BSG Urteil v. - B 6 KA 4/03 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGG § 70 Nr 4; DO § 8 Abs 2

Instanzenzug:

Gründe

I

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung, ein Disziplinarverfahren durchzuführen.

Kläger ist der Vorstand einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV), Beklagter der bei ihr gebildete Disziplinarausschuss.

Die KZÄV forderte im Jahr 1999 die zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen beigeladenen Zahnärztinnen, die in einer Gemeinschaftspraxis tätig sind, auf, ihr Behandlungsunterlagen zur Durchführung einer Plausibilitätsprüfung auszuhändigen. Nachdem die Beigeladenen dem Begehren der KZÄV nicht in der von dieser gewünschten Form nachgekommen waren, beantragte der Kläger mit Schreiben vom bei dem Vorsitzenden des Beklagten, ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Nach Durchführung von Ermittlungen wies der Beklagte den Antrag mit der Begründung zurück, es lasse sich nicht feststellen, dass die Beigeladenen die Erledigung der Anforderung der KZÄV bewusst verschleppt hätten.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Verpflichtung des Beklagten begehrt, den Beschluss über die Ablehnung der Eröffnung eines Disziplinarverfahrens aufzuheben und ein solches durchzuführen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Es hat klargestellt, Kläger sei der Vorstand der KZÄV und nicht diese selbst. Bedenken gegen die Beteiligtenfähigkeit des beklagten Disziplinarausschusses im sozialgerichtlichen Verfahren bestünden nicht. Dessen Entscheidung in der Sache sei nicht ermessensfehlerhaft. Die Forderung der KZÄV nach Vorlage von 653 Originalkarteikarten sei im Hinblick auf die bestehenden Verdachtsmomente gegenüber der Abrechnungsweise der Beigeladenen unverhältnismäßig gewesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil eine KZÄV nicht berechtigt sei, im Wege einer Klage gegen den bei ihr gebildeten Disziplinarausschuss vorzugehen. Dieser sei nicht fähig, an einem sozialgerichtlichen Verfahren als Kläger, Beklagter oder Beigeladener beteiligt zu sein. Aus der fehlenden Beteiligtenfähigkeit des Beklagten folge die Unzulässigkeit der Klage (Urteil vom ).

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften. Das LSG hätte die Klage gegen den bei der KZÄV gebildeten Disziplinarausschuss nicht für unzulässig halten dürfen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei eine KZÄV im Rahmen ihrer Satzungsautonomie berechtigt, die Disziplinargewalt einem weisungsfreien Disziplinarausschuss zu übertragen. Da in der von der KZÄV erlassenen Disziplinarordnung (DO), die Bestandteil ihrer Satzung sei, die Berechtigung des Vorstandes vorgesehen sei, Klage gegen die Zurückweisung oder Ablehnung eines Antrags auf Einhaltung eines Disziplinarverfahrens zu erheben (§ 8 Abs 2 DO), dürften die verfahrensrechtlichen Regelungen im Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht so ausgelegt werden, dass ihm - dem Kläger - dieser Weg verschlossen werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom und des Sozialgerichts Magdeburg vom sowie die Entscheidung des Beklagten vom aufzuheben und diesen zu verpflichten, das Disziplinarverfahren gegen die beigeladenen Zahnärztinnen zu eröffnen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision der KZÄV als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

sie zurückzuweisen.

Das Berufungsgericht habe zutreffend entschieden, dass er im sozialgerichtlichen Verfahren nicht beteiligtenfähig sei.

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

sie zurückzuweisen.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.

II

Kläger im Sinne des § 69 Nr 1 SGG ist der Vorstand der KZÄV als ihr Vertretungsorgan und nicht die KZÄV selbst. Mit dieser vom SG ausdrücklich klargestellten und von den Beteiligten nicht in Frage gestellten Beteiligtenstellung ist der Rechtsstreit dem BSG angefallen, auch wenn im Berufungsrechtszug die KZÄV als Klägerin geführt worden ist.

Die Revision des Klägers hat im Sinne der Zurückverweisung Erfolg. Das LSG hat seine Klage zu Unrecht als unzulässig angesehen. Der Senat kann in der Sache selbst nicht entscheiden (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung für unzulässig gehalten, sie könne nicht gegen den Disziplinarausschuss erhoben werden, weil dieser nicht beteiligtenfähig sei. Das trifft jedoch in der hier zu beurteilenden Konstellation nicht zu. Das Berufungsgericht hat untersucht, ob der Disziplinarausschuss als gemeinsames Entscheidungsgremium von Leistungserbringern und Krankenkassen iS des § 70 Nr 4 SGG beteiligtenfähig ist und dies im Ergebnis zutreffend verneint. Der Disziplinarausschuss ist kein gemeinsames Entscheidungsgremium iS dieser Vorschrift, weil in ihm keine Vertreter von Krankenkassen mitwirken (vgl Reinhold in Ehlers [Hrsg], Disziplinarrecht und Zulassungsentziehung, 2001, RdNr 253). Es handelt sich bei dem Disziplinarausschuss vielmehr um einen allein der K(Z)ÄV zugeordneten Ausschuss, dessen Entscheidungen sich die K(Z)ÄV als Trägerin des Ausschusses zurechnen lassen muss (Hess in Kasseler Kommentar, § 81 SGB V, RdNr 25 sowie allgemein Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, 2002, § 70 RdNr 5). Dementsprechend sind Klagen von Ärzten und Zahnärzten, die Entscheidungen des Disziplinarausschusses zum Gegenstand haben, nicht gegen diesen, sondern gegen die K(Z)ÄV als seinen Rechtsträger zu richten (BSGE 73, 66, 67 = SozR 3-2500 § 2 Nr 2 S 3).

Die fehlende Beteiligtenfähigkeit des Disziplinarausschusses iS des § 70 Nr 4 SGG besagt indessen nichts Abschließendes darüber, ob in Streitverfahren zwischen dem Vorstand einer KZÄV und dem Disziplinarausschuss dieser beteiligtenfähig ist. Es handelt sich nämlich in der vorliegenden Konstellation - worauf das Berufungsgericht nicht näher eingegangen ist - um einen In-Sich-Prozess, also um ein sozialgerichtliches Verfahren, das eine Behörde führt, um die Rechtmäßigkeit der Entscheidung einer anderen Behörde desselben Rechtsträgers in zuständigkeitsrechtlicher oder sachlich-rechtlicher Hinsicht überprüfen zu lassen (vgl dazu Redeker/von Oertzen, VwGO, 13. Auflage, 2000, § 63 RdNr 8; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage, 2003, § 63 RdNr 7; Schmidt-Aßmann, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner [Hrsg], VwGO, Stand Januar 2002, Einleitung RdNr 171 sowie Wahl/Schütz, ebenda, § 42 Abs 2 RdNr 102). Ob ein solcher In-Sich-Prozess statthaft ist, beurteilt sich nach den von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des BSG entwickelten Grundsätzen. Die Vorschriften über die Beteiligtenfähigkeit (§ 70 SGG; vgl auch § 61 Verwaltungsgerichtsordnung <VwGO>) besitzen insoweit - wie das BVerwG zu § 61 VwGO entschieden hat - keinen weiteren Erkenntniswert (BVerwGE 45, 207, 208). Deshalb ist auch die vom LSG erörterte Frage, ob der Disziplinarausschuss, dessen Behördeneigenschaft als solche nicht in Frage steht (so - zumindest für die Zeit bis zum Abschluss des Disziplinarverfahrens - Reinhold, aaO, RdNr 254), nach § 70 Nr 3 SGG als Behörde nach Maßgabe landesrechtlicher Vorschriften beteiligtenfähig sein kann, obwohl eine entsprechende landesgesetzliche Regelung fehlt, hier ohne Bedeutung. Ist nach den maßgeblichen bundesrechtlichen Rechtsgrundsätzen ein In-Sich-Prozess zulässig, so sind die Vorschriften über die Beteiligtenfähigkeit entsprechend anzuwenden. Deshalb kann eine Stadt unter Geltung des die VwGO wie das SGG prägenden Rechtsträgerprinzips (vgl Meyer-Ladewig, aaO, § 70 RdNr 4) als Körperschaft des öffentlichen Rechts zugleich Kläger und Beklagter sein, wenn sie sich gegen eine Widerspruchsentscheidung ihres eigenen Stadtrechtsausschusses wendet, ohne dass daraus schon Schlussfolgerungen für die Zulässigkeit der Klage gezogen werden könnten (BVerwGE 45, 207, 208). Das BSG hat in ähnlicher Weise ein sozialgerichtliches Streitverfahren von zwei Behörden des Freistaats Bayern gegeneinander für zulässig gehalten, ohne die Beteiligtenfähigkeit der klagenden wie der beklagten Behörde iS des § 70 SGG näher zu erörtern (BSGE 39, 260 = SozR 3100 § 52 Nr 1).

Ein solcher In-Sich-Prozesses ist somit nach den Entscheidungen des (BVerwGE 45, 207) und vom (NJW 1992, 927) sowie des (BSGE 39, 260 = SozR 3100 § 52 Nr 1) als "Ausnahmefall" zulässig. Er kann geführt werden, wenn eine Behörde in eigenen Rechten verletzt sein kann und sich aus dem materiellen Recht klagefähige Rechtspositionen ergeben, kraft derer eine Behörde ähnlich wie ein Bürger ihre Befugnisse gegenüber der staatlichen Hoheitsgewalt verteidigt (so etwa Wahl/Schütz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner [Hrsg], aaO, § 42 Abs 2 RdNr 102). Typischer Anwendungsfall für einen In-Sich-Prozess ist die Konstellation, dass ein Verwaltungsakt von einem Gremium erlassen ist, das nicht an Weisungen gebunden ist, also etwa ein Streit zwischen einem Sozialleistungsträger und dessen weisungsfreiem Organ (Meyer-Ladewig, aaO, § 54 RdNr 15b).

Allerdings ist ein In-Sich-Prozess trotz Vorliegens einer solchen Konfliktlage immer dann ausgeschlossen, mithin unzulässig, wenn die beteiligten Behörden im Verhältnis von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde zueinander stehen (BVerwGE 45, 207, 210) oder wenn der Streit durch eine für beide streitenden Behörden gemeinsame Entscheidungsspitze geklärt werden kann (BVerwG NJW 1992, 927; BSGE 39, 260, 263 = SozR aaO S 3 f). Eine verwaltungsinterne Möglichkeit, einen Streit verbindlich beizulegen, macht einen In-Sich-Prozess vor einem Verwaltungs- bzw Sozialgericht regelmäßig unzulässig (vgl BSGE aaO S 263 = SozR aaO S 3 f). Die gemeinsame Entscheidungsspitze darf sich nicht einer streitentscheidenden Klärung verweigern und die streitenden Behörden stattdessen auf den Weg der gerichtlichen Konfliktlösung verweisen.

Beide aufgezeigten Ausnahmetatbestände greifen hier nicht ein. Der klagende Vorstand als Organ der KZÄV (§ 79 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch <SGB V>) und der bei dieser gebildete beklagte Disziplinarausschuss stehen zueinander nicht im Verhältnis von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde. Es ist auch keine für beide Organe bzw Behörden gemeinsame Entscheidungsspitze vorhanden. Das könnte nach Lage der Dinge allenfalls die Vertreterversammlung als weiteres Organ der KZÄV sein (§ 79 Abs 1 SGB V). Dem steht jedoch die Weisungsfreiheit der Mitglieder des Disziplinarausschusses nach § 3 Abs 1 Satz 2 DO der KZÄV entgegen.

Danach hängt die Zulässigkeit des In-Sich-Prozesses im vorliegenden Verfahren davon ab, ob dem Disziplinarausschuss ein eigener Rechte- und Pflichtenkreis eingeräumt worden ist, den er auch gegenüber den Organen der KZÄV als seinem Rechtsträger zu verteidigen berechtigt ist, und ob der Vorstand seinerseits befugt ist, die Entscheidungen des Disziplinarausschusses auf die Vereinbarkeit mit Recht und Gesetz überprüfen zu lassen. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Die KZÄV hat die ihr nach § 81 Abs 5 SGB V zustehende Disziplinargewalt über ihre Mitglieder auf einen Disziplinarausschuss übertragen. Nach den vom LSG in Bezug genommenen landesrechtlichen Vorschriften der DO in der Fassung der Beschlüsse der Vertreterversammlung vom wird für die Durchführung von Disziplinarverfahren bei der KZÄV Sachsen-Anhalt ein Disziplinarausschuss gebildet (§ 2 DO). Der Ausschuss besteht aus einem Vorsitzenden und vier Beisitzern. Der Vorsitzende muss die Befähigung zum Richteramt haben; die Beisitzer müssen der KZÄV als ordentliche Mitglieder angehören. Nach § 3 Abs 1 Satz 2 DO sind die Mitglieder des Disziplinarausschusses bei ihrer Entscheidung unabhängig und an Weisungen nicht gebunden. Nach § 5 Abs 1 Satz 1 DO stellt der Vorstand Anträge auf Eröffnung und Durchführung eines Disziplinarverfahrens. Der Disziplinarausschuss kann den Antrag des Vorstands auf Eröffnung eines Disziplinarverfahrens als unbegründet zurückweisen oder wegen Geringfügigkeit ablehnen (§ 8 Abs 1 DO). Gegen Zurückweisung oder Ablehnung kann der Vorstand Klage erheben (§ 8 Abs 2 DO).

Diese Regelungen bringen mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass die KZÄV die ihr als Körperschaft des öffentlichen Rechts zustehende Disziplinargewalt auf einen bei ihr zu errichtenden Ausschuss übertragen hat, dessen Mitglieder frei von Weisungen des Vorstands und der Vertreterversammlung entscheiden sollen, und dessen Vorsitzender gerade nicht Mitglied der KZÄV sein darf. Der Senat hat die K(Z)ÄVen stets für berechtigt gehalten, die Disziplinargewalt kraft der ihnen zukommenden Satzungsautonomie (bzw auf der Grundlage von § 17 des Ersatzkassenvertrages für Zahnärzte <EKV-Z> idF von 1955) auf bei ihnen gebildete Disziplinarausschüsse zu übertragen (Urteil vom - 6 RKa 10/62 - = SozR Nr 3 zu § 368m RVO). In seinem Urteil vom - B 6 KA 36/00 R - (SozR 3-2500 § 81 Nr 7) hat der Senat ausdrücklich daran festgehalten, dass § 81 Abs 5 SGB V die Übertragung der Disziplinargewalt auf einen Disziplinarausschuss gestattet, eine entsprechende satzungsmäßige Regelung aber nicht vorschreibt. Hinsichtlich der Zusammensetzung des Disziplinarausschusses insbesondere hinsichtlich des Einsatzes von rechtskundigen Mitgliedern steht der K(Z)ÄV ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BSG SozR 3 aaO, S 30). Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung wird im Schrifttum nicht in Zweifel gezogen (vgl aus jüngster Zeit etwa J. Schroeder-Printzen in Schnapp/Wigge [Hrsg], Handbuch des Vertragsarztrechts, 2002, § 17 RdNr 3; lediglich rechtspolitische Anregungen hinsichtlich einer Klarstellung im Gesetz bei Hess, Kasseler Kommentar, aaO, RdNr 25).

In seinem Beschluss vom (- 6 RKa 17/75 -, unveröffentlicht) hat der Senat darüber hinaus bekräftigt, dass der Disziplinarausschuss seine Tätigkeit im Namen der KZÄV ausübt. Er hat es ausdrücklich mit diesem Grundsatz für vereinbar erklärt, dass die KZÄV nach § 15 Abs 3 der Disziplinarordnung der KZÄV Nordwürttemberg in der damals geltenden Fassung "Berufung" gegen die Entscheidung des Disziplinarausschusses einlegen kann. Diese Befugnis der KZÄV als Trägereinrichtung des Disziplinarausschusses, gegen die Entscheidung des Disziplinarausschusses Rechtsmittel einlegen zu können, ist vom Senat in Verbindung mit der Weisungsfreiheit der Mitglieder des Disziplinarausschusses sogar als "erforderlich" bezeichnet worden. Auch in dem Fall des Senatsurteils vom (SozR Nr 3 zu § 368m RVO) sah § 17 Nr 2 des EKV-Z idF von 1955 eine Befugnis der KZÄV vor, Rechtsmittel gegen Entscheidungen der weisungsfrei agierenden Disziplinarausschüsse einzulegen. Bedenken dagegen hat der Senat nicht geäußert, sondern nur darauf verwiesen, dass es sich insoweit um ein im Vertrag (gemeint: EKV-Z) und in den Richtlinien verbindlich geordnetes "In-Sich-Verfahren" handele, das "unserem Recht nicht fremd" sei (SozR aaO, Aa 4 R).

Im Einklang mit dieser Rechtsprechung sehen zahlreiche Disziplinarordnungen von K(Z)ÄVen vor, dass der Vorstand gegen Entscheidungen des Disziplinarausschusses, ein Disziplinarverfahren nicht zu eröffnen, ggf einzustellen oder den Arzt (Zahnarzt) freizusprechen, Klage erheben kann. Ob eine solche Regelung im Hinblick auf die Weisungsfreiheit der Mitglieder des Disziplinarausschusses "erforderlich" ist, wie der Senat im zitierten Beschluss vom angenommen hat, kann offen bleiben. Jedenfalls steht sie nicht im Widerspruch zu § 81 Abs 5 SGB V und ist zudem sachgerecht. Sie berücksichtigt insbesondere, dass die der K(Z)ÄV als Institution anvertraute Disziplinargewalt es ihr ermöglichen soll, auf ihre Mitglieder in der Weise einzuwirken, dass diese ihre vertrags(zahn)ärztlichen Pflichten erfüllen. Dieses Instrument der Einwirkung ist für die K(Z)ÄVen unverzichtbar, weil sie institutionell gegenüber den Krankenkassen die Gewähr für eine dem Gesetz und den untergesetzlichen Vorschriften entsprechende vertrags(zahn)ärztliche Versorgung übernehmen (§ 75 Abs 1 Satz 1 SGB V). Die Übertragung der Disziplinargewalt auf einen weisungsfrei entscheidenden Ausschuss kann in extrem gelagerten Fällen zur Konsequenz haben, dass die K(Z)ÄV dieser Gewährleistungsverpflichtung nicht in vollem Umfang genügen kann. Diese Situation tritt ein, wenn die K(Z)ÄV selbst die Beanstandung von Krankenkassen hinsichtlich des Verhaltens ihrer Mitglieder teilt, der Disziplinarausschuss sich aber weigert, deswegen Disziplinarverfahren einzuleiten oder Disziplinarmaßnahmen gegen die betroffenen (Zahn)Ärzte zu verhängen. Für diese Konstellation erweist sich die Rechtsmittelbefugnis der K(Z)ÄV gegenüber ihrem Disziplinarausschuss als sachgerecht.

Die Gegenauffassung (zB Reinhold, aaO, RdNr 271) verweist insoweit auf "das Feld aufsichtsrechtlicher Maßnahmen", ohne dass näher dargelegt würde, mit welchen aufsichtsrechtlichen Mitteln die K(Z)ÄV insoweit gegenüber ihrem Disziplinarausschuss vorgehen könnte. Jedenfalls in einer Situation, in der die Disziplinarordnung derartige Maßnahmen nicht vorsieht, sondern den Vorstand gerade darauf verweist, im Konfliktfall gegen Entscheidungen des Disziplinarausschusses Rechtsmittel einzulegen, würde die Verneinung der Zulässigkeit eines In-Sich-Prozesses die K(Z)ÄV außer Stande setzen, ihre Gewährleistungsverpflichtung gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen. Diesen bliebe dann nur die Möglichkeit, Zulassungsentziehungsanträge (vgl § 27 Satz 2 Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte) gegen die betroffenen Zahnärzte zu stellen. Für das Vorliegen einer gröblichen Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten als Entziehungsgrund (§ 95 Abs 6 Satz 1 SGB V) ist zwar nach der Rechtsprechung des Senats die Frage, ob ein Disziplinarverfahren durchgeführt worden ist oder hätte durchgeführt werden sollen, ohne Bedeutung (BSGE 66, 6, 8 = SozR 2200 § 368a Nr 24 S 82). Gleichwohl könnten an der Verhältnismäßigkeit einer Zulassungsentziehung Zweifel bestehen, wenn lediglich Pflichtverletzungen im Raum stehen, die üblicherweise disziplinarisch ausreichend geahndet werden. Wenn Disziplinarmaßnahmen in einem konkreten Fall an sich insoweit ausreichend wären, dürfte schwerlich gerechtfertigt sein, nur deshalb eine Zulassungsentziehung auszusprechen, weil ein Disziplinarausschuss sich prinzipiell weigert, Disziplinarmaßnahmen bei erkennbar zu Tage liegenden Pflichtverletzungen zu verhängen. Eine solche Situation ist nicht typisch, aber auch nicht völlig ausgeschlossen. Deshalb kann nicht generell davon ausgegangen werden, dass eine K(Z)ÄV durch Entscheidungen des Disziplinarausschusses niemals in ihren "Rechten" iS des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG verletzt ist (aA Reinhold, aaO, S 271). Mit "eigenen Rechten" ist in der Konstellation des In-Sich-Prozesses der der jeweiligen Behörde bzw dem betroffenen Organ gesetzlich zugewiesene Aufgabenkreis gemeint; die Verletzung subjektiver Rechte scheidet aus, weil Organe bzw Behörden der mittelbaren und unmittelbaren Staatsverwaltung über solche Rechtspositionen nicht verfügen.

Soweit gegen die hier vertretene Rechtsauffassung eingewandt wird, die generelle oder weit gehende Zulassung von In-Sich-Prozessen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von unabhängigen Ausschüssen werfe die Frage auf, ob nicht durch das Anfechtungsrecht der Behörde gegen Entscheidungen des von oder bei ihr gebildeten Ausschusses der Sinn der Einrichtung eines weisungsfreien Ausschusses in sein Gegenteil verkehrt werde (so Meyer-Ladewig, aaO, § 54 RdNr 15c), bewegen sich diese Bedenken eher im rechtspolitischen Bereich. Hinsichtlich der Disziplinarausschüsse hat der Senat bereits in seinem Urteil vom darauf hingewiesen, dass die Übertragung einzelner Aufgaben auf selbstständige Ausschüsse insbesondere dort angebracht sein könne, wo es sich um gerichtsähnliche Funktionen handelt, deren Ausgliederung aus den Funktionen der Vertreterversammlung und des Vorstands aus Gründen einer objektiven und unbeeinflussten Entscheidung sachdienlich erscheine. Die Übertragung der Disziplinarbefugnis auf eine Stelle, die wegen ihrer weisungsfreien Mitwirkung eines Juristen den Mitgliedern der K(Z)ÄV im Allgemeinen die Gewissheit verschaffe, dass bei ihren Entscheidungen sachfremde Erwägungen ausgeschaltet seien, trage den besonderen Anforderungen eines Disziplinarverfahrens Rechnung (SozR Nr 3 zu § 368m RVO, Aa 4; s auch BSG SozR 3-2500 § 81 Nr 7 S 29 f). Wenn eine K(Z)ÄV es im Rahmen der ihr zukommenden Gestaltungsfreiheit hinsichtlich ihrer Satzung einerseits für geboten hält, diese Vorteile eines aus dem Verwaltungsbetrieb gewissermaßen ausgelagerten Disziplinarverfahrens zu nutzen, ohne andererseits alle Einflussmöglichkeiten auf die Ausübung der Disziplinargewalt aus der Hand zu geben und so Gefahr zu laufen, die Gewährleistungsverpflichtung gegenüber den Krankenkassen nicht mehr effektiv durchsetzen zu können, ist das insgesamt nicht zu beanstanden. Die Befürchtung, dass durch die Zulassung derartiger In-Sich-Prozesse die Gerichtsbarkeit missbraucht werde, ist angesichts des Umstands, dass Verfahren der hier zu beurteilenden Art in nennenswerter Anzahl in den letzten Jahrzehnten bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht angefallen sind, eher fern liegend.

Nach alldem hat das SG die Klage zu Recht als zulässig und den beklagten Disziplinarausschuss als beteiligtenfähig angesehen. Das Berufungsgericht hat sich - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - mit den sachlichen Bedenken des Klägers gegen die Entscheidung des SG, wonach der Beklagte sich zu Recht geweigert habe, ein Disziplinarverfahren gegen die Beigeladenen zu eröffnen, nicht auseinander gesetzt. Dies wird das Berufungsgericht nach der Zurückverweisung der Sache nachzuholen und bei dieser Gelegenheit auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mitzuentscheiden haben.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
ZAAAC-14062