Leitsatz
Eine Maßnahme, die nicht zu einem qualifizierten beruflichen Abschluss führt, ist keine Berufsausbildung iS des § 90 SGB 7.
Gesetze: SGB VII F. § 47 Abs 8; SGB VII § 47 Abs 3; SGB VII § 90 Abs 1 S 1; SGB VII § 90 Abs 1 S 2; SGB V § 47b; RVO § 573 Abs 1; GG Art 3 Abs 1
Instanzenzug: SG Detmold S 1 U 306/01 vom LSG Essen L 4 U 18/03 vom
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Verletztengeldes.
Die im Jahre 1947 geborene Klägerin erlernte den Beruf als Metzgereiverkäuferin und arbeitete danach als Verkäuferin sowie als Betreiberin einer Imbissbude. Zuletzt war sie als Spielhallenaufsicht beschäftigt und seit dem arbeitslos. Vom an nahm sie an einer von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) geförderten Maßnahme "Qualifizierung zur Hauspflegehelferin" teil. Die für den Zeitraum vom bis bei dem Katholischen Jugendbildungswerk "IN VIA" vorgesehene Maßnahme war in schulische und praktische Phasen gegliedert. Sie wurde als sog "Vollzeitmaßnahme" für Frauen ohne Ausbildung oder Arbeit zur Verbesserung ihrer Chancen für den Berufseinstieg und die Integration bzw Rückführung in den Arbeitsmarkt gefördert. Nach einer "trägerinternen Zwischen- und Abschlussprüfung" erhielten die Teilnehmer/innen ein Zeugnis mit persönlicher Leistungsbewertung in den einzelnen Fächern sowie Bewertung ihres Arbeitseinsatzes in den Praxisstellen.
Am erlitt die Klägerin auf dem Weg zum Unterricht einen Unfall, bei dem sie sich eine Schenkelhalsfraktur zuzog. Die Qualifizierungsmaßnahme musste sie wegen der Unfallfolgen abbrechen. Anschließend war sie arbeitsunfähig und bezog von der Beklagten bis zum Verletztengeld auf der Grundlage des von der BA zuletzt gezahlten Unterhaltsgeldes nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 437,98 DM.
Im Mai 2000 bat die Klägerin um Anpassung des Verletztengeldes im Hinblick darauf, dass die berufsfördernde Maßnahme bei regulärem Verlauf im April 2000 geendet hätte und sie danach wahrscheinlich Einkommen aus einer Tätigkeit als Hauspflegehelferin erzielt hätte. Nach Durchführung umfangreicher Ermittlungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom eine auf § 47 Abs 8 iVm § 90 Abs 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) gestützte Erhöhung des Verletztengeldes für die Zeit ab ab. Es sei fraglich, ob die Qualifizierungsmaßnahme die Kriterien einer Berufsausbildung iS von § 90 SGB VII erfülle. Jedenfalls habe durch die Kursteilnahme nach den eingeholten Auskünften eine Höhergruppierung und damit verbunden ein Mehrverdienst nicht erreicht werden können.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin ab dem Verletztengeld unter Zugrundelegung eines Monatseinkommens von 3.395,94 DM zu gewähren (Urteil vom ). Auf die Berufungen der Klägerin und der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom die Entscheidung des SG geändert und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Bescheides verurteilt, der Klägerin Verletztenrente ab dem unter Zugrundelegung eines Jahresarbeitsverdienstes (JAV) ausgehend von der Vergütungsgruppe KR 1 für Mitarbeiter im Pflegedienst der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufungen zurückgewiesen. Die Klägerin habe Anspruch auf höheres Verletztengeld, denn sie sei während einer Berufsausbildung iS des § 90 Abs 1 SGB VII verunglückt. Der Begriff der Berufsausbildung habe in dieser Vorschrift eine eigenständige Bedeutung und dürfe nach dem Gesetzeszweck nicht zu eng ausgelegt werden. Er umfasse nicht nur eine herkömmliche Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf, sondern jede Maßnahme zum Erwerb der für eine Berufstätigkeit benötigten Kenntnisse und Fähigkeiten. Das gelte auch dann, wenn es für die betreffende Tätigkeit keinen vorgeschriebenen oder doch wenigstens von den beteiligten Kreisen allgemein anerkannten oder üblichen Ausbildungsweg gebe. Die Klägerin habe sich zur Zeit des Versicherungsfalls in diesem Sinne in Berufsausbildung befunden, denn sie habe mit der Qualifizierungsmaßnahme die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen sollen, um den Beruf der Hauspflegehelferin ausüben zu können. Nach § 47 Abs 8 iVm § 90 Abs 1 Satz 2 SGB VII stehe ihr ab dem Ende des Monats, in dem die Maßnahme geendet hätte, mithin ab , höheres Verletztengeld auf der Basis des Arbeitsentgeltes zu, das zu dieser Zeit für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen gewesen sei. Entsprechend den Auskünften des Caritas-Verbandes sei dies die für Mitarbeiter/innen in der Pflege ohne entsprechende Ausbildung (zB Pflegehelfer/innen) maßgebende Vergütungsgruppe KR 1.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das LSG habe den Begriff der Berufsausbildung iS von § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII unzutreffend ausgelegt und die streitige Maßnahme zu Unrecht als Berufsausbildung angesehen. Berufsausbildung umfasse zwar nicht nur eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Voraussetzung sei aber mindestens, dass die Bildungsmaßnahme im Zeitpunkt des Versicherungsfalls typischerweise eine notwendige Voraussetzung zur Erreichung des Berufsziels gewesen sei. Eine Berufsausbildung liege nur vor, wenn die Ausbildung Kenntnisse und Fähigkeiten für den erstrebten Beruf vermittele und Voraussetzung für dessen Ausübung sei. Der Ausbildungserfolg sei durch eine Prüfung zu verifizieren. Beides treffe auf den vorliegenden Sachverhalt nicht zu. Dies zeigten die in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen, nach denen Kräfte, die eine entsprechende Integrationsmaßnahme durchlaufen hätten, nach wie vor als ungelernte Kräfte geführt würden. Die Qualifizierungsmaßnahme beinhalte auch keinen staatlichen Abschluss, sondern zertifiziere lediglich die Teilnahme an einem solchen Kursus, wenn auch in qualifizierter Form, dh durch Aufführen der durchgeführten Maßnahmen einschließlich einer Beurteilung. Eine Abschlussprüfung finde nicht statt. Die Maßnahme habe letztlich darauf abgezielt, die Vermittlungschancen der Teilnehmerinnen in dem angestrebten Beruf zu verbessern. Sie sei aber nicht Voraussetzung für die Ausübung eines hauspflegerischen Berufs, sondern der Arbeitsaufnahme lediglich förderlich. Für eine ungelernte Tätigkeit wie die der Hauspflegehelferin könne es denknotwendig keinen Ausbildungsweg geben. Diese Personen könnten lediglich zur Verbesserung der Vermittlungschancen mit Vorkenntnissen sowie persönlichkeitsbildenden Maßnahmen versehen werden.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom sowie das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil an.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG hat die Klägerin keinen Anspruch auf Neuberechnung des Verletztengeldes ab nach dem Tariflohn einer Mitarbeiterin im Pflegedienst. Die hierfür erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wie die Revision zutreffend geltend macht.
Als Rechtsgrundlage eines Anspruchs auf höheres Verletztengeld kommt allein § 47 Abs 8 SGB VII in Betracht. Danach gilt die Regelung des § 90 Abs 1 und 3 SGB VII über die Neufestsetzung des JAV nach voraussichtlicher Beendigung einer Schul- oder Berufsausbildung oder nach tariflichen Berufs- oder Altersstufen für das Verletztengeld entsprechend. Der für den Fall der Klägerin allein einschlägige § 90 Abs 1 SGB VII schreibt vor, das bei Eintritt des Versicherungsfalls während einer Schul- oder Berufsausbildung der JAV, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, von dem Zeitpunkt an neu festgesetzt wird, in dem die Ausbildung ohne den Versicherungsfall voraussichtlich beendet worden wäre. Der Neufestsetzung wird das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarifvertrag vorgesehen oder sonst ortsüblich ist.
Die Vorschrift des § 47 Abs 8 SGB VII ist durch das Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch vom (BGBl I 1254) neu eingeführt worden. Sie übernimmt für das Verletztengeld die für Rentenleistungen schon bisher geltende Härteregelung, nach der ein Versicherter, der während einer Schul- oder Berufsausbildung verunglückt, ab dem Zeitpunkt, in dem er die Ausbildung voraussichtlich abgeschlossen hätte, bei der Leistungsbemessung so zu stellen ist, als ob er den Arbeitsunfall erst nach Aufnahme einer Tätigkeit in dem Ausbildungsberuf erlitten hätte (früher § 573 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung <RVO>; jetzt § 90 Abs 1 SGB VII). Für das Verletztengeld enthielt der frühere § 561 RVO keine dem jetzigen § 47 Abs 8 SGB VII vergleichbare Bestimmung. Außer in dem Sonderfall des § 561 Abs 3 RVO, in dem auch das Verletztengeld nach dem JAV berechnet wurde (siehe zum geltenden Recht § 47 Abs 5 und Abs 6 Halbs 2 SGB VII), kam deshalb bei dieser Leistung eine Anhebung auf das höhere Entgeltniveau des Ausbildungsberufs nicht in Betracht. Eine entsprechende oder analoge Anwendung der Regelung über die Anpassung des JAV bei Unfällen während einer Schul- oder Berufsausbildung auf das Verletztengeld hatte das Bundessozialgericht (BSG) auch bei längerfristigem Leistungsbezug stets abgelehnt (BSGE 42, 163 = SozR 2200 § 561 Nr 3; BSGE 49, 219 = SozR 2200 § 573 Nr 10).
Diese Rechtslage hat sich mit dem Inkrafttreten des SGB VII geändert. Da § 90 SGB VII in den Fällen, in denen sich das Verletztengeld nach dem JAV richtet, ohnehin unmittelbar Anwendung findet, kann die Formulierung in § 47 Abs 8 SGB VII, die Regelung des § 90 Abs 1 und 3 gelte für das Verletztengeld "entsprechend", nur bedeuten, dass eine Anpassung an das nach Abschluss der Ausbildung voraussichtlich erzielbare Entgelt auch dann zu erfolgen hat, wenn Bemessungsgrundlage nicht der JAV, sondern das Regelentgelt (§ 47 Abs 1 SGB VII) oder, wie im Fall der Klägerin, das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogene Unterhaltsgeld (§ 47 Abs 3 SGB VII iVm § 47b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) war.
Der Klägerin würde nach alledem für die Zeit ab Mai 2000 höheres Verletztengeld zustehen, wenn sie sich im Unfallzeitpunkt, wie in § 90 Abs 1 SGB VII vorausgesetzt, in einer Berufsausbildung befunden hätte. Entgegen der Ansicht des LSG war das jedoch nicht der Fall. Die vom Arbeitsamt vermittelte und geförderte Maßnahme "Qualifizierung zur Hauspflegehelferin", an der die Klägerin teilgenommen hat, war keine Berufsausbildung im Sinne der genannten Vorschrift.
Der Begriff der Berufsausbildung wird in § 90 Abs 1 Satz 1 SGB VII selbst nicht definiert. Seine Bedeutung muss daher aus dem Wortsinn sowie dem systematischen Zusammenhang und dem Zweck der Regelung erschlossen werden. Zu den mit § 90 Abs 1 SGB VII inhaltlich übereinstimmenden Vorläufervorschriften des § 565 Abs 1 RVO aF bzw später des § 573 Abs 1 RVO hat der Senat wiederholt entschieden, dass ihnen ein eigenständiger Begriff der Berufsausbildung zugrunde liegt und auf die aus anderen Bereichen des Sozialrechts geläufigen Begriffsbestimmungen deshalb bei der Auslegung nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden kann (BSGE 18, 136, 141 = SozR Nr 5 zu § 565 RVO aF; SozR 2200 § 573 Nr 2 S 3; Urteil vom - 2 RU 69/90 - HV-Info 1992, 598).
Nach dem Wortsinn dient eine Berufsausbildung der Vermittlung bzw dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten, die zur späteren Ausübung des Berufes benötigt werden. Daran anknüpfend hat das BSG für die Anwendung des § 90 SGB VII bzw seiner Vorläufervorschriften stets eine geregelte, zu einem qualifizierten beruflichen Abschluss führende Ausbildung vorausgesetzt (so zB BSGE 60, 258 = SozR 2200 § 573 Nr 12 - Ausbildung zum Steuerberater und Wirtschaftsprüfer; SozR 3-2200 § 573 Nr 2 - Ausbildung zum Bauingenieur; Urteil vom - 2 RU 32/84 = HV-Info 1986, 860 - Ausbildung zur Hauswirtschaftslehrerin; Urteil vom - 2 RU 69/90 = HV-Info 1992, 598 - Ausbildung zum staatlich geprüften Landwirt). Dieses Begriffsverständnis deckt sich mit der im Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom (BGBl I 1112), neugefasst durch Gesetz vom (BGBl I 931) beschriebenen Aufgabenstellung, nach der die Berufsausbildung die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen hat (§ 1 Abs 3 BBiG). Nicht als Berufsausbildung gewertet wurde im Gegensatz dazu eine bloße berufliche Weiterbildung zur Erlangung eines bestimmten Status oder zur Verbesserung der Qualifikation und der beruflichen Chancen und Verdienstmöglichkeiten (zB BSGE 12, 109 = SozR Nr 2 zu § 565 RVO aF - Facharztausbildung eines approbierten Arztes; BSGE 14, 5 = SozR Nr 3 zu § 565 RVO aF - Ableistung der Vorbereitungszeit für die kassenärztliche Tätigkeit; BSGE 19, 252 = SozR Nr 6 zu § 565 aF - Qualifizierung eines Tarifangestellten einer Krankenkasse zum Dienstordnungs-Angestellten), und zwar auch dann nicht, wenn während der Weiterbildungsphase - vergleichbar einer Ausbildungssituation - die reguläre Berufstätigkeit unterbrochen und ein niedrigeres Entgelt bezogen wurde (BSGE 18, 136 = SozR Nr 5 zu § 565 RVO aF - Promotion eines Diplom-Chemikers; Urteil vom - 2 RU 61/90 = HV-Info 1992, 428 - Promotionsstudium eines Arztes). Auch diese Abgrenzung findet ihre Entsprechung im BBiG, wo zwischen Berufsausbildung auf der einen und beruflicher Fortbildung (§ 1 Abs 4 BBiG) auf der anderen Seite unterschieden wird.
Dass der Begriff der Berufsausbildung in § 90 SGB VII bzw seinen Vorläufervorschriften nicht über den Wortsinn hinaus auf andere Formen beruflicher Bildung ausgedehnt werden kann, folgt auch aus dem Ausnahmecharakter der gesetzlichen Regelung, den die Rechtsprechung stets betont hat (BSGE 19, 252, 254 = SozR Nr 6 zu § 565 RVO aF; BSG SozR Nr 7 zu § 565 RVO aF Bl Aa 11; = HV-Info 1986, 860; = HV-Info 1992, 598). Mit der Möglichkeit, bei Eintritt des Versicherungsfalls während einer Schul- oder Berufsausbildung die Bemessungsgrundlage anzuheben, weicht das Gesetz für einen Sonderfall von dem die Unfallversicherung beherrschenden Grundsatz ab, dass die Verdienstverhältnisse vor dem Arbeitsunfall für alle Zukunft die maßgebende Grundlage der Geldleistungen bleiben und spätere Erwerbsaussichten bei der Feststellung des JAV nicht zu berücksichtigen sind (BSGE 31, 38, 40 = SozR Nr 1 zu § 573 RVO; BSGE 38, 216, 218 = SozR 2200 § 573 Nr 2 S 6; BSGE 47, 137, 140 = SozR 2200 § 573 Nr 9 S 26). Einzig Personen, die bereits während der Zeit der Ausbildung für einen späteren Beruf einen Arbeitsunfall erleiden und deshalb im Jahre vor dem Unfall regelmäßig noch kein Arbeitsentgelt, sondern allenfalls eine geringe Ausbildungsvergütung erhalten haben, sollen zur Vermeidung von Härten geschützt und so gestellt werden, als hätten sie den Unfall nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung erlitten. Eine solche genau umschriebene Ausnahmeregelung kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auf andere, vermeintlich ähnlich liegende Sachverhalte erstreckt werden.
Allerdings ist der Anwendungsbereich des § 90 SGB VII weiter als der des BBiG und erstreckt sich auch auf Bereiche der beruflichen Bildung, für die dieses Gesetz nicht oder nur eingeschränkt gilt, wie etwa die Hochschulausbildung oder die Ausbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis oder in einem Handwerksberuf (vgl § 3 BBiG). Ob auch Ausbildungen unterhalb der in § 5 Abs 1 Nr 2 BBiG genannten Ausbildungszeiten von nicht weniger als zwei und in der Regel nicht mehr als drei Jahren von § 90 SGB VII erfasst sind (zu den sog Anlernberufen bzw sonstigen Ausbildungsberufen mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren vgl BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 29, 45, 50), sofern sie zu einem qualifizierten Abschluss führen, kann dahinstehen, weil die hier zu beurteilende Maßnahme, wie nachfolgend dargelegt wird, auch nicht die Voraussetzungen für einen sog Anlernberuf erfüllt. Schließlich ist Berufsausbildung im Sinne des § 90 SGB VII auch, anders als im Recht der beruflichen Bildung und im Arbeitsförderungsrecht, nicht nur die erste, sondern jede zu einem beruflichen Abschluss führende Bildungsmaßnahme (dazu: BSG SozR 3-2200 § 573 Nr 2 S 3 mwN), sodass es unschädlich ist, dass die Klägerin nach den Feststellungen des LSG früher schon eine Ausbildung für einen anderen Beruf durchlaufen hatte. All das ändert aber nichts daran, dass eine Neuberechnung der Verletztenrente und entsprechend des Verletztengeldes nur erfolgt, wenn die Maßnahme, während der sich der Versicherungsfall ereignet hat, die zuvor angesprochenen qualitativen Merkmale einer Berufsausbildung aufweist.
Für die hier zu beurteilende Maßnahme "Qualifizierung zur Hauspflegehelferin" trifft dies nicht zu. Nach den vom LSG zur tariflichen Einstufung getroffenen Feststellungen handelt es sich bei der Tätigkeit der Hauspflegehelferin, auf die die Maßnahme vorbereiten sollte, um eine ungelernte Arbeit, für deren Aufnahme keine spezielle Berufsausbildung vorausgesetzt wird. Die im Urteil zugrunde gelegte Vergütungsgruppe KR 1 der Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes erfasst definitionsgemäß "Mitarbeiter/innen in der Pflege ohne entsprechende Ausbildung (zB Pflegehelferin)". Eine Ausbildung war danach für die angestrebte Berufstätigkeit gerade nicht erforderlich. Entsprechend sollte die Maßnahme auch nicht zu einem anerkannten Berufsabschluss führen, sondern lediglich für Frauen ohne Ausbildung oder Arbeit die Chancen für den Berufseinstieg und die Integration bzw Rückführung in den Arbeitsmarkt verbessern. Sie diente damit ähnlichen Zwecken wie eine berufliche Weiterbildung bei Personen, die über einen beruflichen Abschluss verfügen und sich durch den Erwerb zusätzlicher Kenntnisse und Fähigkeiten eine breitere Qualifikation und eine bessere Position im beruflichen Wettbewerb verschaffen wollen.
Dass die in den § 47 Abs 8, § 90 Abs 1 SGB VII vorgesehene Vergünstigung auf Berufsausbildungen im engeren Sinne beschränkt bleibt und bei bloßen Qualifizierungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen nicht zum Tragen kommt, führt nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung.
Bei der Behandlung von Personengruppen verletzt der Gesetzgeber den Gleichheitssatz, wenn er eine Gruppe anders behandelt als eine andere, obwohl zwischen den Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass diese die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Der rechtfertigende Grund für die unterschiedliche Leistungsbemessung bei Unfällen während einer Schul- oder Berufsausbildung auf der einen und Unfällen während einer sonstigen beruflichen Bildungsmaßnahme auf der anderen Seite liegt in der unterschiedlichen Ausgangssituation der betroffenen Versicherten. Da eine Schul- oder Berufsausbildung in aller Regel vor dem Eintritt in das Erwerbsleben absolviert wird, hat ein Versicherter, der während einer solchen Ausbildung einen Unfall erleidet, typischerweise noch kein oder nur ein geringes Arbeitseinkommen erzielt und bliebe bei den als Entschädigung zu beanspruchenden Geldleistungen dauerhaft, bei Rentenleistungen unter Umständen lebenslang, auf das Niveau des Mindest-JAV festgelegt. Umgekehrt ist für Maßnahmen der beruflichen Qualifizierung oder Weiterbildung typisch, dass die Teilnehmer zuvor bereits berufstätig waren und die Bildungsmaßnahme entweder berufsbegleitend oder zur Behebung einer zwischenzeitlich eingetretenen Arbeitslosigkeit durchführen. In diesen Fällen haben sie vor Eintritt des Versicherungsfalls Arbeitsentgelt oder eine Lohnersatzleistung in Form von Unterhaltsgeld bezogen, an das beim Regelentgelt für das Verletztengeld oder beim JAV für die Verletztenrente angeknüpft werden kann. Mag das Arbeitsentgelt oder die Lohnersatzleistung auch hinter dem Entgelt zurückbleiben, das der Versicherte bei einem erfolgreichen Abschluss der Maßnahme hätte erzielen können, so unterscheidet sich die Situation eines solchen Maßnahmeteilnehmers, was die Bemessungsgrundlagen für Leistungen der Unfallversicherung angeht, doch so grundlegend von der eines Schülers oder Auszubildenden, dass der Gesetzgeber sich auf eine Ausnahmeregelung zu Gunsten der zuletzt genannten Personengruppe beschränken durfte.
Nach alledem waren auf die Revision der Beklagten die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
KAAAC-15201