Leitsatz
Ein Anspruch auf variable Entgeltbestandteile ist durch Insolvenzgeld auszugleichen, wenn die zugrundeliegende Zielvereinbarung aus Gründen nicht zustande kommt, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat.
Gesetze: SGB III F: 2001-12-10 § 183 Abs 1 S 3; BGB § 162; BGB § 315; SGG § 162
Instanzenzug: SG Dortmund S 27 AL 26/03 vom LSG Essen L 19 (9) AL 188/04 vom
Gründe
I
Der Kläger begehrt die Zahlung von Insolvenzgeld (Insg) für einen so genannten Varioanteil in Höhe von 7.914,78 Euro.
Der Kläger war als Vertriebsleiter im Außendienst (Abteilungsleiter) der S. E. AG in T. beschäftigt, über deren Vermögen am das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Der Kläger beantragte am die Gewährung von Insg unter Berücksichtigung eines Varioanteils in Höhe von 7.914,78 Euro sowie bestimmter Spesen.
Zwischen dem Vorstand der S. R. AG (das Berufungsurteil enthält keine Feststellung, ob diese mit dem Arbeitgeber des Klägers identisch ist) und dem Betriebsrat war unter dem eine Betriebsvereinbarung "variables Vergütungssystem" geschlossen worden. In der Vereinbarung heißt es ua:
1)
Ziele des variablen Vergütungssystems
Mit der durchgeführten Kapitalerhöhung wurde eine wichtige Voraussetzung für die Neuausrichtung der S. R. AG erreicht. Wichtige Ziele der nächsten Jahre sind die Stabilisierung des bisherigen Kerngeschäfts in der klassischen Unterhaltungselektronik sowie die zügige Kommerzialisierung des Lasers.
Zur Erreichung dieser ehrgeizigen Ziele ist der besondere Einsatz aller Mitarbeiter erforderlich. Um diesen Einsatz zu fördern, wird ein variables Vergütungssystem eingeführt. Damit sollen die Mitarbeiter einerseits einen zusätzlichen monetären Anreiz erhalten; andererseits soll durch die konkrete Definition individueller Ziele und deren Verfolgung und Aktualisierung sichergestellt werden, dass die betreffenden Mitarbeiter optimal in den zur Stabilisierung der Unterhaltselektronik erforderlichen Gesamtprozess eingebunden werden.
2)
Struktur der Zieleinkommen
a)
Fixum
b)
Variable Vergütung, die entsprechend der Zielerfüllung gewährt wird. Der Erfolg wird gemessen an
- Gesamterfolg des Unternehmens
- Individuellen Zielen
...
4)
Festlegung des quantitativen Zieles "Unternehmenserfolg"
...
d)
Feststellung der Zielerreichung
Die Zielerreichung wird auf Basis der Inanspruchnahme der Kreditlinien per 31.12. eines Jahres sowie ggf. der im Zuge des Jahresabschlusses festgelegten Zuordnung der Mittelverwendung auf Geschäftsbereiche (d.h. insbes. auf die Laseraktivitäten) festgestellt.
5)
Festlegung/Revision der individuellen Ziele mit Erreichungsgrad
a)
Modus der Zieldefinition
Die jeweils vorgesetzte Instanz definiert gemeinsam mit den einzelnen Mitarbeitern individuelle Ziele, die sich an Qualifikation und Aufgabeninhalten des Mitarbeiters orientieren:
- Aufsichtsrat für den Vorstand
- Vorstand für die Bereichsleiter
- Bereichsleiter für die Abteilungsleiter/Sonstige - in Abstimmung mit dem Vorstand
Diese Ziele können sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur sein. Sie können unterjährig im Rahmen der Überprüfung der Zielerreichung angepasst werden.
b)
Überprüfung der Zielerreichung
Ziel muss sein, eine größtmögliche Objektivität und Gerechtigkeit zu erreichen. Daher sollen zwei Mal jährlich Beurteilungsgespräche mit den Mitarbeitern geführt werden, in denen der Status der Zielerreichung festgestellt und eventuell neue Ziele für das Restjahr definiert werden sollen.
Basis der Bewertung ist ein standardisiertes Beurteilungssystem, das in den nächsten Monaten entwickelt und eingeführt wird.
...
6)
Höhe des variablen Entgelts
a)
Mitarbeiter Gruppe I und II (siehe Punkt 3)
Die individuellen Vereinbarungen werden nur mit beiderseitiger Zustimmung getroffen. Bei Ablehnung werden dem Mitarbeiter keine Nachteile entstehen.
Für die Mitarbeiter wird ab ein Zieleinkommen definiert. Dieses kann und wird vom aktuellen (Fix-)einkommen abweichen.
...
7)
Form der Vergütung
Für die Jahre 1999 und 2000 soll das variable Entgelt grundsätzlich in Form von Aktien gezahlt werden, welche die LfA aus ihrem Bestand zur Verfügung stellen wird. Ab dem Jahr 2001 wird die S. AG das variable Vergütungssystem aus eigener Kraft finanzieren.
...
8)
Zeitpunkt der Vergütung
Der Zeitpunkt der Vergütung ist grundsätzlich schnellstmöglich, spätestens jedoch dann vorgesehen, wenn die für die Errechnung der Unternehmensziele notwendigen Daten (Jahresabschluss) vorliegen.
...
In der mit dem Kläger geschlossenen "Vereinbarung über die variable Vergütung 1999" war ein Fixanteil am Jahreseinkommen (in Höhe von 216.000 DM brutto) von 70 % und ein Varioanteil von 30 % (= 64.800 DM) festgelegt. Der Varioanteil war abhängig von der Erfüllung der Unternehmensziele (40 %) und der individuellen Ziele (60 %). Er sollte grundsätzlich in Form von Aktien ausgezahlt werden. Für die weiteren Modalitäten sowie die Konkretisierung der Unternehmensziele wurde auf die Betriebsvereinbarung verwiesen. Ferner findet sich in den Prozessakten eine Niederschrift über ein Jahresmitarbeitergespräch vom , dessen Gegenstand die Feststellung der Zielerreichung 2000 und eine Zielvereinbarung 2001 war. Eine derartige Vereinbarung wurde für das Jahr 2002 nicht mehr geschlossen.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom Insg in Höhe von 4.352,18 Euro. Der Kläger wandte sich mit seinem Widerspruch ua gegen die Nichtberücksichtigung der variablen Entgeltbestandteile. Die ihm innerhalb des Insg-Zeitraums ab nicht ausbezahlte Variovergütung bezifferte er mit 7.914,78 Euro brutto (= Januar und Februar 2002 jeweils 2.760,97 Euro; 1. bis 2.392,84 Euro). Insoweit wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom zurück. Im Widerspruchsbescheid hieß es, die Berücksichtigung der Variovergütung sei ausgeschlossen. Für das Jahr 2002 liege weder eine Vereinbarung über die variable Vergütung noch über den Auszahlungszeitpunkt vor. Außerdem stellten Aktien kein Arbeitsentgelt dar.
Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom ). Es hat zur Begründung ausgeführt, dass Varioanteile ihrer Art nach insolvenzfähige Bestandteile des Arbeitsentgelts seien. Entscheidend sei jedoch, ob für den maßgeblichen Insg-Zeitraum ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf die Varioanteile bestanden habe. Kennzeichnend für die verschiedenen Modelle von Zielvereinbarungen sei, dass Erfolgsbeteiligungen als Entgeltbestandteile auch Risiken für den Arbeitnehmer enthielten, wenn sich die unternehmerischen Ziele am Ende eines Wirtschaftsjahres nicht verwirklichen ließen, im Falle günstiger Geschäftsentwicklung aber auch Chancen beinhalteten, zu dem fest vereinbarten Entgelt weitere variable Leistungen zu erhalten. Um im Insolvenzzeitraum berücksichtigt werden zu können, müsse aus der Möglichkeit, zu dem fest vereinbarten Arbeitsentgelt ein zusätzliches Varioentgelt beanspruchen zu können, schon eine gesicherte Anwartschaft darauf geworden sein. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf einen Varioanteil für die Monate Januar bis März 2002 erlangt, da für das Jahr 2002 keine entsprechende Vereinbarung zu Stande gekommen sei. Ungeachtet dessen sei in den Monaten Januar bis März 2002 auf Grund des angewandten Modells ohnehin nicht feststellbar, ob die für das betreffende Wirtschaftsjahr festgelegten Ziele erreicht und der Kläger mit einem Varioanteil zusätzlich entlohnt werden würde. Bis zum Eintritt des Insolvenzfalls sei der variable Gehaltsanteil nicht fällig geworden, weil er ausschließlich von der nicht mehr verwirklichten Erfüllung der Unternehmensziele abhängig gewesen sei. Der Kläger könne seine Auffassung auch nicht auf arbeitsgerichtliche Entscheidungen stützen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LArbG) Düsseldorf vom - 12 Sa 900/03 - betreffe den hier nicht vorliegenden Fall, dass der Arbeitgeber die Zielvorgaben sehr wohl, nur verspätet festgelegt habe. Das Hessische LArbG (Urteil vom - 7 SA 836/01 -) bestätige den Grundsatz, dass ein variabler Gehaltsanteil erst mit der Zielerreichung fällig werde.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er trägt vor, das LSG habe zu Unrecht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu gesicherten Provisionsanwartschaften auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen. Vielmehr sei die Rechtsprechung des BSG zu Gewinnbeteiligungen heranzuziehen. Der Arbeitnehmer sei so zu stellen, als wäre er zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung aus dem Unternehmen ausgeschieden. Es treffe zu, dass für das Jahr 2002 keine individuelle Vereinbarung getroffen worden sei. Komme eine Vereinbarung nicht zu Stande, so sei auf § 315 Abs 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückzugreifen. Die Argumentation des LSG, auf Grund des Modells sei nicht feststellbar gewesen, ob die für das betreffende Wirtschaftsjahr festgelegten Ziele erreicht worden seien, überzeuge nur, wenn der Varioentgeltanteil ausschließlich an die Unternehmensziele gekoppelt gewesen wäre. Im Rahmen der im Jahre 1999 getroffenen Vereinbarung hätten jedoch die individuellen Ziele mit einem Anteil von 60 % Berücksichtigung finden müssen. Er, der Kläger, sei seinen individuellen Zielen vollständig nachgekommen. Während für das Jahr 2000 die variable Vergütung in Höhe von 64.800 DM im Juni 2001 - in Form von Aktien - gezahlt worden sei (Schreiben des Arbeitgebers vom ), sei für das Jahr 2001 keine Vergütung mehr erfolgt. Die ihm für das Jahr 2001 zustehenden Varioanteile seien aber in ungekürzter Höhe nachträglich vom Insolvenzverwalter zur Tabelle festgestellt worden (Schreiben des Insolvenzverwalters vom ).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom , das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom sowie die Bescheide vom und vom in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Insolvenzgeld in Höhe von 7.914,78 Euro brutto zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das LSG habe unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zutreffend entschieden.
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Ob der Kläger innerhalb des - von seinem Antrag umfassten - Insg-Zeitraums vom bis einen Anspruch auf eine variable Vergütung in Höhe von 7.914,78 Euro erworben hat, kann der Senat anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilen.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom . Im Revisionsverfahren ist nur noch über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höheres Insg unter Berücksichtigung eines so genannten Varioanteils zu entscheiden.
Anspruch auf Insg haben nach § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (<SGB III> idF des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente <Job-AQTIV-Gesetz> vom , BGBl I 3443) Arbeitnehmer, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Nach § 183 Abs 1 Satz 3 SGB III gehören zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis.
Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den von Arbeitnehmern auf Grund von Zielvereinbarungen zu beanspruchenden variablen Entgeltanteilen um Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis handelt. Denn Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis sind alle Leistungen des Arbeitgebers, die eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen (BSG SozR 4100 § 141b Nr 26; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 1). An dem Arbeitsentgeltcharakter der mit Zielvereinbarungen verknüpften Leistungsanreize besteht hiernach kein Zweifel, denn diese sollen der Erreichung eines bestimmten Leistungsziels durch den Arbeitnehmer dienen (vgl Preis in Erfurter Kommentar, 6. Aufl 2006, § 611 BGB RdNr 626a). Dementsprechend wird die variable Vergütung auch im Recht der Entgeltfortzahlung als Arbeitsentgelt behandelt, das vom Arbeitgeber während auf Arbeitsunfähigkeit beruhenden Fehlzeiten grundsätzlich fortzuzahlen ist (Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl 2005, § 69 RdNr 28d; Lindemann/Simon, BB 2002, 1807, 1812 f; Mauer, NZA 2002, 540, 544; vgl zur Treueprämie auch Bundesarbeitsgericht <BAG> AP Nr 77 zu § 611 BGB Gratifikation).
Allerdings begründen nur solche Ansprüche auf Arbeitsentgelt einen Anspruch auf Insg, die für den Insg-Zeitraum zu erbringen sind. Maßgebend ist hier - entsprechend dem Antrag des Klägers - der Zeitraum vom 1. Januar bis . Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG, offene Ansprüche auf Zahlung des laufenden Arbeitslohns grundsätzlich dem Zeitraum zuzuordnen, in dem die Arbeit als Gegenleistung für den Entgeltanspruch erbracht worden ist (BSGE 43, 49, 50 = SozR 4100 § 141b Nr 2; BSG SozR 4100 § 141b Nr 8; BSGE 89, 289, 291 = SozR 3-4100 § 141b Nr 24), - mit anderen Worten - dem Zeitraum, für den der Lohn- und Gehaltsanspruch erarbeitet worden ist (BSG SozR 4100 § 141b Nr 29; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 23). Das steht im Übrigen im Einklang mit der insolvenzrechtlichen Zuordnung von Lohn- und Gehaltsansprüchen (vgl BAG AP Nr 9 zu § 59 KO; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 23). Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Anspruch im Insg-Zeitraum fällig oder bezifferbar geworden ist (BSGE 43, 49, 51 = SozR 4100 § 141b Nr 2; BSG SozR 4100 § 141b Nr 29; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 11). Ansprüche, die über einen längeren Zeitraum erworben, jedoch zu einem bestimmten Zeitpunkt geschuldet werden, sind der jeweiligen Arbeitsleistung anteilig zuzuordnen. Die - hilfsweise - Argumentation des LSG, der auf das jeweilige Wirtschaftsjahr bezogene variable Gehaltsanteil werde ungeachtet der Frage des Bestehens eines (zeitanteiligen) Anspruchs nicht durch Insg geschützt, steht mit der Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang. Denn die Fälligkeit des Anspruchs bis zum Eintritt des Insolvenzfalls und seine Abhängigkeit von der Erreichung der (nicht mehr verwirklichten) Unternehmensziele ist danach ohne Bedeutung.
Hinsichtlich der vom Kläger zusätzlich beanspruchten variablen Vergütung sind keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, vom Erarbeitungsprinzip abzusehen. Denn es handelt sich bei den auf Grund einer Zielvereinbarung zu leistenden Zahlungen, deren Höhe vom Erreichen persönlicher und unternehmensbezogener Ziele abhängt, nicht um eine Sondervergütung, sondern um laufendes Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer für ein bestimmtes Jahr erhält (Linck in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 11. Aufl 2005, § 69 RdNr 28d). Dem Erarbeitungsprinzip ist das BSG im Übrigen auch bei der zeitlichen Zuordnung von Provisionsansprüchen zum Insg-Zeitraum gefolgt, indem es darauf abgestellt hat, zu welchem Zeitpunkt "der Auftrag hereingebracht" worden ist (vgl das auch vom LSG zitierte Urteil BSG SozR 4100 § 141b Nr 26). Die Verknüpfung der hier zu beurteilenden variablen Vergütung mit der Arbeitsleistung wird durch die Ziele des variablen Vergütungssystems bestätigt, das den Mitarbeitern nach Punkt 1 der Betriebsvereinbarung vom insbesondere einen monetären Anreiz zur Förderung ihres Einsatzes bieten sollte. Die Verknüpfung von Arbeitseinsatz und variabler Vergütung gehört geradezu zu den Wesensmerkmalen eines durch Zielvereinbarungen gesteuerten Vergütungssystems. Die Verknüpfung betrifft insbesondere die "individuellen Ziele" iS des Punkt 5 der Betriebsvereinbarung (s auch Zielveränderung 2001), jedoch ist auch eine Zuordnung des allgemeinen Ziels Unternehmenserfolg zu bestimmten Zeiträumen nicht ausgeschlossen. Ob allerdings angesichts der Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers hinsichtlich der Unternehmensziele eine Vergütung in Betracht kommt, kann zweifelhaft sein (vgl aber zum Provisionsanspruch bei Betriebsstilllegung und zur so genannten Betriebsrisikolehre, - veröffentlicht in juris). Denn dieser Teil der variablen Vergütung - der in unterschiedlicher prozentualer Höhe für alle Mitarbeiter vorgesehen war - ist nach näherer Maßgabe der Betriebsvereinbarung von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens abhängig gewesen (vgl Punkte 3, 4, 6 der Vereinbarung). Jedoch machen die Unternehmensziele nach der mit dem Kläger für das Jahr 1999 geschlossenen Vereinbarung ohnehin lediglich 40 % des Varioanteils aus, während die individuellen Ziele mit 60 % in Ansatz gebracht worden sind. Jedenfalls die Erfüllung der individuellen Ziele wird durch die Insolvenz des Arbeitgebers nicht ausgeschlossen.
Dem Anspruch auf die variable Vergütung steht ferner auch nicht entgegen, dass der Kläger nicht während des gesamten Bezugszeitraums (Kalenderjahr 2002) beim ehemaligen Arbeitgeber beschäftigt war. Vielmehr entspricht es der im arbeitsrechtlichen Schrifttum einhelligen Meinung, dass der Zielbonus als arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung auch bei einem Ausscheiden vor dem Fälligkeitstermin anteilig entsprechend der Beschäftigungszeit ausgezahlt werden muss (Lindemann/Simon, BB 2002, 1807, 1813; Mauer, NZA 2002, 540, 545; Deich, Arbeitsvertragliche Gestaltung von Zielvereinbarungen, 2005, S 104 ff; vgl zu Treueprämien auch BAG AP Nr 77 zu § 611 BGB Gratifikation). Der Bestand des Arbeitsverhältnisses am Ende des Jahres wird bei derartigen arbeitsbezogenen Sonderzahlungen nicht vorausgesetzt, und eine Stichtagsregelung kann auch nicht rechtswirksam vereinbart werden. Insoweit unterscheidet sich die variable Vergütung von Gratifikationen mit Stichtagsklauseln (vgl Lindemann/Simon aaO).
Das LSG hat zur Verneinung des Anspruchs auf Insg entscheidend darauf abgestellt, dass mit dem Kläger für das Jahr 2002 keine konkrete Zielvereinbarung als Vorbedingung für einen Varioanteil der Vergütung zu Stande gekommen sei. Die Frage des Bestehens eines durch Insg auszugleichenden Arbeitsentgeltanspruchs trotz fehlender Zielvereinbarung betrifft revisibles Recht (§ 162 Sozialgerichtsgesetz). Denn es geht nicht um die Auslegung der Betriebsvereinbarung, sondern um die Überprüfung der Rechtsanwendung (vgl BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 21 mwN). Ob die Argumentation des LSG zutrifft, lässt sich indes auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen.
Allein der Umstand, dass eine Zielvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht vorliegt, führt nämlich nicht dazu, dass der Arbeitnehmer diesen Vergütungsanteil nicht beanspruchen kann. Ansonsten hätte es der Arbeitgeber in der Hand, durch eine Verweigerung einer entsprechenden Vereinbarung über die Zielerreichung den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers zu beseitigen. Eine derartige Möglichkeit widerspräche dem Grundsatz, dass vorbehaltlos vereinbarte Ansprüche auf eine leistungsorientierte Vergütung vom Arbeitgeber nicht einseitig geändert oder widerrufen werden können (Mauer, NZA 2002, 540, 543; Preis in Erfurter Kommentar, 6. Aufl 2006, § 611 BGB RdNr 626a). Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, ein Widerrufsrecht oder eine Befristung der Vergütungsregelung ist der dem Arbeitsentgeltanspruch zu Grunde liegenden Betriebsvereinbarung nicht zu entnehmen (vgl zu den arbeitsrechtlichen Möglichkeiten der Begrenzung der Bindungswirkung von Bonusregelungen Lindemann/Simon, BB 2002, 1807, 1809 ff; Mauer, NZA 2002, 540, 543). Entsprechendes folgt auch nicht aus den weiteren Ausführungen des LSG, auf Grund des beim ehemaligen Arbeitgeber des Klägers eingeführten Modells sei ohnehin nicht feststellbar, "ob die für das betreffende Wirtschaftsjahr festgelegten Ziele am Ende des Wirtschaftsjahres erreicht und der Kläger mit einem Varioanteil zusätzlich entlohnt werden würde". Denn ein Vergütungsanspruch muss zwar in seinem Bestand feststellbar sein, doch dies ist nicht mit dem Zeitpunkt der Feststellung der Zielerreichung bzw der Fälligkeit des Anspruchs gleichzusetzen. Damit kann der Arbeitgeber sich seiner Verpflichtung zur Zahlung der variablen Vergütung nur durch Vertrag oder (Änderungs-) Kündigung entziehen (vgl zur Inhalts- und Ausübungskontrolle eines formularvertraglich vorbehaltenen Widerrufsrechts des Arbeitgebers, Urteil vom - 5 AZR 364/04 - NZA 2005, 465, 468 f). Ein derartiges Vorgehen des Arbeitgebers ist vom LSG nicht festgestellt.
Ob die fehlende Zielvereinbarung für das Jahr 2002 zum Entfallen des Anspruchs auf den variablen Vergütungsanteil führt, kann ohne Berücksichtigung der Gründe, auf denen das Fehlen einer derartigen Vereinbarung beruht, nicht entschieden werden. Hierbei wird vom LSG zunächst zu klären sein, welcher Vertragspartei es oblag, die Initiative zur Führung eines Gesprächs über eine Zielvereinbarung zu ergreifen. Der Wortlaut der vorliegenden Betriebsvereinbarung (s Punkt 5a: Die jeweils vorgesetzte Instanz definiert gemeinsam mit dem einzelnen Mitarbeiter individuelle Ziele. Sie können unterjährig im Rahmen der Überprüfung der Zielerreichung angepasst werden.) spricht dafür, dass es Aufgabe des Arbeitgebers war, ein Gespräch über die Zielvereinbarung anzuberaumen. Eine abweichende Beurteilung könnte sich hier allerdings aus einer späteren modifizierenden Vereinbarung oder einer anderen betrieblichen Übung ergeben. Oblag die Initiative hiernach dem Arbeitgeber und erfüllte er diese vertragliche Nebenpflicht nicht, so kann dem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers die fehlende Zielvereinbarung nicht entgegengehalten werden. Auch bei Initiativpflicht des Arbeitnehmers entsteht der Anspruch auf die variable Vergütung aus dem Rechtsgedanken der Bedingungsvereitelung (§ 162 BGB), wenn der Arbeitnehmer das Gespräch über den Abschluss einer Zielvereinbarung fordert, ihm jedoch ein derartiges Gespräch verweigert wird (LArbG Köln, Urteil vom - 7 Sa 71/02 = NZA-RR 2003, 305; Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882, 883; Berwanger, BB 2003, 1499, 1502, der regelmäßig eine Obliegenheit des Arbeitnehmers annimmt, den Abschluss der jährlichen Zielvereinbarung beim Arbeitgeber einzufordern).
Ist eine Zielvereinbarung für das Jahr 2002 aus vom Kläger nicht zu vertretenden Umständen nicht zu Stande gekommen, so ist - unabhängig vom materiell-rechtlich zu Grunde liegenden dogmatischen Ansatz (vorrangig Leistungsbestimmung nach § 315 BGB bzw gegebenenfalls Bedingungsvereitelung nach § 162 BGB, Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882, 884; vgl auch Mauer, NZA 2002, 540, 547 f) - die durch Insg auszugleichende variable Vergütung vom LSG festzustellen. Hierbei liegt es nahe, sich an der für das Jahr 2001 getroffenen Vereinbarung zu orientieren (vgl LArbG Hamm, - 10 Sa 2236/03, veröffentlicht in juris; Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882, 883), wenn der Kläger seine Ziele erfüllt hat. Ausgehend von der Vergütung gemäß der Zielvereinbarung für das Jahr 2001 ist der Leistungsumfang im Wege der Schätzung (§ 287 Zivilprozessordnung) festzustellen und gegebenenfalls zu reduzieren. Im Hinblick auf die Insolvenz des Arbeitgebers könnte der 40%-Anteil der Vario-Vergütung, der additiv zu leisten und an die Unternehmensziele geknüpft ist, in Abzug zu bringen sein.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstelle(n):
BB 2006 S. 1864 Nr. 34
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2006 S. 1838
StuB-Bilanzreport Nr. 17/2006 S. 690
ZIP 2006 S. 1414 Nr. 30
AAAAC-14831