BSG Urteil v. - B 7 AL 98/02 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: AFG § 128 Abs 2 Nr 2

Instanzenzug:

Gründe

I

Die klagende Stadt wendet sich gegen eine Forderung der Beklagten auf Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und der darauf entfallenden Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom bis in Höhe von 32.065,61 DM.

Der am geborene Arbeitnehmer (G.) war bei der Klägerin von Mai 1976 bis zum beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Auflösungsvertrag zum beendet. Der Arbeitnehmer G. bezog ab von der Beklagten Alg. Seit bezieht er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.

Mit Bescheid vom forderte die Beklagte von der Klägerin Erstattung des für den Zeitraum vom bis gezahlten Alg nebst Beiträgen in Höhe von 28.750,88 DM. In einem weiteren Bescheid vom stellte sie zudem dem Grunde nach fest, dass die Klägerin verpflichtet sei, Alg ab dem für längstens 624 Tage zu erstatten. Die Widersprüche blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom ).

Nach Klageerhebung machte die Beklagte zunächst durch Bescheid vom die Erstattung von Alg für den Monat April 1997 in Höhe von 3.494,80 DM geltend. Nach erneuter Anhörung der Klägerin erließ sie sodann am neue Erstattungsbescheide über den gesamten Zeitraum vom bis in Höhe von insgesamt 32.065,61 DM. Den Grundlagenbescheid vom hob die Beklagte ausdrücklich auf.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Mit ihrer Berufung machte die Klägerin weiterhin geltend, die Erstattungsforderung stelle für sie eine unzumutbare Belastung gemäß § 128 Abs 2 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) dar. Sie verwies auf ihre außerordentlich negative Haushaltslage. Es sei ihr lediglich im Jahre 1999 durch erhebliche Konsolidierungsbemühungen möglich gewesen, die Jahresrechnung des laufenden Haushaltsjahres positiv zu gestalten. Bereits in der Zeit von 1996 bis 2000 habe sie Erstattungen nach § 128 AFG in Höhe von etwa 2,1 Millionen DM leisten müssen. Allein hierdurch sei es zu etwa 26 Stellenstreichungen gekommen. Sie überreichte eine Stellungnahme der Bezirksregierung M vom , in der dargelegt wurde, dass die Klägerin seit Jahren im Rahmen von Haushaltskonsolidierungskonzepten bemüht sei, erhebliche Haushaltsfehlbeträge abzubauen. Weiterhin überreichte die Klägerin einen Überblick über die Stellenentwicklung sowie die Personalentwicklung. Hieraus ergab sich, dass in der Zeit von 1992 bis 2001 die Planstellen der allgemeinen Verwaltung von 5.140 über 5.107, 4.989, 3.926, 3.459, 3.444, 2.913, 2.895 auf 2.888 im Jahre 2000 zurückgegangen waren und im Jahre 2001 wieder auf 2.905 anstiegen. Die Stellen in den eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen sind von 1992 bis 2001 von 215 auf 217, 1.137, 1.544, 1.438, 1.742, 1.733, 1718, 1.732 und 1.814 angestiegen. Dies ergibt zusammen mit den Planstellen der allgemeinen Verwaltung einen Stellenabbau von 1992 bis zum Jahre 1999 von 5.355 auf 4.613. Im Jahr 2000 ergab sich ein Zuwachs von sieben Stellen, im Jahre 2001 von 99 Stellen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne sich nicht auf den Befreiungstatbestand des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG berufen. Die Klägerin habe weder dargelegt noch nachgewiesen, dass die Erfüllung der Erstattungsforderungen für sie eine unzumutbare Härte bedeuten würde bzw durch die Erfüllung der Erstattungsforderungen die verbliebenen Arbeitsplätze gefährdet seien. Dies gehe weder aus der von der Klägerin vorgelegten kommunalaufsichtsrechtlichen Stellungnahme der Bezirksregierung M vom noch aus den sonstigen Ausführungen der Klägerin hervor. In der Stellungnahme der Bezirksregierung sei lediglich ausgesagt, dass das Haushaltssicherungskonzept 2000 vom Regierungspräsidenten genehmigt worden sei, weil danach ein ausgeglichener Haushalt im Haushaltsjahr 2003 erreicht werde und gleichzeitig mit dem Abbau der Fehlbeträge aus den Vorjahren begonnen worden sei. Ein Hinweis, dass dies vor allem durch einen Abbau von Stellen erreicht worden bzw dass der Stellenabbau das einzige Mittel zur Konsolidierung des Haushalts sei, finde sich in dieser Stellungnahme nicht. Auch aus den Ausführungen der Klägerin über die Stellenentwicklung werde nicht deutlich, dass die Klägerin den Abbau von Stellen als einziges Mittel zur Konsolidierung der Fehlentwicklungen in ihrem Haushalt durchführe. Der von der Klägerin im Gerichtsverfahren behauptete, durch die Erfüllung der Erstattungsforderungen zukünftig eintretende Stellenabbau stelle mithin lediglich eine Möglichkeit dar. Auf die Frage, ob der drohende Personalabbau im Hinblick auf die bisher erledigten Aufgaben und im Verhältnis zur Gesamtzahl der Beschäftigten ins Gewicht falle, sei nicht einzugehen, weil bereits der Abbau von Personal lediglich eine Möglichkeit darstelle, in keiner Weise aber von der Klägerin gemäß § 128 Abs 2 Nr 2 AFG schlüssig dargelegt oder gar nachgewiesen sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG. Das LSG habe zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, sie - die Klägerin - habe nicht dargelegt, dass der Stellenabbau das einzige Mittel zur Konsolidierung ihres Haushaltes sei. Hiermit verlange das LSG im Ergebnis, dass sie zum Ausgleich der Erstattungsforderungen der Beklagten an anderer Stelle Haushaltsmittel einspare. Eine solche Ausgabenreduzierung könne jedoch nur dadurch erfolgen, dass freiwillige Einrichtungen, wie zB Schwimmbäder, Theater oder die Musikschule, geschlossen würden. Dies hätte zwangsläufig zur Folge, dass den Mitarbeitern in diesen Einrichtungen gekündigt werden müsste. Wenn das LSG die vorgelegte Stellungnahme der Bezirksregierung nicht als Stellungnahme einer fachkundigen Stelle nach § 128 Abs 2 Nr 2 AFG betrachte, so hätte das LSG die Beteiligten hierauf hinweisen müssen. Sie hätte dann ohne weiteres und unverzüglich das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom und des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom sowie die Bescheide der Beklagten vom aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie geht davon aus, dass die Klägerin nicht ausreichend den Zusammenhang zwischen der Erstattungsforderung und der Gefährdung von Arbeitsplätzen dargelegt habe.

II

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Die Entscheidung des LSG verletzt § 128 Abs 2 Nr 2 AFG. Auf Grund der tatsächlichen Feststellung des LSG kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Klägerin dargelegt und nachgewiesen hat, dass die Erstattung für sie eine unzumutbare Belastung bedeuten würde.

Zu entscheiden ist allein über die Rechtmäßigkeit der Bescheide der Beklagten vom , die die früheren Bescheide aus den Jahren 1997 ersetzt haben und deshalb vom SG zu Recht gemäß § 96 SGG in das Verfahren einbezogen worden sind.

Ob die Klägerin zur Erstattung von insgesamt 32.065,61 DM an Alg nebst Beiträgen verpflichtet ist, richtet sich nach § 128 AFG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung von Fördervoraussetzungen im AFG und anderen Gesetzen vom , BGBl I 2044, hier in der zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom , BGBl I 1824, geänderten Fassung). Dies gilt auch, soweit über den Erstattungsanspruch für den Monat April 1997 zu entscheiden ist. § 128 AFG ist zwar durch Art 11 Nr 27 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom (BGBl I 594) mit Wirkung vom aufgehoben worden (Art 83 Abs 3 AFRG). Nach § 242x Abs 3 Nr 1 und Abs 6 AFG sowie § 431 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ist § 128 AFG jedoch weiter anzuwenden, wenn der Arbeitslose innerhalb der Rahmenfrist mindestens 360 Kalendertage vor dem in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, wie das hier bei G. der Fall war.

Zutreffend hat das LSG angenommen, dass eine Erstattungspflicht grundsätzlich in Betracht kommt. Nach § 128 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Beklagten vierteljährlich das Alg - unter Einschluss gezahlter Beiträge - für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Der am geborene G. hat bei der Klägerin von Mai 1976 bis April 1996 durchgehend in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden. Die Erstattungsforderung bezieht sich auf das dem G. ab gewährte Alg und die geleisteten Beiträge und damit ausschließlich auf die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen. Auch die Höchstdauer von 624 Tagen ist nicht überschritten.

Das LSG hat ein Eingreifen des Ausnahmetatbestands des § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 Alternative 2 AFG verneint, soweit danach die Erstattungspflicht nicht eintritt, wenn der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt. Ob dies zutrifft, kann allein auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden (vgl zu den Ermittlungsvoraussetzungen hinsichtlich der sog alternativen Sozialleistungsberechtigung das Urteil des Senats vom - B 7 AL 102/00 R - = SozR 3-4100 § 128 Nr 15). Auch ob andere Ausnahmetatbestände gemäß § 128 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 Nr 1 bis 7 AFG gegeben sind, kann auf Grund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht entschieden werden.

Die Erwägungen, mit denen das LSG ein Eingreifen des Ausnahmetatbestands des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG abgelehnt hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach dieser Vorschrift entfällt die Erstattungspflicht, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass die Erstattung für ihn eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die Erstattung der Fortbestand des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet wären, wobei zum Nachweis die Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle erforderlich ist. Die Klägerin konnte sich - auch als Kommune - grundsätzlich zum Ausschluss der Erstattungsforderungen auf § 128 Abs 2 Nr 2 AFG berufen. Zwar wurde durch das Job-AQTIV-Gesetz vom (BGBl I 3443) mittlerweile in § 147a Abs 2 Nr 2 SGB III geregelt, dass die Erstattungspflicht nur noch bei insolvenzfähigen Arbeitgebern entfallen kann. Die Neuregelung lässt jedoch nicht erkennen, dass es sich hierbei um eine Klarstellung handeln sollte und der Gesetzgeber etwa davon ausging, dass auch schon unter der Geltung des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG eine nichtinsolvenzfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts vom Einwand, sie werde durch die Erstattungspflicht unzumutbar belastet, ausgeschlossen werden sollte. Die erwähnte Neufassung des § 147a Abs 2 Nr 2 SGB III ist erst am in Kraft getreten (vgl hierzu Urteile des 11. Senats des Bundessozialgerichts <BSG> vom - B 11 AL 37/02 R = SozR 3-4100 § 128 Nr 16 und B 11 AL 40/01 R - unveröffentlicht).

Das LSG hat das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG - Gefährdung der verbleibenden Arbeitsplätze - verneint, weil die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen habe, dass der Stellenabbau das einzige Mittel zur Konsolidierung ihres Haushalts sei. Der von der Klägerin im Gerichtsverfahren behauptete, durch die Erfüllung der Erstattungsforderungen zukünftig eintretende Stellenabbau stelle - so das LSG - lediglich eine Möglichkeit dar. Dieser Rechtsansicht kann nicht gefolgt werden. Das LSG konnte insoweit die Rechtsprechung des 11. Senats des BSG noch nicht beachten, der der erkennende Senat folgt. Danach genügt es für die Anwendung der Härteregelung, dass die durch die Erstattungsforderungen herbeigeführte wirtschaftliche Gesamtsituation generell geeignet ist, auch den verbliebenen Bestand an Arbeitsplätzen zu gefährden (vgl BSGE 88, 31, 38 = SozR 3-4100 § 128 Nr 12). Ein Nachweis der Gefährdung konkreter Arbeitsplätze wird in dieser Rechtsprechung gerade nicht gefordert (vgl die Urteile vom , aaO).

Zwar ist der Hinweis der Beklagten zutreffend, dass nach dieser Rechtsprechung des BSG allein ein Haushaltsdefizit, also ein negativer Verwaltungshaushalt, Erstattungsansprüche gegenüber einer Kommune nicht ausschließt. Das BSG hat allerdings bei nicht konkursfähigen öffentlichen Unternehmen das negative Betriebsergebnis, also das Haushaltsdefizit einer Kommune, und die Erfüllung der Erstattungsforderungen aus der Substanz des Unternehmens als Indiz für die Gefährdung von Arbeitsplätzen gesehen (BSGE 88, 31, 40 = SozR 3-4100 § 128 Nr 12). Dass öffentliche Unternehmen und insbesondere Kommunen ungeachtet eines Haushaltsdefizits weiterhin jedenfalls Pflicht-, aber faktisch auch freiwillige Aufgaben erfüllen müssen, kann eine Gefährdung von Arbeitsplätzen ausschließen, weil weiteres Personal zum Ausgleich eines wegen der Erstattungsforderung wieder erhöhten Defizits nicht abgebaut werden kann. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung des 11. Senats jedoch nur, dass die Tatsache eines Haushaltsdefizits allein nicht ausreicht, um nachzuweisen, eine Erstattungsforderung nach § 128 AFG gefährde weitere Arbeitsplätze bei der Kommune.

Die Gefährdung weiterer Arbeitsplätze kann auch nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil die Klägerin nicht dargelegt und nachgewiesen hat, dass sie weder freiwillige Aufgaben einschränken noch Vermögen veräußern könne. Eine Forderung, an Stelle von Personalabbau andere, möglicherweise nicht personalrelevante Aufgaben einzuschränken oder Vermögen zu veräußern, ist unzulässig, denn sie greift in die Haushaltsgestaltung der Kommune ein. Erreicht diese das Einsparziel wegen der Erstattungsforderungen nicht, steht es ihr offen, dieses durch weitere Personaleinsparungen oder aber durch Einschränkungen von anderen Aufgaben zu verwirklichen. Die Entscheidung darüber liegt bei der Kommune. Legt diese dar, dass sie wegen der Erstattungsforderungen mehr Arbeitnehmer als vorgesehen entlassen muss, um ein Einsparziel im Personalbereich zu erreichen, so kann ihr mit dem Hinweis auf Einsparmöglichkeiten in anderen Bereichen der Nachweis der Gefährdung von Arbeitsplätzen nicht verwehrt werden (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 16 S 149). Eine solche Gefährdung von Arbeitsplätzen liegt jedenfalls dann nahe, wenn eine Kommune langdauernde Haushaltsdefizite aufweist und diesen mit Personaleinsparungen begegnet, also bereits in der Vergangenheit zur Reduzierung des Haushaltsdefizits tatsächlich die absolute Zahl der Beschäftigten über die bloße Fluktuation hinaus vermindert hat (BSG aaO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognoseentscheidung, ob durch die Erstattungsforderung Arbeitsplätze gefährdet werden, ist der Zeitpunkt, in dem die Erstattungsforderung zu erheben ist (BSGE 87, 132, 141 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10). Ist auch zu diesem Zeitpunkt eine weitere Personalverminderung geplant, liegt eine Gefährdung durch die Erstattungsforderung nahe (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 16 S 149).

Die Personalverminderung bezieht sich auf die bei der Kommune insgesamt Beschäftigten. Dabei ist auf alle Beschäftigten - einschließlich der Beamten - abzustellen. Da langjährige Angestellte und Arbeiter einen beamtenstatusähnlichen Kündigungsschutz genießen, ist es angemessen, die Beamten bei der Feststellung einer dem Umfang nach wesentlichen Gefahr für den verbleibenden Personalbestand einzubeziehen. Soweit Beschäftigte im Haushalt nicht mehr als solche ausgewiesen werden, sondern etwa in haushaltstechnisch ausgegliederten Bereichen geführt werden, ist dies keine Personalverminderung. Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen nicht aus, um zu entscheiden, ob die Klägerin gemessen an den eben dargestellten Anforderungen den ihr obliegenden Nachweis, durch die Erstattung wären die verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet, geführt hat. Für die Beurteilung einer unzumutbaren Belastung wegen der Gefährdung verbliebener Arbeitsplätze kommt es darauf an, dass die Klägerin ihrem Haushaltsdefizit durch wirkliche Personaleinsparungen - nicht etwa durch Verlagerung von Personal in haushaltstechnisch ausgegliederte Bereiche - begegnet und dass über die Fluktuation und Personalplanung hinaus wegen der Erstattungsforderungen Personaleinsparungen - bezogen auf den Zeitpunkt, in dem die Erstattungsbeträge zu erheben sind - in nicht unwesentlich vermehrtem Umfang geplant sind. Der Senat geht dabei davon aus, dass nicht jede noch so geringfügige Stellenreduktion als "wesentlich" angesehen werden kann. Einen Anhalt für die Wesentlichkeit eines geplanten Personalabbaus liefert insofern § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG. Jedenfalls soweit der dort genannte Schwellenwert von 3 vH überschritten ist, dürfte einer Kommune im Regelfall der Nachweis eines wesentlichen Personalabbaus gelungen sein.

Weiter setzt eine nach § 128 Abs 2 Nr 2 AFG zu berücksichtigende Gefährdung voraus, dass die Erstattungsforderungen der Bundesagentur für Arbeit im Verhältnis zu den durch die Personalverminderungen eingesparten Kosten nicht unwesentlich sind (BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 16, S 150). Hierfür ist der Nachweis erforderlich, dass die Erstattungsforderungen der Beklagten im Verhältnis zu den durch die Personalverminderung eingesparten Kosten - und nicht etwa im Verhältnis zum Gesamtumfang der Personalausgaben oder, wovon offensichtlich die Beklagte ausgeht, im Verhältnis zum Gesamthaushalt der Stadt - nicht unwesentlich sind. Das heißt konkret, dass bezogen auf die Prognosestichtage (vgl hierzu BSGE 87, 132, 141 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10) in den Jahren 1996 und 1997 darzulegen ist, welche Personaleinsparungen geplant waren bzw durchgeführt wurden (vgl zu den Voraussetzungen einer Prognoseentscheidung Pawlak in Hennig, SGB III, § 147a SGB III, RdNr 298 ff Stand April 2002). Eine nachträgliche Prognose darf spätere Entwicklungen bestätigend oder bekräftigend berücksichtigen. Im Gerichtsverfahren dürfen und müssen die Tatsachengerichte die Prognoseentscheidung treffen. Eine solche ist revisionsrechtlich nicht voll überprüfbar und kann nur mit Verfahrensrügen angegriffen werden (vgl grundlegend Urteil des Senats vom - BSG SozR 3-4100 § 36 Nr 5 S 13 und Pawlak aaO, RdNr 300). Sodann ist darzulegen, in welchem Verhältnis die Erstattungsforderungen der Beklagten im maßgeblichen Prognosezeitraum zu den durch die Personalverminderungen eingesparten Kosten stehen. Machen die Erstattungsforderungen einen hohen Prozentsatz der Einsparungen aus, so kann dieser Quotient zugleich als Indiz für die Kausalität der Erstattungsforderungen für den Personalabbau dienen. Bislang ist hierzu von der Klägerin lediglich global und für sehr lange Zeiträume vorgetragen worden, welche Summe die Erstattungsforderungen seitens der Beklagten insgesamt erreicht haben (2,1 Millionen DM). Maßgebend sind demgegenüber Darlegungen zum konkreten Verhältnis der Erstattungsforderungen zu den Personaleinsparungen im Prognosezeitraum. Insoweit fehlt es bislang an einer nachvollziehbaren Prognoseentscheidung des LSG.

Die Klägerin wird mithin ihr Vorbringen im Rahmen der ihr insoweit obliegenden Darlegungslast gemäß § 128 Abs 2 Nr 2 AFG zu ergänzen haben. Sie wird ihr Vorbringen insbesondere mit der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zur Gefährdung der verbleibenden Arbeitsplätze substantiieren müssen. Es kann hier offen bleiben, inwieweit die Vorlage einer solchen Stellungnahme gemäß § 128 Abs 2 Nr 2 AFG generell materielle Voraussetzung für das Vorliegen des Befreiungstatbestands des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG ist (vgl hierzu Brand in Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, RdNr 86 zu § 128 AFG). Aus dem Gesetzeswortlaut des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG und der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 12/3211 S 26) dürften sich starke Hinweise dafür ergeben, dass der Arbeitgeber den Nachweis ohne Vorlage einer entsprechenden Stellungnahme generell nicht erbringen kann (vgl hierzu Pawlak in Hennig, aaO, RdNr 304). Dies kann allerdings insoweit dahinstehen, als die Klägerin bereits eine Stellungnahme der Bezirksregierung M vorgelegt hat und als fachkundige Stelle auch die kommunale Aufsichtsbehörde in Betracht kommt (so BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 16, S 150). Zu Recht hat das LSG allerdings darauf verwiesen, dass die bisherigen Stellungnahmen der Bezirksregierung M als Kommunalaufsichtsbehörde allenfalls globale Aussagen über die künftige Haushaltsentwicklung der Klägerin enthalten und insofern - jedenfalls inhaltlich - nicht geeignet sind, den Ausnahmetatbestand des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG zu begründen.

Der 11. Senat hat in seinen Urteilen vom keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben, ab welcher Größenordnung der prognostizierten Personaleinsparung und ab welchem Verhältnis der Erstattungsforderungen zu den Personaleinsparungen der Tatbestand der Unzumutbarkeit iS des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG vorliegt. Der erkennende Senat hält - wie ausgeführt - die 3 %-Grenze des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 6 AFG insoweit für eine Größe, die eine Wesentlichkeit des Personalabbaus indizieren könnte. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Unzumutbarkeit" iS des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG war auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber den Kommunen ab ein Geltendmachen des Ausnahmetatbestands des § 128 Abs 2 Nr 2 AFG (bzw § 147a Abs 2 Nr 2 Satz 3 SGB III) generell verwehrt. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber auch vor der Rechtsänderung nicht jede noch so kleine Belastung einer Kommune durch Erstattungsforderungen (im Verhältnis zum geplanten Personalabbau) als unzumutbar qualifiziert wissen wollte.

Sollte das LSG bei der erneuten Entscheidung zum Ergebnis kommen, dass die Erstattungspflicht nach § 128 Abs 2 Nr 2 AFG nicht zu Gunsten der Klägerin entfallen kann, wird es auch Gelegenheit haben, die Erstattungsforderung der Höhe nach zu überprüfen. Bislang ist auf Grund der fehlenden Feststellungen des LSG zur Höhe des Bemessungsentgelts und des Alg des Arbeitnehmers G. nicht nachvollziehbar, ob die Erstattungsforderung in der Höhe richtig berechnet worden ist. Dabei wird auch der Beginn des Erstattungszeitraums (nach den Verwaltungsakten dürfte eine Sperrzeit zu Lasten von G. eingetreten sein) zu überprüfen sein. Ebenso besteht Anlass, die Höhe der zu erstattenden Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung zu überprüfen (vgl grundlegend hierzu das Urteil des Senats vom - SozR 3-4100 § 128 Nr 15 S 143 ff).

Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
XAAAC-14349