zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision des Klägers ist insoweit begründet, als das angefochtene aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung über die vom Kläger geltend gemachte Anerkennung und Entschädigung seiner Erkrankung der LWS als BK Nr 2108 nicht aus.

Als Rechtsgrundlage für die Anerkennung der umstrittenen BK kommen in Abhängigkeit von den noch zu treffenden Tatsachenfeststellungen, zB zum Zeitpunkt der Aufgabe aller belastenden Tätigkeiten (vgl BSG SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2), der bis zum geltende § 551 der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder für die Zeit danach der ihn aufgrund des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom (BGBl I 1254) ablösende § 9 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Betracht, die sich jedoch hinsichtlich der hier relevanten Regelungsinhalte nicht unterscheiden. Denn die BK Nr 2108 ist durch Art 1 Nr 4 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom (BGBl I 2343) eingeführt und mit derselben Umschreibung in die Anlage der bis heute geltenden Berufskrankheiten-Verordnung vom (BGBl I 2623) übernommen worden.

Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK Nr 2108 müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Der Versicherte muss infolge seiner versicherten Tätigkeit langjährig schwere Lasten gehoben oder getragen bzw in extremer Rumpfbeugehaltung gearbeitet haben. Bei ihm muss eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vorliegen, die aufgrund dieser versicherten Tätigkeit entstanden ist. Die Erkrankung muss den Zwang zum Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten herbeigeführt haben und der Versicherte darf tatsächlich keine solche Tätigkeit mehr ausüben.

Nach den für den Senat bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) tatsächlichen Feststellungen des LSG leidet der Kläger an einer bandscheibenbedingten Erkrankung seiner LWS und auch eine Einwirkung durch schweres Heben oder Tragen im Sinne der BK Nr 2108 aufgrund der versicherten Tätigkeit ist gegeben, da das LSG das Vorliegen der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108 für die Jahre 1976 bis 1991 bejaht hat. Zum Tatbestandsmerkmal Unterlassungszwang hat das LSG - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Ausführungen gemacht, da es angenommen hat, dass der erforderliche Zusammenhang zwischen der Einwirkung und der Erkrankung beim Kläger nicht festgestellt werden könne.

Für die Beurteilung des Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung gilt bei einer BK ebenso wie beim Arbeitsunfall die Theorie der wesentlichen Bedingung, denn der Ursachenbegriff im BK-Recht kann kein anderer sein als im allgemeinen Recht des Arbeitsunfalls (so schon BSGE 2, 178, 181; ; ). Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung genügt abweichend von einer naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalitätsbetrachtung nach der Bedingungs- oder Äquivalenztheorie ("conditio-sine-qua-non") nicht jedes Glied in einer Ursachenkette, um die Verursachung zu bejahen, weil dies zu einem unendlichen Ursachenzusammenhang führt. Als kausal und im Sozialrecht erheblich werden vielmehr nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Gesundheitsschaden zu dessen Eintritt "wesentlich" beigetragen haben. Das heißt, dass nicht jeder Gesundheitsschaden, der durch ein Ereignis naturwissenschaftlich verursacht wird, im Sozialrecht als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer BK anerkannt wird, sondern nur derjenige, der "wesentlich" durch das Ereignis verursacht wurde. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (so schon BSGE 1, 72, 76; 1, 150; 13, 175).

Was den anzuwendenden Beweismaßstab anbelangt, gelten für das Vorliegen des Ursachenzusammenhangs verminderte Anforderungen. Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Einwirkung, Erkrankung - eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung aufgrund der mit der zumeist medizinischen Beurteilung dieses Zusammenhangs bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 19, 52; 32, 203, 209; 45, 285, 287). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG SozR Nr 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr 20 zu § 542 RVO aF; BSGE 19, 52, 56; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 67).

Soweit das LSG zunächst ausgeführt hat, das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108 rechtfertige keinen Anscheinsbeweis in dem Sinne, dass damit auch vom Vorliegen des Zusammenhangs zwischen Einwirkung und Erkrankung auszugehen sei, entspricht dies der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom - 2 RU 48/96 -, SGb 1999, 39 ff) und findet - erneut - seine Begründung in den vom LSG festgestellten verschiedenen Verursachungsmöglichkeiten für diese Erkrankung.

Zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen Einwirkung und Erkrankung bei der BK Nr 2108 hat das LSG ua ausgeführt, die Verursachung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS sei vielgestaltig und die berufliche Einwirkung nur eine unter vielen denkbaren anderen Kausalfaktoren. Der Ursachenzusammenhang sei positiv festzustellen und zu begründen und es bedürfe stets einer individuellen Abwägung im Einzelfall. Bei dieser Abwägung müsse mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang sprechen, die bloße Möglichkeit genüge nicht. Unter Bezugnahme auf verschiedene Literaturstellen (ua Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Aufl 1998, S 535 ff; Becker, SGb 2000, 116, 121) werden als wesentliche Kriterien für die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs angesehen: Das Krankheitsbild, insbesondere ein belastungskonformes von oben nach unten zunehmendes Schadensbild, das Vorliegen von konstitutionellen Veranlagungen bzw konkurrierenden Erkrankungen, die Eignung der Einwirkung unter Berücksichtigung ihrer Begleitumstände zur Verursachung der Erkrankung, eine zeitliche Korrelation zwischen beruflicher Belastung und Erkrankungsverlauf. Gleichmäßig verteilte degenerative Veränderungen an der gesamten Wirbelsäule sprächen gegen den Ursachenzusammenhang. Gegen diese im Wesentlichen tatrichterlichen Überlegungen sind von den Beteiligten keine Einwände erhoben worden.

Zu Recht wendet sich der Kläger jedoch gegen die Annahme des LSG, ein Zusammenhang zwischen den im Tatbestand der BK Nr 2108 genannten beruflichen Einwirkungen (Heben und Tragen schwerer Lasten oder Arbeit in extremer Rumpfbeugehaltung) und Bandscheibenschäden könne nur anerkannt werden, wenn zwischen dem Beginn der Einwirkungen und der erstmaligen Manifestation der bandscheibenbedingten Erkrankung ein Zeitraum von mindestens zehn Jahren liege. Wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom - B 2 U 22/03 R), gibt es keinen medizinischen Erfahrungssatz des Inhalts, dass schwere körperliche Belastungen am Arbeitsplatz nur dann generell geeignet sind, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS herbeizuführen, wenn sie wenigstens zehn Jahre lang angehalten haben. Ebenso wenig ist aus den vom LSG zitierten Literaturstellen oder den im Prozess eingeholten Gutachten zu ersehen, dass nach dem aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse ein Zehn-Jahres-Intervall zwischen Tätigkeitsaufnahme und ersten Beschwerden zu fordern ist, wenn die berufliche Tätigkeit als Krankheitsursache in Betracht kommen soll. Einschlägige Erfahrungssätze können insbesondere nicht dem vom früheren Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Nr 2108" (BArbBl 3/1993, 50 ff) entnommen werden, das als Hilfsmittel für die ärztliche Untersuchung gedacht ist, aber weder rechtliche Verbindlichkeit beansprucht noch zwingend den neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Forschungsstand wiedergibt (Senatsurteil vom - B 2 U 22/03 R).

Das LSG hat seine abweisende Entscheidung zwar nicht allein mit dem Fehlen eines zehnjährigen Intervalls zwischen dem Beginn der beruflichen Belastung und dem Auftreten der klinischen und röntgenologischen Bandscheibensymptomatik, sondern auch mit Erwägungen zu einer möglichen inneren Ursache der Bandscheibenschäden sowie mit dem Fortschreiten der Erkrankung nach dem Wegfall der beruflichen Belastungen im Jahr 1991 begründet. Ob diese Überlegungen allein die Entscheidung tragen oder ob sie im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der nach Auffassung des Gerichts gegen einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Gesichtspunkte nur unterstützend herangezogen wurden, lässt sich den Urteilsgründen aber nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, sodass der Senat unbeschadet der auch insoweit erhobenen Revisionsrügen über die Klage nicht selbst abschließend entscheiden kann. Vielmehr ist das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 SGG an das LSG zurückzuverweisen, um die noch erforderlichen Tatsachenfeststellungen nachzuholen.

Vor seiner erneuten Entscheidung wird das LSG, wenn es nicht eine Gesamtbetrachtung aller von ihm aufgeführten Kriterien seiner Entscheidung zugrunde legen will, zu ermitteln haben, ob es gesicherte medizinische Erkenntnisse darüber gibt, innerhalb welcher Zeit sich eine bandscheibenbedingte Erkrankung aufgrund von körperlichen Belastungen im Sinne der BK Nr 2108 frühestens entwickeln kann und welcher zeitliche Abstand zwischen Arbeitsbeginn und erstmaligem Auftreten von Krankheitssymptomen deshalb für einen Ursachenzusammenhang mindestens gegeben sein muss. Anschließend wäre zu prüfen, ob dieser Mindestzeitraum im Fall des Klägers erreicht ist oder nicht.

Hinsichtlich der weiteren im angefochtenen Urteil angestellten Kausalitätserwägungen ist auf Folgendes hinzuweisen: Es kann nicht festgestellt werden, dass das LSG in seinem Urteil von einem allgemeinen Erfahrungssatz ausgegangen ist, dass bei einer BK Nr 2108 ebenso wie bei der BK Nr 2301 die durch die versicherte Einwirkung verursachte Erkrankung nach dem Ende der Einwirkung nicht mehr fortschreite. Das LSG führt vielmehr nur aus, der zeitliche Verlauf nach dem Ende der beruflichen Belastung weise ebenso wie das frühzeitige Auftreten der Bandscheibenschäden darauf hin, dass berufsunabhängige endogene Langzeitfaktoren das Krankheitsgeschehen maßgeblich bestimmt hätten (Urteil des LSG Seite 11 obere Hälfte). Diese Aussage des LSG beinhaltet nicht, dass es zur BK Nr 2108 einen allgemeinen Erfahrungssatz über das Fortschreiten der Erkrankung nach dem Ende der Einwirkung aufgestellt hätte. Bei den genannten Ausführungen handelt es sich vielmehr um einen Gesichtspunkt bei der anzustellenden individuellen Abwägung. In der Sache ist darauf hinzuweisen, dass es an einer Begründung für einen derartigen allgemeinen Erfahrungssatz ebenfalls fehlt und im Übrigen zu beachten ist, dass der Kläger nach den Feststellungen des LSG auch noch nach dem Jahre 1991 als Krankenpfleger tätig war, wenn auch nicht in der Art, dass es die berufliche Einwirkung im Sinne der BK Nr 2108 als erfüllt ansah.

Innere Ursachen dürfen bei BKen ebenso wie bei Arbeitsunfällen nur in die Ursachenbeurteilung und -abwägung miteinbezogen werden, wenn sie mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststehen (stRspr des BSG: BSGE 45, 285, 286 = SozR 2200 § 548 Nr 38 für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit; BSGE 61, 127, 129 f = SozR 2200 § 548 Nr 84 wonach die nicht auszuräumende - bloße - Möglichkeit einer inneren Ursache die Bejahung eines Arbeitsunfalls nicht ausschließt, die innere Ursache muss sicher feststehen, um in den Abwägungsprozess mit einbezogen zu werden; Sturz einer Verkäuferin mit Anfallsleiden; SozR 3-2200 § 548 Nr 11, 14; vgl zur Literatur nur Krasney in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand Januar 2004, § 8 RdNr 335). Selbst bei ungeklärter Ätiologie von Erkrankungen führt der erforderliche Beweis der alternativen körpereigenen Kausalfaktoren nicht zu einer Umkehr der Beweislast (so die Sorge von Koch in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand November 2003, § 9 RdNr 126 f), weil aus dem Vorliegen einer bestimmten Einwirkung nicht automatisch im Sinne zB eines Anscheinsbeweises auf die berufliche Verursachung einer Erkrankung geschlossen werden kann. Sind in einem Fall die verschiedenen und gegebenenfalls nach der Theorie der wesentlichen Bedingung abzuwägenden naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen zunächst unklar, so sind - wie bei einem Arbeitsunfall - besondere Anstrengungen zur Ermittlung des Ursachenzusammenhangs notwendig (BSGE 61, 127, 129 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Vorliegend kann indessen nicht festgestellt werden, dass das LSG eine nicht festgestellte innere Ursache in die Abwägung miteinbezogen habe. Es hat nur ausgeführt, die berufliche Verursachung sei nicht schon anzunehmen, wenn anlagebedingte bzw außerberufliche Ursachen nicht sicher identifiziert werden. Dies entspricht den obigen Grundsätzen, nach denen es keine automatische Bejahung des Ursachenzusammenhangs nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zwischen Einwirkung und Erkrankung beim Fehlen konkurrierender Ursachen gibt.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Fundstelle(n):
CAAAC-15221