BSG Urteil v. - B 11a/11 AL 53/04 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB III § 183

Instanzenzug:

Gründe

I

Der Kläger begehrt höheres Insolvenzgeld (Insg) unter Einbeziehung einer Jahressonderzahlung.

Der Kläger war von 1992 bis 2002 bei der H W GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht. Mündlich war mit der Arbeitgeberin die Zahlung des Arbeitsentgelts einschließlich Jahressonderzahlung nach Maßgabe des jeweils gültigen Tarifvertrages vereinbart, was auch so praktiziert wurde.

Zuletzt gewährte die seit nicht mehr tarifgebundene Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern eine Weihnachtsgratifikation nach Maßgabe des Tarifvertrages "über die tarifliche Absicherung eines Teils des 13. Monatseinkommens" vom in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens. Nach diesem Tarifvertrag hatten Anspruch auf eine Sonderzahlung Arbeitnehmer und Auszubildende, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeits- bzw Ausbildungsverhältnis standen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehört hatten (§ 2 Nr 1 des Tarifvertrages). Die Höhe der Sonderzahlung war grundsätzlich in der Weise gestaffelt, dass je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit ein bestimmter Prozentsatz eines Monatsentgelts zu zahlen war (§ 2 Nr 2, 2.1, 2.2). Unter der Überschrift "Zeitpunkt" enthielt § 3 des Tarifvertrages folgende Bestimmungen:

"1. Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebsvereinbarung geregelt.

2. Falls dieser Zeitpunkt durch Betriebsvereinbarung nicht geregelt ist, gilt als Auszahlungstag im Sinne des § 2 Nr 1 der 1. Dezember.

In diesem Fall ist es dem Arbeitgeber unbenommen, die Erfüllung der Zahlung vorher durchzuführen.

3. Über Abschlagszahlungen können Regelungen in die Betriebsvereinbarung aufgenommen werden."

Am unterzeichneten der Betriebsrat und die Geschäftsleitung der Arbeitgeberin eine Betriebsvereinbarung, in der "auf Grund der andauernden schlechten Wirtschaftslage" vereinbart wurde, dass das Weihnachtsgeld in vier Raten gezahlt werde; die erste Auszahlung brutto 800 DM abzüglich Lohnsteuer und Sozialversicherung erfolge per Scheck am , die zweite Zahlung erfolge mit der "Januarlöhnung", die dritte mit der "Februarlöhnung" und die vierte Zahlung mit der "Märzlöhnung". In den beiden vorhergehenden Jahren - 1999 und 2000 - waren bereits ähnliche Betriebsvereinbarungen geschlossen worden.

Am wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet. Entsprechend einer Bescheinigung des Insolvenzverwalters über ausstehendes Arbeitsentgelt von 4.396,19 € netto in der Zeit vom 1. Januar bis bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom Insg in dieser Höhe. Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger unter Hinweis auf die Betriebsvereinbarung vom höheres Insg unter Einbeziehung des Weihnachtsgeldes. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom ). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom ). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Da die Arbeitgeberin nach ihrem Ausscheiden aus der Tarifgebundenheit den Arbeitsvertrag des Klägers nicht geändert habe, stehe dem Kläger ein arbeitsvertragsrechtlicher Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung in der Höhe zu, wie sie sich aus dem maßgeblichen Tarifvertrag vom ergebe. Die zeitliche Zuordnung der Jahressonderzahlung richte sich nach § 3 des Tarifvertrages. Bis 1998 habe es keine Betriebsvereinbarungen gegeben, so dass als Fälligkeitszeitpunkt grundsätzlich der 1. Dezember eines Jahres anzusehen sei. Es sei nun darüber zu entscheiden, ob dieser Fälligkeitszeitpunkt durch Betriebsvereinbarung in das nachfolgende Kalenderjahr - hier in die Monate Januar bis März 2002 - habe verschoben werden können. Dies sei im Anschluss an die Rechtsprechung des , und vom , B 11 AL 57/03 R - zu verneinen. Daraus folge, dass die Betriebsvereinbarung vom jedenfalls insoweit unwirksam sei, als die Fälligkeit in das Jahr 2002 hinein verschoben worden sei. Ein Anspruch auf höheres Insg stehe dem Kläger auch nicht hinsichtlich der Zeit vom 28. bis zu, da er von seiner Arbeitgeberin bereits 800 DM brutto erhalten habe, womit diese vier Tage jedenfalls abgedeckt seien (Gesamtanspruch 55 % des Monatslohns in Höhe von 3.419,90 DM abzüglich 800 DM = 1.080,95 DM brutto). Auch eine Berücksichtigung der Sonderzahlung für 2002 zu 3/12 sei nicht möglich, da eine so genannte Stichtagsregelung vorliege, die allen am Stichtag ungekündigten Arbeitnehmern eine volle Jahressonderzahlung zubillige.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 183 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Das LSG habe den Zusammenhang zwischen Voraussetzung der Leistung gemäß § 2 des Tarifvertrages und dem Zeitpunkt der Auszahlung nach § 3 des Tarifvertrages nicht ausreichend beurteilt. Der Bestand des Arbeitsverhältnisses am Auszahlungstag sei Voraussetzung für die Leistung gewesen. Nur wenn der Zeitpunkt der Auszahlung nicht durch Betriebsvereinbarung geregelt gewesen sei, habe als Auszahlungstag der 1. Dezember eines Jahres gegolten. Seit 1999 aber sei der Zeitpunkt der Auszahlung und damit die Voraussetzung für die Leistung durch Betriebsvereinbarungen geregelt worden. So sei mit der Betriebsvereinbarung über die Weihnachtsgratifikation 2001 der Zeitpunkt der Auszahlung nach vier Raten (, Januar-Löhnung, Februar-Löhnung, März-Löhnung) geregelt. Auf Grund fehlender weiterer Festlegungen in der Betriebsvereinbarung sei damit zwanglos festzustellen, dass Voraussetzung für die Leistung des Teils eines 13. Monatseinkommens das bestehende Arbeitsverhältnis an allen durch die Betriebsvereinbarung festgelegten Auszahlungszeitpunkten gewesen sei. Entgegen der Auffassung des LSG sei deshalb nicht über eine Verschiebung des Fälligkeitszeitpunktes 1. Dezember zu entscheiden, da ein solcher Fälligkeitszeitpunkt nur Wirkung habe entfalten können, wenn keine Betriebsvereinbarung den Zeitpunkt der Auszahlung geregelt hätte. Insoweit lasse sich auch nicht, wie es das LSG getan habe, auf das , SozR 3-4100 § 141b Nr 21) verweisen, da nach der dort maßgeblichen Betriebsvereinbarung vom Auszahlungstag (Fälligkeitstag) 1. Dezember ausgegangen und dieser lediglich "bis spätestens " und später "bis spätestens " verschoben worden sei. Soweit das BSG in diesem Urteil in dem tariflichen Anspruch auf Sonderzahlung "je Kalenderjahr" eine ausdrücklich auf das Kalenderjahr bezogene Stichtagsregelung gesehen und eine Verschiebung des Auszahlungstages in das nachfolgende Kalenderjahr als nicht möglich erachtet habe, sei gerade auf Sinn und Zweck der Sonderzahlung (vergangene und künftige Betriebstreue) zu verweisen, deren Bestandteile sich nicht dadurch erschöpften, dass üblicherweise der Stichtag auf den 30. November des maßgeblichen Jahres gelegt werde. Ein Denksatz, eine Betriebsvereinbarung könne den Auszahlungstag (= Stichtag) spätestens auf den 31. Dezember des Kalenderjahres legen, nicht aber einen Tag des folgenden Kalenderjahres wählen, existiere nicht. Entgegen der Sichtweise des LSG lasse sich auch kein Bezug zu dem Sachverhalt herstellen, der Grundlage der Entscheidung des , BSGE 92, 254 = SozR 4-4300 § 183 Nr 3) gewesen sei. Die Feststellung des LSG, die Betriebsvereinbarung vom sei jedenfalls insoweit unwirksam, als die Fälligkeit in das Jahr 2002 verschoben worden sei, entbehre daher jeglicher Grundlage.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts vom und das Urteil des Sozialgerichts vom aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom Insg unter zusätzlicher Berücksichtigung der Weihnachtsgratifikation 2001 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat, wie die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend entschieden haben, keinen Anspruch auf höheres Insg.

Anspruch auf Insg haben nach § 183 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III Arbeitnehmer, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Nach § 183 Abs 1 Satz 2 SGB III gehören zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Bei der streitgegenständlichen Jahressonderzahlung, deren Einbeziehung in das Insg der Kläger fordert, handelt es sich zwar unzweifelhaft um einen Anspruch auf Arbeitsentgelt iS von § 183 Abs 1 SGB III (vgl BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 21 S 90; BSGE 92, 254, 256 = SozR 4-4300 § 183 Nr 3). Der Anspruch des Klägers auf die Sonderzahlung lässt sich jedoch nicht den dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monaten des Arbeitsverhältnisses zuordnen.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hatte der Kläger mit seiner Arbeitgeberin eine Entlohnung unter Einbeziehung von Jahressonderzahlungen nach Maßgabe des jeweils geltenden Tarifvertrages vereinbart, und zwar unabhängig von deren Tarifbindung. Der Kläger hatte somit gegen seine Arbeitgeberin einen Anspruch auf die Jahressonderzahlung 2001 auf Grund Arbeitsvertrages mit Bezugnahme auf den jeweils geltenden Tarifvertrag - hier der vom LSG durch ausdrückliche Erwähnung im Urteil sowie durch Bezugnahme auf die Gerichtsakten festgestellte Tarifvertrag für die Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom (vgl zur Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag: Preis in Erfurter Kommentar, 4. Aufl, 230 BGB § 611, RdNr 271 mwN; BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 21 S 92). Insoweit spielt hier die Frage eines Weiterbestehens der Tarifgebundenheit gemäß § 3 Abs 3 Tarifvertragsgesetz keine Rolle.

Von der Revision nicht in Frage gestellt und auch nach dem festgestellten Inhalt der tariflichen Regelungen nicht zu beanstanden ist die Ansicht des LSG, wonach die im Tarifvertrag vom geregelte Sondervergütung nicht einzelnen Monaten zuzurechnen ist. Die anteilige Berücksichtigung eines etwaigen Anspruchs des Klägers auf eine im Kalenderjahr 2002 zu gewährende Sonderzahlung scheidet daher von vornherein aus. Der Senat hat bereits zu gleichartigen Tarifverträgen entschieden, dass eine Jahressonderzahlung, die grundsätzlich allen Arbeitnehmern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen im jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt ungekürzt und unabhängig von der Betriebszugehörigkeit im Laufe des Jahres auszuzahlen ist, nicht zeitanteilig erarbeitet wird und sich deshalb auch nicht einzelnen Monaten des Jahres zuordnen lässt (BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 21 S 92; dazu zustimmend Roth, SGb 2001, 587; kritisch Peters-Lange, EwiR 2001, 637 und dieselbe in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 8 RdNr 156; BSGE 92, 254, 256 = SozR 4-4300 § 183 Nr 3). Die das Kalenderjahr 2001 betreffende Jahressonderzahlung kann also - soweit vom Arbeitgeber nicht ausbezahlt - in voller Höhe bei der Bemessung des Insg berücksichtigt werden, allerdings nur dann, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis - also im Zeitraum bis - hätte ausbezahlt werden müssen, andernfalls überhaupt nicht (vgl BSGE 62, 131, 133 ff = SozR 4100 § 141b Nr 40; BSG SozR 4100 § 141b Nr 42; BSGE 92, 254, 256 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 3 mwN).

Im vorliegenden Fall fällt der Anspruch auf die Sonderzahlung nicht mehr in den erst am beginnenden Insg-Zeitraum von drei Monaten. Die Betriebsvereinbarung vom hat den im Tarifvertrag vorgesehenen und für die Zuordnung zum Insg-Zeitraum entscheidenden Auszahlungszeitpunkt (1. Dezember eines jeden Jahres) nicht verändert. Nach den vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat es bis zum Jahr 1998 keine Betriebsvereinbarungen gegeben. Das LSG hat hieraus gefolgert, dass als Fälligkeitszeitpunkt bis dahin grundsätzlich der 1. Dezember des Jahres anzusehen sei. Es hat weiter unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (insbesondere SozR 3-4100 § 141b Nr 21) ausgeführt, eine Verschiebung des genannten grundsätzlichen "Fälligkeitszeitpunktes" in das nachfolgende Kalenderjahr - wie durch die Betriebsvereinbarung vom geschehen - sei nicht zulässig, da sonst der Grundsatz der Zuordnung des Arbeitsentgelts zu dem Zeitraum, in dem es "erarbeitet" worden ist, nicht gewahrt sei. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Es kann dahinstehen, ob das LSG mit den vorstehend genannten Ausführungen sinngemäß den Tarifvertrag vom und die Betriebsvereinbarung vom dahingehend ausgelegt hat, dass mit letzterer der im Tarifvertrag auf Dezember festgelegte Auszahlungszeitpunkt nicht in für die Zuordnung zum Insg-Zeitraum relevanter Weise verändert worden ist, und ob insoweit die Angriffe der Revision gegen die Vertragsauslegung des LSG ins Leere gehen. Von der Revision ist weder dargelegt worden, dass es sich bei den streitgegenständlichen Bestimmungen des Tarifvertrags um revisibles Recht handeln könnte (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nr 14), noch sind gegen die Feststellungen des LSG zur Auslegung der Betriebsvereinbarung zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben worden. Das LSG hat jedoch bei seinen Ausführungen zur Auslegung des Tarifvertrages und der Betriebsvereinbarung nicht alle von ihm selbst festgestellten Umstände verwertet. So fehlen im Urteil des LSG nähere Ausführungen zur Bedeutung der Regelungen des Tarifvertrages betreffend die Anspruchsberechtigung und die Höhe der Sonderzahlung, ebenso fehlt eine Auseinandersetzung mit den Einzelbestimmungen der Betriebsvereinbarung. Der Senat kann indes die vom LSG festgestellten tatsächlichen Umstände selbst in die Rechtsanwendung einbeziehen (vgl BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10; SozR 3-4100 § 141b Nr 21 S 94). Danach ergibt die rechtliche Bewertung aller festgestellten Tatsachen, dass die Parteien der Betriebsvereinbarung vom mit den getroffenen Regelungen zwar teilweise den Fälligkeitszeitpunkt im Sinne einer der Arbeitgeberin eingeräumten Stundung in das nächste Jahr verschieben wollten, dass sie aber den nach der tariflichen Regelung auf den 1. Dezember fallenden Auszahlungszeitpunkt (Stichtag) unverändert lassen wollten.

Ausgangspunkt für die Auslegung des Tarifvertrages und die Auslegung der streitgegenständlichen "Betriebsvereinbarung über die Weihnachtsgratifikation 2001" ist zunächst die nicht umstrittene Tatsache, dass es sich bei der dem Kläger zustehenden Sonderzahlung um eine auf das Kalenderjahr bezogene Jahressonderzahlung handelt, die - wie erwähnt - nicht einzelnen Monaten, sondern dem jeweiligen Jahr insgesamt zuzuordnen und grundsätzlich in vollem Umfang an alle an einem bestimmten Stichtag in einem Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmern auszuzahlen war. Bei einer solchen Jahressonderzahlung, die grundsätzlich für geleistete Arbeit und Betriebstreue erbracht wird (vgl Urteil des Senats vom , SozR 3-4100 § 141b Nr 21 S 91 mwN), spricht schon Sinn und Zweck sowie der Bezug auf das Kalenderjahr für einen im jeweiligen Kalenderjahr liegenden Auszahlungszeitpunkt (Stichtag). Bloße Fälligkeitsverschiebungen im Sinne einer Stundung können - wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom aaO S 94 f) - an dem festgelegten Auszahlungszeitpunkt grundsätzlich nichts ändern. Ob darüber hinaus - wie der Entscheidung vom ebenfalls zu entnehmen ist (aaO S 93) - bei einer Jahressonderzahlung auch eine Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes in das nächstfolgende Kalenderjahr tarifrechtlich ausgeschlossen ist, kann für die vorliegende Fallgestaltung offen bleiben. Denn der vom Betriebsrat und von der Arbeitgeberin des Klägers geschlossenen Vereinbarung vom kann keine Verlegung des im Tarifvertrag festgelegten und im jeweiligen Kalenderjahr liegenden Auszahlungszeitpunkts (Stichtag 1. Dezember) in das Kalenderjahr 2002 entnommen werden. Die Vereinbarung enthält vielmehr nur Regelungen im Sinne einer der Arbeitgeberin gewährten Stundung durch Zahlung der Jahressonderzahlung in vier Raten.

Nicht gefolgt werden kann der Rechtsmeinung der Revision gemäß § 3 Nr 1 des Tarifvertrages seien vier verschiedene Auszahlungszeitpunkte entsprechend den vier Raten festgelegt worden; damit sei Voraussetzung für die Leistung der Jahressonderzahlung der Bestand des Arbeitsverhältnisses an allen festgelegten Auszahlungszeitpunkten gewesen. Dies lässt sich jedoch weder mit dem Wortlaut der Bestimmungen des Tarifvertrages und der Betriebsvereinbarung noch mit dem Gesamtzusammenhang aller einschlägigen Bestimmungen vereinbaren. Gegen die Deutung der Revision sprechen bereits die Formulierungen in § 3 Nr 3 des Tarifvertrages (Möglichkeit von Regelungen über "Abschlagszahlungen") und im Eingangssatz der Betriebsvereinbarung vom (bzw in ähnlicher Weise in den beiden vorangehenden Vereinbarungen), die eine abweichende Zahlungsweise "auf Grund der andauernden schlechten Wirtschaftslage" vorsieht. Schon diese Wortwahl deutet darauf hin, dass es grundsätzlich bei einem Auszahlungstermin im Dezember verbleiben und der Arbeitgeberin lediglich unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten eine teilweise Stundung gewährt werden sollte, was nach § 3 Nr 3 des Tarifvertrages ausdrücklich zugelassen war.

Der Wille der Vertragsparteien, den Auszahlungszeitpunkt (Stichtag) iS des § 2 Nr 1 und des § 3 Nr 1 des Tarifvertrages im Dezember zu belassen, folgt außerdem aus der Überlegung, dass ein Abstellen auf mehrere in verschiedenen Monaten, ja sogar in verschiedenen Kalenderjahren liegende Auszahlungszeitpunkte gänzlich unpraktikabel wäre. Dies hätte zur Folge, dass einzelne Arbeitnehmer die Anspruchsvoraussetzungen nicht zu allen der verschiedenen Zeitpunkte erfüllt hätten und die Bemessung der Sonderzahlung (maßgebend das durchschnittliche Monatsentgelt der letzten sechs abgerechneten Monate, § 2.3 des Tarifvertrages) Schwierigkeiten aufgeworfen hätte (vgl zu diesen Gesichtspunkten bereits das Urteil des Senats vom , SozR 3-4100 § 141b Nr 21 S 94). Eine derart unübersichtliche Regelung, wie von der Revision behauptet, wollten die Parteien der Betriebsvereinbarung ersichtlich nicht treffen. Sie wollten vielmehr an dem für Anspruchsberechtigung und Anspruchshöhe relevanten Zeitpunkt im Dezember festhalten.

Durch die Betriebsvereinbarung vom ist somit der Auszahlungszeitpunkt (Stichtag) im Sinne des Tarifvertrages vom nicht in das Kalenderjahr 2002 verschoben worden. Hieraus folgt, dass die Jahressonderzahlung nicht in den Insg-Zeitraum einzubeziehen ist. So ist auch die - missverständliche - Formulierung des LSG, die Betriebsvereinbarung sei "jedenfalls insoweit unwirksam", als die Fälligkeit in das Jahr 2002 hinein verschoben worden sei, zu verstehen. Es bedarf deshalb auch keines weiteren Eingehens auf das Vorbringen der Revision, der Senat habe in seiner Entscheidung vom (SozR 3-4100 § 141b Nr 21) nicht hinreichend den Gesichtspunkt berücksichtigt, eine Sonderzahlung solle vergangene und künftige Betriebstreue belohnen. Ebenso bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob eine Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes im Sinne des Vortrages der Revision gegen das "Günstigkeitsprinzip" verstoßen hätte (vgl Urteil vom aaO S 95).

Schließlich ist der Auszahlungszeitpunkt (Stichtag) im Sinne des Tarifvertrages durch die Betriebsvereinbarung vom auch nicht etwa auf den oder die nachfolgenden Tage im Dezember 2001 verlegt worden. Dies macht der Kläger selbst nicht geltend; Anhaltspunkte für eine derartige Vereinbarung sind auch nicht ersichtlich. Für die Nichteinbeziehung der Jahressonderzahlung 2001 in den Insg-Zeitraum bedarf es insoweit nicht der Überlegung des LSG, die letzten vier Tage im Jahre 2001 seien durch die Zahlung von 800 DM brutto am abgedeckt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Fundstelle(n):
DStR 2005 S. 1866 Nr. 44
ZIP 2005 S. 1933 Nr. 43
WAAAC-14815