BSG Urteil v. - B 10 EG 2/04 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: BErzGG § 1 Abs 1a

Instanzenzug:

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Erziehungsgeld (Erzg) für die Zeit vom 1. Juni bis zum .

Die Klägerin ist Staatsangehörige von Sri Lanka. Sie reiste - nach ihren Angaben - 1988 zu ihrem Ehemann nach Deutschland ein. Dieser besitzt ebenfalls die Staatsangehörigkeit Sri Lankas und ist seit 1993 als Fahrer bei der Botschaft des Königreichs L. in Deutschland beschäftigt. Beiden Eheleuten hat das Auswärtige Amt Protokollausweise ausgestellt und Dienstvisa erteilt; die Klägerin hat zu keiner Zeit eine von der Ausländerbehörde ausgestellte Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung besessen.

Am wurde den Eheleuten der Sohn Sudaraka geboren, für dessen Betreuung und Erziehung die Klägerin am Erzg beantragte. Der Beklagte lehnte diesen Antrag ab, weil auf die Klägerin als ausländische, in Deutschland nicht ansässige Ehefrau eines Mitglieds des dienstlichen Hauspersonals der Botschaft des Königreichs L. deutsche Rechtsvorschriften nicht anzuwenden seien (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).

Das Sozialgericht Köln hat die Klage mit der Begründung abgewiesen: Es sei unerheblich, ob die Klägerin - wie vom Beklagten angenommen - von den deutschen Vorschriften über soziale Sicherheit befreit sei. Anspruch auf Erzg habe sie jedenfalls deshalb nicht, weil sie weder eine Aufenthaltserlaubnis noch eine Aufenthaltsberechtigung besitze (Urteil vom ). Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt: Auf die Klägerin sei zwar das Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) anzuwenden, obwohl ihr Ehemann Mitglied des dienstlichen Hauspersonals einer diplomatischen Mission sei. Sie besitze aber - anders als vom BErzGG gefordert - keinen qualifizierten Aufenthaltstitel (Urteil vom ).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das LSG habe § 1 Abs 1a BErzGG alter Fassung (aF) verletzt. Sie macht geltend: Der Ortskräften und deren Familienangehörigen vom Auswärtigen Amt ausgestellte Protokollausweis sei einer Aufenthaltserlaubnis gleichzustellen. § 3 der Durchführungsverordnung zum Ausländergesetz (DVAuslG) habe ohne Ermächtigungsgrundlage im Ausländergesetz (AuslG) Ortskräfte vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung ausgenommen und ihnen so den nach Völkerrecht zustehenden Status entzogen. Im Übrigen sei die Klägerin ebenso zu behandeln wie Ortskräfte, denen nach altem - in der Zeit vom bis zum geltenden - Verordnungsrecht Aufenthaltserlaubnisse erteilt worden seien. Solche Personen hätten nach der Praxis des Beklagten weiterhin Zugang zum Erzg.

Sie verfüge über das vom BErzGG geforderte auf Dauer angelegte Aufenthaltsrecht in Deutschland. Denn das Auswärtige Amt habe sie als "ständig ansässig" eingruppiert. Die in diesem Rechtsstreit vom Auswärtigen Amt erteilte Auskunft, wonach sie Deutschland zusammen mit ihrem Ehemann nach dem Ende der Beschäftigung als Ortskraft verlassen müsse, treffe nicht zu und verstoße gegen die maßgeblichen Gesetze. Folge man dennoch mit dem Berufungsurteil der Auffassung des Auswärtigen Amtes, dass als ständig ansässig eingruppierte Ortskräfte zwar einerseits wegen dieser Ansässigkeit alle Lasten des Sozialversicherungssystems zu tragen hätten, ihr Daueraufenthalt andererseits politisch aber nicht gewollt sei, ihnen also kein Bleiberecht zugestanden werde, so verstoße das Vorenthalten von Erzg ihr gegenüber wegen dieses Widerspruches gegen das Willkürverbot.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die sowie des aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, ihr für die Betreuung ihres Sohnes Sudaraka in der Zeit von Juni bis Dezember 1999 Erzg zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er führt aus: Der Protokollausweis stehe einer Aufenthaltserlaubnis nicht gleich, weil diese grundsätzlich ohne Bindung an einen bestimmten Aufenthaltszweck erteilt werde, jener aber auf die Beschäftigung bei einer ausländischen Botschaft zugeschnitten sei. Die Inhaber von Protokollausweisen seien zudem nicht generell gehindert, sich zusätzlich einen ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel zu beschaffen. Der Klägerin werde Erzg auch nicht willkürlich versagt. Selbst wenn die Familie einkommenssteuerpflichtig sein und der Sozialversicherungspflicht unterliegen sollte, sei es von Verfassungs wegen nicht geboten, steuerfinanzierte Sozialleistungen wie das Erzg zu erbringen, es fehle nämlich an einem engen Wechselverhältnis zwischen Steuern und Erzg.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) einverstanden erklärt.

II

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache begründet.

Auf die Klägerin ist das BErzGG anwendbar, obwohl ihr Ehemann zum dienstlichen Hauspersonal der Botschaft des Königsreichs L. gehört. Dies hat das LSG zu Recht entschieden. Zu Unrecht hat es dagegen einen Anspruch auf Erzg allein deshalb verneint, weil die Klägerin keinen qualifizierten Aufenthaltstitel besitze. Ob auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, lässt sich nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil nicht abschließend beurteilen.

Nach Art 33 Abs 1 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) vom (BGBl II 1964, 958) sind Diplomaten (Missionschefs und Mitglieder des diplomatischen Personals einer Mission iS von Art 1 Buchst e WÜD) grundsätzlich von den im Empfangsstaat geltenden Vorschriften über soziale Sicherheit - und damit von der Anwendung des BErzGG - "befreit". Dasselbe gilt nach Art 37 Abs 3 WÜD für Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals der Mission, die weder Angehörige des Empfangsstaates noch in demselben ständig ansässig sind. Zu diesem Personenkreis zählt die Klägerin nicht, weil sie nicht selbst Mitglied des dienstlichen Hauspersonals ist (vgl dazu die Definition in Art 1 Buchst g WÜD), sondern nur ihr Ehemann als Botschaftsfahrer (vgl zur Befreiung der Mitglieder konsularischer Vertretungen von den Vorschriften des Empfangsstaates über soziale Sicherheit die Entscheidung des Senats vom - B 10/14 EG 1/00 R - BSGE 89, 124, 125 f = SozR 3-7833 § 1 Nr 25, die allerdings nicht die Art 1 Abs 3 und Art 71 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom , BGBl II 1969, 1585, berücksichtigt).

Nach § 1 Abs 1a BErzGG (in der hier anzuwendenden Fassung vom , BGBl I, 180) ist für den Anspruch eines Ausländers Voraussetzung, dass er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Auch bei Besitz einer Aufenthaltserlaubnis haben ein Arbeitnehmer, der von seinem im Ausland ansässigen Arbeitgeber zur vorübergehenden Dienstleistung nach Deutschland entsandt ist, und sein Ehepartner keinen Anspruch auf Erzg. Die Klägerin hat zwar im geltend gemachten Anspruchszeitraum keinen der danach geforderten Aufenthaltstitel besessen. Sie ist erziehungsgeldrechtlich jedoch so zu behandeln, als sei das der Fall gewesen.

Nach § 3 Abs 1 Satz 1 AuslG bedürfen Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einer Aufenthaltsgenehmigung, die nach § 5 Abs 1 AuslG von den Ausländerbehörden (§ 63 Abs 1 AuslG) ua als Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung erteilt wird. § 3 Abs 1 Satz 2 AuslG ermächtigt den Bundesminister des Inneren durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Befreiungen vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung vorzusehen. Das ist mit § 3 Abs 1 Nr 3 DVAuslG idF der Vierten Änderungsverordnung vom (BGBl I, 266) geschehen. Dort wird bestimmt, dass die nicht amtlich entsandten, mit Zustimmung des Auswärtigen Amtes örtlich angestellten Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals diplomatischer Missionen und ihre mit Zustimmung des Auswärtigen Amtes zugezogenen, mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten keiner Aufenthaltsgenehmigung bedürfen, wenn Gegenseitigkeit besteht. Diese Regelung dient nach den Materialien (BR-Drucks 13/93, S 7) vor allem der Verwaltungsvereinfachung, weil über den Aufenthalt im Wesentlichen nach völkerrechtlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung der Gegenseitigkeit zu entscheiden sei. Es sei deshalb sachgerecht, diese Entscheidungen beim Auswärtigen Amt zu zentralisieren, sodass ein aufwendiges Aufenthaltsgenehmigungsverfahren durch die Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden zu deren Entlastung entfallen könne. Das Auswärtige Amt dokumentiert seine positive Entscheidung über das Aufenthaltsrecht, indem es den betroffenen Personen einen Protokollausweis ausstellt und ein Dienstvisum erteilt.

So ist hier verfahren worden. Der Ehemann der Klägerin ist nicht aus L. zur Dienstleistung nach Deutschland entsandt (vgl dazu auch § 1 Abs 1a Satz 2 BErzGG), sondern von der Botschaft als "Ortskraft" sri lankanischer Nationalität angeworben und eingestellt worden. Er gehört als Fahrer zum dienstlichen Hauspersonal der Mission. Ebenso wie er selbst bedarf seine Ehefrau keiner Aufenthaltsgenehmigung. Dem Ehepaar sind vom Auswärtigen Amt Protokollausweise ausgestellt und Dienstvisa erteilt worden; nach der Kompetenzverteilung zwischen Ausländerbehörden und Auswärtigem Amt ist daneben für Aufenthaltsgenehmigungen kein Raum.

Die Klägerin ist der Ansicht, dennoch einen der in § 1 Abs 1a BErzGG geforderten Aufenthaltstitel zu besitzen, weil ihr Protokollausweis einer Aufenthaltserlaubnis materiell gleichstehe. Sie kann sich für ihre Ansicht auf Rechtsprechung der Finanzgerichte zum Kindergeldrecht stützen. Zwar hat es der Bundesfinanzhof (BFH) bislang offen gelassen, ob die vom Auswärtigen Amt einer Ortskraft ausgestellten Ausweise und Dienstvisa der Sache nach Aufenthaltserlaubnisse iS des § 15 AuslG verkörpern oder mit umfassen oder ihnen bei wertender Betrachtung gleichzustellen sind ( - BFH/NV 1998, 963). Die Finanzgerichte Köln und Rheinland-Pfalz haben jedoch zu der mit § 1 Abs 1a BErzGG inhaltsgleichen Vorschrift des § 62 Abs 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz schon entschieden, die vom Auswärtigen Amt Ortskräften ausgestellten Ausweise berechtigten zum Bezug von Kindergeld auch ohne qualifizierten Aufenthaltstitel. Entscheidend sei nicht der Name des Dokuments, sondern dessen Rechtsnatur und Wirkung ( - EFG 2000, 222, 223; vgl auch - JURIS - und vom - 5 K 1001/03 - JURIS - sämtlich nicht rechtskräftig). Der Senat lässt offen, ob dieser Argumentation für das Erziehungsgeldrecht und dort auch für Familienangehörige von Ortskräften in vollem Umfang zu folgen ist. Jedenfalls gehört die Klägerin zum Kreis der Erziehungsgeldberechtigten, obwohl sie keinen Aufenthaltstitel nach § 1 Abs 1a BErzGG besitzt. Es liegt insoweit eine unbeabsichtigte Lücke im Gesetz vor, die von den Rechtsanwendern zu schließen ist.

Durch den Bezug von Erzg soll ermöglicht oder erleichtert werden, dass sich ein Elternteil in der für die ganze spätere Entwicklung entscheidenden ersten Lebensphase eines Kindes dessen Betreuung und Erziehung widmet (BT-Drucks 10/3792, S 1). Auf das 1985 bundesrechtlich eingeführte Erzg hatte zunächst die gesamte Wohnbevölkerung Anspruch, einschließlich der Ausländer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland. Ab ist dann in Deutschland wohnenden Ausländern der Zugang zum Erzg zunehmend erschwert worden. Zunächst wurde zusätzlich der Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gefordert, die nicht für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt war (§ 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG idF vom , BGBl I, 1297). Ab wurde dieses Erfordernis an das System der Aufenthaltstitel nach dem neuen - zeitgleich eingeführten - AuslG angepasst: Ausländer mussten im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis sein (§ 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG idF vom , BGBl I, 1354). Diese ausländerpolitisch und fiskalisch motivierte Vorgehensweise wurde beim nächsten Schritt (Ausschluss der Besitzer von Aufenthaltsbefugnissen durch Art 4 Nr 1 Gesetz vom , BGBl I, 944) im Sinne der im Kindergeldrecht vertretenen "Gegenleistungstheorie" (vgl Felix, ZAR, 1994, 124, 125, 130) programmatisch mit der Aussage überformt, der Anspruch auf Erzg werde auf diejenigen Ausländer begrenzt, von denen zu erwarten sei, dass sie auf Dauer in Deutschland blieben (BT-Drucks 12/4401, S 46).

Ob die Klägerin zu dem so umschriebenen Personenkreis gehört, lässt sich mit dem vom BErzGG gewählten Merkmal zur Unterscheidung berechtigter von nichtberechtigten Ausländern nicht feststellen. Das Gesetz stellt keine eigenständigen Kriterien dafür auf, wann von einem Ausländer zu erwarten ist, er werde auf Dauer in Deutschland bleiben. Es knüpft an das Ausländerrecht an, wonach Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einer Aufenthaltsgenehmigung bedürfen (§ 3 Abs 1 Satz 1 AuslG) und erwartet nur von den Besitzern qualifizierter Aufenthaltstitel (Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung nach § 5 Abs 1 Nr 1 und 2, §§ 15, 17, 27 AuslG) einen Daueraufenthalt in Deutschland. Dieser Regelungsmechanismus auf der Grundlage von im Ausländerrecht verwirklichten Tatbeständen versagt bei Ausländern, die nicht unter das AuslG fallen (§ 2 AuslG) oder einer Aufenthaltsgenehmigung nicht bedürfen (§ 3 Abs 1 Satz 2 AuslG iVm §§ 1 bis 8 DVAuslG). Ob diese sehr unterschiedlich zusammengesetzten Gruppen von Ausländern damit unterschiedslos von Leistungen ausgeschlossen bleiben oder ob sie ungeachtet teilweise nur kurzdauernder Aufenthalte ohne Ausnahme leistungsberechtigt sein sollen, lässt sich dem Gesetz trotz der in § 1 Abs 4 und 5 BErzGG getroffenen Ausnahmeregelungen für bestimmte Ausländergruppen nicht sicher entnehmen. Diese Frage braucht hier nicht umfassend beantwortet zu werden. Jedenfalls ist nicht davon auszugehen, dass der Personenkreis, zu dem die Klägerin gehört, vom Bezug des Erzg ausgeschlossen werden sollte.

Zwar fällt die Klägerin nicht unter die lückenschließende Praxis der Erzg-Behörden, wonach Ortskräfte, die vor Aufnahme ihrer Tätigkeit bei einer ausländischen Mission bereits einen qualifizierten Aufenthaltstitel besaßen, so behandelt werden, als seien sie weiterhin im Besitz eines solchen. Den in diesen Fällen angenommenen verfestigten - und deshalb zum Bezug von Erzg berechtigenden - Aufenthaltsstatus hat sie jedoch ebenfalls: Sie ist als Ehefrau einer Ortskraft des dienstlichen Hauspersonals bei einer diplomatischen Mission lediglich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung befreit, einer dem ausländerbehördlichen Genehmigungsverfahren gleichwertigen Überprüfung durch das Auswärtige Amt unterworfen und mit ihrer in Deutschland ständig ansässigen Familie vollkommen in das deutsche Wirtschaftsleben und Sozialversicherungssystem eingegliedert. Diese Umstände sind zusammengenommen so gewichtig, dass sich angesichts der Verwurzelung in Deutschland eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nur vermeiden lässt, indem die Klägerin erziehungsgeld-rechtlich so gestellt wird wie Ausländer mit qualifizierten Aufenthaltstiteln.

Durch § 3 Abs 1 Nr 3 DVAuslG wurde der bis zum bestehende ausländerbehördliche Aufenthaltsgenehmigungszwang für die Klägerin zwar formell aufgehoben, der Sache nach aber beibehalten. Lediglich die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Aufenthalt von Ortskräften und deren Familienangehörigen wurde unter Auslagerung aus dem Ausländerrecht von den Ausländerbehörden auf das Auswärtige Amt übertragen. Die seither vom Auswärtigen Amt über das Aufenthaltsrecht ausgestellten Protokollausweise und Dienstvisa lassen für sich genommen zwar noch nicht die Annahme zu, ihre ausländischen Inhaber blieben auf Dauer in Deutschland. Denn solche Papiere erhalten auch aus dem Ausland angeworbene Ortskräfte und aus ihrem Heimatstaat amtlich entsandte Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals ausländischer Missionen und deren Familienangehörige (§ 3 Abs 1 Nr 2 DVAuslG), von denen feststeht, dass sie mit Ende der zeitlich begrenzten Entsendung Deutschland wieder verlassen werden. Anders verhält es sich aber bei in einem Dauerarbeitsverhältnis stehenden Ortskräften, die im Bundesgebiet ständig ansässig sind, sowie bei deren Familienangehörigen. Als im Inland ständig ansässig sind insbesondere Personen anzusehen, die hier bereits einen Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt hatten, bevor die Tätigkeit für die diplomatische Mission aufgenommen wurde (vgl Nr 62.6 Abs 2 DA-FamEStG 2002 <Juris>; Kloesel/Christ/Häußner, Deutsches Ausländerrecht, 3. Aufl, Stand 1991, § 2 AuslG RdNr 18). Zu diesem Personenkreis rechnet auch die Klägerin nach der vom Auswärtigen Amt mit Tatbestandswirkung für die Erzg-Behörden ausgestellten Bescheinigung (vgl dazu allg BSG SozR 4-6720 Art 38 Nr 1; SozR 3-7833 § 1 Nr 12).

Soweit das Auswärtige Amt im vorliegenden Verfahren geäußert hat, die gesamte Familie der Klägerin müsse mit Beendigung der Tätigkeit ihres Ehemannes bei der Botschaft aus Deutschland ausreisen, handelt es sich um eine unverbindliche Annahme. Über den aufenthaltsrechtlichen Status ehemaliger Ortskräfte mit ausländischer Staatsangehörigkeit hat nicht mehr das Auswärtige Amt, sondern die zuständige Ausländerbehörde zu befinden. Hierzu zeigen die dem Senat von der Stadt Bonn übermittelten ministeriellen Erlasse, dass für Ortskräfte und ihre Familienangehörigen, die sich - wie die Klägerin und ihr Ehemann - langjährig in Deutschland aufgehalten haben, nach Beendigung der Botschaftstätigkeit durchaus die Möglichkeit der Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis besteht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten trifft es nicht zu, dass sich das dem Ehemann der Klägerin erteilte Dienstvisum von einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich dadurch unterscheidet, dass es an eine konkrete Tätigkeit für eine ausländische Botschaft geknüpft ist. Auch eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (vgl § 10 Abs 1 AuslG) ist zweckgebunden (vgl Renner, Ausländerrecht, Komm, 7. Aufl, § 5 AuslG RdNr 8). Hingegen ist eine Aufenthaltsbefugnis ua für zeitlich von vornherein beschränkte Tätigkeiten vorgesehen (vgl Renner, aaO RdNr 10). Hier ist von Bedeutung, dass der Ehemann der Klägerin - soweit ersichtlich - im streitigen Zeitraum in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis stand.

In Fortführung des Berufungsverfahrens wird das LSG die weiteren Anspruchsvoraussetzungen nach dem BErzGG zu prüfen haben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV-Beilage 2005 S. 157 Nr. 2
FAAAC-14569