Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SVG § 88 Abs 3; SVG § 85 Abs 4 Satz 2; BVG § 62 Abs 2; SGG § 123
Instanzenzug: SG Aachen vom
Gründe
I
Streitig ist noch die Gewährung von Beschädigtenrente nach § 80 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) für die Zeit von März 1983 bis Februar 1993.
Der 1945 geborene Kläger war vom bis Soldat bei der Bundeswehr, ab Februar 1971 als Berufssoldat. Durch Bescheid der Wehrbereichsverwaltung vom wurde er wegen mangelnder Eignung (§ 46 Soldatengesetz) entlassen. In der Folgezeit ergaben sich verschiedene Verfahren zwischen dem Kläger und der beigeladenen Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Verteidigung (BMVg). Durch Urteil vom befand das Truppendienstgericht Mitte (Az: M 3 - VL 10/75) den Kläger eines Dienstvergehens für schuldig. Es stellte das Verfahren jedoch - im Wesentlichen wegen verminderter Schuldfähigkeit des Klägers auf Grund einer seit Mitte August 1972 bestehenden Alkoholkrankheit - ein. Den alsdann vom Kläger gestellten Antrag, ihn wegen Wehrdienstunfähigkeit rückwirkend zum in den Ruhestand zu versetzen, lehnte die Beigeladene bindend ab.
Im Rahmen des zuletzt genannten Verfahrens beantragte der Kläger mit Schriftsatz seines damaligen Bevollmächtigten vom die "Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung" (WDB). Durch Bescheid vom versagte die Beigeladene Ausgleichsleistungen nach dem SVG mit der Begründung, bei dem Kläger liege zwar eine Leistungsfunktionsstörung vor, diese sei jedoch keine Folge einer WDB.
In dem sich anschließenden sozialgerichtlichen Klageverfahren verpflichtete das Sozialgericht Aachen (SG) die Beigeladene durch Urteil vom - S 12 (7) V 160/85 -, bei dem Kläger eine Alkoholkrankheit als WDB anzuerkennen und ihm gemäß § 85 SVG für die Zeit vom bis Ausgleich nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vH zu gewähren. Im Übrigen wies es diese Klage ab. Ebenso verfuhr es mit der später gegen den Ausführungsbescheid der Beigeladenen vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom gerichteten Klage (Urteil vom - S 12 V 108/91 -).
Am machte der Kläger bei dem Beklagten für die Zeit ab Versorgungsleistungen nach einer MdE von 100 vH geltend. In einem Teilbescheid vom lehnte der Beklagte das Begehren zunächst für den Zeitraum vom bis wegen verspäteter Antragstellung ab. Einen Anspruch auf Versorgung für den Zeitraum ab Oktober 1990 verneinte er durch weiteren Teilbescheid vom mit der Begründung, eine WDB-Folge mit einer messbaren MdE liege insoweit nicht mehr vor. Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid des Beklagten vom , Urteil des SG Aachen vom - S 16 <12> V 26/94 -).
Im Berufungsverfahren ist von dem Kläger Beschädigtenversorgung für den Zeitraum vom bis nach einer MdE um 100 vH und ab dem nach einer MdE um 30 vH geltend gemacht worden. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat den Beklagten durch Urteil vom verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum von März 1983 bis Februar 1993 Versorgung nach einer MdE um 50 vH zu gewähren. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe für die Zeit bis Ende Februar 1983 in Ermangelung eines vor diesem Zeitpunkt wirksam gestellten Antrags keinen Anspruch auf Versorgung. Auch für die Zeit danach lägen keine rentenberechtigenden WDB-Folgen vor. Die vom Kläger neben der Alkoholkrankheit geltend gemachten Schädigungsfolgen "Persönlichkeitsstörung" und "depressive Symptomatik" seien nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht durch eine WDB verursacht worden. Hinsichtlich der Alkoholerkrankung sei spätestens mit Ablauf des Monats Dezember 1978 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne der Besserung eingetreten; eine messbare MdE habe nicht mehr festgestellt werden können. Die späteren Phasen exzessiven Alkoholkonsums seien nicht auf wehrdiensteigentümliche Verhältnisse zurückzuführen. Der Beklagte habe daher grundsätzlich zu Recht Versorgung versagt. Dennoch bestehe ein Anspruch des Klägers auf Beschädigtenrente für die Zeit von März 1983 bis Februar 1993. Zu seinen Gunsten griffen nämlich die Bindungswirkungs- und Bestandsschutzregelungen in § 85 Abs 4 Satz 2, § 88 Abs 3 Satz 1 SVG iVm § 62 Abs 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) ein. Der Ausführungsbescheid der Beigeladenen vom binde den Beklagten bezüglich der Schädigungsfolge "Alkoholkrankheit" und der Feststellung der Höhe der MdE mit 50 vH in der Weise, dass ab Antragstellung im März 1983 ein Versorgungsanspruch bestehe. Eine zeitliche Begrenzung dieser Feststellungen beinhalte der betreffende Bescheid nicht. Der Bestandsschutz gemäß § 85 Abs 4 Satz 2 SVG iVm § 62 Abs 2 Satz 1 BVG bewirke zudem, dass die MdE bis zum Ablauf von zwei Jahren nach der Bekanntgabe des Ausführungsbescheides der Beigeladenen - also bis Ende Februar 1993 - nicht niedriger festgesetzt werden dürfe.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die von dem LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt Verstöße gegen § 88 Abs 3, § 85 Abs 4 Satz 2 SVG iVm § 62 Abs 2 BVG sowie gegen § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Dazu trägt er im Wesentlichen vor: § 123 SGG sei verletzt, weil das LSG hinsichtlich der Höhe der MdE über den Antrag des Klägers hinausgegangen sei. Ferner sei der Rechtsgrundsatz des sozialen Entschädigungsrechts unbeachtet geblieben, wonach Leistungen nur für solche Zeiträume zu gewähren seien, in denen der auszugleichende Schaden auch tatsächlich vorliege. Da das LSG selbst spätestens ab Januar 1979 von keiner messbaren MdE mehr ausgegangen sei, könne die Bindungswirkung des § 88 Abs 3 SVG keine Wirkung mehr entfalten. Die Auslegung des Erstfeststellungsbescheides der Beigeladenen ergebe zudem, dass eine zeitliche Begrenzung der MdE-Feststellung gewollt gewesen sei; das SG habe nur über den Zeitraum bis zum entschieden. Die Notwendigkeit einer Entscheidung für die Zeit danach habe auch nicht bestanden, da insoweit kein Antrag auf Versorgung vorgelegen habe. Zudem werde die Entscheidung des LSG dem Sinn und Zweck des § 88 Abs 3 SVG nicht gerecht. Die Vorschrift solle eine Schlechterstellung von Soldaten im Vergleich zu anderen Versorgungsberechtigten verhindern, über deren Anspruch nicht durch zwei verschiedene Versorgungsträger entschieden werde. Eine Besserstellung durch Gewährung von Versorgung für Zeiträume, in denen keine rentenberechtigende MdE mehr vorliege, nur auf Grund vorhergehender Feststellung von Ausgleichsleistungen, sei hingegen nicht gewollt. Auch setze § 62 Abs 2 BVG voraus, dass sich die Entscheidungen auf Zeiträume bezögen, die zeitlich aneinander angrenzen.
Der Beklagte beantragt,
das aufzuheben, soweit es die Gewährung von Versorgung für die Zeit von März 1983 bis Februar 1993 betrifft, und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Aachen vom auch in dieser Hinsicht zurückzuweisen.
Der im Revisionsverfahren nicht durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladene hat sich den Ausführungen des Beklagten angeschlossen.
II
Der erkennende Senat kann auf Grund mündlicher Verhandlung entscheiden (vgl § 124 Abs 1 SGG), obwohl der Kläger und die Beigeladene zum Termin nicht erschienen sind; diese sind nämlich auf eine solche Möglichkeit in der Ladung hingewiesen worden (vgl § 110 Abs 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Das Berufungsurteil hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung hinsichtlich des noch streitigen Leistungszeitraumes von März 1983 bis Februar 1993 nicht stand. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger insoweit Beschädigtenversorgung zu gewähren.
Der Senat hat im Revisionsverfahren nicht über den vom Kläger ursprünglich geltend gemachten Versorgungsanspruch für die Zeit vom bis und ab zu befinden. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das insoweit rechtskräftig zurückgewiesen; der Kläger hat keine Revision gegen diesen ihn beschwerenden Teil des Urteils eingelegt.
Keiner näheren rechtlichen Erörterung bedarf die von dem Beklagten geltend gemachte Rüge der Verletzung des § 123 SGG. Es kann dahinstehen, ob das LSG - wie der Beklagte meint - mit der Verurteilung zur zeitweiligen Gewährung einer Beschädigtenrente nach einer MdE von 50 vH über das Begehren des Klägers - gerichtet auf dauernde Beschädigtenrente nach einer MdE um 30 vH - unzulässig hinausgegangen ist (vgl dazu auch § 202 SGG iVm § 528 Zivilprozessordnung). Der Kläger hat nämlich für den Zeitraum von März 1983 bis Februar 1993 überhaupt keinen Anspruch auf die geltend gemachte Beschädigtenversorgung.
Der Beklagte hat im Ergebnis zu Recht Versorgung (§ 80 SVG) auch für den streitigen Zeitraum versagt. Nach § 80 Satz 1 SVG erhält ein Soldat, der eine WDB erlitten hat, nach der Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der WDB auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist. Eine WDB ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, .... oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist (§ 81 Abs 1 SVG). Das LSG hat das Vorliegen einer rentenberechtigenden WDB-Folge für die Zeit ab März 1983 ohne Rechtsfehler verneint. Nach den in tatsächlicher Hinsicht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war bei dem Kläger spätestens seit Ende 1978 eine hinreichende Gesundheitsstörung auf Grund einer WDB nicht mehr gegeben. Die Persönlichkeitsstörung und die depressive Symptomatik sind nicht durch eine Wehrdienstverrichtung bzw wehrdiensteigentümliche Verhältnisse verursacht oder verschlimmert worden und die für den Zeitraum von Juni bis Dezember 1973 als WDB-Folge anerkannte Alkoholkrankheit hat - auf Grund einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse iS einer Besserung - ab Januar 1979 keine messbare MdE mehr bedingt (zur Bindung des Bundessozialgerichts <BSG> an Feststellungen des LSG hinsichtlich der Höhe der MdE und des Ursachenzusammenhangs vgl nur: Urteil vom - 2 RU 22/94 - JURIS; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, 2002, § 162 RdNr 3a und 3b).
Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung folgt ein Versorgungsanspruch des Klägers für den streitigen Zeitraum auch nicht aus einer Bindung des Beklagten an die Entscheidung des bzw den darauf ergangenen Ausführungsbescheid der Beigeladenen vom . Das LSG hat insoweit die Reichweite der in § 88 Abs 3 Satz 1 SVG normierten Bindung der Versorgungsverwaltung an die Entscheidung der Bundeswehrverwaltung verkannt. Eine derartige Wirkung entfaltet eine solche Entscheidung zumindest dann nicht mehr, wenn - wie hier rechtskräftig festgestellt - zwischen dem Ende des Ausgleichszeitraumes (hier Dezember 1973) und Beginn des für eine Versorgung in Betracht kommenden Zeitraumes (hier März 1983) annähernd 10 Jahre ohne Leistungsanspruch liegen. Dieses erschließt sich bei näherer Betrachtung der Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers, des Sinnes und Zwecks der Vorschrift sowie der Stellung des § 88 Abs 3 Satz 1 SVG im System des sozialen Entschädigungsrechts.
Nach § 88 Abs 3 Satz 1 SVG in der Neufassung vom (BGBl I, 1957, 1988) ist die bekannt gegebene Entscheidung einer Behörde der Verwaltung iS des Abs 1 Satz 1 (Bundeswehrverwaltung) oder iS des Abs 1 Satz 2 (Versorgungsverwaltung) sowie die rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit in Angelegenheiten des Abs 1 über eine WDB oder über eine gesundheitliche Schädigung iS des § 81a SVG und den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem Tatbestand des § 81 SVG oder des § 81a SVG sowie über das Vorliegen einer Gesundheitsstörung iS des § 81 Abs 5 Satz 2 SVG (aus redaktionellen Gründen geändert in § 81 Abs 6 Satz 2 durch das KOV-Anpassungsgesetz 1990 vom <BGBl I, 1211, 1215> mit Wirkung ab dem ) für die Behörde der jeweils anderen Verwaltung verbindlich (s im Übrigen auch die sprachlich einfachere Fassung des § 88 Abs 3 Satz 1 SVG idF der Bekanntmachung vom <BGBl I, 1258>, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zum Umfang der Bindungswirkung <BT-Drucks 14/4054, S 9>). Damit wird nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht nur eine Bindungswirkung der Entscheidung der einen für die andere Behörde im Hinblick auf die Feststellung der WDB und den ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung ua mit einem Tatbestand des § 81 SVG angeordnet, sondern auch im Hinblick auf die der Leistung zu Grunde liegenden MdE (vgl zur MdE BSG SozR 3-3200 § 88 Nr 1 und SozR 3-3200 § 88 Nr 2; Urteil vom - B 9 VS 1/99 R - JURIS). Sofern sich aus dem bindenden Bescheid der Bundeswehrverwaltung oder der diese rechtskräftig bindenden Entscheidung des SG nichts anderes ergibt, entfaltet die MdE-Festsetzung auch Zukunftswirkung, dh sie soll über den Zeitraum der Leistung des Ausgleichs und damit über das Ende des Wehrdienstes hinaus gelten, auch wenn die Entscheidung über den Ausgleich erst danach getroffen wird (vgl aaO).
Aus dieser Regelung kann nicht geschlossen werden, dass die Bindungswirkung des § 88 Abs 3 Satz 1 SVG zeitlich völlig unbeschränkt gilt. Zwei Möglichkeiten der Beschränkung zu Lasten des Berechtigten sind in § 88 Abs 3 Sätze 2 und 3 SVG selbst vorgesehen, und zwar in den Fällen anfänglicher Rechtswidrigkeit der ersten Entscheidung und wesentlicher Änderung der Verhältnisse nach der Entscheidung der anderen Verwaltung. Von einer derartigen wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in der Zeit bis zum (mit der Folge eines Anspruchsverlustes) ist das LSG im vorliegenden Fall ausgegangen. Gleichwohl hat das LSG für den Leistungszeitraum ab März 1983 einen Rentenanspruch bejaht, unter Hinweis auf die Bestandsschutzwirkung (§ 62 Abs 2 Satz 1 BVG) des Urteils des SG Aachen vom bzw des Ausführungsbescheides der Beigeladenen vom . Zu Recht hat es insoweit angenommen, dass § 62 Abs 2 Satz 1 BVG nach § 80 Satz 1 und § 85 Abs 4 Satz 2 SVG auch im Übergang zwischen Ausgleichs- und Versorgungsleistung anzuwenden ist (vgl nur -, JURIS). Dabei ist jedoch unberücksichtigt geblieben, dass eine Entscheidung gemäß § 88 Abs 3 Satz 1 SVG keine Bindungswirkung mehr entfalten kann, wenn zwischen dem Ende des Ausgleichs und dem möglichen Versorgungsbeginn eine Lücke von annähernd 10 Jahren ohne Gewährung einer Beschädigtenrente klafft. Damit ist zugleich der Bestandsschutzwirkung (vgl § 62 Abs 2 Satz 1 BVG) die Grundlage entzogen.
Der Gesetzgeber wollte mit der Bindungswirkung iS von § 88 Abs 3 SVG den Verwaltungsaufwand im Übergang von einer Leistung auf die andere (vom Ausgleich zur Versorgung) und von einem Leistungsträger auf den anderen (Bundeswehrverwaltung und Versorgungsverwaltung) beschränken. Bei diesen Ansprüchen, die einerseits zwar zeitlich von einander getrennt und konstruktiv selbstständig nebeneinander stehen (vgl nur BSG SozR 3-3200 § 88 Nr 2; SozR 3100 § 62 Nr 9 und SozR 3200 § 88 Nr 4), die andererseits jedoch beide auf ein und derselben gesundheitlichen Schädigung durch einen Unfall während der Ausübung des Wehrdienstes oder die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse iS von § 81 Abs 1 SVG gründen, sollten doppelte Prüfungen vermieden werden (vgl auch BT-Drucks 8/3750, S 23, und 8/4030, S 25). Ziel war es, der Gefahr in wesentlichen Punkten von einander abweichender Entscheidungen entgegenzuwirken und vor allem eine Schlechterstellung von Soldaten nach dem Ausscheiden aus dem Dienst der Bundeswehr gegenüber Kriegsbeschädigten und sonstigen Versorgungsberechtigten zu verhindern, deren Anspruch sich nur gegen einen Leistungsträger richtet (vgl BSG SozR 3-3200 § 88 Nr 2). Zweck der Regelung ist es mithin, in der Übergangssituation zwischen Ausgleich und Versorgung durch Bindung - in erster Linie der Versorgungsverwaltung - die weitere Versorgung des aus dem Dienst der Bundeswehr ausgeschiedenen Soldaten sicherzustellen (vgl Entscheidungen in dieser Übergangssituation: - B 9 VS 6/01 R - JURIS; vom , - B 9 VS 1/99 R - JURIS; SozR 3-3200 § 88 Nr 2 und 1; Beschluss vom , - 9 BV 20/94 - JURIS; SozR 3200 § 88 Nr 5; SozR 3200 § 85 Nr 5; vom , - 9a RV 6/83 - JURIS; SozR 3200 § 8 Nr 4).
Unter Berücksichtigung dieses Zwecks kann "weitere Versorgung" nur bedeuten: die Versorgung, die zumindest zeitnah, also im "Übergang" vom Ausgleichs- zum Versorgungsanspruch, zu leisten ist. Hauptsächlich in dieser Lage bedarf der ausgeschiedene Soldat des Schutzes der Bindungswirkung, der Sicherstellung übereinstimmender Entscheidungen trotz des Wechsels des Leistungsträgers. Völlig anders stellt sich die Situation hingegen dar, wenn erst lange nach dem Dienstende - dem Ausscheiden des Soldaten aus der Bundeswehr - und damit dem gesetzlichen Erlöschen des Ausgleichsanspruchs (§ 85 Abs 4 Satz 3 SVG) erstmals ein Versorgungsanspruch geltend gemacht wird. Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die Fortschreibung eines seit Jahren nicht mehr bestehenden Leistungsanspruchs ist dann durch Zeitablauf - zumindest nach annähernd 10 Jahren - entfallen.
Bei Erstreckung der Bindungswirkung über einen langen anspruchslosen Zeitraum würde sich die Intention des § 88 Abs 3 Satz 1 SVG, eine Schlechterstellung des ausgeschiedenen Soldaten gegenüber sonstigen Versorgungsberechtigten zu verhindern, in eine - zudem systemwidrige - Besserstellung verkehren. Wie der vorliegende Fall zeigt, könnte der ausgeschiedene Bundeswehrsoldat, anders als ein sonstiger Versorgungsberechtigter, auch dann einen Anspruch auf Beschädigtenrente durchsetzen, wenn nicht mehr sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind; fehlende Tatbestandselemente würden durch die Bindungswirkung ersetzt werden. § 88 Abs 3 Satz 1 SVG ist daher so zu verstehen, dass er zwar in der eingangs beschriebenen Übergangssituation die Fortschreibung eines bestehenden Anspruchs im Rahmen der Vorschriften der §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch garantiert, nicht hingegen das Festhalten an isolierten Anspruchselementen eines bereits seit vielen Jahren erloschenen Anspruchs.
Dieses Ergebnis wird durch systematische Erwägungen gestützt. Wollte man einzelne Anspruchselemente nach Maßgabe des § 88 Abs 3 SVG unbeschränkt auch bei Fehlen eines Versorgungsanspruchs fortwirken lassen, müsste sich die Versorgungsverwaltung ggf an der Feststellung einer bestimmten MdE unabhängig von einer damit verbundenen tatsächlichen Leistung festhalten lassen. Dieses widerspräche einem Grundsatz des sozialen Entschädigungs- und Unfallversicherungsrechts. Danach hat eine (bindende) MdE-Feststellung ausschließlich im Rahmen der Rentengewährung zu erfolgen (vgl SozR 3-3200 § 88 Nr 1 unter Hinweis auf BSGE 5, 96, 100; BSGE 7, 126; BSGE 55, 32; Urteil vom , - 9a RV 10/83 - JURIS). Da § 88 Abs 3 SVG eine (anschließende) Rentengewährung als solche nicht garantieren soll, sondern nur die Übernahme der maßgeblichen Entscheidungselemente vorsieht, ist nicht anzunehmen, dass die Bindungswirkung einer MdE-Feststellung (längere) rentenfreie Zeiträume überspringen kann.
Entsprechendes gilt für das Verhältnis von Bindungswirkung und Antragserfordernis. Der Gesetzgeber hat die Gewährung von Versorgungsleistungen nach § 80 SVG iVm § 60 BVG von einer Antragstellung abhängig gemacht. Leistungen sind nur dann zu gewähren, wenn zu dem in § 60 BVG bestimmten Zeitpunkt sämtliche Leistungsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen. Das Fehlen von Tatbestandsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Antragstellung kann nicht durch eine zeitlich unbeschränkte Bindung der Versorgungsverwaltung an die Einzelelemente einer Entscheidung der Bundeswehrverwaltung ersetzt werden. Es ist der Regelung des § 88 Abs 3 SVG nicht zu entnehmen, dass sie auch Anspruchslücken überwinden helfen soll, die durch eine verspätete Antragsstellung entstehen können.
Um gleichwohl dem dargelegten Schutzzweck des § 88 Abs 3 Satz 1 SVG in der Übergangssituation zwischen Ausgleichs- und Versorgungsanspruch gerecht zu werden, sind im Gesetz selbst besondere Vorkehrungen getroffen worden. So ist es nach § 88 Abs 5 Satz 2 Nr 2 SVG möglich, den Antrag auf Versorgung auch bei einer Dienststelle der Bundeswehr zu stellen. Dadurch wird gewährleistet, dass im Regelfall die Ansprüche auf Ausgleich und Versorgung zum gleichen Zeitpunkt geltend gemacht werden, und zwar noch während des Dienstes oder in zeitlicher Nähe zum Dienstende. Diese Regelung ist zwar erst zum in Kraft getreten (BGBl I 1980, 1497). Bereits im Jahr 1971 sah die Zentrale Dienstvorschrift der Bundeswehr 46/1 (<ZDv 46/1>, Bestimmungen für die Durchführung der ärztlichen Untersuchung bei der Musterung von Wehrpflichtigen - Annahme, Einstellung und Entlassung von Soldaten, BMVg - Stand ) jedoch schon eine Belehrung der entlassenen Soldaten über die Möglichkeiten vor, auch nach Beendigung des Wehrdienstes Versorgungsleistungen geltend zu machen (ZDv 46/1 Ziff 17g, aaO, S 11). Seit 1979 besteht die Anweisung (ZDv 46/1 Ziff 153, aaO), bei Entlassung des Soldaten wegen Dienstunfähigkeit diesen in jedem Fall zu befragen, ob er eine WDB geltend machen wolle. Zudem ist das Ergebnis der Befragung zu protokollieren.
Ob der Kläger insoweit hinreichend belehrt worden ist, welche Konsequenzen sich aus einer ggf fehlenden Belehrung oder einer denkbaren früheren Antragstellung - beispielsweise in den Schriftsätzen des Verfahrens vor dem Truppendienstgericht - ergeben, ist vom Senat nicht zu prüfen, da die einen Versorgungsanspruch des Klägers für die Zeit vom bis verneinende Entscheidung des LSG insoweit rechtskräftig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Fundstelle(n):
MAAAC-14519