Leitsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: SGG § 124 Abs 1; GG Art 103
Instanzenzug:
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers sowie darüber, ob bei ihm eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt.
Auf Antrag des Klägers stellte das Versorgungsamt mit Bescheid vom einen GdB von 50 fest, verneinte jedoch das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen "G"). Auf dessen Widerspruch stellte der Beklagte den GdB unter der Bezeichnung "schwere neurotische Störung" mit 80 fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom ). Mit Gerichtsbescheid vom wies das Sozialgericht Koblenz (SG) die Klage ab. Dagegen legte der Kläger beim Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) Berufung ein. Seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe lehnte das LSG wegen mangelnder Erfolgsaussicht ab. Auf die gerichtliche Anfrage, ob er mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei, erklärte der Kläger im Februar 2001, dass er auf einer mündlichen Verhandlung bestehe, weil er in dieser Sache auch zu Wort kommen wolle. Nachdem er die Ladung zu dem auf den anberaumten Termin erhalten hatte, teilte der Kläger dem LSG am unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom mit, er sei sehr krank. Am verhandelte das LSG in Abwesenheit des Klägers und wies dessen Berufung durch Urteil zurück, weil weder ein höherer GdB noch die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" gegeben seien.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger vor allem, das LSG habe gegen den Grundsatz der mündlichen Verhandlung (§ 124 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) verstoßen und damit sein Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art 103 Grundgesetz <GG>) verletzt. Er habe an der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen können. Da dem LSG dies sowie sein zuvor geäußertes Interesse an einer mündlichen Verhandlung bekannt gewesen seien, hätte es den anberaumten Termin aufheben und auf einen späteren Zeitpunkt verlegen müssen. Auf diesem Verfahrensfehler beruhe das angefochtene Urteil, denn seine abschließende Auffassung habe nicht darin einfließen können. Eine erfolgreiche Berufung habe sich vor allem deshalb nicht ausschließen lassen, weil seine massiven psychischen Störungen - auch unter Zuhilfenahme von medizinischen Sachverständigen - zur Zuerkennung eines höheren GdB sowie des Merkzeichens "G" hätten führen können.
Der Kläger beantragt,
das sowie den aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom zu verurteilen, bei ihm einen Grad der Behinderung von 100 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor: Nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens könne dem Klageanspruch nicht stattgegeben werden. Allerdings liege der gerügte Verfahrensfehler vor.
II
Die Revision ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Wie der Kläger zutreffend gerügt hat, ist das angefochtene Urteil verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen und beruht hierauf auch.
Das LSG hat gegen den Grundsatz der mündlichen Verhandlung (§ 124 Abs 1 SGG) verstoßen und damit zugleich das Grundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt. Allerdings hat das LSG zunächst ordnungsgemäß Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits auf den anberaumt und die Beteiligten zu diesem Termin geladen. Es hätte am festgesetzten Tage jedoch nicht ohne Weiteres in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden dürfen.
Grundsätzlich stellt allein der Umstand, dass ein Beteiligter außer Stande ist, zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, und dies vorher mitteilt, noch keinen zwingenden Grund für eine Terminsverlegung dar (Beschluss des 13. Senats des Bundessozialgerichts <BSG> vom - B 13 RJ 55/02 B -). Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie hier, auf die Möglichkeit hingewiesen worden ist, dass bei Fernbleiben eines Beteiligten nach Lage der Akten entschieden werden könne (vgl dazu § 110 Abs 1 Satz 2 SGG). An sich wäre es danach nicht zu beanstanden, dass im vorliegenden Fall ausweislich der Sitzungsniederschrift vom eine einseitige mündliche Verhandlung mit dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten stattgefunden hat, auf Grund der das Berufungsurteil ergangen ist. Dem LSG ist jedoch insofern ein Verfahrensmangel unterlaufen, als es nicht berücksichtigt hat, dass hier den Umständen nach zumindest sehr viel dafür sprach, dass der unvertretene und psychisch behinderte Kläger einen Terminsverlegungsgrund geltend machen wollte. Wenn ein solcher Beteiligter es beantragt oder wenigstens seinen entsprechenden Willen zum Ausdruck bringt, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, kann der Grundsatz des rechtlichen Gehörs es erforderlich machen, die anberaumte mündliche Verhandlung auf einen anderen Termin zu verlegen (§ 227 Abs 1 und 2 ZPO, § 202 SGG; vgl den og Beschluss des BSG, weiter den Senatsbeschluss vom - B 9 VM 1/00 B - sowie die - und vom - B 6 KA 40/98 R - USK 99 111). Im Zweifel ist bei entsprechenden Anhaltspunkten eine Rückfrage bei dem betreffenden Beteiligten geboten (vgl dazu -).
So verhält es sich hier. Der Kläger hatte mit Schreiben an das mitgeteilt: "... Ich möchte in dieser Sache auch zu Wort kommen, also mündliche Verhandlung ...". In dieser Äußerung liegt die eindeutige Willensbekundung des Klägers, dass er einer mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits entgegensehe, an ihr teilnehmen und sich in diesem Rahmen äußern wolle (zur Auslegung von Prozesshandlungen vgl BSGE 63, 93, 94 f = SozR 2200 § 205 Nr 65). Bei dieser Sachlage ist das LSG unter Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs verfahren, indem es ohne weiteren Kontakt mit dem Kläger auf Grund einseitiger mündlicher Verhandlung entschieden hat. Abgesehen davon, dass der Berufungssenat ohne nähere Erkundung von Grund und Ausmaß der vom Kläger glaubhaft nachgewiesenen Erkrankung nicht berechtigt war, die eingereichte Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit als unzureichend anzusehen (ebenso - USK 99 111), hätte er dem Kläger jedenfalls durch einen entsprechenden Hinweis Gelegenheit geben müssen, seine Unfähigkeit, zum Termin zu erscheinen, näher darzulegen. Entsprechend verhält es sich, wenn das LSG zu der Auffassung gelangen wollte, der Kläger bestehe im Hinblick auf seine Erkrankung nicht mehr auf einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Derartige Rückfragen hat die Vorinstanz unterlassen, obwohl vom Eingang der Krankmeldung des Klägers bis zum Termin noch mehrere Tage Zeit war.
Die angefochtene Entscheidung kann auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Der Senat hat bereits entschieden, dass wegen des besonderen Rechtswertes der mündlichen Verhandlung im Allgemeinen davon auszugehen ist, dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die einen Verfahrensbeteiligten daran gehindert hat, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, die daraufhin ergangene Entscheidung beeinflusst hat (vgl Urteil vom - B 9 VJ 1/02 R -). Der Angabe, welches Vorbringen durch das beanstandete Verfahren verhindert worden ist, bedarf es deshalb hier nicht, zumal Gründe, die gegen die vermutete Ursächlichkeit sprechen, nicht ersichtlich sind. Vielmehr ist es nicht ausgeschlossen, dass eine Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung dem LSG hätte Veranlassung geben können, die Behinderung des Klägers - mit einem für diesen günstigen Ergebnis - weiter aufzuklären.
Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.
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Fundstelle(n):
WAAAC-14452